Entscheidungsdatum
27.02.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W242 2180594-1/32E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. XXXX , vertreten durch XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
A.) Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde nach Zurückweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz am 29.04.2013 nach Italien überstellt. Am 30.08.2013 wurde er erneut im Bundesgebiet aufgegriffen und der zuständigen Fremdenbehörde vorgeführt und nach erfolgter niederschriftlicher Einvernahme, in deren Zuge er einen italienischen Fremdenpass vorlegte, auf freien Fuß gesetzt. Weitere fremdenpolizeiliche Maßnahmen wurden in Folge aufgrund seines unbekannten Aufenthalts nicht gesetzt.
Am XXXX stellte er einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Im Verwaltungsverfahren wurde erhoben, dass der Beschwerdeführer am 10.10.2011 in Italien und am 18.12.2012 in der Schweiz internationalen Schutz beantragte.
Anlässlich seiner noch am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten niederschriftlichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zusammengefasst zu Protokoll, dass er sich nach seiner Überstellung nach Italien ca. vier Monate dort aufgehalten habe und dann nach Österreich zurückgekehrt sei, um mit seiner Freundin gemeinsam leben zu können. Den neuen Antrag auf internationalen Schutz würde er stellen, da er seit dem XXXX einen Sohn mit einer österreichischen Staatsangehörigen habe und er es für besser halte, wenn er deswegen bei ihnen in Österreich leben würde.
Am 20.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er gesund sei und keine Medikamente benötige. Er verfüge in Italien über ein humanitäres Visum, hätte sich dort im Jahr 2014 vier Monate lang aufgehalten. Während dieser Zeit sei auch seine Frau dort aufhältig gewesen. Seinen italienischen Reisepass würde er nicht mehr haben, da dieser bereits abgelaufen sei. Er würde gerne in Österreich bleiben, da er hier mit den Leuten Englisch sprechen und arbeiten könne und würde ihm das Land gefallen. Er sei mit einer Österreicherin verheiratet und würde mit dieser ein gemeinsames Kind haben. Er würde mit seiner Frau nicht mehr zusammenleben, habe aber weiterhin Kontakt mit ihr. Seien Sohn würde er ein bis viermal in der Woche sehen. Er würde einen Deutschkurs besuchen und in einem Lebensmittellager der Caritas helfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der Beschwerdeführer nach Italien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG 2005 angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte dem Bescheid folgende Feststellungen zu Italien zu Grunde
"Zur Lage in Italien:
Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind laut LD 142/2015 nunmehr unterschiedslos für 5 Jahre (verlängerbar) aufenthaltsberechtigt. Dasselbe Dekret hat auch die Aktivitäten der National Coordinating Working Group zur Verbesserung des nationalen Aufnahmesystems und des Integrationsplans für Schutzberechtigte bestätigt. In dieser Arbeitsgruppe sind auch Vertreter von UNHCR und NGOs (AIDA 12.2015).
2011 wurde zur Verbesserung der Integration von Schutzberechtigten das nationale Unterbringungssystem erweitert und ein Nationaler Integrationsplan etabliert. Jobtrainings und andere Integrationsprogramme sind auch durch nationale Fördertöpfe bzw. AMIF möglich. In diesem Rahmen fördert das ital. Innenministerium NGOs, welche Integrationsmaßnahmen anbieten. Diese Projekte sind allerdings zeitlich begrenzt und richten sich an eine eingeschränkte Zahl von Nutznießern. Auch die Gemeinden können Jobtrainings und -praktika finanzieren, sowie Arbeitsstipendien (borse lavoro), die Italienern und Fremden gleichermaßen zur Verfügung stehen (AIDA 12.2015).
Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);
Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;
kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).
USDOS bezeichnet die Anstrengungen der ital. Regierung zur Integration von Flüchtlingen als begrenzt. Die hohe Arbeitslosigkeit erschwert es ihnen zusätzlich legale Beschäftigung zu finden (USDOS 4.2016).
