Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Musger als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solè sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** 2016 verstorbenen C***** P*****, über den Revisionsrekurs des Witwers J***** P*****, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Akteneinsicht, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Dezember 2017, GZ 4 R 249/17t-55, womit infolge Rekurses des Witwers der Beschluss des Bezirksgerichts Weiz vom 9. August 2017, GZ 28 A 655/16w-44, (im Ergebnis) bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ausspruch über die Zurückweisung des Rekurses, soweit dieser vom Witwer „als Partei“ erhoben wurde, entfällt.
Text
Begründung:
Die am ***** 2016 ohne letztwillige Anordnung verstorbene Erblasserin hinterließ ihren Ehemann und zwei Kinder. Bisher wurden keine Erbantrittserklärungen abgegeben. Mit Beschluss vom 18. 11. 2016 wurde der Schwiegersohn der Erblasserin, der zuletzt auch als deren einstweiliger Sachwalter fungiert hatte, zum Verlassenschaftskurator bestellt.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. 3. 2017 wurde der Witwer des Verbrechens des versuchten Totschlags nach den §§ 15, 76 StGB an seiner Ehefrau für schuldig erkannt (Tathandlung am 24. 7. 2016) und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Mit Schreiben vom 1. 6. 2017 trat eine vom Verlassenschaftskurator bevollmächtigte Rechtsanwältin namens der Verlassenschaft an den Witwer mit einer Forderung auf Zahlung von Unterhalt für den Zeitraum vom 24. 7. 2016 bis zum Todestag sowie von Schmerzengeld in Höhe von 150.000 EUR an den Witwer heran. Daraufhin ersuchte der Witwer um Übersendung des gesamten Verlassenschaftsakts im Wege des ERV gegen Gebühreneinzug an seinen rechtsfreundlichen Vertreter. Die Tatsache, dass es sich bei ihm um einen gesetzlichen Erben handle, begründe ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht. Diesem Ersuchen trat der Gerichtskommissär mit der Begründung entgegen, der Witwer sei erbunwürdig gemäß § 540 Abs 1 ABGB aF und habe „daher“ keine Parteistellung.
In weiterer Folge stellte der Witwer beim Erstgericht den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht. Ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht könne nach der Rechtsprechung auch durch die Verfolgung von Ansprüchen begründet sein. Im konkreten Fall bestehe eine vergleichbare Interessenlage, da er zur Zahlung von Schadenersatz aufgefordert worden sei. Um allenfalls ungerechtfertigte Ansprüche abwehren und seine rechtlichen Interessen bestmöglich wahren zu können, müsse der Witwer Kenntnis vom Inhalt des Verlassenschaftsverfahrens und den Handlungen des Verlassenschaftskurators erlangen, von dem eine neutrale, unvoreingenommene Erfüllung seiner Pflichten nicht zu erwarten sei. Im Übrigen würden es die beim Witwer im Zeitpunkt der Tat vorgelegenen psychischen Umstände nicht rechtfertigen, dass er als erbunwürdig anzusehen sei. Es komme ihm daher auch Parteistellung zu.
Der Verlassenschaftskurator sprach sich gegen die Gewährung der Akteneinsicht aus.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Der Witwer sei mangels Abgabe einer Erbantrittserklärung nicht Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Ob ihm Akteneinsicht zu gewähren sei, entscheide sich daher nach § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 2 ZPO. Eine Zurverfügungstellung von Informationen aus dem Verlassenschaftsakt scheine jedoch keine Auswirkungen auf seine Rechtsstellung zu haben.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Witwers insoweit zurück, als er sich gegen die Abweisung des Antrags „als Partei“ richte, und gab ihm „im Übrigen“ nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht teilte die Ansicht zur fehlenden Parteistellung des Witwers und meinte, damit mangle es ihm – soweit er sich auf seine Rechtsstellung als Erbe und als Partei berufe – auch an der Rekurslegitimation. Soweit er aber seinen Antrag „als Dritter“ gestellt habe, fehle es ihm am rechtlichen Interesse. Seine diesbezügliche Begründung sei nicht nachvollziehbar.
