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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des A in W, geboren am 10. Oktober 1980, vertreten durch Mag. Otto Unger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. April 1998, Zl. 200.412/0-V/13/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, der am 15. Juni 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 16. Juni 1997 die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen.
Die Behörde erster Instanz gab sein damaliges Vorbringen in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 19. Juni 1997 folgendermaßen wieder:
"Sie seien sudanesischer Staatsangehöriger und römisch-katholisch. Sie hätten Ihr Heimatland verlassen, weil es dort Probleme gäbe. Auf die Frage, welche Probleme es gäbe, gaben Sie an, daß es sehr viele Probleme gäbe.
Als die Frage wiederholt wurde, gaben Sie an, daß es religiöse Probleme, Krieg und Stammesprobleme gäbe.
Als Sie gefragt wurden, welche Probleme Sie hatten, gaben Sie an, daß ihr Vater vor fünf Jahren verstorben sei. Er hätte der NUNA-Partei angehört. Dieser Partei würde die NDP Schwierigkeiten machen. Die Leute der NDP hätten vor einem Jahr Ihre Mutter aus Ihrem Heimatdorf verschleppt. Sie hätten Ihre Mutter seither nicht mehr gesehen. Sie würden nicht wissen, wohin diese verschleppt worden sei. Deshalb seien Sie geflüchtet.
Auf die Frage, warum Sie geflüchtet sind, gaben Sie an, daß es sein könne, daß man nach der Verschleppung getötet werde. Es würde sehr oft vorkommen, daß Personen verschleppt würden.
Als Sie gefragt wurden, warum dies passiert, gaben Sie an, daß dies aufgrund von religiösen Problemen und aufgrund der unterschiedlichen Auffassung der politischen Parteien erfolge.
Als Ihnen die Frage gestellt wurde, um welche religiöse Probleme es sich handle, gaben Sie an, daß dies daraus resultiere, daß die einen Christen und die anderen Moslems seien.
Als sie gebeten wurden, anzugeben, wie viele Einwohner Ihr Heimatdorf hat, gaben Sie an, daß Sie dies nicht wissen würden. Es würde sich um ein kleines Dorf handeln.
Auf die Frage, welche Ziele die NUNA-Partei und die NDP haben, gaben Sie an, daß Sie dies nicht wissen würden. Sie seien noch zu jung, um dies zu wissen.
Als Sie gefragt wurden, wie die Behörden zu diesen Streitigkeiten zwischen diesen Parteien stehen, gaben Sie an, daß diese überhaupt nichts dagegen tun würden.
Als Ihnen die Frage gestellt wurde, was die Abkürzung 'NDP' bedeutet, gaben Sie an, daß Sie glauben würden, daß diese Abkürzung 'Nationale Demokratische Partei' heiße.
Als Sie gebeten wurden zu erklären, ob diese beiden Parteien in der Regierung vertreten sind, gaben Sie an, daß Sie dies nicht wissen würden. Sie würden nur wissen, daß es im Sudan viele Parteien gäbe. Obwohl es einen Präsidenten gäbe, gäbe es viele Probleme im Sudan.
Im April 1996 seien Sie in einem PKW von Ihrem Heimatdorf YAMBO nach OMNDURMAN gebracht worden. Die Fahrt habe sehr lange gedauert. Der Mann hätte dafür nichts verlangt. Er hätte Sie dann bis Juni 1996 beherbergt. Sie hätten diesen Mann nicht gekannt. Sie hätten ihm den Vorfall bezüglich Ihrer Mutter erzählt und er hätte Sie mitgenommen. Sie seien dann mit einem Autobus nach KAIRO gefahren. Die Fahrt hätte sehr lange gedauert. Es hätte Ihnen jemand geholfen, die ägyptische Grenze zu überschreiten. Der Mann habe dafür nichts verlangt und gesagt, daß Sie sich keine Sorgen zu machen bräuchten. Es hätte dann beim Grenzübertritt überhaupt keine Probleme gegeben. Sie seien dann in Kairo von der Kirche versorgt worden. Sie hätten deshalb dort solange bleiben müssen, weil Ihnen niemand geholfen hätte. Vor etwa drei Monaten hätten Sie einen Seemann kennengelernt, der Sie auf einem Schiff versteckt hätte. Der Seemann hätte dafür nichts verlangt, sondern Ihnen sogar US $ 50,-- gegeben. Sie seien dann in einem PKW von KAIRO zu einem Hafen gebracht worden. Die Fahrt hätte sehr lange gedauert. Der Seemann habe zu Ihnen gesagt, daß alles kein Problem sei. Die Fahrt mit dem Schiff hätte viele Tage gedauert. Sie seien dann in Italien angekommen. Nach einigen Stunden hätte der Seemann Sie in ein Restaurant gebracht, wo Sie gegessen hätten. Dann hätte er Sie zu einem Zug gebracht. Es wären nirgendwo italienische Polizisten oder Grenzkontrollorgane zu sehen gewesen. Der Zug sei sehr lange gefahren. Im Zug hätte es keine Kontrolle gegeben. Am 15.6.1997 seien Sie irgendwo aus dem Zug ausgestiegen. Ein Weißer hätte Ihnen dann eine Bahnfahrkarte gekauft und Sie seien dann mit der Bahn nach Traiskirchen gefahren, wo Sie am 15.6.1997 angekommen seien."
Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung ua. damit, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention sei. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. April 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhalts der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen hielt die belangte Behörde fest:
"Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Sudan und christlichen Glaubens. Der Vater des Antragstellers war Katechist sowie Angehöriger der NUNA-Partei. Die Mutter des Antragstellers wurde von Anhängern der Partei NDP verschleppt und ist dem Antragsteller deren Aufenthaltsort nicht bekannt. Der Antragsteller hat keinerlei Kenntnisse über die von ihm angeführten politischen Organisationen. Indizien für eine konkrete gegen seine Person gerichtete Verfolgung hat der Antragsteller nicht ins Treffen geführt.
Beweis wurde erhoben durch die im wesentlichen unbedenkliche Aussage des Antragstellers im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens sowie unter Einbeziehung der Berufungsausführungen.
Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt, daß dem Antragsteller im Herkunftsstaat keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht, weshalb die Gewährung von Asyl nicht statthaft war.
Dem Vorbringen des Antragstellers sind keinerlei Indizien für eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu entnehmen. Das Vorliegen einer individuellen, gegen den Antragsteller gerichteten Verfolgung stellt jedoch eine Grundvoraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar. Allein das erstattete Vorbringen, daß es in der Heimatregion des Antragstellers Auseinandersetzungen bzw. eine Rivalität zwischen unterschiedlichen politischen Parteien gibt, vermag die Asylgewährung nicht zu rechtfertigen. So hat der Antragsteller auch nicht behauptet, selbst Mitglied einer der rivalisierenden Gruppierungen zu sein, noch auch in irgendeiner Weise sich selbst aktiv politisch betätigt bzw. exponiert zu haben.
Der völlig unsubstantiiert in den Raum gestellten Behauptung, die Mutter des Antragstellers sei von Angehörigen der Partei NDP verschleppt worden, kann schon kein Indiz dafür entnommen werden, daß etwa die Mutter des Antragstellers ihrerseits aufgrund eines in ihrer Person gelegenen und vom Schutzzweck der Genfer Flüchtlingskonvention umfaßten Merkmals behelligt wurde, noch kann daraus abgeleitet werden, daß nunmehr der Antragsteller pro futuro bei einem weiteren Verbleib seiner Person im Heimatstaat mit einer solchen, etwa aufgrund von Sippenhaftung zu rechnen gehabt hätte.
Der vom Antragsteller weiters relevierten Gefährdungssituation aufgrund der allgemeinen Polarisierung der sudanesischen Gesellschaft in Folge der seit Jahren herrschenden Bürgerkriegssituation kann kein asylrechtlich relevantes Merkmal entnommen werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, schließt das Vorliegen einer Bürgerkriegssituation eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung zwar nicht generell aus, doch liegt in dem Umstand, daß im Heimatland eines Asylwerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Der Berufungswerber hat es anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme trotz nachhaltiger Befragung unterlassen, substantiiert eine konkret gegen ihn gerichtete staatliche Verfolgungshandlung aufzuzeigen. Die begründete Furcht vor einer derartigen Verfolgungshandlung stellt aber ein wesentliches Merkmal des Flüchtlingsbegriffs dar. Das Vorbringen des Berufungswerbers erschöpft sich im wesentlichen in einer Schilderung einer Auswirkung der Bürgerkriegsereignisse.
Die im Heimatstaat eines Antragstellers allgemein herrschenden politischen wie sozialen Verhältnisse vermögen bedauerlicherweise die Asylgewährung nicht zu tragen, da diesen allgemeinen Gegebenheiten grundsätzlich alle Einwohner der betreffenden Region gleichermaßen ausgesetzt sind.
