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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
KDV 1967 §63b Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Kärnten vom 18. Februar 1998, Zl. KUVS-K1-1232/45/97, betreffend Entziehung einer Fahrschulbewilligung (mitbeteiligte Partei: Mag. I in S, vertreten durch Dr. Johann Quendler und Dr. Alexander Klaus, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Bahnhofstraße 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 5. August 1997 verfügte der Landeshauptmann von Kärnten gemäß § 115 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 die Entziehung der der mitbeteiligten Partei mit Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 28. Jänner 1988 erteilten Fahrschulbewilligung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, D, E, F und G für einen näher bestimmten Standort in S.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobenen Berufung Folge und behob den Entziehungsbescheid vom 5. August 1997.
In ihrer auf den letzten Satz des § 123 Abs. 1 KFG 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/1997 gestützten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde (von der mitbeteiligten Partei fälschlicherweise als Zurückweisung bezeichnet) beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 115 Abs. 2 lit. a KFG 1967 ist eine Fahrschulbewilligung ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen, wenn ihr Besitzer die im § 109 angeführten persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrschulbewilligung nicht mehr erfüllt. Gemäß § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 darf eine Fahrschulbewilligung nur einer natürlichen Person erteilt werden, die vertrauenswürdig ist.
Die Entziehung der Fahrschulbewilligung durch die Erstbehörde erfolgte wegen Fehlens der Vertrauenswürdigkeit der mitbeteiligten Partei. Dies wurde damit begründet, dass im Betrieb der Fahrschule die Ausbildungsvorschriften und die Pflicht zur Beaufsichtigung wiederholt und andauernd missachtet bzw. verletzt worden seien, dass mangelhafte und wahrheitswidrige Aufzeichnungen, zum Teil unter nachträglichen Abänderungen, geführt und der Behörde auf Verlangen nicht vorgelegt worden seien, dass ferner Fahrlehrer nicht oder verspätet zur Sozialversicherung angemeldet sowie der Behörde nicht angezeigt worden seien, dass in der Fahrschule unbefriedigende Ausbildungsbedingungen geherrscht hätten, dass die Mitbeteiligte den im Zuge des Ermittlungsverfahrens befragten ehemaligen Fahrschülern Anweisungen betreffend ihr Verhalten bei Behördeneinvernahmen erteilt und diesen mitgeteilt habe, sie dürften erst nach Entrichtung der Kurskosten zur Lenkerprüfung antreten. Die Erstbehörde führte - zum Großteil mit Hilfe ersuchter Behörden (Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeidirektionen) - ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch.
In ihrer Berufung stellte die mitbeteiligte Partei den Großteil der ihr zur Last gelegten Fakten in Abrede und gestand lediglich sechs näher genannte Verstöße zu. Angesichts dessen verstoße die Entziehung der Fahrschulbewilligung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei rechtswidrig.
Vorauszuschicken ist, dass zahlreiche erhebliche, insbesondere regelmäßig gesetzte Verstöße gegen die Vorschriften des KFG 1967 und der KDV 1967 über die Führung von Fahrschulen, insbesondere über die Ausbildung von Fahrschülern, die Vertrauenswürdigkeit des Fahrschulinhabers erschüttern und - als letzte rechtliche Konsequenz - zur Entziehung der Fahrschulbewilligung führen können. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der in diesem Zusammenhang ausdrücklich (§ 64b Abs.7 KDV 1967) genannten Verstöße gegen die Bestimmungen des § 64b KDV 1967; die Erstbehörde hat im gegebenen Zusammenhang zutreffend insbesondere auf § 63b Abs.3 KDV 1967, wonach bei Schulfahrten zum Ausbilden von Bewerbern um eine Lenkberechtigung für die Klasse A der Lehrende gleichzeitig nur einen Fahrschüler begleiten darf, hingewiesen.
Gelegentliche, nicht gravierende Verstöße in dieser Richtung werden regelmäßig von der die Fahrschule im Sinne des § 114 Abs. 7 KFG 1967 beaufsichtigenden Behörde zwar wahrzunehmen sein, jedoch nicht die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit rechtfertigen. Diesfalls wird die Behörde mit weniger schwer wiegenden Administrativmaßnahmen, die die Rechtsordnung hiefür vorsieht, zu reagieren haben. In diesem Sinne werden etwa Anordnungen zur Behebung von Mängeln im Sinne des dritten Satzes des § 114 Abs. 7 KFG 1967 oder die vorübergehende Untersagung der Führung der Fahrschule, also die Anordnung der Bestellung eines Fahrschulleiters gemäß § 115 Abs. 3 KFG 1967 in Betracht zu ziehen sein.
