TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/7 W247 2215282-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.2019
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Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W247 2215282-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl vom 18.02.2019, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 4 AsylG 2005, idgF., iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 idgF., mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION abgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsbürger, Moslem und der darginischen Volksgruppe angehörig.

I. Verfahrensgang:

I.1.Vorverfahren:

I.1.1. Der BF kam spätestens am 19.04.2004 mit Ehegattin ( XXXX ) und ältesten Sohn ( XXXX ) illegal nach Österreich und stellte am 20.04.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF gab an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in XXXX , Russland geboren zu sein.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz am 27.04.2005 gab er als Fluchtgrund an, dass er ständig Probleme mit der Polizei gehabt hätte, es wäre sogar zu einer Festnahme gekommen. Zudem hätte er Probleme mit dem FSB und wäre bei einem Raufhandel mit FSB-Beamten sogar verletzt worden.

I.1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.07.2005, Aktenzahl:

XXXX , rechtskräftig mit 22.08.2005, wurde dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

I.1.3. Mit Bescheid des Referats Personenstands- und Staatsbürgerschaftswesen der Stadt Graz - BürgerInnenamt vom 14.09.2005 wurde die vom BF beantragte Namensänderung bewilligt. Sein Name wurde von XXXX auf XXXX geändert. Als Grund für die Namensänderung führte er an, dass er einen in Österreich gebräuchlichen Namen führen wolle.

I.1.4. Folgende Straftaten wurden vom BF im Bundesgebiet verübt:

1) Am 04.02.2009 wurde er vom BG Graz-Ost zu XXXX , RK 10.02.2009, gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Die Probezeit wurde in weiterer Folge auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

2) Mit Urteil des LG für Strafsachen zu XXXX vom 10.09.2010, RK 14.09.2010, wurde er gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten bedingt, Probezeit drei Jahre verurteilt. Die Probezeit wurde insgesamt auf fünf Jahre verlängert.

3) Am 24.11.2010 wurde er vom BG Graz-West zu XXXX , RK 29.11.2010 gemäß § 83 Abs 2 StGB verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt.

4) Mit Urteil des BG Graz-Ost zu XXXX vom 15.06.2011, RK 21.06.2011, wurde er gemäß § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX sowie auf das Urteil des BG Graz-West zu XXXX keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt.

5) Mit Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX vom 22.06.2011, RK 28.06.2011, wurde er gemäß §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon Freiheitsstrafe fünf Monate, bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt. Dies stellt eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX sowie auf das Urteil des BG Graz-West zu XXXX . dar.

6) Mit Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX vom 14.12.2011, RK 20.12.2011, wurde er gemäß §§ 27 Abs 1 Z 1 1. Und 2. Fall, 28a Abs 4. Fall, 28a Abs 1 5.Fall, 28 Abs 1 1. Und 2. Fall zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon Freiheitsstrafe 16 Monate, bedingt, Probezeit drei Jahre verurteilt.

7) Mit Urteil des BG Graz-West zu XXXX vom 28.02.2013, RK 05.03.2013 wurde er gemäß § 224AStGB, 15 StGB verurteilt. Es wurde unter Bedachtnahme auf das Urteil des LG für Strafsachen Graz zu XXXX keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt.

8) Mit Urteil des BG Graz-West zu XXXX vom 20.022014, RK 25.02.2014, wurde er gemäß § 146 StGB zu drei Monaten bedingt, Probezeit drei Jahre, verurteilt.

I.1.5. Ende 2014 reiste der BF aus Österreich aus. Anlässlich der Prüfung eines Aberkennungsverfahrens wurde seine Gattin am 19.03.2015 als Zeugin niederschriftlich einvernommen. Diese gab an, dass der BF sich zum damaligen Zeitpunkt in Weißrussland aufhalten würde, da er dort verhaftet worden wäre und seit Mitte Jänner 2015 bis Mitte August 2015 wegen Schlepperei in U-Haft gesessen wäre.

I.1.6. Mit 20.02.2017 langte bei der ho. Behörde ein Schreiben der österreichischen Botschaft Moskau ein. Der BF hätte am 17.01.2017 bei der Botschaft vorgesprochen und teilte dieser mit, nach Österreich zurückreisen zu wollen. Hierbei legte er auch einen russischen Reisepass vor, welcher am 11.09.2011, somit nach Zuerkennung seines Asylstatus, ausgestellt wurde und bis 11.09.2022 gültig ist. Zudem wurde dieser Reisepass auf seine frühere Identität ausgestellt, obwohl er in Österreich bereits eine andere Identität führte. Er wäre am 24.11.2014 nach Belarus eingereist, und hätte Kartoffeln kaufen wollen, für die er Abnehmer in der Russischen Föderation und in Kasachstan gehabt hätte. Hierbei hätte er fünf Tschetschenen von XXXX nach Slonim (Belarus) gebracht. Daraufhin wäre er wegen des Vorwurfes der Schlepperei verhaftet und zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und wegen guter Führung im Oktober 2016 entlassen worden. Er wäre dann in die Russische Föderation überstellt worden. In weiterer Folge hätte er bei seinem Vater gewohnt und seinen Unterhalt als Taxifahrer verdient. Er hätte aber wieder zurück zu seiner Familie nach Graz gewollt. Zwecks Wiedereinreise nach Österreich nahm er frühestens mit 20.02.2017 Kontakt mit der Österreichischen Botschaft Moskau auf.

Mit Unterschrift vom 05.09.2017 bestätigte der BF den persönlichen Erhalt einer Mitteilung des BFA über die Prüfung der Asylaberkennung und einer Aufforderung zur Stellungnahme vom 17.03.2017 durch die Österreichische Botschaft - Konsularabteilung - in Moskau.