Generell ist es für Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeschickt werden, schwierig, eine Unterkunft zu finden. Das italienische System geht davon aus, dass man ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten und für sich selbst sorgen kann. Bezüglich Sozialhilfe sind anerkannte Flüchtlinge mit Italienern gleichgestellt. Das italienische Sozialhilfesystem ist jedoch schwach und kann kein Existenzminimum garantieren. Es beruht stark auf der Unterstützung durch die Familie (SFH 10.2013; vgl. SFH 4.8.2014).
Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können (UNHCR 3.2015).
Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und gelegentlich Opfer von Ausbeutung. NGOs zufolge schmälert der Mangel an Beratung und Trainingsprogrammen die Chancen der Flüchtlinge auf eine Anstellung (USDOS 4.2016).
Rückkehrer mit Schutzstatus in Italien, die zuvor bereits in einem CARA untergebracht waren, haben bei Rückkehr kein Recht mehr auf Unterbringung in einem solchen. Sie können ausnahmsweise dort untergebracht werden, wenn Plätze frei sind. Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringung im SPRAR. Dort existieren standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Die Integrationsmaßnahmen für AW und Schutzberechtigte in den italienischen Zentren werden aber generell als unzulänglich kritisiert (AIDA 12.2015).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and the Italian Council for Refugees (12.2015):
National Country Report Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_update.iv_.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (10.2013): Italien:
Aufnahmebedingungen. Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1382438928_1310-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (4.8.2014):
Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus,
http://www.frsh.de/fileadmin/beiboot/BB17/BB-17-13-Anlage.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report - Universal Periodic Review: Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 27.4.2016
-
UNHRC - UN Human Rights Council (1.5.2015): Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, François Crépeau. Addendum. Follow-up mission to Italy (2-6 December 2014), http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1432736395_a-hrc-29-36-add-2-en.doc, Zugriff 27.4.2016
-
USDOS - US Department of State (4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Italy,
http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/#wrapper, Zugriff 15.4.2016"
Das Bundesverwaltungsgericht legt dem Erkenntnis weiters zu Grunde:
1. Allgemeines zum Asylverfahren
In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 21.3.2018; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).
Laut offizieller italienischer Statistik wurden 2018 bis zum 21. September 42.613 Asylanträge in Italien gestellt. Mit selbem Datum waren 2018 38.512 Anträge negativ erledigt (inkl. unzulässige),
4.756 erhielten Flüchtlingsstatus, 2.838 erhielten subsidiären Schutz, 17.728 erhielten humanitären Schutz. 5.433 Antragsteller waren nicht mehr auffindbar (MdI 21.9.2018).
Die Asylverfahren nehmen je nach Region sechs bis fünfzehn Monate in Anspruch. Wenn Rechtsmittel ergriffen werden, kann sich diese Dauer auf bis zu zwei Jahren erstrecken (USDOS
20.4.2018) .
Am 24.9.2018 hat Italiens Regierung ein Dekret verabschiedet, das Verschärfungen im Asylrecht vorsieht. Der Schutz aus humanitären Gründen würde weitgehend abgeschafft werden, besetzte Häuser sollen geräumt werden und deren Bewohnern drohen Haftstrafen. Auch die Regelungen für den Verlust des Schutzanspruchs würden verschärft werden. Das vom Kabinett einstimmig verabschiedete Dekret bleibt unter Juristen jedoch umstritten. Es muss nun vom Präsidenten unterzeichnet und dann innerhalb von 60 Tagen auch noch vom Parlament verabschiedet werden, bevor es in Kraft treten kann. In Anbetracht der umstrittenen Materie, kann es also noch zu einer Abschwächung des Dekrets kommen (NZZ 25.9.2018).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf.
Zugriff
3.8.2018
-
MdI - Ministero dell'Interno (21.9.2018): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, per E-Mail
-
NZZ - Neue Zürcher Zeitung (25.9.2018): Italien verschärft sein Asylrecht: Der Schutz aus humanitären Gründen wird abgeschafft, https://www.nzz.ch/international/italien-verschaerft-seinasvlrecht-ld.1422862, Zugriff 25.9.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html. Zugriff 24.9.2018
2. Dublin-Rückkehrer
Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die
Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und zumeist auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann(AIDA 21.3.2018).
Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 21.3.2018).
2. Ist das Verfahren des Rückkehrers in der Zwischenzeit positiv ausgegangen, hat er eine Aufenthaltserlaubnis erhalten (AIDA 21.3.2018).
3. Ist das Verfahren des Rückkehrers noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere Asylwerber auch (AIDA 21.3.2018).
4. Wenn das Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Italien im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen (EASO 12.2015).
5. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Italien verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, nachdem der Rückkehrer von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde (EASO 12.2015; vgl. AIDA 21.3.2018).
6. Wurde der Rückkehrer beim ersten Aufenthalt in Italien von einer negativen Entscheidung in Kenntnis gesetzt und hat dagegen nicht berufen, kann er zur Außerlandesbringung in ein Schubhaftlager gebracht werden (AI DA 21.3.2018).
7. Hat sich der Rückkehrer dem persönlichen Interview nicht gestellt und sein Antrag wurde daher negativ beschieden, kann er nach Rückkehr ein neues Interview beantragen (AIDA
21.3.2018) .
(Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.3. Dublin-Rückkehrer.)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association
for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf.
Zugriff
3.8.2018
-
EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per
3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
In Italien gelten folgende Personenkreise als vulnerabel:
Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Schwangere, alleinstehende Eltern mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Opfer von Genitalverstümmelung und ernsthaft physisch oder psychisch Kranke sowie Alte, Behinderte, und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen physischer, psychischer oder sexueller Gewalt. In Italien ist kein eigener Identifizierungsmechanismus für Vulnerable vorgegeben. Es gibt lediglich Leitfäden des Gesundheitsministeriums. Die Identifizierung ist in jeder Phase des Verfahrens durch am Verfahren beteiligte Personen, Beamte oder Betreuer möglich. Die zuständige erstinstanzliche Asylbehörde kann zur Absicherung eine medizinische Untersuchung verlangen. Wenn im Zuge des Interviews ein Vertreter der Behörde den Verdacht hat, es mit einer vulnerablen Person zu tun zu haben, kann er diese speziellen Diensten zuweisen. Wenn die Vulnerabilität eines Antragstellers festgestellt wurde, ist dessen Zugang zu angemessener medizinischer und psychologischer Versorgung und Betreuung sicherzustellen. Vulnerable werden im Verfahren prioritär behandelt (AIDA 21.3.2018).
Beim Schutz von Minderjährigen sind deren Reifegrad und Entwicklung zu berücksichtigen und es ist im besten Interesse des Kindes zu handeln. Der Schutz asylwerbender Minderjähriger wurde durch Gesetz 47/2017 gestärkt, das auch Regeln für die Altersfeststellung festlegt. Es besagt, dass in Ermangelung von Ausweispapieren und bei Zweifeln am Alter des Antragstellers, die Staatsanwaltschaft am Jugendgericht eine sozialmedizinische Untersuchung anordnen kann. Die Untersuchung wird im multidisziplinären Ansatz von entsprechend geschulten Fachkräften durchgeführt, mit möglichst nicht-invasiven Methoden und unter Achtung der Integrität der Person (AIDA 21.3.2018; vgl. CoE/GoI 10.4.2018).
Derzeit wird NGOs zufolge Gesetz 47/2017 aber nicht effektiv umgesetzt und das Alter lediglich mittels Handwurzelröntgen festgestellt und auch keine Schwankungsbreite berücksichtigt. Bis zum Ergebnis dauert es oft Monate und in dieser Zeit wird der Betroffene oft als Erwachsener behandelt. Für medizinische Untersuchungen ist jedenfalls die Zustimmung des Minderjährigen bzw. dessen Vormunds einzuholen (AIDA 21.3.2018). .