Die von der mitbeteiligten Partei selbst zugestandenen Verfehlungen (Unterlassung von Dämmerungs- und Nachtfahrten bei vier Fahrschülern, Nichteinhalten des Grundsatzes "ein Motorrad ein Fahrschüler" bei der Platzausbildung, nicht sofortige vollständige Vorlage von Aufzeichnungen über die theoretische Ausbildung von Fahrschülern gegenüber der Behörde, Nichtmeldung einzelner Fahrlehrer im Stand des Lehrpersonals in der Fahrschule an die Behörde, Verwendung von nicht zur Gänze dem öffentlichen Verkehr entzogenen Verkehrsflächen bei der Platzausbildung und Benutzung eines alternativen Unterrichtsraumes im Keller) würden nach Art und Gewicht die verfügte Entziehung der Fahrschulbewilligung nicht rechtfertigen.
Die Erstbehörde hat jedoch eine weit größere Anzahl von Verstößen angenommen. Die belangte Behörde kam auf Grund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu einem gegenteiligen Ergebnis. Sie vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, im Hinblick auf den in der Berufung erhobenen Vorwurf der Befangenheit von zwei mit der Erlassung des Erstbescheides befassten Organwaltern der Erstbehörde das gesamte Ermittlungsverfahren neu durchführen zu müssen. In einer mehrfach fortgesetzten mündlichen Verhandlung hat sie 101 Zeugen einvernommen und zahlreiche Urkundenbeweise aufgenommen. Sie betont selbst, nur diese Beweisergebnisse - und nicht etwa auch solche des erstinstanzlichen Verfahrens - für ihre Entscheidung herangezogen zu haben. Als Ergebnis dieser Beweisaufnahmen unter Würdigung dieser Beweise kam sie zu dem Ergebnis, dass eine Vielzahl der von der Erstbehörde angenommenen Verstöße der mitbeteiligten Partei gegen Rechtsvorschriften nicht gegeben seien und der mitbeteiligten Partei die Vertrauenswürdigkeit im Sinne des Gesetzes nicht abgesprochen werden könne.
Die beschwerdeführende Partei ist zunächst damit im Recht, dass der Standpunkt der belangten Behörde ihrer Aufgabenstellung als Berufungsbehörde in einem dem Regime des AVG unterliegenden Verfahren insofern nicht gerecht würde, hätte sie die Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens schlechthin ignoriert und wäre sie infolgedessen auf allfällige Widersprüche zwischen Aussagen von Zeugen im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren überhaupt nicht eingegangen. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang gegebene Begründung, sie hätte das Ermittlungsverfahren zur Gänze von neuem durchführen müssen, weil die mitbeteiligte Partei Organwalter der Erstbehörde als befangen bezeichnet hat, vermöchte im gegebenen Zusammenhang nicht zu überzeugen. Die von der Erstbehörde verwerteten Zeugenaussagen wurden überwiegend im Rechtshilfeweg vor beauftragten Behörden abgelegt. Die in Rede stehenden Organwalter der Erstbehörde waren an diesen Beweisaufnahmen zum weitaus überwiegenden Teil nicht beteiligt. Um eine rechtlich nicht zu beanstandende Würdigung der von ihr selbst aufgenommenen Beweise, insbesondere der vor ihr getätigten Zeugenaussagen vornehmen zu können, hätte es sehr wohl bedurft, den von ihr einvernommenen Zeugen allfällige Widersprüche zu den von ihnen im erstinstanzlichen Verfahren abgelegten Aussagen vorzuhalten. Die Unterlassung dieser gebotenen gewesenen Vorgangsweise ist ein Verfahrensmangel. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine unmittelbar vor der Behörde abgelegte Zeugenaussage und die damit verbundene Möglichkeit, sich durch persönliche Wahrnehmung ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Aussagen machen zu können, in höherem Maß zur Ermittlung der materiellen Wahrheit geeignet ist als die Lektüre von Niederschriften über im Rechtshilfeweg eingeholte Aussagen. Mit anderen Worten ist die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahmen zwar ein wesentlicher Schritt zur Erforschung der materiellen Wahrheit, befreit aber nicht von der Verpflichtung, sich ein Bild über die Gründe für Abweichungen und Widersprüche im Verhältnis zu den im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Aussagen zu machen.