I.1.7. Mit Bescheid vom 29.01.2018. Zl. XXXX , wurde dem BF sein Asylstatus aberkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel nach § 57 erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen, die Abschiebung gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt, eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt und ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot über ihn verhängt.

I.2. Gegenständlicher Antrag des BF auf internationalen Schutz:

I.2.1. Der BF ist am 02.02.2019, via Flug aus Belgrad kommend, am Flughafen Schwechat angereist. Am selben Tag stellte sich der BF der Einreisekontrolle im Bereich der int. Einreise/Terminal 3/Flughafen, wobei er im Zuge der Amtshandlung einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und angab, den Namen XXXX zu führen, geboren am XXXX und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Der BF gab an, dass nicht mehr in seine Heimat zurück zu können, weil seine Familie bereits in Österreich ist. Das Zulassungsverfahren wurde in der Erstaufnahmestelle am Flughafen geführt.

I.2.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 04.02.2019 vor dem SPK Schwechat, REFERAT III-FB 2- Grenzbez.Sonderaufgaben, gab der Beschwerdeführer zunächst an Arzt zu sein, eine Frau und drei Kinder in Österreich zu haben, welche in Graz leben würden, und über Barmittel in der Höhe von EURO 300,- zu verfügen. Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab der BF Folgendes an:

[...] "Ich kann nur meine Gründe vom Asylverfahren aus dem Jahre 2004 aufrechterhalten. Es besteht für mich immer noch Lebensgefahr.

Ich verließ Österreich Ende 2014 mit meinem eigenem PKW und fuhr legal nach Weißrussland. Ich traf mich mit Angehörigen meiner Familie in der Stadt XXXX . Ich wollte dann wieder nach Österreich fahren. In der Stadt XXXX wurde ich von der Polizei verhaftet und der Schlepperei verdächtigt. Ich musste dann schuldlos ungefähr 2 Jahre in Haft verbringen. Nach meiner Freilassung versuchte ich ständig legal aus verschiedenen Ländern mit Unterstützung der jeweiligen Botschaften zu meiner Familie nach Österreich zu gelangen. Ich konnte mich nirgendwo länger aufhalten, da mein Leben ständig in Gefahr war. Ich scheine auf einer sogenannten schwarzen Liste auf. Ich möchte noch erwähnen, dass in den letzten Jahren 9 Personen aus meiner Familie getötet wurden. Ich konnte letztendlich nur von Belgrad nach Wien gelangen. Ich möchte nun in Österreich um internationalen Schutz ansuchen. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörigen Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe sonst keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung in Österreich."

I.2.3. Am 07.02.2019 erfolgte die niederschriftliche Befragung des Beschwerdeführers vor dem BFA, Erstaufnahmestelle Flughafen, im Beisein der Rechtsberaterin und einer dem BF einwandfrei verständlichen Dolmetscherin der Sprache RUSSISCH. Auf Nachfrage meinte der BF, dass er die Dolmetscherin gut verstehen würde. Befragt nach seinem Gesundheitszustand brachte der BF vor, dass er sich geistig und körperlich gesund fühle, nicht in ärztlicher Behandlung stünde und keine Medikamente einnehmen würde. Befragt, ob er sich geistig und physisch in der Lage fühlen würde, die an ihn gestellten Fragen umfassend zu beantworten, bejahte der BF und sagte, es ginge ihm gut. Weiters gab der BF wörtlich an (Anmerkung: Schreibfehler im Original):

[...] "LA: Sollten sich für Sie im Verlauf der Einvernahme Unklarheiten ergeben, sollten Sie etwa eine Frage nicht richtig verstanden haben, oder bemerken, dass eine Ihrer Antworten offensichtlich von meiner Seite nicht richtig verstanden worden ist, können Sie jederzeit auch Gegenfragen stellen. Es soll in jedem Fall gewährleistet sein, dass eine fehlerfreie Kommunikation gegeben ist. Haben Sie das verstanden?

VP: Ja, danke.

Anmerkung: Vor Beginn dieser Einvernahme erfolgte bereits am heutigen Tag eine Rechtsberatung der Verfahrenspartei durch die/den Rechtsberaterin, wozu der gesamte bisherige Akt zur Akteneinsicht überlassen worden ist.

LA: Haben Sie die Rechtsberatung verstanden?

VP: Ja, ich habe alles verstanden.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung Ihrer Angaben, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) im Vorfeld ausgefolgt.

Haben Sie den Inhalt verstanden und sind Ihnen die damit verbundenen Rechte und Pflichten bewusst?

VP: Ja.

LA: Sie werden nun nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

Es ist auch unumgänglich, dass Sie ohne unnötigen Aufschub Ihren Antrag auf internationalen Schutz begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

In diesem Zusammenhang werden Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass Sie für den Fall, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen werden sollte, in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid neue Tatsachen und Beweismittel nur eingeschränkt vorbringen können (sog. Neuerungsverbot).

Anmerkung: Bedeutung bzw. Umfang dieses Neuerungsverbotes werden von der LA erklärt.

LA: Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Ja.

LA: Auf die Folgen von wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie hier und heute nochmals ausdrücklich hingewiesen.

Wenn Sie wissentlich falsche Angaben über Ihre Identität oder Herkunft machen, um die Duldung Ihrer Anwesenheit im österreichischen Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begehen Sie eine Verwaltungsübertretung nach dem FPG und können bestraft werden.

Sie werden auch nochmals darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie das Bundesamt über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten, trotz der dazu nun erfolgten Belehrung über die Folgen eines solchen Verhaltens, zu täuschen versuchen.

Ihnen wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und unwahre Aussagen zur Abweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz wegen mangelnder Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens führen können.