Wird den Behörden die Existenz eines unbegleiteten Minderjährigen bekannt, ist dies umgehend dem Staatsanwalt am Jugendgericht zur Kenntnis zu bringen, damit das Jugendgericht einen Vormund bestimmen kann, der für Schutz und Wohlergehen des Minderjährigen während des gesamten Asylverfahrens und danach zuständig ist. In der Zwischenzeit kann der Leiter der Unterbringung den UM beim Stellen eines Asylantrags unterstützen, aber der Vormund muss den UM auf den folgenden Stufen des Verfahrens vertreten. Derzeit ist die gebräuchlichste Vorgehensweise, dass der Bürgermeister der Gemeinde, in der der UM untergebracht ist, als Vormund eingesetzt wird und diese Aufgabe an Personen innerhalb der Gemeinde delegiert, die mit sozialen Aufgaben betraut sind. Ein Vormund kann maximal drei Minderjährige betreuen. Die Jugendgerichte führen zu diesem Zweck ein Register freiwilliger Vormunde, die von Amts wegen entsprechend geprüft und geschult werden (AIDA 21.3.2018).
Laut italienischen Gesetzen ist bei der Unterbringung auf spezifische Bedürfnisse der Asylwerber Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere für Vulnerable. Legislativdekret 142/2015 sieht einen Gesundheitscheck in der Erstaufnahme vor, um auch spezielle Unterbringungsbedürfnisse erkennen zu können. Diese speziellen Unterbringungsmöglichkeiten sind auch in den SPRAR- Strukturen sicherzustellen. Die Bewertung spezieller Bedürfnisse wird in den
Unterbringungseinrichtungen vorgenommen, allerdings nicht systematisch und je nach Qualität und Finanzlage des jeweiligen Zentrums unterschiedlich. Bei Familien ist auf jeder Unterbringungsstufe die Familieneinheit zu berücksichtigen. In der Praxis kann es vorkommen, dass der Familienvater bei den Männern untergebracht wird und die Mutter mit den Kindern bei den Frauen. Es ist auch möglich, dass eine Aufteilung auf verschiedene Zentren stattfindet, wobei die Kinder üblicherweise bei der Mutter bleiben. Familien können aus temporären Strukturen auf freie Plätze in SPRAR transferiert werden, da diese besser für Familien geeignet sind. Solche Transfers sind abhängig von der Zusammensetzung der Familie, Vorliegen von Vulnerabilität bzw. Gesundheitsproblemen und der Warteliste für SPRAR-Plätze (AIDA 21.3.2018).
Bei UMA ist bei der Unterbringung das beste Interesse des Kindes durch Gespräche zu evaluieren und zu berücksichtigen. In Erstaufnahmeeinrichtungen (etwa 60 mit zusammen 950 Plätzen sind für UMA geeignet) dürfen diese nur für begrenzte Zeit untergebracht werden. Laut Gesetz sind UM binnen zehn Tagen zu identifizieren und binnen 30 Tagen in eine SPRAR-Unterbringung zu verlegen. In dieser Zeit soll die Feststellung des Alters und der individuellen Bedürfnisse geschehen. Im Feber 2018 gab es landesweit 3.488 speziell für UMA gewidmete Plätze im SPRAR. Für UM gibt es, zum Unterschied von erwachsenen Asylwerbern, keinen zentralen Verteilungsmechanismus zwischen den Regionen. Folglich konzentrieren sich UM besonders in Sizilien, Kalabrien und der Lombardei (AIDA 21.3.2018; vgl. FMR 2.2018).
Bei einer Verknappung der Unterbringungsplätze in der Erstaufnahme können UM notfalls auch in CAS untergebracht werden (Ende 2017 gab es 77 CAS für UM in Italien), was von NGOs kritisiert wird. UM dürfen nicht in Zentren für Erwachsene oder Schubhaftzentren untergebracht werden, trotzdem gab es 2017 Fälle in denen Minderjährige in Zentren für Erwachsene oder gar nicht untergebracht wurden. UM werden jedenfalls bis sechs Monate nach Erreichen der Volljährigkeit untergebracht (AIDA 21.3.2018).
Es gibt Berichte über Probleme bei der Überweisung Vulnerabler und unbegleiteter Minderjähriger an geeignete Einrichtungen (USDOS 20.4.2018).
Unbegleitete Minderjährige dürfen nicht in CPR untergebracht werden. Behauptet ein Insasse eines CPR minderjährig zu sein, wird eine Altersfeststellung angeordnet und der Betreffende bis zum Vorliegen des Ergebnisses in einer Unterbringungseinrichtung für Minderjährige untergebracht (CoE/GoI 10.4.2018).
