TE Bvwg Beschluss 2019/3/11 W256 2160594-1

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Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W256 2160594-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde vonXXXX, geboren am XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15. Mai 2017, Zl. XXXX:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Zuge der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt (wortwörtlich und um Rechtschreibfehler bereinigt laut Befragungsprotokoll wiedergegeben) folgendes an: "Ich habe 2 Jahre für XXXX (Kommandogruppe Großbritannien) und 6 Jahre für XXXX(Militär Schweden & Finnland) gearbeitet. In der Nähe meines Hauses wurden Waffen der Taliban gefunden und die Taliban haben mich verdächtigt (weil ich Kontakt mit dem ausl. Militär hatte), dass ich sie verraten habe. Daher bedrohten sie mich mit dem Tod. Als ich mich deswegen bei meiner Regierung beschwerte, bot diese mir nur an, mir eine Waffe für zu Hause zu geben. Dies lehnte ich ab, da es sonst nur noch schlimmer geworden wäre. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe."

Der Beschwerdeführer wurde am 22. September 2016 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Die Befragung zu seinem Fluchtgrund gestaltete sich - laut Protokoll - wie folgt:

"L: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren. Sie haben jetzt auch Gelegenheit sich zu den Fragen, die von ihnen mit "ja" oder "nein" beantwortet werden, zu äußern.

A: Ich habe 2 Jahre für XXXX (Kommandogruppe Großbritannien) und 6 Jahre für XXXX (Militär Schweden Finnland) gearbeitet. In der Nähe meines Hauses wurden Waffen der Taliban gefunden und die Taliban haben mich verdächtigt (weil ich Kontakt mit dem ausl. Militär hatte), dass ich sie verraten habe. Die Taliban haben meinen Vater besucht, sie standen vor der Haustüre und sagten zu ihm, warum arbeitet dein Sohn für die Feinde Afghanistans, die Ausländer sind Feinde. Wieso arbeitet dein Sohn für Ungläubige. Daher bedrohten sie mich mit dem Tod. Als ich mich deswegen bei meiner Regierung beschwerte, bot diese mir nur an, mir eine Waffe für zu Hause zu geben. Dies lehnte ich ab, da es sonst nur noch schlimmer geworden wäre. Mein Vater ist zu mir gekommen, er sagte die Taliban werden mich nie in Ruhe lassen, bis sie mich mitnehmen und töten. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe.

F: Möchten Sie von sich aus noch etwas zu Ihrem Fluchtgrund angeben?

A: Nein.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A: Ja."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei.

Darin wird - soweit hier wesentlich - nach wörtlicher Wiedergabe der Einvernahme-Protokolle ausgeführt, dass die vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubhaft seien und der Beschwerdeführer in der Heimat insofern keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt sei. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde dazu aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den Angaben seines Bruders in dessen Asylverfahren widersprüchlich gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde habe sich nur unzureichend mit dem Fluchtvorbingen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Insbesondere habe sie den Beschwerdeführer nicht zu den Details seiner Fluchtgründe befragt, sondern sich auf die Schilderungen seines minderjährigen Bruders gestützt und damit dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Das Vorbringen des minderjährigen Bruders sei aber nicht ausreichend, um dem Beschwerdeführer seine Glaubwürdigkeit abzusprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt nach § 28 Abs. 2 Ziffer 2 voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungs-gerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. jüngst auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2017, Zl. Ra 2016/12/0109, Rz 18ff.).

Der angefochtene Bescheid ist aus folgenden Gründen mangelhaft:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zwar eine Einvernahme (auch) zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers vorgenommen, diese beschränkte sich allerdings auf eine allgemeine Befragung ohne durch konkretes Nachfragen gezielt auf das vom Beschwerdeführer eigenständig geschilderte Fluchtvorbringen und damit auf den Einzelfall einzugehen. Der Beschwerdeführer hat - wie auch bereits im Rahmen seiner Erstbefragung - eine Verfolgung durch die Taliban behauptet. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Fluchtvorbringen fand im Zuge der Befragung nicht statt, sondern begnügte sich die belangte Behörde mit dem in freier Erzählung geschilderten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers.

Auch ansonsten hat sich die belangte Behörde mit dem behaupteten Fluchtgrund nicht - zumindest ordnungsgemäß - auseinandergesetzt. Die im angefochtenen Bescheid erfolgte Bezugnahme zu einer ansonsten in keiner Form ins Verfahren eingebrachten Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers kann jedenfalls nicht als geeigneter, insbesondere einem ordnungsgemäßen Verfahren entsprechender Ermittlungsschritt gewertet werden. Ohne - z.B. mittels Vorhalt erfolgter - Befassung des Beschwerdeführers mit dieser Einvernahme wurde diesem die Möglichkeit einer Stellungnahme genommen und damit die Verwendung dieser Einvernahme im Verfahren gänzlich verwirkt.

Die belangte Behörde hat es daher - entgegen ihrer in § 18 AsylG 2005 normierten Ermittlungspflicht - gänzlich unterlassen, sich mit dem vom Beschwerdeführer (immer) geltend gemachten Fluchtgrund ordentlich zu befassen. Der Sachverhalt ist somit in einem wesentlichen Punkt umfassend ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb im Hinblick auf diese besonders gravierende Ermittlungslücke eine Zurückverweisung erforderlich und auch gerechtfertigt ist (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/09/0088).

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren angehalten, sich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und dazu konkrete Ermittlungsschritte, sei es durch gezielte Befragung des Beschwerdeführers, durch Einholung von entsprechenden Länderberichten oder sonstiger sich daraus ergebender weiterer Ermittlungsschritte, zu setzen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Denn die belangte Behörde ist als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig. Überdies soll eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Folglich war das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid "aufzuheben" war. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22).

2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde bloß ansatzweise bzw. unzureichend ermittelt, entspricht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W256.2160594.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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