Darüber hinaus werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ihren Angaben im Zulassungsverfahren hier in der EAST Flughafen eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt (Anmerkung: LA erklärt die Bedeutung dieser Bestimmungen).

Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Das habe ich verstanden.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird auf die Möglichkeit, Unterstützung durch die Mitarbeiter/innen der ORS hier am Flughafen zu finden, die Möglichkeit der Beiziehung eines Vertreters/Rechtsanwaltes, einer Vertrauensperson und auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR hingewiesen.

Wasser zu trinken wird bereitgestellt.

VP wird informiert, sollte sie eine Pause wollen, dies jederzeit zu sagen.

LA: Bitte schalten Sie auch Ihr Mobiltelefon aus.

VP: Das mache ich.

LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der polizeilichen Erstbefragung am 04.02.2019 wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja habe ich.

LA: Mit welchen Dokumenten sind Sie gereist? Wo ist Ihr Reisepass?

VP: Ich hatte einen russischen Reisepass und bin damit nach Serbien legal ausgereist und dann nach Wien geflogen. Nachgefragt habe ich diesen in der Toilette am Flughafen entsorgt. Nachgefragt kann ich mir auch mit ca. 400.- Euro wieder einen Pass aus der Russischen Föderation schicken lassen. Ich habe vermutlich einen Inlandspass, aber ich weiß nicht genau wo er ist.

LA: Welche Berufsausbildung haben Sie und was haben Sie bisher beruflich gemacht?

VP: Ich habe in Österreich am Bau gearbeitet bei der Firma XXXX im Jahr 2013 oder 2012 für ca. 1 Jahr. Ich habe vorher bei XXXX als Mechaniker gearbeitet. Ich habe 6 Jahre Medizin studiert aber nicht abgeschlossen und wurde dann auch ausgeschlossen im 12. Semester. Nachgefragt war es 1999 und dann nochmal 2004. Ich korrigiere, es war nicht 2004 sondern 2000.

LA: In Ihrer EB haben Sie als Beruf Arzt angegeben?

VP: Ich habe gesagt dass ich studiert habe. In der Schule war ich bis 1998 und dann auf der Uni.

LA: Wie heißen Sie und wann und wo wurden Sie geboren?

VP: Ich heiße XXXX (Geburtsname: XXXX )

und wurde am XXXX in XXXX geboren.

LA: Bitte nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit, Volksgruppe und Religionszugehörigkeit?

VP: Ich bin Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehöre der ethnischen Gruppe der Darginer an und bin Moslem.

LA: Was können Sie mir über Ihre Religionsausübung alles schildern?

VP: Ich bin normaler Moslem und kein Wahabit. Sie halten mich zwar für einen solchen aber ich bin keiner. Nachgefragt, diese sind für sie automatisch auch Terroristen.

LA: Wie religiös sind Sie?

VP: Ich bin sehr gläubig und studiere die Religion. Ich predige nicht und missioniere nicht.

LA: Woher können Sie Arabisch?

VP: Ich war in einer arabischen Schule in XXXX - in meinem Dorf XXXX . Man lernt dort den Islam und die Sprache und wie man als Moslem lebt.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte?

VP: Ja meine Familie lebt hier. Ich habe eine Frau und 3 Kinder.

Anm: VP schreibt die Namen auf und dies wird dem Akt hinzugefügt.

VP: Sie leben alle in Graz. Nachgefragt gehen meine Kinder in die Schule - ins Gymnasium gehen meine Tochter und mein Sohn XXXX . XXXX geht in die Hauptschule. Meine Frau arbeitet jetzt auch nicht. Sie war auch bei Caritas angemeldet - früher kurzzeitig. Näheres dazu weiß ich nicht.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland?

VP: Ich habe meinen Vater und 2 Brüder sowie Cousin und Cousine dort. Mein älterer Bruder ist blind seit dem Krieg und der jüngere Bruder ist 16 Jahre alt und studiert in einer technische Fachschule.

LA: Was können Sie mir über Ihr familiäres und soziales Umfeld erzählen?

VP: Ich habe noch einen Bruder namens XXXX in Dubai. Wir sind leibliche Geschwister und meine anderen beiden sind Halbbrüder. Wir haben alle 4 den gleichen Vater.

LA: Wovon leben Ihre Angehörigen und was machen diese beruflich?

VP: Mein Vater bezieht eine Pension. Er hat einen Betrieb und produziert Fisch - Konserven. Das Geschäft ist auf seine Frau gemeldet. Mein älterer Bruder arbeitet nicht wegen seiner Behinderung. Nachgefragt heißt die Firma " XXXX ". Das ist der Name der Frau meines Vaters. Die Firma ist ansässig in: XXXX . Sie arbeiten nur zu zweit - es ist ein Familienbetrieb.

LA: Hatten Sie seit Ihrer Ausreise Kontakt mit Ihrer Familie im Heimatland?

VP: Ja.

LA: Was berichtet Ihre Familie?

VP: Ja ich bin in Kontakt mit meinem Vater - regelmäßig. Die Lage ist schlechter als zuvor und dass ich dort nicht bleiben kann.

LA: Mit wem haben Sie zuletzt telefoniert?

VP: Mit meinem Bruder in Dubai. Er wollte wissen wie es mir geht. Er ist schon 3 Jahre dort. Nachgefragt haben wir nur über unser persönliches Befinden gesprochen und ob ich Kontakt zur Familie hatte.

LA: Was haben Sie zuletzt im Heimatland beruflich gemacht?

