TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 G314 2192482-1

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G314 2192482-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt V. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt V. zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 13.03.2018 in Wien wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen. Am nächsten Tag wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ua zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen. Daraufhin wurde er in Schubhaft genommen.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und 7 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Das Einreiseverbot wurde mit der Mittellosigkeit des BF begründet, der in der Absicht, eine illegale Arbeit aufzunehmen, eingereist sei, sich ohne gültiges Reisedokument im Bundesgebiet aufhalte und einen gefälschten, auf den am 27.07.1992 geborenen EWR-Bürger XXXX lautenden Ausweis dazu verwendet habe, um sich hier mit Hauptwohnsitz anzumelden und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Serbien; er sei in Österreich weder beruflich noch sozial verankert und habe hier - abgesehen von einer Großmutter - keine privaten oder familiären Bindungen. Ein fünfjähriges Einreiseverbot sei notwendig, um die vom BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu verhindern und einen Gesinnungswandel hin zu einem rechtstreuen Verhalten zu gewährleisten.

Am 28.03.2018 wurde der BF nach Serbien abgeschoben.

Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt V. des oben angeführten Bescheids richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, die Dauer zu reduzieren. Hilfsweise wird auch noch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag in Bezug auf den angefochtenen Spruchpunkt gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehe. Er habe seine in Wien lebende Großmutter besucht und bei ihr Unterkunft genommen. Er sei nicht mittellos, zumal er bei seiner Festnahme im Besitz von EUR 120 in bar gewesen sei. Er bereue, dass er in Österreich gefälschte Dokumente verwendet habe und einer Beschäftigung nachgegangen sei, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen. Angesichts seiner Unbescholtenheit gehe von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aus.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 16.04.2018 einlangten.

Feststellungen:

Der BF kam am XXXX in der serbischen Stadt XXXX zur Welt, wo seine Eltern, sein Bruder und sein Großvater nach wie vor leben. Er spricht Serbisch, schloss in seinem Herkunftsstaat die Schule mit der Reifeprüfung ab und war anschließend dort erwerbstätig. Seine einzige Bezugsperson in Österreich ist eine in Wien lebende Großmutter.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. 2017 reiste er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein, weil er hier arbeiten wollte. Mit gefälschten, auf den am XXXX geborenen bulgarischen Staatsangehörigen XXXX lautenden Dokumenten meldete er in Wien am 15.12.2017 einen Hauptwohnsitz an. Unter Verwendung dieser falschen Identität war er von 20. bis 26.12.2017 und ab 15.02.2018 als Arbeiter vollversichert erwerbstätig sowie im Dezember 2017 und im Jänner 2018 geringfügig beschäftigt. Mit den Einkünften daraus finanzierte er seinen Lebensunterhalt. Als er am 13.03.2018 unter Verwendung des gefälschten Ausweises die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer beantragte, wurde er festgenommen. Bei seiner Festnahme verfügte er über Bargeld von ca. EUR 130. Er konnte keine weiteren finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nachweisen. Seinen von 27.08.2010 bis 27.08.2020 gültigen serbischen Reisepass legte er zunächst nicht vor, weil er ihn angeblich verloren hatte. Der Reisepass wurde dem BFA schließlich am 20.03.2018 vorgelegt.

Der BF war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig; ihm wurde nie ein Aufenthaltstitel erteilt. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er kann nach der Rückkehr nach Serbien wieder im Haus seiner Eltern in XXXX, wo er schon vor seiner Einreise in das Bundesgebiet wohnte, Unterkunft nehmen.

Der BF hat weder in Österreich noch in anderen vom Einreiseverbot umfassten Staaten weitere familiäre, berufliche, private oder andere gesellschaftliche Bindungen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der vom BVwG vorgenommenen Registerabfragen. Die Abschiebung des BF ergibt sich aus dem Bericht über die Frontex-Charterrückführung vom 29.03.2018; sie ist auch im Fremdenregister dokumentiert.

