TE Bvwg Beschluss 2019/1/31 W140 1264526-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W140 1264526-2/25E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER über die Beschwerde von XXXX , StA. China, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2014, Zahl 741447301 - 14812749, beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der VR China, reiste am 01.07.2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.07.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF wurde daraufhin in die Grundversorgung aufgenommen und war bis 02.08.2004 in der EAST Ost TRAISKIRCHEN untergebracht, ehe er privat eine Meldeadresse begründete. Das Asylverfahren des BF wurde am 23.06.2010 vom Asylgerichtshof eingestellt.

Der BF wurde am 21.07.2014 in XXXX WIEN im Zuge einer finanzpolizeilichen Kontrolle in einem Lokal bei der illegalen Erwerbstätigkeit betreten und sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet festgestellt. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 22.07.2014 brachte der BF u. a. vor, dass ihm nicht bekannt gewesen wäre, dass sein Asylverfahren eingestellt worden wäre. Er habe seit seinem Asylantrag das Bundesgebiet nicht verlassen.

Das BFA, Regionaldirektion Wien, erteilte dem BF mit Bescheid vom 22.07.2014 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Unter einem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach CHINA zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 erkannte das Bundesamt einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt II.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.)

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde, in der neben der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55, 57 AsylG 2005, die Behebung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes bzw. in eventu dessen Herabsetzung, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sowie in eventu die Behebung und Zurückverweisung des Bescheides an die erstinstanzliche Behörde beantragt wurde.

In der Beschwerde wird u. a. ausgeführt:

"Sachverhalt:

Der BF ist chinesischer Staatsbürger und reiste zuletzt im Jahr 2004 nach Österreich ein. Das Asylverfahren des BF wurde am 23.6.2010 in zweiter Instanz eingestellt. Am 21.7.2014 wurde der BF durch die Finanzpolizei betreten einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen und in weiterer Folge der angefochtene Bescheid erlassen sowie die Schubhaft über den BF verhängt.

Begründung:

1. Rückkehrentscheidung

Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid keine umfassende Interessenabwägung durchgeführt und einschlägige Judikatur ignoriert,

"Ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt kann den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen bzw., eine Ausweisung als unverhältnismäßig erscheinen lassen (vgl. E 25. September 2009, 2007/18/0538; E 26. August 2010, 2010/21/0009, und 2010/21/0206; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158).", VwGH 21.1.2013, 2011/18/0036, Rs

1.

"Ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt - mag dieser auch auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen sein - kann den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen. Bei einer solchen, dermaßen langen Aufenthaltsdauer wird regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung auszugehen sein. Nur dann, wenn der Fremde die in

Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hatte, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen" (Hinweis E vom 10. Mai 2011, ZI. 2011/18/0100, und E vom 20. März 2012, 2011/13/0256, mwN), VwGH, 18.10.2012, 2010/22/0136 Rs 1.

Der BF befindet sich seit 21.7.2004, zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung also über zehn Jahre, in Österreich. Im Lichte dieser Judikatur wird daher eine Interessensabwägung durchzuführen sein, ob eine Ausweisung, des BF ausnahmsweise zulässig ist, oder ob nicht viel mehr von einer sozialen und beruflichen Integration dergestalt auszugehen ist, die eine Ausweisung als unzulässig erscheinen lassen.

2. Einreiseverbot

"Das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen darf nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs 2 Z 1-8 bzw. des Abs 3 Z 1-8 FPG 2005 idF FrÄG 2011 vorliegt. Eine einzelfallbezogene Bemessung ist vielmehr unabdingbar" (VwGH 22.5.2013, 2011/18/0259=Szymanski/ in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht (2014) § 53 FPG 2005 E 7 (Stand März 2014, rdb.at)),

"Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an" (VwGH 20.12.2011, 2011/23/0256= Szymanski in Schrefler- König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asyl recht (2014) § 53 FPG 2005 E 8 (Stand März 2014, rdb.at)).

