Entscheidungsdatum
06.11.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W168 2197571 - 2 /2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA über den Antrag von XXXX geb. XXXX , StA: Nigeria, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2018, W168 2197571 - 1/ 10E, abgeschlossenen Verfahrens beschlossen:
A)
Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG stattgegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF) stellte nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet am 14.03.2018 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine durchgeführte Eurodac - Abfrage ergab eine Asylantragstellung der BF in Frankreich mit Datum 11.08.2015, sowie eine Asylantragstellung in Deutschland mit Datum 30.10.2017.
Bei der durchgeführten Erstbefragung gab der BF befragt zum Reiseweg an, dass sie aus ihrer Heimat kommend über Libyen nach zunächst Italien gereist sei. Von Italien wäre sie weiter nach Frankreich gereist. Im Jahre 2017 wäre sie nach Deutschland gefahren. In Folge hätte sie sich in Österreich und in Frankreich aufgehalten. Von Frankreich wäre sie letztlich nunmehr nach Österreich gereist. Befragt zu Frankreich führte die BF aus, dass Frankreich in Ordnung wäre, bzw. Marseille in Ordnung wäre. Auch das Asylverfahren wäre dort in Ordnung. Sie hätte jedoch in Frankreich bereits 2 negative Asylbescheide erhalten. Gegen eine Rückkehr nach Frankreich späche, dass sie in Österreich mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes ein Leben aufbauen möchte.
Das Bundesamt richtete insbesondere aufgrund des vorliegenden Eurodac - Treffers von Frankreich ein auf Art. 18 Abs. 1 b Dublin III VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Frankreich. Das Führen von Konsultationen wurde der beschwerdeführenden Partei nachweislich mitgeteilt.
Frankreich stimmte daraufhin mit Mitteilung vom 16.03.2018 der Wiederaufnahme der BF gem. 18 Abs. 1 d Dublin III VO ausdrücklich zu.
Am 24.04.2018 wurde nach erfolgter Rechtsberatung eine Einvernahme im Zulassungsverfahren mit der BF seitens des BFA durchgeführt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III VO zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, da gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidungen gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass die Überstellung der beschwerdeführenden Partei nach Frankreich eine Verletzung des Art. 3 bzw. Art. 8 EMRK bedeuten würde. Es würde kein besonderes Abhängigkeits- bzw. Naheverhältnis zu sich im Bundesgebiet befindlichen Personen bestehen. Die auch insbesondere nicht zu dem Vater des noch ungeborenen Kindes der BF.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. In dieser wird zusammenfassend ausgeführt, dass die BF in Österreich mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes nunmehr seit 1. Juni 2018 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Ein emotionales bzw. finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu diesem stehe somit fest. Weiters bestehe Mutterschutz nach dem MSchG und eine Überstellung der BF wird erst 8 Wochen nach der Entbindung möglich sein. Laut Mutter Kind Pass wurde als voraussichtlicher Entbindungstermin der 15.08.2018 errechnet. Es wäre somit von einem besonderen Schonungsbedarf der BF als auch des Kindes für rund 8 Wochen nach der Geburt auszugehen. Eine Überstellung nach Frankreich stelle nach subjektiven als auch objektiven Kriterien eine reale Gefahr der Verletzung der in Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährten Rechte dar. In Summe würde ersucht vom Selbsteintrittsrecht Österreichs Gebrauch zu machen und das Verfahren zur inhaltlichen Entscheidung in Österreich zuzulassen.
Mit Information des BFA vom 21.08.2018 wurde dem BVwG ein Konvolut von weiteren medizinischen Unterlagen, bzw. Artzbefunden des AKH übermittelt. Diesen Unterlagen konnte insbesondere entnommen werden, dass die Geburt des Kindes der BF bereits mit XXXX erfolgt wäre, bzw. eine weitere Facharztkontrolle der BF und des Kindes terminisiert wurde.
Mit Beschluss des BVwG vom 27.08.2018 wurde der Beschwerde gem. §17 BFA - VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben des BFA vom 12.09.2018 wurden dem BVwG der Entlassungsbrief der BF aus dem AKH vom 16.08.2018, sowie das Schwangerschaftsjournal, sowie die Geburtsurkunde des Kindes übermittelt. Betreffend des Kindes wären dem BFA bis dato keine Unterlagen vorgelegt worden. Auch wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die AW seit dem 03.09.2018 unbekannten Aufenthaltes wäre.