Die Identität des BF wird durch seinen (dem BVwG in Kopie vorliegenden) serbischen Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Sie ergibt sich auch aus dem aktenkundigen Erhebungsergebnis des Polizeikooperationszentrums XXXX vom 13.03.2018. Der BF behauptete zunächst gegenüber dem BFA, er habe seinen Reisepass verloren. Letztlich wurde der Reisepass aber am 20.03.2018 vorgelegt, was sich auch aus dem Fremdenregister ergibt.

Der Geburtsort des BF geht aus seinem Reisepass hervor. Seine Lebenssituation in Serbien ergibt sich aus seiner schlüssigen und plausiblen Darstellung gegenüber dem BFA. Seine Serbischkenntnisse stehen im Einklang mit seiner Herkunft und dem Schulbesuch in Serbien. Eine Verständigung mit dem seiner Einvernahme hinzugezogenen Dolmetscher für diese Sprache war problemlos möglich. Die in Serbien bzw. in Österreich lebenden Angehörigen des BF sowie seine Ausbildung werden ebenfalls anhand seiner Angaben vor dem BFA festgestellt.

Anhaltspunkte für eine Erkrankung oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des BF, eines Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, sind nicht hervorgekommen und werden von ihm auch nicht vorgebracht. Dies korrespondiert mit seiner Erwerbstätigkeit in Serbien und in Österreich.

Der BF behauptete, er sei im Dezember 2017 in das Bundesgebiet eingereist. Der letzte Einreisestempel in den Schengenraum in seinem Reisepass stammt vom 19.04.2017; danach liegt kein Ausreisestempel mehr vor. Mangels aussagekräftiger Beweisergebnisse kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, ab wann er sich im Bundesgebiet aufhielt. Als Aufenthaltszweck gab er gegenüber dem BFA die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Österreich an, wobei er wusste, dass er dazu nicht berechtigt war ("... mir war bewusst, dass das nicht erlaubt ist ...").

Der BF beantragte laut Fremdenregister am Tag seiner Festnahme die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Die Verwendung gefälschter Dokumente ergibt sich aus der Anzeige der Landespolizeidirektion Wien vom 13.03.2018. Der BF gab zu, dass er sich gefälschte Dokumente beschaffte und damit unter einer falschen Identität auftrat. Dies wird durch die Wohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister und die Versicherungszeiten laut Versicherungsdatenauszug, jeweils betreffend den am XXXX geborenen bulgarischen Staatsangehörigen XXXX, erhärtet. Bei der Einvernahme vor dem BFA erklärte der BF, er habe seinen Lebensunterhalt mit dem bei der Erwerbstätigkeit unter falschem Namen erzielten Einkommen finanziert.

Die finanziellen Mittel des BF werden anhand der Bargeldaufstellung laut Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung festgestellt. Damit stehen seine Angaben vor dem BFA ("... habe jetzt noch EUR 120 ...") ganz gut in Einklang. Es gibt keine Anhaltspunkte für darüber hinausgehende finanzielle Mittel oder Wertgegenstände des BF; insbesondere gab er bei der Einvernahme keine weiteren finanziellen Mittel an.

Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, hervor. Die Abfrage von Versicherungszeiten unter seinem richtigen Namen brachte kein Ergebnis. Der BF behauptet gar nicht, dass er einen Aufenthaltstitel besitzt oder einer legalen Erwerbstätigkeit im Inland nachging.

