Entscheidungsdatum
08.03.2019Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
G314 2215526-1/2E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, serbische Staatsangehörige, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids
wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (BF) hält sich seit 09.08.2017 im Bundesgebiet auf, ohne über einen Aufenthaltstitel zu verfügen. Mit dem seit 07.12.2018 rechtskräftigen Bescheid der Magistratsabteilung XXXX des Amts der XXXX Landesregierung wurde ihr Erstantrag vom 07.08.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehörige" abgewiesen.
Am 20.12.2018 wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur allfälligen Erlassung einer Rückkehrentscheidung vernommen.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.).
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die BF bei der illegalen Arbeitsaufnahme betreten worden sei, woraus eine Gefahr für die öffentliche Ordnung abzuleiten sei. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihr zumutbar, den Verfahrensausgang in ihrem Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse an einem Verbleib in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an der raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids aufzuheben, auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und der BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen. Hilfsweise beantragt die BF die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag sowie einen Antrag auf Zulassung der (ordentlichen) Revision.
Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird zusammengefasst damit begründet, dass nicht nachvollziehbar sei, warum die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Sie sei unbescholten, verfüge über eine Unterkunft, wo sie auch gemeldet sei, und führe ein Familienleben mit ihrem in Österreich daueraufenthaltsberechtigten Ehemann und der gemeinsamen Tochter. Zahlreiche weitere Verwandte würden in Österreich leben. Ihr Unterhalt sei durch Zuwendungen ihres Ehemanns, ihrer Mutter und ihrer Schwiegermutter sowie durch eigene Ersparnisse gesichert. Bei einer Abschiebung drohe eine Verletzung von Art 3 EMRK, zumal sie in Serbien keine Bezugspersonen und keine Krankenversicherung habe und eine Risikoschwangerschaft bestünde.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 06.03.2019 einlangten.
Feststellungen:
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten. Es bestehen (abgesehen von einer Anzeige wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts) keine aktenkundigen Anhaltspunkte für Verwaltungsübertretungen oder für eine unzulässige Arbeitsaufnahme.
Die BF heiratete am XXXX.2016 den serbischen Staatsangehörigen XXXX, der über einen österreichischen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt und in XXXX lebt und arbeitet. Sie lebt in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen, am XXXX.2017 in XXXX geborenen Tochter XXXX. Die BF erwartet ein weiteres Kind; der Geburtstermin wird voraussichtlich am XXXX.2019 sein. Sie ist in der von ihrem Ehemann angemieteten Wohnung mit Hauptwohnsitz gemeldet und verfügt aufgrund der Mitversicherung mit ihm über eine Krankenversicherung. Ihren Lebensunterhalt finanziert sie durch Zuwendungen ihres Ehemanns. Die Familie wird auch von der Mutter ihres Ehemanns finanziell unterstützt.
Die Muttersprache der BF ist Serbisch; sie spricht aber auch Deutsch.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der BF ein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Ein solcher ist weder im Fremdenregister gespeichert noch behauptet die BF selbst, einen zu besitzen.
Eine Kopie des Reisepasses der BF liegt vor, ebenso ihre Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde ihrer Tochter und der Aufenthaltstitel ihres Ehemanns. Die Schwangerschaft und der voraussichtliche Geburtstermin ergeben sich aus den Kopien aus dem Mutter-Kind-Pass, die Krankenversicherung aus dem Versicherungsdatenauszug. Die Wohnsitzmeldung und der gemeinsame Haushalt der Familie werden anhand des Zentralen Melderegisters (ZMR) festgestellt. Es ist angesichts der Beschäftigungslosigkeit der BF nachvollziehbar, dass sie von ihrem Ehemann und ihrer Schwiegermutter finanziell unterstützt wird, wie sie vor dem BFA angab.
Die serbische Muttersprache der BF ist angesichts ihrer Herkunft und der problemlosen Verständigung mit der Dolmetscherin für diese Sprache plausibel. Da sie die Schule zum Teil in Österreich absolvierte und Zeugnisse der vierten Hauptschulklasse und der Polytechnischen Schule (jeweils mit positiver Deutschnote) vorlegte, kann dem Vorbringen über ihre Deutschkenntnisse gefolgt werden.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten sei.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung hier aktenwidrig damit, dass die BF bei der illegalen Arbeitsaufnahme betreten worden sei. Da Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids somit auf einen Umstand gestützt wurde, der aus den Akten nicht nachvollzogen werden kann, und keine anderen Gründe ersichtlich sind, warum die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, ist dieser Spruchpunkt rechtswidrig und daher ersatzlos aufzuheben.
Der Umstand, dass auch das BFA davon ausging, dass von der BF keine maßgebliche Gefährdung ausgeht, zeigt sich schon daran, dass gegen sie neben der Rückkehrentscheidung kein Einreiseverbot erlassen wurde.
Außerdem ist im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung aufgrund der Beziehung der BF zu ihrem daueraufenthaltsberechtigten Ehemann und ihrer 2017 geborenen Tochter, mit denen sie in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden. Der Beschwerde wird daher die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2215526.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.05.2019