In Italien herrscht Schulpflicht bis zum Alter von 16 Jahren, das gilt auch für Fremde, die sich in Italien aufhalten, selbst wenn dieser Aufenthalt illegal ist. Diese Kinder haben Zugang zu öffentlichen Schulen wie italienische Kinder und haben dieselben Rechte auf Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse. Einige Schulen zögern jedoch, eine hohe Zahl ausländischer Kinder zuzulassen. Die Schulen nahe den Aufnahmezentren haben oft nicht genug Plätze zur Verfügung und bisweilen verhindern auch die Eltern der ausländischen Kinder, oder die Kinder selbst, den Schulbesuch (AIDA 21.3.2018).
Laut offizieller italienischer Statistik wurden 2018 bis 21. September 3.286 unbegleitete minderjährige Asylwerber im Land registriert. Mit selbem Datum waren 2018 1.453 Anträge negativ erledigt (inkl. unzulässige), 329 erhielten Flüchtlingsstatus, 135 erhielten subsidiären Schutz, 4.798 erhielten humanitären Schutz. 183 Antragsteller waren nicht mehr auffindbar (MdI 21.9.2018).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association
for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida it 2017update.pdf, Zugriff
3.8.2018
-
CoE - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or
Degrading Treatment or Punishment (10.4.2018): Response of the Italian Government to the report of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) on its visit to Italy from 7 to 13 June 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1428939/1226_1523350752_2018-14-inf-eng-pdf.pdf.
Zugriff
25.9.2018
-
FMR - Forced Migration Review (2.2018) Joseph Lelliott: Italy's 'Zampa' law: increasing
protection for unaccompanied children,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1433697/1226_1527598501_lelliott.pdf. Zugriff 21.9.2018
-
- CoE - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or
Degrading Treatment or Punishment (10.4.2018): Response of the Italian Government to the report of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) on its visit to Italy from 7 to 13 June 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1428939/1226 1523350752 2018-14-inf-eng-pdf.pdf, Zugriff
25.9.2018
-
MdI - Ministero dell'Interno (21.9.2018): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, per E-Mail
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html. Zugriff 24.9.2018
4. Non-Refoulement
Das italienische Innenministerium hat explizit bestätigt, dass alle Migranten das Recht haben, vor Refoulement geschützt zu werden und keine Ausweisungen zu erhalten, ohne zuvor korrekt darüber informiert worden zu sein. Die italienische Kooperation mit Libyen im Kampf gegen die Migration über das Mittelmeer ist Gegenstand starker Kritik durch Menschenrechtsorganisationen. Es gibt Berichte über sogenannte Push-backs an der österreichischen Grenze (AIDA 21.3.2018).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf.
Zugriff
3.8.2018
5. Versorgung
Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 21.3.2018; vgl. USDOS
20.4.2018) .
Im SPRAR gibt es die Möglichkeit an Jobtrainigsprogrammen teilzunehmen und es werden auch standardisierte Integrationsprogramme für Asylwerber und Schutzberechtigte angeboten. Dazu gehören auch Ausbildungen und Praktika. Diese Art von Integrationsmaßnahmen wird nur im SPRAR angeboten, allerdings auch hier mit regionalen Unterschieden. Berufliche Schulungen oder andere Integrationsprogramme können auch mit nationalen Mitteln (8xmille) oder mit Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) über das Innenministerium und NGOs bereitgestellt werden. Die im Rahmen von AMIF finanzierten Projekte sind jedoch in Bezug auf die Dauer der Aktivität und die Anzahl der Projekte sehr begrenzt. Kommunen können auch Berufsausbildungen, Praktika und spezielle Beschäftigungsstipendien finanzieren (borse lavoro), die sowohl Italienern als auch Ausländern offenstehen, einschließlich Asylsuchenden. Die Möglichkeit, an Berufsausbildungen oder Praktika teilzunehmen, ist im Falle von Asylsuchenden, die in Regierungszentren untergebracht sind, erheblich begrenzt. In der Praxis haben Asylwerber Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere, Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 21.3.2018).
Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association
for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf.
Zugriff
3.8.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy.
https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html. Zugriff 24.9.2018
6.1. Unterbringung
Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt. sobald sie den Willen erkennbar machen. um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Asylwerber können überall in Italien untergebracht werden. je nach Verfügbarkeit von Plätzen und ohne Einspruchsmöglichkeit. Gemäß der Praxis in den Jahren 2016 und 2017 erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione) anstatt sofort nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento). Zwischen diesen beiden Schritten sind. abhängig von Region und Antragszahlen. Wartezeiten bis zu mehreren Monaten möglich. in denen Betroffene Probleme beim Zugang zu alternativer Unterbringung haben können. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser. in denen Fremde leben (AIDA 21.3.2018).
Schätzungen der NGO Medecins sans Frontieres (MSF) zufolge. waren im Feber 2018 im ganzen Land mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen. darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden. von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden aber auch viele legalisiert wurden (MSF 8.2.2018). Vertreter des UNHCR. von IOM und anderer humanitärer Organisationen und NGOs. berichteten ebenfalls über tausende von legalen und illegalen Migranten und Flüchtlingen. die in verlassenen Gebäuden und in unzulänglichen und überfüllten Einrichtungen in Rom und anderen Großstädten leben und nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung. Rechtsberatung. Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen haben (USDOS 20.4.2018).
Von den in Aufnahmestellen der Regierung untergebrachten Migranten ist ein kleiner Prozentsatz in Zentren untergebracht. die direkt von lokalen Behörden geführt werden und deren Qualität allgemein als hoch gilt. während der Rest in Zentren mit sehr unterschiedlicher Qualität untergebracht ist, unter anderem in alten Schulen, Kasernen und Wohnungen (USDOS
20.4.2018) .
Das italienische Unterbringungssystem ist in drei Phasen eingeteilt:
die Phase der unmittelbaren Notversorgung in sogenannten CPSA/Hotspots in den Hauptankunftsorten von Bootsflüchtlingen; die Erstaufnahmephase in großen Zentren (CARA bzw. CDA) bzw. in temporären Strukturen (CAS), wenn keine Plätze verfügbar sind; und schließlich die Zweitaufnahmephase in den sogenannten SPRAR-Unterkünften. Gemäß Gesetz muss die Unterbringung in der Erstaufnahme lediglich grundlegenden Bedürfnissen Rechnung tragen, während sie im SPRAR die individuelle Integration im Fokus haben soll:
Bild kann nicht dargestellt werden
(AIDA 21.3.2018)
Grundsätzlich sollten Antragsteller dieses System "so schnell als möglich" durchlaufen und in SPRAR-Strukturen untergebracht werden. Platzmangel hat aber dazu geführt, dass dies nicht immer eingehalten wird (AIDA 21.3.2018).
Mit Stand 31.8.2018 waren 155.619 Migranten in staatlichen italienischen Unterbringungseinrichtungen untergebracht. (VB 24.9.2018).
CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots
Im Zuge der zunehmenden Migrationsbewegungen in Richtung Europa hat die Europäische Kommission im Mai 2015 zur besseren Steuerung der Migration den sogenannten "Hotspot approach" eingeführt, um in den Hauptankunftsstaaten für Migranten (Griechenland und Italien) eine rasche Identifizierung und Registrierung der ankommenden Migranten zu gewährleisten und die Effektivität der EU-Relocationprogramme zu erhöhen (GDP 18.1.2018).
Personen, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien gelangen, kommen zunächst in die großen Zentren (CPSA, derzeit formell als Hotspots operativ) in Pozzallo, Trapani und Messina (Lampedusa und Taranto wurden im März 2018 vorläufig geschlossen) und werden dort formell erkennungsdienstlich behandelt und in Asylwerber und Migranten getrennt und entsprechend weiter behandelt - also wenn möglich außer Landes gebracht (eventuell verbunden mit Schubhaft in einem CPR) bzw. in Asylwerberunterkünfte verlegt. Kritiker bezeichnen die Art und Weise wie diese Gruppen identifiziert werden, als oberflächlich (AIDA 21.3.2018).