VP: Ich habe versucht als Taxifahrer eine Arbeit zu finden. Es gibt dort keine Arbeit. Wenn du dann zu arbeiten beginnst kann es sein, dass dich jemand erkennt und du wieder Probleme bekommst. Aber es stimmt, dass ich als Taxifahrer dort gearbeitet habe. Nachgefragt im Jänner 2017 habe ich für 1 Monat dort gearbeitet. Das war in XXXX .

LA: Wie gut konnten Sie von Ihrem Einkommen im Heimatland den Lebensunterhalt bestreiten?

VP: Es ging mir nicht ums Geldverdienen sondern ich wollte mich dort niederlassen weil ich dachte, dass man in Moskau gut untertauchen kann.

LA: Wer hat Sie unterstützt wenn Sie keine Arbeit hatten?

VP: Mein Vater und mein Schwiegervater (in XXXX - 70 km entfernt von XXXX ) und mein Onkel. Von meiner Familie lebt niemand mehr in XXXX . Sie lassen uns dort nicht leben. Es gibt nur mehr Familienmitglieder meiner Frau dort. Es lebt eine Schwester meiner Frau namens XXXX dort. Ihr Mädchenname ist XXXX . Sie sind keine Wahabiten. Aber der Bruder Ihres Mannes ist im Nachbardorf wie der Bürgermeister.

LA: Wie weit ist XXXX von XXXX entfernt?

VP: 80 km über den Berg.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie bei Ihrer erneuten Einreise in die Russ.Föd. persönlich Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes?

VP: Ja. Seit Ende 2016 bin ich zurück und hatte Probleme. Konkret sind die Polizisten mehrfach zu meinem Vater gekommen und haben nach mir gefragt - wo ich bin, was ich mache und dass ich kommen muss - zur Besprechung.

LA: Können Sie mehr dazu sagen?

VP: Daten kann ich nicht nennen - wann es genau war - woher soll ich das so genau wissen. Mehr als 3 Monate bin ich nie an einem Ort geblieben.

LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen?

VP: Nein - aber sie haben mich auf die schwarze Liste der Wahabiten gesetzt. Diese Leute gehören zu jenen, die vernichtet werden sollen. So ist deren Politik.

LA: Sind Sie vorbestraft / verurteilt?

VP: Ja hier in Österreich. Nachgefragt bin ich geflohen bevor ich 2004 bestraft werden konnte. Ich war damals mehrmals in Haft, aber mein Onkel hat mich immer mit Geld rausgeholt. Einmal wurde ich 1999 in Tschetschenien verhaftet.

LA: Waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft?

VP: Ja in Russland für 2 Monate. Ich war in Arrest an einer Polizeistation. Einfach so. Nachgefragt war es in XXXX in Tschetschenien. Dann wurde ich in der UNI von XXXX für ca. 2 Wochen festgehalten. Ich weiß auch nicht mehr wann es war, aber es war vor meiner Flucht nach Österreich.

LA: Nennen Sie nun bitte detailliert und in Ihren eigenen Worten alle Ihre Fluchtgründe, sodass ich mir ein Bild davon machen kann? Sie haben hierzu ausreichend Zeit.

VP: Der 1. Grund ist, dass ich Angst habe in der Heimat zu leben. Es gibt zurzeit dort keine Möglichkeiten. Ich habe alles probiert. Ich wollte mich freikaufen von dieser schwarzen Liste. Ich habe Geld bezahlt aber es ist mir nicht gelungen. Mein Onkel hat mir das Geld gegeben, aber danach ist nichts geschehen. Der 2. Grund sind meine Kinder und meine Familie. Ich hätte auch in ein anderes Land gehen können um dort Asyl zu beantragen. Ich dachte, dass ich hier Asyl hätte und wusste nicht, dass ich keinen Status mehr habe. Hier lebt meine Familie und ich möchte auch hier leben. Ich habe mich in Moskau an die Botschaft gewandt und dort gebeten, dass man mir im Rahmen einer Familienzusammenführung hilft. Das war 2017.

LA: Sind das alle Gründe oder gibt es noch etwas?

VP: Ich habe nur einen Grund. Ich kann nicht zurück und kann dort nicht leben. Ich weiß nicht welchen Grund ich brauche! Muss es sein, dass ich sage, dass man mich dort umbringt? 8 oder 9 Familienangehörigen wurden getötet und ich möchte nicht dass mir dasselbe passiert.

LA: Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise jetzt gefasst?

VP: Das war als ich von Weißrussland abgeschoben wurde. Nachgefragt Ende 2016.

LA: Gab es einen fluchtauslösenden Moment jetzt im Jahr 2019?

VP: Ich habe all diese Zeit auf Hilfe gewartet um legal nach Österreich zu kommen. Ich habe versucht dort Fuß zu fassen. Ich hatte dann keine Kraft mehr und konnte nicht mehr. Dann hat sich diese Variante angeboten - eine andere hat es nicht gegeben. Ich meine, mit dem Flugzeug hier in den Transit zu kommen. Früher wusste ich nichts von dieser Möglichkeit, sonst wäre ich schon früher gekommen.

LA: Woher und seit wann wissen Sie dann, dass Ihnen in Österreich wegen eines Endigungsgrundes Asyl aberkannt wurde?

VP: Das habe ich erst hier in Österreich von der Polizei erfahren.

LA: Wem haben Sie Geld gegeben um von dieser schwarzen Liste zu kommen?

VP: Bei uns gibt es einen Mitbewohner im Dorf namens Ruslan. Er hat früher bei der Polizei gearbeitet und gesagt, dass er das machen kann.

LA: Können Sie mir das alles genauer schildern bitte?

