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L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;Norm
DPL NÖ 1972 §76 Abs8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der Dr. C in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl u. a., Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Juli 1998, Zl. LAD2B-134.2307/87, betreffend Ruhegenußbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit mit ihm über die Ruhegenußbemessung abgesprochen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1947 geborene Beschwerdeführerin steht als Oberrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Niederösterreich; ihre letzte Dienststelle war das Amt der NÖ Landesregierung.
Mit Schreiben vom 28. November 1997 beantragte die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer Reihe von fachärztlichen Befunden ihre Ruhestandsversetzung.
Nach Durchführung mehrerer ärztlicher Untersuchungen auf Veranlassung der belangten Behörde erging der angefochtene Bescheid, der folgenden Wortlaut hat:
"Bescheid Sie werden mit Ablauf des 31. August 1998 in den
dauernden Ruhestand versetzt. Es gebührt Ihnen ein monatlicher
Ruhegenuß laut beiliegender Berechnung.
Rechtsgrundlagen: § 21 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Artikel XXII Abs. 1 Z. 1 und 2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), LGBl. 2200; § 76 DPL 1972.
Begründung
Auf Grund des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 16. Juli 1998 wird festgestellt, daß Sie dauernd dienstunfähig sind. Da Sie selbst um die Ruhestandsversetzung angesucht haben, war spruchgemäß zu verfügen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht
zulässig."
Diesem Bescheid ist ein Blatt "Ruhegenußberechnung" angeschlossen, aus dem sich ergibt, daß der Ruhegenuß der Beschwerdeführerin unter Heranziehung der sogenannten Abschlagsregelung (§ 76 Abs. 8 DPL 1972) und ohne begünstigte Bemessung des Ruhegenusses (§ 77 DPL 1972) ermittelt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift und von Kostenanträgen aber Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Ruhestandsbezüge in gesetzlicher Höhe der NÖ DPL 1972 in Verbindung mit einer Zurechnung von 10 Jahren zu ihrer ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit nach § 77 Abs. 2 DPL 1972 durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.
Die Beschwerdeführerin bezeichnet in ihrem Vorbringen die behördliche Entscheidung im ersten Satz des Bescheidspruches (die Verfügung der Ruhestandsversetzung) ausdrücklich als richtig und im Hinblick auf ihren Antrag als zureichend begründet. Dies treffe aber nicht für die gleichzeitig vorgenommene Ruhegenußbemessung zu, die jeglicher Begründung ermangle und - wie ihr seitens der belangten Behörde erklärt worden sei - mangels der Voraussetzungen (- nach Auffassung der belangten Behörde -) ohne Zurechnung nach § 77 Abs. 2 DPL 1972 erfolgt sei. Diesbezüglich fehle es aber nicht nur an jeglichem Ansatz einer Begründung, sondern auch an dem erforderlichen Ermittlungsverfahren mit Parteiengehör.
Das weitere Beschwerdevorbringen enthält im wesentlichen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Land Niederösterreich getroffene Abschlagsregelung, der jene "Milderung" der Regelung fehle, die bundesrechtlich der Abs. 4 des § 4 PG 1965 enthalte. Wäre bei der Beschwerdeführerin die Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden, so hätte dies - bei gleicher Regelung wie im Bundesbereich - die Unanwendbarkeit der Abschlagsregelung zur Folge.
Die Beschwerde bezeichnet schließlich die "Landesregelung" als "noch exzessiver als die Bundesregelung" und regt an, der Verwaltungsgerichtshof möge an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des Abs. 8 (allenfalls auch des Abs. 9) des § 76 DPL 1972 stellen.
Die Beschwerde bekämpft nach dem Beschwerdepunkt und dem gesamten Vorbringen jedenfalls nicht die erfolgte Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin, sondern nur die Bemessung des der Beschwerdeführerin zustehenden Ruhegenusses, der sich aber nur aus dem dem angefochtenen Bescheid angeschlossenen Ruhegenußbemessungsblatt ergibt. Unter Einbeziehung dieses Ruhegenußbemessungsblattes ist aber erkennbar, daß die belangte Behörde mangels Zurechnung von Jahren nach § 77 DPL 1972 nicht von der dort geregelten qualifizierten Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen ist. Die Abschlagsregel des § 76 Abs. 8 DPL 1972 wurde bei der Pensionsbemessung angewendet.
Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Ruhegenußbemessung, und zwar weder hinsichtlich der Frage der Erwerbsfähigkeit bzw. der Zurechnung noch der Anwendung der Abschlagsregelung auch nur irgendeine Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes bzw. Begründung enthält.
Da der Antrag der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nur auf Ruhestandsversetzung gerichtet war, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, den für die weitere Erledigung maßgebenden Sachverhalt unter Wahrung der Parteienrechte - insbesondere auch unter Beachtung der Bestimmung des § 8 Abs. 1 DVG - festzustellen. Bescheide sind nach § 58 Abs. 2 AVG zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind nach § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Diesen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen wird der angefochtene Bescheid nicht einmal ansatzweise gerecht. Da durch diese verfahrensrechtlichen Mängel der Verwaltungsgerichtshof an der inhaltlichen Überprüfung gehindert war, ist der angefochtene Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes, also hinsichtlich der Ruhegenußbemessung, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Zu dem verfassungsrechtlichen Vorbringen wird - soweit es gegen die sogenannte Abschlagsregelung als solche gerichtet ist - auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1998, B 4939/96-9 u. a., hingewiesen, mit dem die sogenannte Abschlagsregelung im Bundesbereich als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet wurde. Unter Hinweis auf dieses Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 14. Oktober 1998, B 2520/97-9, die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Ruhegenußbemessungsbescheid der NÖ Landesregierung vom 9. September 1997 abgelehnt.
Aus den vorher dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998120279.X00Im RIS seit
20.11.2000