Diese Judikatur wird auch von der belangten Behörde im bekämpften Bescheid herangezogen. Trotzdem lässt die belangte Behörde jegliche Auseinandersetzung mit der konkreten Situation des BF vermissen und vermag nicht zu begründen, warum im Falle des BF das gesetzliche Höchstmaß ausgeschöpft werden muss. Im bekämpften Bescheid heißt es in textbausteinmäßiger Formulierung lediglich; "Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat der im Zuge der von der Behörde vorgenommen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Es geht daraus nicht hervor, welche Gründe für die vorgenommene Abwägungsentscheidung maßgeblich waren. Eine bloße, wenn auch rechtswidrige, Beschäftigung in einem Restaurant rechtfertigt die Verhängung eines Einreiseverbots für die Dauer von fünf Jahren jedenfalls nicht. Im Vergleich zu anderen schwerwiegenderen Fällen der unrechtmäßigen Beschäftigung gem § 53 Abs 2 Z 7 FPG könnte der Unrechtsgehalt solcher schwereren Verfehlungen nicht mehr erfasst werden, da das gesetzliche Höchstmaß bereits ausgeschöpft wäre.

Da es sich dabei um einen sehr geringen Verstoß handelt, erscheint überhaupt zweifelhaft ob die Verhängung eines Einreiseverbots gerechtfertigt erscheint. Die Verhängung eines Einreiseverbots ist nach der Rechtsprechung des VwGH und nunmehr auch nach der neuen Rechtslage (".. kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden." vgl auch VwGH 15.5.2012, 2012/18/0029)."

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde mit Beschluss vom 07.08.2014 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

In weiterer Folge wurden seitens der Vertretung des Beschwerdeführers diverse Unterlagen zur Integration und zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vorgelegt.

Mit Eingabe vom 28.02.2018 wurde u.a. nachstehende Stellungnahme erstattet:

"Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wird weiterhin bekräftigt, dass dieser seit 24.07.2004 ununterbrochen und für die Dauer seines Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war. Er musste im Laufe des Jahres 2010 seine gemeldete Unterkunft aus unverschuldeten Gründen verlassen; in weiterer Folge gelang es ihm nicht, sich an der neuen Unterkunft behördlich zu melden und musste das Asylverfahren folglich eingestellt werden. Der Beschwerdeführer versichert, dass er den gesamten Zeitraum über im Bundesgebiet ununterbrochen aufhältig war.

Es wird wiederholt, dass der Beschwerdeführer in Lebensgemeinschaft mit der rechtmäßig aufhältigen chinesischen Staatsangehörigen, XXXX , an der Adresse XXXX , lebt. Der Beschwerdeführer kümmert sich auch liebevoll um die mj Tochter seiner Lebensgefährtin, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebt.

Die Unterhaltsmittel sind durch das Einkommen aus Erwerb durch die Lebensgefährtin gesichert."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Im Fall des Beschwerdeführers erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:

Das BFA erteilte dem BF mit Bescheid vom 22.07.2014 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG. Unter einem stellte es gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach CHINA zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 erkannte das Bundesamt einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt II.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.)

Betreffend Erteilung des Einreiseverbotes führte die belangte Behörde u.a. Folgendes im angefochtenen Bescheid aus:

"Durch die illegale Erwerbstätigkeit als Küchenhilfe haben Sie gezeigt, dass Sie nicht gewillt sind, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Sie wurden bei der Ausübung einer Arbeitstätigkeit ohne einer entsprechenden Bewilligung ("Schwarzarbeit") betreten, wodurch Sie gegen die gesetzlichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verstoßen haben. Zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich ist in Ihrem Fall aus Sicht der ha. Behörde die Notwendigkeit gegeben, eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu verhängen. Im Hinblick des öffentlichen Interesses an Ordnung ist Ihre Ausreise notwendig. Sie verfügen derzeit über keine Barmittel zur Finanzierung Ihres Lebensunterhaltes und es besteht die Gefahr, dass Ihr weiterer Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft werden könnte.

(...)

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten."

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stellt nach dem System der RückführungsRL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Zwar kann eine Rückkehrentscheidung dessen ungeachtet mit einem Einreiseverbot einhergehen, eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten - mag sie auch häufig gerechtfertigt sein - in jedem Fall, wird der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes "in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls" zu erfolgen habe, jedoch nicht gerecht. Letztere - zweifellos unmittelbar anwendbare - Richtlinienbestimmung steht daher § 53 Abs 2 FPG 2005 idF FrÄG 2011 insoweit entgegen, als dort - ohne Ausnahme - die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. Umgekehrt kennt das FPG 2005 idF FrÄG 2011 keine kürzere Frist für das Einreiseverbot. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa aufgrund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist. VwGH 15. 5. 2012, 2012/18/0029VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (Volltext) VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (RS 5) VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (RS 4) VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (RS 3) VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (RS 2) VwGH 2012/18/0029 - Erkenntnis (RS 1).

Abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Drittstaatsangehörigen ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes iSd bisherigen Judikatur zu § 63 FPG 2005 alt (vgl. VwGH 8. 11. 2006, 2006/18/0323VwGH 2006/18/0323 - Erkenntnis (Volltext) VwGH 2006/18/0323 - Erkenntnis (RS 4) VwGH 2006/18/0323 - Erkenntnis (RS 3) VwGH 2006/18/0323 - Erkenntnis (RS 2) VwGH 2006/18/0323 - Erkenntnis (RS 1) ; 18. 2. 2009, 2008/21/0048) darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist; außerdem ist auch auf die privaten und familiären Interessen des Drittstaatsangehörigen Bedacht zu nehmen. Das ergibt sich nicht zuletzt aus § 60 Abs 1 FPG 2005 idF FrÄG 2011, der die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes unter

Berücksichtigung "der für seine Erlassung [. . .] maßgeblichen

Umstände" - und damit in der Formulierung angelehnt an § 63 Abs 2 FPG 2005 alt - vorsieht (vgl § 67 Abs 4 FPG 2005 idF FrÄG 2011 betreffend die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige). Die dargestellte Prognose muss auf den Tag der (hypothetischen) Ausreise des Drittstaatsangehörigen bezogen werden. Das ergibt sich aus § 53 Abs 4 FPG 2005 idF FrÄG 2011, wonach die Frist des Einreiseverbotes mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen beginnt. VwGH 15. 12. 2011, 2011/21/0237.

Das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen darf nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs 2 Z 1-8 bzw des Abs 3 Z 1-8 FPG 2005 idF FrÄG 2011 vorliegt. Eine einzelfallbezogene Bemessung ist vielmehr unabdingbar. VwGH 22. 5. 2013, 2011/18/0259VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (Volltext) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 6) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 5) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 4) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 3) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 2) VwGH 2011/18/0259 - Erkenntnis (RS 1) .

Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 2 FPG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. VwGH 20. 12. 2011, 2011/23/0256VwGH 2011/23/0256 - Erkenntnis (Volltext) VwGH 2011/23/0256 - Erkenntnis (RS 1) .

In seiner Entscheidung vom 06.11.2018 (Ra 2018/18/0203) führte der Verwaltungsgerichtshof aus: "In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier:"schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit") gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, mwN). Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/21/0002, mwN)."

Die belangte Behörde hat es im angefochtenen Bescheid unterlassen eine nachvollziehbare Begründung/Gefährdungsprognose hinsichtlich des Ausschöpfens des gesetzlichen Höchstmaßes - das Einreiseverbot betreffend - vorzunehmen. Beim Erstellen der für das Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall war bei der einmaligen Betretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass das gesetzliche Höchstausmaß ausgeschöpft werden muss. Bei der Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache u. a. von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten in Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Wie die Behörde zu der Ansicht gelangt, dass aufgrund des einmaligen Antreffens des Beschwerdeführers bei der Verrichtung einer illegalen Erwerbstätigkeit, die gesetzliche Höchstfrist des Einreiseverbotes ausgeschöpft werden musste, ist vor dem Hintergrund mangelnder Feststellungen im angefochtenen Bescheid - und dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer, der sich damals schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhielt und strafgerichtlich unbescholten war - nicht nachvollziehbar.

Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA - nach Durchführung entsprechender Abklärungen u. a. das Privat- und Familienleben/die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers betreffend - eine Gefährdungsprognose zu erstellen haben. In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose wird das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen sein und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen sein, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen. Im fortgesetzten Verfahren wird auch die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sein.

Eine erstmalige Erstellung einer Gefährdungsprognose durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Wie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß zu entnehmen ist, sollte eine ernsthafte Prüfung eines Antrages jedenfalls nicht erst bei der Beschwerdebehörde beginnen, da dies nicht nur eine "Delegierung" der Aufgaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht bedeuten, sondern auch den in der Rechtsordnung bewusst vorgesehenen Instanzenzug zur bloßen Formsache degradieren würde.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gefährdungsprognose,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W140.1264526.2.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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