VP: Ich hatte zuvor schon gehört, dass er solche Möglichkeiten hat und habe ihn dann gefunden. Das war in XXXX - Südrussland - er hat gesagt, dass es 10 000 USD kosten würde. Dann habe ich mir von meinem Onkel das Geld ausgeborgt. Mein Onkel hat mir aber abgeraten und gesagt, dass es Betrug wäre. Ruslan hat gesagt, dass in 1 Monat alles erledigt wäre. Bis jetzt hat Ruslan aber nichts gemacht. Ich habe ihn oft angerufen, er hat gesagt, dass es etwas dauert. Zuletzt hat er gesagt, vergiss meine Nummer und ruf mich nicht mehr an - sonst werde ich dafür sorgen, dass du verhaftet wirst. Ich habe es dann gelassen und bin davon überzeugt, dass irgendwann meine Zeit kommt. Es kann nicht immer alles so bleiben.

LA: Was heißt das und was haben Sie vor? Haben Sie Rachegedanken?

VP: Ich hoffe dass sich die Machtverhältnisse verändern und die Leute, die Druck auf solche Menschen wie mich machen, werden sich dann zu verantworten haben. Ich hoffe, dass es so kommt. Irgendwann muss Ruslan das Geld zurückgeben.

LA: Wem soll er das Geld dann geben?

VP: Wenn er verstirbt dann würden seine Angehörigen nachfragen, wem er Geld geschuldet hätte und dann sind sie verpflichtet mir das Geld und die Schulden wieder auszubezahlen. Das muss geregelt werden bevor jemand bestattet wird. So ist es im Islam als religiöse Pflicht vorgesehen.

Unterbrechung von 10:50 - 11:05 Uhr

LA: Wer hat Sie davon informiert, dass es eine Möglichkeit mit der Ausreise in den Sondertransit nach Österreich gäbe?

VP: Ich habe einen Bekannten in Paris und er hat mir das geraten.

LA: Wann war das ganz konkret?

VP: Vor ca. 1 Monat.

LA: Was wissen Sie über XXXX ?

VP: Weiß ich nicht, ich kenne ihn nicht. Nachgefragt war er wegen Raubverdacht vor Gericht. Seither habe ich nichts mehr gehört von ihm.

LA: Kennen Sie XXXX und XXXX auch?

VP: Ja sicher - wegen dieses Mordverdachtes. Ich habe der Polizei alles gesagt und kann mich an die Details nicht mehr erinnern. Nach dem Gefängnis in Weißrussland habe ich so vieles vergessen.

LA: Wieso waren Sie im Gefängnis in Weißrussland?

VP: Man hat mir Schlepperei untergeschoben.

LA: Wie lange waren Sie dort im Gefängnis?

VP: Fast 2 Jahre. Nachgefragt Ende 2015 bis Ende 2016. 2 Monate Vorhaft wurden nicht angerechnet. Ich wurde in eine Kaserne gebracht und dort 2 Monate festgehalten.

LA: Zu welcher Haftstrafe wurden Sie verurteilt?

VP: Ich habe 2, 5 Jahre Freiheitsentzug bekommen und wurde vorzeitig entlassen. Ich war auch 18 Monate in Untersuchungshaft.

LA: Was war dann genau nach Ihrer Entlassung?

VP: Ich wurde nach Russland abgeschoben.

LA: Was können Sie mir über diese Abschiebung berichten?

VP: Wir wurden zu zweit aus der Haftanstalt weggebracht. Wir hatten aber nichts miteinander zu tun. Wir wurden in Schubhaft nach XXXX an die russische Grenze gebracht, dann in einen Zug bis zur 1. Haltestelle in Russland gebracht und dann konnte ich mich frei bewegen.

LA: Wer hat Sie da begleitet?

VP: Die weißrussländische Polizei. Ich kann mich nicht erinnern wie die Ortschaft nach der Grenze geheißen hat. Es war eine kleine Station. Nachgefragt hat es keinen Behördenkontakte gegeben. In Smolensk haben wir eine Wohnung daraufhin angemietet.

LA: Hatten Sie deswegen dann Behördenkontakt?

VP: Ich habe ihnen das so gesagt wie es war.

LA: Das heißt, Sie hatten nie mit den russischen Behörden Kontakt?

VP: Nein ich hatte nie Behördenkontakt. Das stimmt so - von Ende 2016 bis zur Ausreise hatte ich keine persönlichen Probleme mit den Behörden. Ich bin immer von ihnen davongelaufen. Ich habe es vermieden Kontakt mit den Behörden zu haben. Mir war klar, dass es nur Probleme bedeuten würde.

LA: Was war dann als Taxifahrer?

VP: Ich habe als Taxifahrer aufgehört, weil diese oft kontrolliert werden. Das kann 1, 2 oder 3 bzw 4 Mal gut gehen aber irgendwann passiert etwas. Irgendwann hätte man mich gründlich überprüft - meinen Reisepass und meinen Führerschein und dann hätte ich Probleme bekommen.

LA: Wie sind Sie dann wieder zu Ihrem russischen Reisepass gekommen?

VP: Ich hatte diesen die ganze Zeit. Ich habe diesen 2010 hier in Österreich machen lassen. Ich habe einem Tschetschenen Geld dafür gegeben.

LA: Und wo hatten Sie in Weißrussland diesen Pass?

VP: Immer bei mir.

LA: Auf welchen Namen lautet er?

VP: Auf meinen Geburtsnamen. Man hat mir versprochen dass es sich um einen echten Pass handeln würde. In Russland hätte ich keinen Pass auf den Namen XXXX bekommen. Das wäre gleich verdächtig gewesen.

LA: Was wäre dann verdächtig gewesen?

VP: Wenn ich mit so einem Pass komme - als XXXX - wäre ich verdächtig weil es ein gefälschter Pass ist oder er so aussieht.

LA: Ihr Geburtsname XXXX war nicht verdächtig?

