TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/12 VGW-101/014/5293/2018

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Veröffentlicht am 12.10.2018
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Entscheidungsdatum

12.10.2018

Index

86/01 Veterinärrecht allgemein
L65009 Jagd Wild Wien

Norm

TSchG §30 Abs1
JagdG Wr 1948 §92 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde der Frau A. B. vom 12.4.2018 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 60, Veterinärdienste & Tierschutz, vom 22.3.2018, Zahl … betreffend Kostenvorschreibung nach dem Tierschutzgesetz (TSchG), nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung am 6.9.2018, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

B E G R Ü N D U N G

Der Magistrat der Stadt Wien schrieb mit Bescheid vom 22.3.2018 der Beschwerdeführerin gemäß § 30 Abs. 3 TSchG Kosten von 740,96 Euro für die Unterbringung und Betreuung ihrer entlaufenen Katze vor. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass am 9.4.2017 auf dem Gebiet der Stadt Wien eine entlaufenes Tier gefunden und gemäß § 30 Abs. 1 TSchG bis zu seiner Abholung im TierquarTier Wien untergebracht gewesen sei. Bei der Abholung des Tieres durch die Beschwerdeführerin sei das Eigentumsrecht geltend gemacht worden. Gemäß § 30 Abs. 3 TSchG erfolge die Unterbringung diese Tiere auf Kosten und Gefahr des Tierhalters.

 

Als Kosten wurde der Transport am 9.4.2017 (1 Fahrt à 54,52 Euro), die Unterbringung im Zeitraum 9.4.2017 bis 12.4.2017 (4 Tage à 14,97) sowie externe tierärztlich Kosten der Vet. med. Uni Wien in Höhe von 626,56 Euro, (Gesamtbetrag: 740,96 Euro) verzeichnet.

Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin führt aus, dass der in Rede stehende Kater nicht entlaufen, sondern seit 17 Jahren in dieser Umgebung „Freigänger“ so wie bekannter Weise sehr viele Katzen in dieser verkehrsarmen, grünen Wohngegend, sei. Er streune gerne in der Nachbarschaft herum, kehre jedoch stets zumindest zweimal täglich zu seiner Mahlzeit nach Hause zurück. Am 9.4.2017, nur wenige Stunden nach seiner letzten Mahlzeit bei der Beschwerdeführerin, sei der Kater von über motivierten Passanten aufgegriffen und mitgenommen worden, ohne dass er verletzt oder versehrt gewesen sei. Sein Gesundheitszustand sei bei seiner letzten Mahlzeit, seinem sichtlich hohen Alter entsprechend normal gewesen und habe es keinerlei Auffälligkeiten gegeben. Einzig die Tatsache, dass der Kater stur für längere Zeit auf derselben Stelle am Gehsteig verweilt habe, habe diese Herrschaften leider zu ihrer Handlung veranlasst. Die verständigte Tierrettung hätte jedoch sehr wohl Kenntnis darüber haben müssen, dass es sich in dieser Gegend nur sehr unwahrscheinlich um eine tatsächlich „entlaufene“ Katze handle. Diese Aussage sei der Beschwerdeführerin im Tierquartier damals übermittelt worden und das Unverständnis der Beschwerdeführerin für diese letztlich noch dazu fatale Aktion sei ihr bestätigt worden.

Außerdem sei der Kater zur Identifizierung gechipt und es haben damals nicht geklärt werden können, weshalb die Beschwerdeführerin nicht unmittelbar informiert worden sei.

Der willkürliche Abtransport und Aufenthalt in den Käfigen des Tierheims sei für den sehr alten, stets in Freiheit leben Kater derart traumatisierend, verstörend und gesundheitsschädlich und deshalb letztlich sogar tödlich gewesen. Er habe seine mehrmals täglich dringend notwendigen Medikamente nicht einnehmen können, sei dazu auch noch falsch behandelt worden und sei nur wenige Tage nach dem das Tier ihr wieder ausgehändigt worden sei, verstorben. Trotz größtem Einsatz seiner behandelnden Tierärztin und Wiederaufnahme seiner eigentlichen Therapie sei der Kater nach den vorangegangenen Strapazen einfach zu schwach gewesen.

Das Tier sei von den Mitarbeitern des Tierquartiers und der Vet.med. völlig falsch eingeschätzt (7 jährig anstelle 17 jährig) und behandelt worden. Bei der Übernahme des Tieres am 21.4.2017 sei dessen Zustand erschütternd und schockierend und sei es nach diesen Tagen nicht mehr wieder zu erkennen gewesen. Aus diesen Gründen habe die Beschwerdeführerin damals ausdrücklich der Vorgehensweise widersprochen und sowohl die nachträgliche Beauftragung nicht unterschrieben als auch die Übernahme der Betreuungs- und Behandlungskosten verweigert.

Ohne die fatale Fehlentscheidung der Tierrettung, die falsche Einschätzung der Betreuer und Tierärzte hätte der Kater der Beschwerdeführerin seinen Lebensabend als glücklicher, freier Kater im Rahmen deren Familie verbringen können. Ihr und ihrer Familie wären Tage und schlaflose Nächte der Sorge und Ungewissheit seines Verbleibs und dann der Schock über seinen erbärmlichen Zustand bei der Übernahme und sein trauriges, rasches Ende erspart geblieben.