Der ordentliche Revisionrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der Rechtsfrage abhänge, ob einem potenziellen Erben, dem mangels Abgabe einer Erbantrittserklärung (noch) keine Parteistellung zukomme, unter den Voraussetzungen des § 219 Abs 2 ZPO (iVm § 22 AußStrG) „als Drittem“ Einsicht zu gewähren wäre. Bei Verneinung dieser Frage müsste der Rekurs zur Gänze mangels Rekurslegitimation zurückgewiesen werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Witwers mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne der Stattgebung seines Einsichtsbegehrens.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die gebotene Interessenabwägung unterließ. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Der Witwer beharrt einerseits auf seiner Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren. Andererseits verweist er auf jene Rechtsprechung, nach der das rechtliche Interesse auf Akteneinsicht im Zusammenhang mit der Durchsetzung oder der Abwehr eines Anspruchs bestehen kann. Aus dem Grundrecht auf Datenschutz resultierende Geheimhaltungsinteressen lägen im gegenständlichen Fall nicht vor.
Hiezu wurde erwogen:
1. Zur Rechtslage:
1.1 Nach § 22 AußStrG sind im Außerstreitverfahren ua die Bestimmungen der Zivilprozessordnung „über die Akten“ (§§ 218 f ZPO) sinn-gemäß anzuwenden. Darunter fallen auch die Bestimmungen über die Akteneinsicht (§ 219 ZPO). Mit dem Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl I 2018/32, wurde mit Wirkung vom 25. 5. 2018 in § 219 Abs 2 ZPO die Wendung „im Sinne des § 26 Abs 2 erster Satz DSG 2000“ durch die Wendung „im Sinne des Art 23 DSGVO“ ersetzt. Damit soll, wie in den Gesetzesmaterialien ausgeführt wird, die Umschreibung der im „öffentlichen Interesse“ zu berücksichtigenden Aspekte im Zuge der gemäß § 219 Abs 2 ZPO zu treffenden Interessenabwägung an die in Art 23 DSGVO getroffene Wertung angepasst werden (ErläutRV 65 BlgNR XXVI. GP 174).
1.2 Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). Zur Änderung des § 219 Abs 2 ZPO wurde keine Übergangsregelung getroffen (vgl Art 114 Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018), sodass in diesem Rechtsmittelverfahren die geänderte Fassung anzuwenden ist:
Somit haben gemäß § 219 Abs 1 ZPO jedenfalls die Parteien ein Recht auf Akteneinsicht und mit deren Zustimmung nach § 219 Abs 2 ZPO auch Dritte, soweit dem nicht überwiegende Interessen eines Dritten oder überwiegende öffentliche Interessen iSv Art 23 Abs 1 DSGVO entgegenstehen. Fehlt eine Zustimmung, muss der Einsichtswerber überdies ein rechtliches Interesse glaubhaft machen.
2. Zur Rekurslegitimation des Witwers:
2.1 Gegenstand der erstinstanzlichen Beurteilung war zunächst die Frage, ob dem Witwer als potenziellem Erben materielle Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren zukommt (§ 2 Abs 1 Z 3 AußStrG) und er daher gemäß § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 1 ZPO ohne weitere Voraussetzungen zur Akteneinsicht berechtigt ist. Dabei handelte es sich um eine meritorische Prüfung des Einsichtsbegehrens. Der Witwer bekämpfte in seinem Rekurs ua die seine Parteistellung verneinende Rechtsansicht. Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob einem Einschreiter Parteistellung zukommt, ist dieser aber sogar dann rekurslegitimiert, wenn es dabei – anders als hier – um das Vorliegen einer Prozessvoraussetzung geht (vgl RIS-Justiz RS0035423 [T1]). Umso eher war das Rechtsmittel des Witwers im vorliegenden Fall inhaltlich zu behandeln (vgl 16 Ok 3/11; 1 Ob 72/15t; RIS-Justiz RS0006793 [T7]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 2 Rz 259).