VP: Ich bin in Russland geboren und bin Staatsangehöriger. Wenn die Behörden Überprüfungen machen, dann werden sie feststellen, dass es solch eine Person gibt. Ich habe diesen Pass machen lassen weil hier die Rede davon war, dass alle abgeschoben werden und dann sind die Leute losgelaufen und haben sich alle russische Pässe machen lassen.

LA: Wann sind Sie mit diesem Pass ausgereist?

VP: Ich bin dann 2014 ausgereist um meinen Vater wiederzusehen. Ich habe ihn 10 Jahre nicht mehr gesehen.

LA: Wo wollten Sie Ihren Vater treffen?

VP: In Weißrussland. Mit dem Österreichischen Konventionspass wird kein Visum für Weißrussland erteilt.

LA: Wann war es jetzt zeitlich genau, als Sie Ruslan die 10 000 USD gegeben haben?

VP: Das war Ende 2017. Ich kann mich nicht an das Datum erinnern.

LA: Was haben Sie unternommen nachdem Sie Ruslan das Geld gegeben haben und nichts passiert ist?

VP: Was hätte ich machen können wenn ich dort keine Rechte in Russland habe. Ich habe ihn in der ersten Zeit gebeten, dass er mir das Geld zurückgeben soll.

LA: Wann haben Sie ihn darum gebeten?

VP: Das war 2018 bis zum Monat Mai.

LA: Gab es konkrete Vorfälle jetzt in dieser Zeit?

VP: Vorfälle hat es nicht gegeben. Ich war immer auf der Flucht. Ich bin auch nicht in die Moschee gegangen um keine Probleme zu bekommen.

LA: Woher bekommen die Angehörigen oder Sie den Kontakt zu Ruslan - wegen der Auszahlung der Schulden und des Geldes? Wie läuft das ab?

VP: Unsere Väter kennen einander - die Familien sind bekannt und wir stammen aus demselben Dorf.

LA: Seit wann stehen Sie auf dieser schwarzen Liste?

VP: Seitdem unser Krieg 1999 stattfand.

LA: Was ist dann in Zusammenhang mit dieser Liste passiert?

VP: Ich kann nur sagen, dass Leute verschwinden die auf dieser Liste stehen. Das ist kein Geheimnis. Sogar mein ältester Sohn ist auf dieser Liste.

LA: Wer hat diese und wo ist diese Liste?

VP: Bei der Polizei sowie der FSB und in der 6. Abteilung - das ist die Antiterroreinheit.

LA: Wenn Sie seit 1999 auf dieser Liste stehen - wie konnten Sie dann abgeschoben werden und so lange scheinbar unbehelligt in Russland leben?

VP: Diese Frage müssen Sie nicht mir stellen, sondern Weißrussland. Ich habe für die Abschiebung nichts bezahlt. Mein Vater hat nur für meine vorzeitige Entlassung 1 000 USD bezahlt.

LA: Wann haben Sie sich bei Ihrem Vater im Heimatland in XXXX aufgehalten?

VP: Gleich nach meiner Abholung aus der Haftentlassung sind wird nach Hause gereist und ich habe dort eine Zeit lang gelebt.

LA: Wie lange haben Sie dort dann gelebt?

VP: 1 Monat. Dann bin ich nach XXXX und habe dort gelebt.

LA: Vorhalt: In XXXX haben Sie auch Ihre Mitteilung des BFA über Ihre Asylaberkennung übernommen und die Aufforderung zur Stellungnahme unterschrieben. Nehmen Sie dazu Stellung bitte?

VP: Habe ich nicht bekommen.

Anm: Der VP wird die Übernahmebestätigung mit seiner Unterschrift betreffend der Stellungnahme vorgezeigt.

VP: Ja das ist meine Unterschrift. Wenn ich gewusst hätte was es ist, dann hätte ich es nie unterschrieben.

Unterbrechung 12:25 - 12-35

LA: Woher wissen Sie, dass Sie auf dieser schwarzen Liste stehen würden?

VP: Es gibt einen Bekannten bei der Polizei, der hat es meinem Onkel gesagt. Ich kenne seinen Namen nicht. Es gibt auch keine Telefonnummer von diesem Informanten. Nachgefragt habe ich es gleich nachdem ich zu meinem Vater gekommen bin erfahren - als ich dann wieder nach XXXX gekommen bin. Meine Frau und mein älterer Sohn sind auch auf dieser Liste. Nachgefragt kann ich keinen Kontakt aufnehmen weil es eine inoffizielle Information ist. Mehr kann ich nicht dazu sagen.

LA: Aus welchen Gründen wären Ihre Frau und Ihr Sohn auf dieser Liste?

VP: Das weiß ich nicht. Ihre Eltern haben nichts mir den Wahabiten zu tun.

LA: Gab es sonst noch Vorfälle?

VP: Nein was soll ich erzählen. Auch mein jüngerer Bruder musste fliehen.

LA: Weshalb können Ihre Angehörigen und Verwandten weiterhin im Heimatland leben?

VP: Es sind ja nicht mehr viele dort. Nachgefragt steht auch mein Vater auf dieser Liste. Er ist aber alt und kann trotzdem noch dort leben. Diese Informationen bekommen wir regelmäßig. Der Bruder meiner Mutter arbeitet als Minister (für Wohnungsangelegenheiten) in XXXX . Er hat Beziehungen.

LA: Auf welchen Namen lautet Ihr russischer Führerschein?

VP: Auf meinen Geburtsnamen. Wir besorgen uns die Dokumente immer so und ich werde nichts riskieren.

LA: Wurden Sie als Taxifahrer jemals aufgehalten?

VP: Ja natürlich.

LA: Was ist dann passiert?