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten - insbesondere den Niederschriften über die Zeugeneinvernahmen vor der belangten Behörde - ergibt sich jedoch, dass der zuletzt genannte Verfahrensmangel nicht wesentlich ist und nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt. Der Großteil der Protokollierungen der Aussagen beginnt nämlich mit einer Bezugnahme auf die im erstinstanzlichen Verfahren abgelegte Aussage, bestätigt - grundsätzlich - deren Inhalt und ergänzt bzw. modifiziert diese in der Folge. Dazu kommt, dass die Erstbehörde in Wahrnehmung ihrer Parteistellung im Verfahren vor der belangten Behörde fast durchwegs vertreten war und auf diese Weise Gelegenheit hatte, durch Fragen an die Zeugen (von diesem Fragerecht hat sie auch teilweise Gebrauch gemacht) auf allfällige Widersprüche oder Ungereimtheiten aufmerksam zu machen und auf eine Aufklärung zu dringen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich noch zu folgenden Ausführungen veranlasst: Die Ahndung von Verstößen gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften durch Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 hat mit der Frage, ob der Inhaber der Fahrschule (noch) vertrauenswürdig ist, insofern nichts zu tun, als die Begehung einzelner Verstöße die Vertrauenswürdigkeit nicht beeinträchtigen muss. Wenn dagegen eine Vielzahl von Übertretungen die Vertrauenswürdigkeit in Frage stellt, ist hiefür nicht Voraussetzung, dass diese Verstöße zur Verhängung von Verwaltungsstrafen geführt haben. Aus welchen Gründen auch immer die Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren oder die Verhängung von Verwaltungsstrafen bei objektivem Feststehen von Verstößen durch die Verwaltungsstrafbehörden unterblieben sein mag, hat die Kraftfahrbehörde (der Landeshauptmann) die Vertrauenswürdigkeit auf Grund der von ihr festgestellten Tatsachen zu überprüfen. Die Verhängung von Strafen ist keineswegs Voraussetzung für die Infragestellung der Vertrauenswürdigkeit.
Zum Zweiten trifft es zu, dass die Entziehung der Fahrschulbewilligung - anders als die Sanktionierung geschehener Rechtsverstöße - eine ausschließlich auf die Zukunft orientierte Maßnahme darstellt, die sicherstellen soll, dass sich künftig keine Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen u.a. durch Verstöße gegen einschlägige Rechtsvorschriften im Fahrschulbetrieb ereignen. Auf Grund der in der Vergangenheit gewonnenen Erfahrungen ist eine Prognose über das künftige Verhalten des betreffenden Inhabers einer Fahrschulbewilligung zu treffen. So kann einerseits die Vertrauenswürdigkeit in Frage gestellt werden, wenn den Inhaber der Fahrschulbewilligung kein oder nur ein geringfügiges Verschulden an den Missständen im Fahrschulbetrieb trifft, andererseits kann das Verhalten des Inhabers der Fahrschulbewilligung nach Setzung der Verstöße auch die Prognose rechtfertigen, es werde in Hinkunft zu keinen weiteren Verstößen kommen. In diesem Zusammenhang kommt freilich einem Wohlverhalten während eines anhängigen Entziehungsverfahrens verhältnismäßig geringere Bedeutung zu. In Ansehung der Nichtanmeldung von Fahrlehrern zur Sozialversicherung wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. September 1991, Slg. Nr. 13493/A, verwiesen.
Hinsichtlich der übrigen, von der beschwerdeführenden Partei aufgezeigten Verfahrensmängel, etwa im Zusammenhang mit angeblichen aktenwidrigen Tatsachenfeststellungen, mit der Belehrung von Zeugen über ihr Entschlagungsrecht, über unrichtige Protokollführungen und über die Stellung von Suggestivfragen an Zeugen kann der Verwaltungsgerichtshof keine Wesentlichkeit erkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen, die zu dessen Aufhebung zu führen hätte. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, da gemäß § 47 Abs.4 VwGG u.a. in den Fällen des Art. 131 Abs.2 B-VG für die belangte Behörde kein Kostenzuspruch stattfindet.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110091.X00Im RIS seit
11.07.2001