Eine im Heimatland des Antragstellers herrschende Bürgerkriegssituation indiziert nach der ständigen Judikatur der österreichischen Behörden und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, aber auch nach der Auslegung, die die Genfer Flüchtlingskonvention in anderen Staaten und auf internationaler Ebene gefunden hat, für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft. Das Asylrecht hat nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen. Umstände, daß die Vertreter staatlicher bzw. quasi-staatlich agierender Autoritäten als bürgerkriegsführende Gruppe eine individuell sich gegen die Person des Antragstellers richtendes Interesse an einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe gehabt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Der allgemeinen Situation bzw. Menschenrechtssituation im Heimatstaat des Antragstellers kann nicht allein ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft zukommen. Daß der Antragsteller aufgrund in seiner Person gelegener Merkmale von asylrechtlicher Relevanz einem erhöhtem Gefährdungspotential ausgesetzt gewesen war bzw. im Falle seiner Rückkehr ausgesetzt wäre, konnte dem durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht entnommen werden."
Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 7 Asylgesetz 1997 (siehe Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren als Verfolgungshandlung nur die vor ca. einem Jahre erfolgte Verschleppung seiner Mutter vorgebracht. Hinsichtlich des Todes seines Vaters im Jahr 1992 hat der Beschwerdeführer keinen asylrechtlich relevanten Zusammenhang behauptet, seinen Angaben nach ist der Vater eines natürlichen Todes gestorben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verschleppung der Mutter bloß eine Bürgerkriegsfolge war oder einen asylrechtlich relevanten Hintergrund hatte, denn aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, daß seine gesamte Familie gezielt (etwa im Sinne einer Sippenhaftung) Ziel von Angriffen der NDP sei, welche seine Mutter verschleppt habe. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde behauptet, daß sein Vater 1992 "von Moslems bzw. Mitgliedern der NDP getötet" worden sei, so steht diese Behauptung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren in Widerspruch und unterliegt als neue Sachverhaltsbehauptung dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbot.
Die Verfolgung von Familienangehörigen als ausschließlicher Fluchtgrund reicht nicht zur Anerkennung als Flüchtling, ist aber im Zuge der Gesamtschau als Indiz für eine dem Asylwerber drohende individuelle konkrete Verfolgung von Bedeutung (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0062, 0079). Aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer wie seine Mutter römisch-katholischen Glaubens ist, kann alleine nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - selbst vor dem Hintergrund der Feindseligkeiten zwischen der islamischen und der christlichen Bevölkerung im Sudan - davon ausgegangen werden, daß auch dem Beschwerdeführer die Gefahr der Verschleppung aus asylrechtlich relevanten Gründen drohe.
Im übrigen muß die im Asylverfahren glaubhaft zu machende Gefahr einer Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe bis zur Ausreise andauern. Vorgänge, die bereits längere Zeit zurückliegen, weisen in der Regel keine ausreichende Asylrelevanz mehr auf. Solche Umstände können bloß zur Abrundung des Gesamtbildes bei Prüfung der Frage einer nach wie vor gegebenen begründeten Furcht vor Verfolgung herangezogen werden. Daher ist auch zu prüfen, inwieweit eine eventuell vorhandene begründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung auch im Zeitpunkt der Flucht (Ausreise mit dem Autobus nach Kairo im Juni 1996) vorlag. Weder anläßlich seiner Vernehmung noch in seinen Berufungsausführungen noch auch in der Beschwerde gibt der Beschwerdeführer eine schlüssige Erklärung dafür, aus welchen Gründen ihm ein früheres Verlassen seines Heimatlandes angesichts der letzten behaupteten Verfolgungshandlung (spätestens im April 1996) unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre. Dem Beschwerdeführer ist die Glaubhaftmachung begründeter Furcht vor konkret ihn betreffender aktueller Verfolgung nicht gelungen, da er für den Zeitraum seines Aufenthaltes in Omndurman weder behauptet hat, sich versteckt gehalten zu haben, noch daß sich die behaupteten Tätigkeiten der NDP auch auf Omndurman bezogen hätten oder ihm dort die Gefahr der Verschleppung gedroht hätte (vgl. zum zeitlichen Konnex aus vielen das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1081).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010513.X00Im RIS seit
20.11.2000