VP: Sie überprüfen nicht den Führerschein, sondern nur das Fahrtenbuch. Nachgefragt bin ich 2 Mal überprüft worden.

LA: Nochmals bitte - weshalb können Ihre Angehörigen und Verwandten weiterhin im Heimatland leben?

VP: Ich habe einen Cousin. Immer wieder werden sie erwischt, dann muss man Geld bezahlen und dann werden immer wieder welche getötet.

LA: Wie waren die Arbeitsumstände als Taxifahrer? Bei wem waren Sie angestellt und woher hatten Sie das Auto?

VP: " XXXX " heißt die Firma. Mit dem Auto dieser Firma bin ich gefahren. Nachgefragt war ich auch registriert und angemeldet.

LA: Das heißt dass die Behörden wussten, dass Sie dort offiziell arbeiten?

VP: Nein. Er selbst schickt das nicht der Behörde. Er macht eine Vermietung für das Auto und "aus".

LA: Wissen Sie noch wie oft Sie in Österreich von den LG und BG rechtskräftig verurteilt wurden?

VP: Ich weiß es nicht mehr genau. Es tut mir sehr leid.

LA: Wie lange sind Sie in Österreich in Haft gewesen?

VP: Ca. 1,5 Jahre.

LA: Wann haben Sie mit Ihrer Familie in Österreich zusammengelebt und wie lange?

VP: Bis 2014.

LA: Vorhalt: Sie wurden bisher 8 Mal rechtskräftig verurteilt und waren auch in Weißrussland in Haft. Haben Sie dazu etwas zu sagen?

VP: Ich wollte das nicht und war mit falschen Leuten zusammen.

LA: Wie haben Sie Ihre Zeit in Österreich genutzt um sich zu integrieren?

VP: Ich kann nichts Positives sagen. Ich habe immer wieder schlechte Dinge gemacht und will nicht mehr so leben.

LA: Wie denken Sie über "rechtstreues" Verhalten und die österreichische Rechtsordnung?

VP: Hätte ich eine andere Wahl gehabt in Bezug auf die Beschaffung der Dokumente? Aber ich weiß, dass es widerwärtig ist Straftaten zu begehen.

LA: Vorhalt: Sie gaben an, dass Sie bis Mai 2018 regelmäßig Kontakt mit "Ruslan" gehabt hätten und dieser hätte für die Polizei gearbeitet. Wie erklären Sie mir dann, dass Sie in dieser Zeit nicht vom FSB oder den Behörden festgenommen worden wären, wenn Sie auf dieser schwarzen Liste mit Ihrem Geburtsnamen XXXX stehen?

VP: Er ist ein früherer Polizist gewesen. Diese Leute werden nicht systematisch abgeholt. Sie sind wie eine Ware die zur Verfügung stehen und zur Verantwortung gezogen werden.

LA: Ist im Jahr 2014 Ihre Familie mitgereist nach Weißrussland?

VP: Nein sind Sie nicht.

LA: Welche Rückkehrbefürchtungen haben Sie?

VP: Früher oder später würde man mich umbringen. Auch meine Frau und meinen Sohn würden sie nicht in Ruhe lassen.

LA: Gibt es eine Anzeige oder einen Haftbefehlt gegen Sie?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?

VP: Ich habe alle Gründe gesagt.

LA: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen?

VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr.

LA: Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist Ihren Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen abzuweisen.

Sie vermochten mit Ihren Einlassungen die von Ihnen genannten Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates und die Gründe, welche Sie nun von einer Rückkehr in den Herkunftsstaat abhalten sollen, nicht glaubhaft zu machen.

Es fanden sich in Ihrem heutigen Vorbringen Widersprüche und Sinnwidrigkeiten, die Sie nicht aufklärten. Insgesamt waren Ihre Schilderungen ausnehmend vage, detailarm und beschränkten Sie sich im Wesentlichen auf die Wiederholung einer "Rahmengeschichte". Sie haben vom "Hörensagen" die Information, dass Sie auf dieser schwarzen Liste wären und können den Namen und den Kontakt zum Informanten nicht nennen. Eine individuelle Verfolgung vermochten Sie nicht glaubhaft zu machen.

Möchten Sie dazu etwas sagen?

VP: Hätte ich es am eigenen Körper erfahren müssen damit Sie es mir glauben?

LA: Aus Sicht des Bundesamtes ist iZm Ihrer unglaubhaften Fluchtgeschichte auch nicht davon auszugehen, dass Ihnen bei einer Rückkehr in die Russ. Föd. mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unmenschliche Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe drohen könnte.

Anm.: Es wird die Lage der Russischen Föderation anhand der Länderfeststellungen ( XXXX ) erörtert.

VP: Sie waren im Heimatland berufstätig. Es ist nicht davon ausgehen, dass Sie dies in Zukunft nicht könnten.

Wollen Sie hierzu eine Stellungnahme angeben?

VP: Wo soll ich dort leben. Man kann sich eine Zeitlang dort aufhalten.

Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR - Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren - Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht - abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes - Zurückweisung der VP durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland - oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland.

VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch ORS, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. - abermals in Kenntnis gesetzt.

LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie nun am Ende der Befragung noch weitere Angaben machen oder irgendwelche Ergänzungen anbringen?

VP: Was wird mit meiner Familie wenn ich zurück muss?

LA: Vorhalt: Es besteht in Österreich ein rechtskräftiges 10 jähriges Einreiseverbot im Zusammenhang mit Ihrer Asylaberkennung. Nehmen Sie Stellung dazu bitte.

VP: Wer soll meine Kinder erziehen? Ich habe das nicht gewusst.

LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen?

VP: Ja.