Aus all diesen Gründen werde die Aufhebung der Kostenvorschreibung im angefochtenen Bescheid beantragt.

Beweis wurde erhoben durch Verlesung des Aktes der belangten Behörde, der Stellungnahmen der Tierschutzombudsstelle Wien vom 14.5.2018, der belangten Behörde vom 8.8.2018 samt vorgelegter Krankengeschichte, des Stadtplanausschnittes C.-gasse – D.-Platz, Einvernahme der Beschwerdeführerin und Stellungnahme der Vertreterin der belangten Behörde anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 6.9.2018.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 9.4.2017 fand Herr F. den von der in Wien, D.-Platz wohnhaften Beschwerdeführerin gehaltenen Kater auf dem Gehsteig der C.-gasse sitzend vor. Der Fundort befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Adresse der Beschwerdeführerin, die das Tier, einen siebzehnjährigen kastrierten mit einem Mikrochip gekennzeichneten, nicht jedoch registrierten Kater, bis dahin mit regelmäßigem Zugang ins Freie gehalten hat.

 

Der Wohnort der Beschwerdeführerin als auch der Auffindungsort sind am Stadtrand, in einem Villenviertel mit vielen Grünflächen und nur Anrainerverkehr gelegen.

Diese Feststellungen gründen sich hinsichtlich des Alters und der Haltung des Tieres auf die Angaben der Beschwerdeführerin, die im persönlichen Eindruck ehrlich und aufrichtig wirkte, bezüglich des Auffindungortes, -tages und des Aufforderers sowie des Umstandes, dass das Tier nicht registriert war, den Angaben der belangten Behörde in deren „Übersicht aller Daten zu diesem Fall“.

Die Feststellungen zur Umgebung der Anschrift der Beschwerdeführerin und des Auffindungsortes gründen sich auf die Ortskenntnis des erkennenden Gerichtes.

Dazu wurde erwogen:

§ 30 TSchG regelt die Vorgangsweise zur Sicherstellung der adäquaten Haltung entlaufener, ausgesetzter, zurückgelassener sowie von der Behörde beschlagnahmter oder abgenommener Tiere, soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht kommt, wobei die Haltung der Tiere, solange sich diese im Sinne des Abs. 1 in der Obhut der Behörde befinden, entsprechend Abs. 3 leg. cit. auf Kosten und Gefahr des Tierhalters erfolgt.

Im Beschwerdefall beruft sich die belangte Behörde darauf, dass es sich bei dem in Rede stehenden Tier um ein entlaufenes handelt.

Entsprechend Anlage 1 Punkt 2. Abs. 10 der 2. Tierhaltungsverordnung dürfen Katzen mit regelmäßigem Zugang ins Freie gehalten werden; diesfalls sind sie von einem Tierarzt kastrieren zu lassen, sofern diese Tiere nicht zur Zucht verwendet werden.

Das Wiener Jagdgesetz normiert in § 92 Abs. 2 letzter Satz betreffend streunende Katzen:

„Die Jagdausübungsberechtigten und Jagdaufseher sind außerdem berechtigt, streunende Katzen, welche in einer Entfernung von mehr als 300 m von Haus-und Wirtschaftsgebäuden umherstreifen und für freilebendes Wild eine Gefahr darstellen, zu töten.“

Aus den genannten Bestimmungen der 2. Tierhaltungsverordnung und des Wiener Jagdgesetzes erschließt sich, dass auch im Stadtgebiet Wiens eine Haltung von Hauskatzen in der Form zulässig ist, dass sie sich außerhalb des Wohnraumes frei bewegen können, sofern sie in einer Entfernung weniger als 300 m von Haus-und Wirtschaftsgebäuden umherstreifen. Dies umso eher, wenn es sich nicht um ein dicht verbautes innerstädtisches Wohngebiet, sondern - wie im konkreten Fall - um ein am Stadtrand gelegenes Villenviertel mit vielen Grünflächen handelt.

Unter diesen Voraussetzungen ist eine wie im Beschwerdefall in naher Umgebung zum Wohnhaus der Tierhalterin auf dem Gehsteig sitzende Katze nicht als entlaufen zu beurteilen, sondern als „Freigängerin“.

Dafür dass einer der übrigen Tatbestände des § 30 Abs. 1 TSchG, vorgelegen wäre, nämlich dass es sich um ein ausgesetztes, zurückgelassenes bzw von der Behörde beschlagnahmtes oder abgenommenes Tier gehandelt hätte, wurde weder von der belangen Behörde in Erwägung gezogen, noch ergab sich im Beschwerdeverfahren dafür irgend ein stichhältiger Anhaltspunkt.

Da keiner der im § 30 Abs. 1 TSchG genannten Tatbestände vorliegt, ist keine Kostentragungspflicht der Tierhalterin entstanden, es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Trotz Fehlens einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt hier keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da die Rechtslage eindeutig ist.

Schlagworte

Tierschutz; Tier, entlaufenes; Unterbringung; Verwahrung; Kosten; Kostenersatz; Kostentragungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.014.5293.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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