Der Familienstand des BF und das Fehlen von Sorgepflichten werden aufgrund seiner Angaben gegenüber dem BFA festgestellt, ebenso die Wohnmöglichkeit in seinem Elternhaus nach seiner Rückkehr.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich oder einem anderen vom Einreiseverbot umfassten Land aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen das Einreiseverbot laut Spruchpunkt V. des Bescheids vom 15.03.2018.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG) oder wenn er bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Serbische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs 4 Z 20 FPG) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Zu den Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt des BF im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gehört weiters, dass er Dokumente vorzeigen kann, die den Aufenthaltszweck und die Umstände des Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Art 6 Abs 1 lit c Schengener Grenzkodex [Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF]; Art 5 Abs 1 lit c SDÜ [Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG]). Außerdem darf er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein (Art 6 Abs 1 lit e Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit e

SDÜ).

Gemäß Art 6 Abs 4 Schengener Grenzkodex werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Das Vorhandensein ausreichender Unterhaltsmittel für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 21.12.2010, 2009/21/0157).

Der BF besitzt zwar einen gültigen serbischen Reisepass, den er bei seiner Festnahme jedoch nicht vorlegte. Laut Grenzkontrollstempel hatte er die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts bereits deutlich überschritten. Da er überdies zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (ohne entsprechenden Aufenthaltstitel und ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung) einreiste, hielt er die Befristungen und Bedingungen für den visumfreien Aufenthalt nicht ein; sein Aufenthalt im Bundesgebiet war somit nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG.

Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (VwGH 29.04.2010, 2007/21/0262). Da der BF seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter einer falschen Identität und unter Vorspiegelung, ein EWR-Bürger zu sein, finanzierte, vermochte er den Besitz ausreichender, aus legalen Quellen stammender Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen, sodass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt gemäß § 53 Abs 2 Z 6 FPG indiziert ist. Die aus der Mittellosigkeit resultierende Gefahr der Mittelbeschaffung aus illegalen Quellen hat sich durch sein Verhalten bereits tatsächlich realisiert, wie die Erwerbstätigkeit ohne Beschäftigungsbewilligung zeigt. Ihm fällt insofern ein weiteres Fehlverhalten zur Last, als er eine unrichtige Identität verwendete und unter Verwendung gefälschter Identitätsdokumente vortäuschte, EWR-Bürger zu sein, um so unbehelligt in Österreich Aufenthalt zu nehmen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Der - vom BFA herangezogene - Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG ist dagegen nicht erfüllt, weil der BF zwar einer unselbständigen Beschäftigung ohne die erforderlichen Bewilligungen nachging, dabei aber nicht betreten wurde, was Voraussetzung für die Erfüllung dieses Tatbestands ist (vgl VwGH 18.03.2014, 2013/22/0332).

Der unrechtmäßige Aufenthalt des BF im Bundesgebiet, seine ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung unter falscher Identität ausgeübte Erwerbstätigkeit und die Verwendung gefälschter Dokumente zur Vortäuschung der falschen Identität stellen trotz der in der Beschwerde bekundeten Reue des BF eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar (vgl VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0371). Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für den BF keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremden- und arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal sein Lebensmittelpunkt in Serbien liegt und er kaum maßgebliche Bindungen in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot umfassten Ländern hat. Den Kontakt zu seiner Großmutter kann er auch durch Telefonate, Briefe und allenfalls auch andere Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet, soziale Medien) pflegen. Der nur durch den absichtlichen Gebrauch einer falschen Identität ermöglichten Erwerbstätigkeit kommt bei der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG kein entscheidendes Gewicht zu. Der BF hat starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, wo er eine Wohnmöglichkeit und ein familiäres Netz hat, mit Sprache und Gepflogenheiten vertraut ist, die Schule besucht hat und erwerbstätig war.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots sind daher erfüllt. Dessen Dauer ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf drei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten des unbescholtenen BF und der von ihm ausgehenden Gefährdung entspricht. Dadurch bleibt eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG eine Beschwerdeverhandlung, von der keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Die im Zusammenhang mit der Erlassung eines Einreiseverbots anzustellende Gefährdungsprognose und die dabei vorzunehmende Interessenabwägung können jeweils nur im Einzelfall erstellt bzw. vorgenommen werden. Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot, Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2192482.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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