TE Bvwg Beschluss 2019/1/18 W140 1425704-2

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Veröffentlicht am 18.01.2019
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Entscheidungsdatum

18.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W140 1425704-2/28E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.08.2014, Zl. 811315806/14697001, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 01.11.2011 in Österreich ein, und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesasylamt wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 23.03.2012 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG mit einer Ausweisung nach Afghanistan (Spruchpunkt III.).

In Erledigung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde behob der Asylgerichtshof mit Entscheidung vom 21.01.2013 gemäß § 66 Abs. 2 AVG den Bescheid des Bundesasylamtes und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Der Beschwerdeführer wurde im fortgesetzten Verfahren am 21.03.2013 erneut vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, keinen Kontakt zu seinen Angehörigen zu haben und der letzte Kontakt mit seiner Mutter zwei Jahre her sei. Er wisse nicht, wo sich seine Familie aufhalte.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.03.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 01.11.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Unter einem erteilte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 21.03.2014 (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers eine erhöhte allgemeine Gefahr durch Terroranschläge und das Unvermögen der staatlichen Behörden Übergriffe wirksam zu verhindern gegeben sei. Die allgemeine Situation in Afghanistan sei in Zusammenschau mit den zur Sache zusammengetragenen landeskundlichen Feststellungen nicht als zufriedenstellend zu bezeichnen. Als innerstaatliche Fluchtalternative komme allenfalls Kabul in Betracht. In Anbetracht der Umstände, dass der BF über keine sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge und den Großteil seines Lebens im Iran verbracht habe, sei jedoch davon auszugehen, dass er momentan in eine hoffnungslose Lage kommen werde, da davon auszugehen sei, dass er nicht in der Lage sein werde, dort von Anfang an seine Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Mit Bescheid des BFA vom 12.03.2014 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 21.03.2016 verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX (gekürzte Urteilsausfertigung) XXXX vom XXXX (RK XXXX) wurde der BF - gemäß § 28a (1) 5. Fall SMG, § 83 (1) StGB, §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, Datum der (letzten) Tat 01.06.2014, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon Freiheitsstrafe 10 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre Junge(r) Erwachsene(r) - verurteilt. Am 25.08.2014 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF durch das BFA.

Mit Bescheid des BFA (Regionaldirektion XXXX) vom 26.08.2014 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 21.03.2013 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 2 Asylgesetz 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm unter Spruchpunkt II. die mit Bescheid vom 12.03.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Absatz 4 Asylgesetz entzogen. Unter Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 9 Absatz 2 Asylgesetz unzulässig ist. Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß §§ 55 und 57 Asylgesetz nicht erteilt werde. Begründend wurde zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet gemäß §46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 26.08.2014 wurde dem BF der XXXX als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 02.09.2014 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Darin wird u. a. Folgendes ausgeführt:

"Ich fechte den genannten Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften an.

Meine Beschwerde begründe ich im Einzelnen wie folgt:

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 9 Abs 2 AsylG schafft die Situation, dass ich zwar meine Rechte verliere, ich jedoch nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet in mein Heimatland abgeschoben werden darf. In Konsequenz hätte ich keine Chance, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, um selbst für mich sorgen zu können, was in Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Belastung der Gebietskörperschaften führen würde. Die Sanktion der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten widerspricht dem Grundgedanken der Resozialisierung und macht meine bisherigen integrativen Bemühungen zunichte.

Die Sinnhaftigkeit sowie Verfassungskonformität des § 9 Abs 2 AsylG ist daher völkerrechtlich sowie rechtspolitisch zu hinterfragen, da sie Betroffene in ein rechtliches "schwarzes Loch" verfrachtet und somit in eine vollkommen ausweglose Situation bringt. Ich darf an dieser Stelle an die Stellungnahme von Amnesty International zum Fremdenrechtspaket 2009 verweisen, in welcher treffend zu § 9 Abs 2 Z 2 und 3 AsylG folgendes ausgeführt wird:

"Hinsichtlich der Bezugnahme der EB auf die EU-Statusrichtlinie, stellt Amnesty International noch einmal klar, dass Österreich auf völkerrechtlicher Ebene zur Einhaltung der GFK verpflichtet ist. Selbst GFK-widrige Bestimmungen in EU-Richtlinien ändern nichts an dieser vorgelagerten und zwingenden völkerrechtlichen Verpflichtung, die völkerrechtskonforme Umsetzung bleibt weiter geboten.