2.2 Dies ist im Ergebnis aber ohnedies geschehen. Die spruchmäßige Zurückweisung des Rekurses, soweit der Witwer diesen „als Partei“ erhob, schadet nicht, weil das Rekursgericht die Parteistellung jedenfalls zu prüfen hatte und nur die falschen verfahrensrechtlichen Schlüsse aus dem Ergebnis dieser Prüfung zog. In Wahrheit liegt daher auch zur materiellen Parteistellung des Witwers eine bestätigende meritorische Entscheidung des Rekursgerichts vor, die in dritter Instanz inhaltlich überprüft werden kann. Der formale (zurückweisende) Teil der Rekursentscheidung ist hingegen unbeachtlich (vgl 7 Ob 169/15a; 8 Ob 90/17v; RIS-Justiz RS0044232).
2.3 Sollte es an der materiellen Parteistellung fehlen, erlangte der Witwer durch seinen Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AußStrG jedenfalls formelle Parteistellung. Er wäre „dritte Person“ iSd § 219 Abs 2 ZPO und als solche gegen die Abweisung seines Antrags wiederum rekurslegitimiert. Entgegen der in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung vertretenen Auffassung mangelte es dem Witwer daher in keiner der möglichen Varianten an der Rekurslegitimation.
3. Zur materiellen Parteistellung des Witwers:
3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs haben Parteien im Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich erst dann Parteistellung, wenn sie eine Erbantrittserklärung abgegeben haben (RIS-Justiz RS0007926, RS0106608); vorher sind sie von jeder Einflussnahme auf den Gang der Abhandlung ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0006398). Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Regel wird in besonders gelagerten Fällen für zulässig erachtet, vor allem, wenn der potenzielle Erbe bereits aktiv sein Interesse am Erbantritt bekundet hat und das Fehlen einer förmlichen Erbantrittserklärung auf einem Fehler im Verfahren beruht (2 Ob 47/18b; RIS-Justiz RS0006544).
3.2 Der Witwer hat noch keine Erbantrittserklärung abgegeben. Er beruft sich in seinem Revisionsrekurs aus folgenden Gründen vergeblich auf die zuletzt erwähnte Judikatur:
(a) Im Gegensatz zu seiner Rechtsmittelbehauptung fehlte es schon in erster Instanz an einer aktiven Bekundung seines Interesses am Erbantritt. Die Eigenschaft als potenzieller gesetzlicher Erbe, auf die er sich zur Begründung seines rechtlichen Interesses an der Akteneinsicht stützte, lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob er das Erbe auch tatsächlich antreten will.
(b) Es entspricht zwar der Aktenlage, dass der Witwer entgegen § 157 Abs 1 AußStrG nicht nachweislich zur Erklärung aufgefordert wurde, ob und wie er die Erbschaft antreten oder ob er sie ausschlagen will. Er erblickt darin erkennbar einen Verfahrensmangel, den er im Rekurs jedoch ungerügt ließ. Verfahrensfehler des Erstgerichts, die im Rekurs nicht geltend gemacht wurden, können aber im Revisionsrekurs nicht mehr nachgetragen werden. Nur wenn das Rekursgericht den Mangel von Amts wegen hätte aufgreifen müssen (§ 55 Abs 3 AußStrG), läge ein Mangel des Rekursverfahrens vor (2 Ob 184/11i mwN; RIS-Justiz RS0043111 [T18, T23], RS0074223 [T3, T7]).
(c) Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu. Der anwaltlich vertretene Witwer kann die Erbantrittserklärung bis zur Einantwortung jederzeit abgeben; mangels Fristversäumnis kommt auch die in § 157 Abs 3 AußStrG daran geknüpfte Rechtsfolge nicht zum Tragen.
(d) Im Übrigen unterlässt es der Witwer, die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers aufzuzeigen. Nicht einmal in seinem Revisionsrekurs behauptet er, dass er im Falle der Aufforderung durch den Gerichtskommissär eine Erbantrittserklärung abgegeben hätte (vgl 6 Ob 10/02t).