Die Beschwerde der BF gegen den angefochtenen Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Am 30.10.2018 wurde unter Anschluss von mehreren Bescheinigungsmitteln ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 beendeten Verfahrens beim BVwG eingebracht. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Sohn der BF am XXXX in Wien zur Welt gekommen wäre. Der Vater dieses Sohnes, ein österreichischer Staatsbürger, habe die Vaterschaft anerkannt, somit würde es sich bei dem Sohn der BF nunmehr auch um einen österreichischen Staatsbürger handeln. Dem BVwG wären mehrere Unterlagen übermittelt worden, jedoch nicht das Vaterschaftsanerkenntnis vom 24.08.2018, sowie eine darauf aufbauende neu ausgestellte Geburtsurkunde und ein österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis den Sohn der BF betreffend. Diese wurden im Zuge des Antrages auf Wiederaufnahme in Vorlage gebracht. Eine Ausweisung des Sohnes aus dem Bundesgebiet wäre somit nicht zulässig. Auch wäre eine Trennung des Sohnes der BF von seinem Vater, der diesen täglich besuchen würde, nicht zulässig. Eine Trennung der BF von ihrem neugeborenen Kind wäre jedenfalls unzulässig und somit wäre auch die ausgesprochene Ausweisung der BF nach Frankreich nunmehr unzulässig. Die BF hätte sich dokumentiert erfolglos um eine Wiederaufnahme in die Grundversorgung bemüht. Sie hätte zudem keinen Anlass gesehen daran zu zweifeln, dass der Umstand, dass der Sohn der BF nunmehr österreichischer Staatsbürger wäre, entsprechend im Verfahren berücksichtigt werden würde, bzw. diese relevanten Informationen auch dem BVwG zur Verfügung gestellt worden wären. Der Sohn der BF würde somit über eine Geburtsurkunde und über einen österreichischen Staatsbürgerschaftsausweis verfügen. Offensichtlich wäre das BVwG hierüber jedoch nicht informiert worden und hätte somit diesen Umstand in seiner Entscheidung vom 10.10.2018 nicht mitberücksichtigen können. Die Berücksichtigung dieses Umstandes hätte jedoch anzunehmend zu einer anderen Entscheidung geführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei begab sich nachweislich aus Frankreich kommend unberechtigt in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 14.03.2018 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III VO zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.
Die Beschwerde der BF gegen den angefochtenen Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Am 30.10.2018 wurde unter Anschluss von mehreren Bescheinigungsmitteln ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 beendeten Verfahrens beim BVwG eingebracht.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Auf gegenständliches Verfahren bezogen ist folgendes auszuführen:
Im gegenständlichen Verfahren sind gem. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG relevante neue Tatsachen oder Beweismittel im bereits durch Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gem. §5 AsylG und §61 FPG abgewiesenen Verfahren hervorkommen.
Es handelt sich hierbei um die vorgebrachte Tatsache, dass es sich bei dem Sohn der BF um einen österreichischen Staatsbürger handelt, da der österreichische Vater mit Datum 24.08.21018 die Vaterschaft anerkannt hat und hierauf aufbauend eine neue Geburtsurkunde und ein österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis den Sohn der BF betreffend ausgestellt worden sind. Diese Urkunden den Sohn der BF betreffend sind dem BVwG nicht übermittelt worden und konnten somit bei der Entscheidung vom 10.10.2018 nicht mitberücksichtigt werden. Diese Tatsache, die zum Entscheidungszeitpunkt damit bereits vorgelegen ist, jedoch dem BVwG nicht bekannt war, könnte allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis bewirken.
Im vorliegenden Einzelfall war unter Würdigung der konkreten Umstände zudem kein relevantes Verschulden der BF an der bis dato diesbezüglichen Nichtgeltendmachung dieser Tatsachen zu erkennen, bzw. wurde gegenständlicher Antrag gem. §32 Abs. 2 VwGVG fristgerecht eingebracht.
Dem Wiederaufnahmeantrag war somit in casu stattzugeben.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Voraussetzungen, WegfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W168.2197571.2.00Zuletzt aktualisiert am
06.05.2019