Durch die Einführung der weitreichenden Aberkennungstatbestände wird eine weitgehend rechtlose Gruppe von Personen geschaffen, die lediglich eine Duldung, jedoch sonst keinerlei Rechte erhalten. (...) Eine Duldung ohne Rechte schafft für die betroffenen Personen eine ausweglose Situation mit keinerlei Zukunftsaussicht.

Im Falle einer Aberkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter habe ich keine Möglichkeit, meine Rechte wiederzuerlangen. Ich müsste mich fragen, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen soll. Jetzt bin ich noch jung, kräftig und arbeitsfähig und habe die Motivation für einen Neustart. Meine gerechte Strafe werde ich in Kürze abgesessen haben - es ist jedoch in keinster Weise verhältnismäßig, mich danach weiterhin (wenn auch außerhalb des Strafrechts) zu bestrafen, indem mir meine Rechte, insbesondere der Zugang zum Arbeitsmarkt und somit die Möglichkeit zu einem geregelten Leben, auch noch genommen werden. Inwiefern dies einem "geordneten Fremdenwesen" dienlich sein soll, oder einen legitimen rechtspolitischen Zweck verfolgt (wie in der RV zu § 9 Abs 2 AsylG argumentiert wurde), ist mehr als fraglich. Es wäre in Anbetracht meines konkreten Falles viel sinnvoller und auch gerechter, mir eine letzte Chance zur Besserung zu gewähren und mir die Möglichkeit zu geben, auf geregelten Bahnen zu bleiben.

Nach meiner Entlassung möchte ich einem geregelten Leben mit Berufstätigkeit nachgehen und für mich selbst sorgen. Meine Deutschkenntnisse sind als sehr gut zu beurteilen und bin ich ein kontaktfreudiger Mensch, der eine letzte Chance verdient. Eine Zukunftsprognose fällt daher eindeutig zu meinen Gunsten aus."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

In seiner Entscheidung vom 06.11.2018 (Ra 2018/18/0295-15) führte der Verwaltungsgerichtshof Folgendes aus:

"Der EuGH hat mittlerweile jedoch das vom Revisionswerber erwähnte Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie abgeschlossen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 13. September 2018, Ahmed, C-369/17, ausgesprochen:

"Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, ,eine schwere Straftat' im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist."

In seinem Urteil Ahmed, C-369/17, hat der EuGH auch hervorgehoben, "dass dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Schwere der Straftat zukommt, die den Ausschluss vom subsidiären Schutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 rechtfertigt, dass sich die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats gleichwohl erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen darf, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen" (Rn. 55). Hierbei verweist der EuGH zudem auf den Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom Jänner 2016 mit dem Titel "Ausschluss: Artikel 12 und Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU)", welcher empfiehlt, "dass die Schwere der Straftat, aufgrund deren eine Person vom subsidiären Schutz ausgeschlossen werden könne, anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie u.a. der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage beurteilt werden solle, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen werde" (Rn. 56).

Insbesondere weist der EuGH auch darauf hin, dass die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie eine Ausnahme von der in Art. 18 der Statusrichtlinie aufgestellten allgemeinen Regel bildet und daher restriktiv auszulegen ist (Rn.52).

Vor dem Hintergrund des vorliegenden Urteils des EuGH in der Rs C-369/17, Ahmed, und der nunmehr klargestellten Rechtslage ist die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens zwingend und ohne Prüfkalkül der Asylbehörde eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stattzufinden hat, nicht weiter aufrecht zu erhalten. Vielmehr ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt (vgl. hierzu die oben angeführten Gesetzesmaterialien) - jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.9.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht."

Unter Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018 (Ra 2018/18/0295-15) ist festzuhalten, dass das BFA seine Entscheidung - wonach der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 zur amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfüllt sei - ausschließlich auf die Tatsache der Verurteilung des BF stützte. Eine Prüfung der genauen Umstände der Tat im Sinne einer Einzelfallprüfung erfolgte dabei nicht.

Das BFA wird daher - zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens - eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen haben und anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen haben, ob dem BF deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung werden auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen sein.

Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht - auch im Sinne des Rechtsschutzes für den Beschwerdeführer - gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen erstmaligen Abklärung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme von in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Abklärungen als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Da der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war der angefochtene Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.

Auf Grundlage einer einzelfallbezogenen Würdigung - unter Berücksichtigung der konkret verhängten Strafe und der Gründe für die Strafzumessung - wird das BFA neu zu entscheiden haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W140.1425704.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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