(e) Unerörtert kann unter diesen Umständen bleiben, ob der Gerichtskommissär nicht trotz der gemäß § 540 erster Fall ABGB aF (nunmehr § 539 ABGB idF ErbRÄG 2015) ipso iure eingetretenen Erbunwürdigkeit des Witwers (zu dessen Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung vgl etwa 3 Ob 20/05w), die allerdings durch Verzeihung beseitigt werden konnte, zu der in § 157 Abs 1 AußStrG vorgesehenen Vorgangsweise verpflichtet war (vgl Apathy/Neumayr in KBB5 §§ 539–541 Rz 1 aE).
3.3 Somit hat es bei der Beurteilung der Vorinstanzen zu bleiben, dass sich der Witwer bei seinem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht mangels Parteistellung nicht erfolgreich auf § 219 Abs 1 ZPO stützen kann.
4. Zum rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht:
4.1 Liegt die Zustimmung der Parteien vor, muss der Dritte kein rechtliches Interesse bescheinigen (§ 219 Abs 2 ZPO). Im vorliegenden Fall ist fraglich, wer überhaupt als zustimmungsbefugte Partei in Betracht kommen kann. Denn die Kinder der Verstorbenen haben ebenso wie der Witwer bisher keine Erbantrittserklärung abgegeben, weshalb auch ihnen keine Parteistellung zukommt. Denkbar wäre allerdings die Bejahung der Parteistellung der vom Kurator vertretenen Verlassenschaft nicht nur in streitigen Verfahren, sondern auch im Verlassenschaftsverfahren in all jenen Fällen, in denen sie ihren Gläubigern oder Schuldnern gegenübersteht. Davon gingen offenbar auch die Vorinstanzen aus.
4.2 Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist aber entbehrlich. Denn auch wenn man hier die Existenz zur Zustimmung befugter Parteien verneinen wollte, läge der Fall nicht anders, als wenn sich vorhandene Parteien trotz Aufforderung einer Äußerung enthielten. Selbst bei einem Vorgehen nach § 17 AußStrG läge dann nach herrschender Auffassung keine Zustimmung vor, sodass das Gericht das rechtliche Interesse zu prüfen hätte (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 22 Rz 43; Rassi in Fasching/Konecny³ II/3 § 219 Rz 43; vgl auch Lutschounig in Schneider/Verweijen § 22 Rz 21).
4.3 Die Vorinstanzen haben daher zutreffend das rechtliche Interesse des Witwers auf der Grundlage seines dazu erstatteten Vorbringens geprüft. Auch der Witwer stellt nicht in Frage, dass sein Antrag im Falle des Fehlens seiner Parteistellung der in § 219 Abs 2 ZPO vorgesehenen zweistufigen Prüfung unterliegt: Zunächst ist zu prüfen, ob ein rechtliches Interesse des Dritten, der Einsicht begehrt, besteht. Erst wenn dieses bejaht wird, ist die Abwägung vorzunehmen, ob das Recht des Dritten dasjenige der Verfahrensparteien überwiegt (16 Ok 9/14f; 2 Ob 41/17v; 2 Ob 52/18p; RIS-Justiz RS0079198 [T6]).
4.4 Nach Ansicht der Vorinstanzen soll das Einsichtsbegehren des Witwers schon daran scheitern, dass er kein rechtliches Interesse darzulegen vermochte.
(a) Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht muss nach der Judikatur konkret vorliegen. Das heißt, die Einsichtnahme muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des antragstellenden Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er in die Lage versetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten (RIS-Justiz RS0037263). Das Interesse muss in der Rechtsordnung begründet und von ihr gebilligt sein, ein bloß wirtschaftliches Interesse oder Interesse an der Information reicht nicht aus (2 Ob 9/17p; 2 Ob 41/17v; RIS-Justiz RS0079198).