Der Aufenthalt in den Hotspots soll so kurz als möglich sein und 48 bis 72 Stunden nicht überschreiten, was aber oft nicht eingehalten wird. Kritiker sprechen im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in Hotspots von Haft ohne ausreichende gesetzliche Basis und richterliche Anordnung (AIDA 21.3.2018; vgl. GDP 18.1.2018). Personen, die einen Asylantrag gestellt haben, dürfen nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento) die Hotspots in der Regel zwar ungehindert verlassen und betreten, es wurden in der Vergangenheit aber Verzögerungen bei der Einbringung von Asylanträgen beobachtet, wodurch Antragsteller für Monate in Hotspots bleiben mussten (AIDA 21.3.2018).
Die Gesamtkapazität der Hotspot-Zentren lag im Juli 2017 bei ca.
1.600 Plätzen (GDP 18.1.2018).
CDA (Centri di accoglienza) / CARA (Centri d'accoglienza richiedenti asilo) / CAS (Centri di accoglienza straordinaria)
Zum Unterschied von der Phase der ersten Hilfe und Unterstützung an den Hauptanlandungspunkten von Migration über das Mittelmeer (siehe oben) findet die klassische Erstaufnahme in kollektiven Zentren und - wenn nötig - in temporären Strukturen statt. CDA und CARA sind kollektive Erstaufnahmezentren (AIDA 21.3.2018).
Wenn in anderen Unterbringungsstrukturen temporäre Engpässe herrschen, können CAS als Notunterkünfte, solange als unbedingt notwendig, von den Präfekturen zur Verfügung gestellt werden. Von den CAS sollen die Unterzubringenden im Idealfall dann in SPRAR weitervermittelt werden. Ende August 2017 gab es 9.150 CAS in Italien, 77 davon reserviert für unbegleitete Minderjährige. Anfang Dezember 2017 lebten 151.239 Personen in CAS, das waren 81% des gesamten italienischen Aufnahmesystems (AIDA 21.3.2018).
Erstaufnahmestrukturen sind große Zentren mit sehr vielen Unterbringungsplätzen und bieten eine eher grundlegende Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um. Die Qualität der Leistungen, insbesondere bei juristischer und psycho-sozialer Unterstützung, ist jedoch regional unterschiedlich. Die Identifizierung und Betreuung von Vulnerablen lassen oft zu wünschen übrig. In diesen Strukturen ist auf die persönlichen Bedürfnisse der Antragsteller (Alter, Geschlecht, Familienverhältnisse, Vulnerabilität) Rücksicht zu nehmen. In CDA, CARA und CAS gibt es in der Regel ein Taschengeld. Ende November 2017 gab es 15 Erstaufnahmezentren in sieben Regionen Italiens, mit damals 10.738 Untergebrachten (AIDA 21.3.2018).
SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati)
Das SPRAR bietet Unterbringung, Unterstützung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte. Finanziert wird dieses System durch das italienische Innenministerium und die Gemeinden. In der Praxis deckt das SPRAR aber nur rund 20% des Unterbringungsbedarfs in Italien ab. Die SPRAR-Projekte bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, Sprachtraining, Einschulung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Jobtrainings, Integrationsberatung sowie kulturelle und Freizeitaktivitäten und ein Taschengeld. Auch im SPRAR kann die Qualität der gebotenen Leistungen regional unterschiedlich sein. Das SPRAR besteht (Stand Feber 2018) aus 876 kleineren dezentralisierten, öffentlich finanzierten Aufnahmeprojekten lokaler Gemeinden und NGOs mit gesamt 35.869 Plätzen. Davon waren 3.488 Plätze in 143 Projekten für unbegleitete Minderjährige und 734 Plätze in 52 Projekten für psychisch beeinträchtigte Personen reserviert. Meist handelt es sich bei den Unterbringungen um Wohnungen (AIDA 21.3.2018).