LA: Wollen Sie am Ende dieser Einvernahme irgendetwas korrigieren oder ergänzen?

VP: Nein.

LA an Rechtsberaterin (RB): Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge?

RB: Danke nein.

LA: Wie haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Sehr gut.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich habe keine Einwände, alles passt.

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ich möchte eine Kopie. [...]"

I.2.4. In einem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2019 an das UNHCR-Büro Österreich wurden bekannt geben, dass beabsichtigt sei, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in der Erstaufnahmestelle Flughafen gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 AsylG abzuweisen. Er wurde um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des Antrages ersucht. Zugleich wurden in Beilage Unterlagen, das Asylverfahren des Beschwerdeführs betreffend, übermittelt.

I.2.5. Aus Sicht des UNHCR wurde eine ergänzende niederschriftliche Einvernahme durch das BFA, in Anwesenheit einer Rechtsberaterin und im Beisein einer dem BF einwandfrei verständlichen Dolmetscherin der Sprache Russisch angeregt und am 15.02.2019 durchgeführt. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"2. NIEDERSCHRIFT IM VERFAHREN VOR DEM BUNDESAMT FÜR FREMDENWESEN

UND ASYL

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Anmerkung: Rechtsberater ist während der gesamten Einvernahme anwesend.

Anmerkung: Die anwesenden Personen werden der Verfahrenspartei (VP) vorgestellt und deren Funktionen/Aufgaben im Verfahren erklärt sowie der Gegenstand der ergänzenden EV erklärt.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Die Dolmetscherin wurde vom Leiter der AH als Dolmetscherin für Russisch bestellt und beeidet. Sie sprechen aber auch Deutsch. Könnten wir diese EV auch auf Deutsch durchführen?

VP: Ja, ok.

Anmerkung: Die LA überzeugt sich von der einwandfreien Verständigung zwischen dem Dolmetscher und der Verfahrenspartei.

LA: Gibt es jetzt eine aktuelle Vollmacht zu Ihrer Rechtsvertretung (RA XXXX )?

VP: Nein habe ich nicht.

LA: Sind Sie ausdrücklich damit einverstanden ohne Ihre Vertretung einvernommen zu werden?

VP: Ja sicher.

LA: Ich entschuldige mich für diese weitere Einvernahme, aber die Behörde benötigt noch weitere entscheidungsrelevante Angaben. Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die ergänzenden an Sie gestellten Fragen wahrheitsgemäß und umfassend zu beantworten?

VP: Ja.

LA: Sollten sich für Sie im Verlauf der Einvernahme Unklarheiten ergeben, sollten Sie etwa eine Frage nicht richtig verstanden haben, oder bemerken, dass eine Ihrer Antworten offensichtlich von meiner Seite nicht richtig verstanden worden ist, können Sie jederzeit auch Gegenfragen stellen. Es soll in jedem Fall gewährleistet sein, dass eine fehlerfreie Kommunikation gegeben ist. Haben Sie das verstanden?

VP: Ja, danke.

LA: Es wurde Ihnen das Info- und Belehrungsblatt zum Ermittlungsverfahren (Wahrheits- und Mitwirkungspflicht, vertrauliche Behandlung Ihrer Angaben, Konsequenzen von Falschaussagen, Rechtsberater, Ablauf der Niederschrift, Meldepflichten, etc.) im Vorfeld ausgefolgt.

Sie werden nun nochmals darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

Es ist auch unumgänglich, dass Sie ohne unnötigen Aufschub Ihren Antrag auf internationalen Schutz begründen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

In diesem Zusammenhang werden Sie auch nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass Sie für den Fall, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen werden sollte, in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid neue Tatsachen und Beweismittel nur eingeschränkt vorbringen können (sog. Neuerungsverbot).

Anmerkung: Bedeutung bzw. Umfang dieses Neuerungsverbotes werden von der LA erklärt.

LA: Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Ja, ich habe alles verstanden.

LA: Auf die Folgen von wahrheitswidrigen Aussage und der damit verbundenen allenfalls für Sie nachteilig verlaufenden Glaubwürdigkeitsprüfung werden Sie hier und heute nochmals ausdrücklich hingewiesen.

Wenn Sie wissentlich falsche Angaben über Ihre Identität oder Herkunft machen, um die Duldung Ihrer Anwesenheit im österreichischen Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begehen Sie eine Verwaltungsübertretung nach dem FPG und können bestraft werden.

Sie werden auch nochmals darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie das Bundesamt über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit von Dokumenten, trotz der dazu nun erfolgten Belehrung über die Folgen eines solchen Verhaltens, zu täuschen versuchen.

Ihnen wird weiters zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind, Sie verpflichtet sind, wahrheitsgemäße Angaben zu machen und unwahre Aussagen zur Abweisung Ihres Antrages auf internationalen Schutz wegen mangelnder Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens führen können.

Darüber hinaus werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ihren Angaben im Zulassungsverfahren hier in der EAST Flughafen eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt (Anmerkung: LA erklärt die Bedeutung dieser Bestimmungen).

Haben Sie diese Ausführungen verstanden?

VP: Ja das habe ich verstanden.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird auf die Möglichkeit, Unterstützung durch die Mitarbeiter/innen der ORS hier am Flughafen zu finden, die Möglichkeit der Beiziehung eines Vertreters/Rechtsanwaltes, einer Vertrauensperson und auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR hingewiesen.

Wasser zu trinken wird bereitgestellt.

VP wird informiert, sollte sie eine Pause wollen, dies jederzeit zu sagen.

LA: Bitte legen Sie wieder Ihr Handy auf den Tisch und schalten Sie Ihr Mobiltelefon aus.

VP: Das mache ich.

LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der letzten EV am 07.02.2019 wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rück

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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