(b) Das rechtliche Interesse kann unter den angeführten Voraussetzungen allerdings nur dann anerkannt werden, wenn der Dritte aus dem Akt etwas erfahren will, was er nicht weiß, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen muss (RIS-Justiz RS0037263). Dabei genügt es, wenn der Akteninhalt den Rechtskreis des Antragstellers auch nur mittelbar berührt; angezeigt ist insoweit eine weitherzige Handhabung (16 Ok 9/14f; RIS-Justiz RS0037263 [T5]).
(c) Der Oberste Gerichtshof hat unter Anwendung dieser Grundsätze bereits mehrfach – wenngleich teilweise nur obiter – ausgesprochen, dass ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht durch die Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen begründet sein kann (vgl 4 Ob 115/14m; 6 Ob 197/14k SZ 2014/127; 16 Ok 9/14f; ebenso Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 22 Rz 45; Rassi in Fasching/Konecny³ II/3 § 219 Rz 46).
(d) Der Verlassenschaftskurator hat gegen den Witwer zunächst außergerichtlich Unterhalts- und Schmerzengeldansprüche in beträchtlicher Höhe geltend gemacht. Das Anspruchsschreiben ist aktenkundig. Vor dem Hintergrund der soeben zitierten Rechtsprechung würde dies dafür sprechen, dass auch dem Witwer das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht zugebilligt werden muss.
4.5 Jedenfalls aber muss das Begehren auf Akteneinsicht an der als nächstem Schritt vorzunehmenden Interessenabwägung scheitern, bei der dem Interesse des Witwers jenes der Verlassenschaft als potenzieller Prozessgegnerin gegenübersteht:
(a) Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist auf Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators § 167 Abs 3 ABGB sinngemäß anzuwenden, der die Fremdvertretung nicht (ausreichend) Geschäftsfähiger regelt (2 Ob 46/18f mwN; RIS-Justiz RS0129074). Die Verlassenschaft wird demnach den eines besonderen Schutzes bedürftigen Pflegebefohlenen gleichgestellt.
(b) Stünde dem Witwer eine nicht pflegebefohlene Person als (tatsächlicher oder potenzieller) Anspruchsteller gegenüber, müsste sie ihre Überlegungen zur Frage, ob und welche Ansprüche sie aus welchen Gründen gegen ihn geltend machen möchte, ebenso wenig offen legen wie ihre Einschätzung der Erfolgsaussichten, etwa aufgrund des Fehlens oder Vorhandenseins von Beweismitteln oder deren Bewertung auf ihre Tauglichkeit. Der Umstand, dass ein potenzieller Kläger (wie hier die Verlassenschaft) pflegebefohlen ist und daher ein Akt existiert, der möglicherweise solche Informationen enthält, und in dem unter Umständen mögliche Einwände des Gegners erörtert und einer rechtlichen Beurteilung unterzogen werden, rechtfertigt nicht, dass der Prozessgegner (der Witwer) allein deshalb eine ihm sonst nicht zukommende Besserstellung erfährt.
(c) Damit hat die Verlassenschaft ein Interesse an der Nichteinsicht in den sie betreffenden Akt, das jenes des Witwers an der Akteneinsicht überwiegt. Das unterscheidet den Fall auch von 2 Ob 52/18p, in dem der Nachlass bereits eingeantwortet war und daher nicht mehr existierte. Zudem wären dort der Nachlass und dann die Erbin auch materiell zur Auskunft verpflichtet gewesen, weswegen das rechtliche Interesse des Antragstellers jedenfalls bejaht werden konnte und die Ersatzerbin kein rechtlich geschütztes Interesse an der Nichteinsicht hatte. Eine solche Verpflichtung gibt es hier nicht.
5. Ergebnis:
Dem Witwer ist aus obigen Erwägungen keine Akteneinsicht zu gewähren, weshalb sein Rechtsmittel erfolglos bleibt. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe (Entfall des Ausspruchs über eine Zurückweisung) zu bestätigen.
Textnummer
E124827European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00053.18K.0226.000Im RIS seit
08.05.2019Zuletzt aktualisiert am
21.11.2019