NGOs
Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von karitativen Organisationen bzw. Kirchen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel. Im April 2017 beherbergten über 500 Familien in Italien einen Fremden. In einer Initiative der Caritas waren im Mai 2017 rund 500 weitere Migranten privat untergebracht (AIDA 21.3.2018).
CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)
Personen, die sich illegal im Land aufhalten und keinen internationalen Schutz beantragen, kommen unter bestimmten Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem Schubhaftzentrum (CPR) infrage. Gleiches gilt für Personen die eine Ausweisung erhalten haben. Italien verfügt über fünf CPR mit zusammen 610 Plätzen; vier weitere CPR sind derzeit inaktiv. Unbegleitete
Minderjährige und Vulnerable können nicht in CPR untergebracht werden, Familien hingegen schon. In der Praxis werden aber nur sehr selten Kinder in CPR untergebracht (AIDA 21.3.2018). Wenn Migranten in den Hotspots die Abgabe von Fingerabdrücken verweigern, können sie für max. 90 Tage (30 Tage mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit) in CPR inhaftiert werden (CoE- CPT 10.4.2018).
Diese Zentren waren vormals unter der Bezeichnung Centri di identificazione ed espulsione (CIE) bekannt (GDP 18.1.2018).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association
for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida it 2017update.pdf, Zugriff
3.8.2018
-
CoE-CPT - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman
or Degrading Treatment or Punishment (10.4.2018): Report to the Italian Government on the visit to Italy carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 7 to 13 June 2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1428908/1226_1523350206_2018-13-inf-eng-docx.pdf.
Zugriff
21.9.2018
-
GDP - Global Detention Project (18.1.2018): Immigration Detention in Italy,
https://www.globaldetentionproject.org/wp-content/uploads/2017/11/GDP-Immigration-Detention-
Report-2018.pdf, Zugriff 21.9.2018
-
MSF - Medecins Sans Frontieres (8.2.2018): "Out of sight" - Second edition,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html. Zugriff 19.9.2018
-
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html. Zugriff 24.9.2018
-
VB des BM.I Italien (24.9.2018): Bericht des VB, per E-Mail
6.2. Dublin-Rückkehrer
Dublin-Rückkehrer die noch nicht in Italien offiziell untergebracht waren, haben Zugang zu Unterbringung. Eine allgemeine Aussage, wie lange es dauert bis tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Aufgrund von mangelnder Information der Rückkehrer am Flughafen zum Wiedereintritt in das italienische Unterbringungssystem, Fragmentierung des Systems und Platzknappheit, dauert es tendenziell länger. Berichten zufolge kommt es auch vor, dass DublinRückkehrer nicht untergebracht werden und sich daher selbst um ihre Unterbringung - mitunter in Behelfssiedlungen - kümmern müssen. Wenn Rückkehrer in Italien bereits einmal offiziell untergebracht waren und diese Unterbringung einfach verlassen haben, kann dies zu Problemen führen. Wenn diese Personen nach Rückkehr einen Antrag auf Unterbringung stellen, kann dieser von der zuständigen Präfektur abgelehnt werden. Gestützt auf Daten aus dem Jahr 2016, denen auch für 2017 Gültigkeit bescheinigt wird, bezeichnen NGOs den Zugang von Dublin-Rückkehrern, auch von Familien mit Kindern, zu Unterbringung in Italien, als willkürlich (AIDA 21.3.2018). Die NGO Baobab Experience betreibt in Rom ein informelles Migrantencamp und berichtet von einer
Zunahme von Dublin-Rückkehrer, Antragstellern die das offizielle Unterbringungssystem verlassen müssen weil sie die maximale Unterbringungsdauer erreicht haben und Inhabern eines Schutztitels unter den von ihnen Betreuten (MSF 8.2.2018).
Im Sinne des Tarakhel-Urteils des EGMR stellte Italien im Februar 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, die als Dublin-Rückkehrer nach Italien zurückkehren. Zuletzt wurde am 4. Juli 2018 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Diese umfasst nun 19 SPRAR-Projekte mit zusammen 79 Unterbringungsplätzen, welche für die Unterbringung von Familien mit Kindern im Rahmen der Dublin-Rückkehr reserviert sind (MdI 4.7.2018).
Quellen: