TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/12 W103 2200505-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2019
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Entscheidungsdatum

12.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 2200505-1/5E

W103 2200503-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und

2.) XXXX geb. XXXX , beide StA. Russische Föderation und vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zln.: 1.) 1097140308-151889858 und 2.) 1098949606-151993477, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein aus der Russischen Föderation stammendes Ehepaar tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.

Der Erstbeschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am 29.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab er im Wesentlichen an, er sei Moslem und stamme aus XXXX wo sich unverändert seine Mutter, zwei Schwestern und seine Ehefrau aufhielten. Er sei aus seinem Herkunftsland geflüchtet, da er in seinem Dorf in Tschetschenien von Uniformierten zur Polizei mitgenommen worden wäre. Er sei geschlagen und vier Tage lang festgehalten worden. Seine Freilassung sei erfolgt, nachdem er sich verpflichtet hätte, drei Leute zu verraten. Einen Monat zuvor hätte ihn der Ermittler angerufen und ihm mitgeteilt, dass es Zeit wäre, diese drei Leute zu bringen. Unter dieser Bedrohung habe der Erstbeschwerdeführer seine Heimat verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er eine Gefängnisstrafe. Der Erstbeschwerdeführer legte seinen russischen Führerschein im Original vor.

Die Zweitbeschwerdeführerin gelangte ebenfalls illegal ins Bundesgebiet und stellte am 14.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem sie am Tag darauf vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Zum Grund ihrer Flucht gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie sei wegen der Probleme ihres Mannes von den Behörden in Tschetschenien verfolgt worden. Ihr Mann sei damals in Tschetschenien zwei Wochen eingesperrt worden und hätte wieder verhaftet werden sollen, weshalb er einen Monat zuvor aus der Heimat geflüchtet wäre. Die Behörden hätten die Zweitbeschwerdeführerin immer wieder nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes gefragt und dieser mitgeteilt, dass sie dem Genannten ausrichten solle, dass er nach Tschetschenien zurückkehren und sich den Behörden stellen solle. Da sie auch der Zweitbeschwerdeführerin eine Verhaftung angedroht hätten, sei sie geflüchtet. Vor einer Rückkehr nach Tschetschenien fürchte sie sich, da sie Angst hätte, dass die dortigen Behörden sie töten lassen würden. Die Zweitbeschwerdeführerin legte ihren russischen Inlandspass im Original vor. Weiters legte sie ihre Heiratsurkunde mitsamt einer beglaubigten Übersetzung ins Deutsche vor.

Am 06.04.2015 wurde der Erstbeschwerdeführer nach Zulassung seines Verfahrens im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.

Der Erstbeschwerdeführer gab auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll, er sei gesund, benötige keine Medikamente und fühle sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage. Im Zuge der Erstbefragung habe er den Dolmetscher verstanden und seine Angaben seien rückübersetzt worden; es habe auch Fehler darin gegeben. In Tschetschenien hielten sich unverändert seine Mutter, seine beiden Schwestern, Onkeln und Tanten auf. Die Mutter sowie die Ehemänner der Schwestern des Erstbeschwerdeführers würden jeweils einer Arbeit nachgehen und derart ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Erstbeschwerdeführer stünde fast täglich telefonisch mit seinen Angehörigen im Herkunftsstaat in Kontakt. Diese würden sagen, dass alles normal sei; der Erstbeschwerdeführer wisse jedoch, dass dies nicht so sei.

Der Erstbeschwerdeführer lebe von der Grundversorgung, habe einen Deutschkurs besucht und verrichte Putzarbeiten im Ausmaß von ca. 24 Wochenstunden, wofür er EUR 110,- erhalte.

Zum Grund seiner Ausreise führte der Erstbeschwerdeführer aus, im Jahr 2010 seien Freunde von ihm in den Wald gegangen, da sie nicht mit der Regierung einverstanden gewesen wären. Deshalb sei der Erstbeschwerdeführer von der Universität ausgeschlossen worden und habe Probleme bekommen. Die Polizei hätte ihn immer wieder vorgeladen. Nur einmal hätten sie ihm eine Ladung geschickt und ihm gesagt, dass er diese mitnehmen solle. Jene Ladung hätten sie ihm weggenommen, ohne dass er sich eine Kopie davon angefertigt hätte. Am Anfang hätten sie ihn zu Verhören geholt, später hätten sie gedacht, dass er immer noch etwas mit seinen Freunden zu tun habe. Er hätte für die Polizei arbeiten sollen. Bei seinem letzten Kontakt mit der Polizei hätte diese verlangt, dass der Erstbeschwerdeführer drei seiner Freunde ausliefern solle, wobei sie einen konkreten Namen genannt hätten. Sie hätten ihm aufgetragen, die Leute innerhalb von 10 Monaten auszuliefern, sollte er dies nicht schaffen, würden sie ihm auch ein Jahr Zeit einräumen. Der Erstbeschwerdeführer hätte Leute anwerben und diese dann in den Wald schicken sollen, die Polizisten würden das dann wissen und hätten sie dann umgebracht. Auf nochmalige Nachfrage, weshalb der Erstbeschwerdeführer seine Freunde an die Polizei hätte ausliefern sollen, meinte dieser, hier würde man dies nicht verstehen, aber bei ihnen sei es so. Das passiere bei ihnen alle vier oder fünf Monate. Jetzt bräuchte man sie nicht mehr in den Wald schicken, man könne diese Leute auch in der Stadt unschädlich machen. Dies mache man zu Feiertagen. Der Erstbeschwerdeführer hätte den Leuten einreden sollen, dass sie eine Chance gegen die Polizei hätten, aber ein normaler Mensch würde dies nicht machen. Der Erstbeschwerdeführer hätte sie dazu bewegen sollen, dies zu machen. Bei ihnen sage man, dass ein Polizist für jeden dieser Terroristen eine Million bekomme. Die Polizei mache jedenfalls ein riesen Geschäft mit diesen Leichen. Nochmals nachgefragt, weshalb seine Freunde an die Polizei ausgeliefert werden hätten sollen und ob es sich bei diesen um Terroristen gehandelt hätte, erklärte der Erstbeschwerdeführer, natürlich würden diese für Terroristen gehalten, wenn sie in den Wald gingen. Seine Freunde, wegen derer er aus der Universität ausgeschlossen worden wäre, seien jedoch bereits im Jahr 2012 getötet worden. Die Freunde, die er ausliefern hätte sollen, seien ebenfalls im Oktober bzw. Februar 2012 von der Polizei bzw. den staatlichen Strukturen getötet worden. Befragt, was sich in der Zeit von Oktober 2012 bis zur Ausreise des Erstbeschwerdeführers im Oktober 2015 ereignet hätte, erwiderte der Erstbeschwerdeführer, alles Möglich hätte sich ereignet. Vor dem Jahr 2015 habe die Polizei versucht, ihn einzuschüchtern. Einige Sachen seien für ihn peinlich zu erwähnen. Sie hätten ihn misshandelt. Sie hätten ihn freigelassen, sobald die blauen Flecken verschwunden wären. Dies sei jedoch nicht nur ihm, sondern auch anderen passiert. Der Erstbeschwerdeführer sei unter Frauen groß geworden und hätte in der Familie nie von Problemen gesprochen, um die Frauen nicht zu beunruhigen. Er hätte ihnen nichts von seiner Festnahme im Jahr 2014 gesagt. Ein Bekannter seines Onkels habe seinem Onkel erzählt, dass der Erstbeschwerdeführer misshandelt werde. Danach sei sein Onkel zu ihm gekommen und hätte ihm gesagt, dass er Tschetschenien verlassen müsse. Der Freund seines Onkels, welcher Polizist sei, hätte dem Erstbeschwerdeführer gesagt, dass er nach Österreich gehen solle, da die Österreicher niemanden zurückschicken würden, der flüchten müsse. Nach dem Grund seiner Misshandlungen durch die Polizei gefragt, wiederholte der Erstbeschwerdeführer, dass er nicht der einzige bei der Polizei gewesen wäre; wenn eine Gesellschaft mit der Polizei Probleme bekomme, würden sie die Aktivsten von denen herausnehmen. Es gebe ein seit langem bestehendes ausgeklügeltes System, welches besage, wer Leute anwerben solle und was jeder zu tun habe. Der Erstbeschwerdeführer habe dem Freund seines Onkels, welcher Polizist sei, zunächst gesagt, dass er nicht ins Ausland wolle, da es zumindest fünf Jahre dauern würde, bis er sich dort integriert hätte und er habe vorgeschlagen, stattdessen nach Sibirien zu fahren. Der Polizist hätte jedoch gesagt, dass wenn jemand in Tschetschenien ein Problem hätte, würde sich dieses Problem auf alle Regionen der Russischen Föderation beziehen. Nochmals gefragt, welches konkrete Problem er mit der Polizei gehabt hätte und gefragt, was er damit gemeint hätte, dass er aktiv gewesen sei, gab der Erstbeschwerdeführer an, es gebe unter Freunden immer einen Anführer, der aktiver sei als die anderen. Da sei der Erstbeschwerdeführer immer der zweite gewesen und als der Erste weg gewesen wäre, sei er übriggeblieben. Auf nochmalige Wiederholung der Frage meinte der Erstbeschwerdeführer, er sei das letzte Mal im Oktober 2014 bei der Polizei gewesen. Da hätten sie von ihm verlangt, dass er in 10 Monaten Leute anwerben und in den Wald schicken solle. Der Erstbeschwerdeführer habe niemanden angeworben, da er gedacht hätte, dass nichts passieren würde, wenn er niemanden anwerbe. Gegen Ende dieser zehn Monate hätten sie ihn angerufen und gefragt, ob er arbeite oder nichts tue. Der Erstbeschwerdeführer hätte erwidert, dass es bis jetzt noch nicht geklappt hätte und er noch Zeit benötigen würde. Gleich danach hätte er sich über Freunde erkundigt, wer Reisen ins Ausland organisiere. Letzten Endes habe ihm der Freund seines Onkels geholfen, welcher ihm auch den Rat erteilt hätte, bei der Erstbefragung in Österreich nicht die Wahrheit über die Reiseroute anzugeben. Zuletzt habe er Anfang Oktober 2014 mit der Polizei in Tschetschenien zu tun gehabt. Wenn er niemanden ausliefern hätte können, dann würden sie eben mit ihm ihre Arbeit verrichten. Damit meine er, eine falsche Beschuldigung gegen ihn anzuführen und ihn umzubringen. Nochmals nachgefragt, was er mit dem Anwerben von Personen genau gemeint hätte und um welche Leute es sich dabei hätte handeln sollen, erklärte der Erstbeschwerdeführer, bei ihnen in Tschetschenien konzentriere sich alles auf die militärischen Strukturen. Auf Wiederholung der Frage gab der Erstbeschwerdeführer an, der Polizei wäre es egal gewesen, wen er da bringe. Er könnte ja genauso ein Opfer von anderen werden, die ihn in den Wald geschickt hätten. Der Erstbeschwerdeführer habe in Tschetschenien nie eine Strafe erhalten, er hätte jedoch ein Opfer einer solchen Anwerbung werden können. Er wisse, dass das kompliziert sei, wenn man so etwas noch nie gehört hätte, doch würden sie dort in einer solchen Hölle leben, dass es für sie nichts Neues wäre. Auf die Frage, weshalb solche Leute freiwillig in den Wald gingen, zumal sie wissen müssten, dass sie dort getötet würden, meinte der Erstbeschwerdeführer, es gingen schon Leute hin, solche, die gefunden würden. Aber es fänden sich immer wieder Leute, die dort hingingen. Für die Leute, die in den Wald gingen, sei es ein Kampf gegen die Polizei wegen der Gerechtigkeit. Auf die Frage, ob er von der tschetschenischen Regierung, Polizei oder Behörden ausdrücklich mit dem Tod oder Verfolgung bedroht worden wäre, meinte dieser, er sei nicht mit dem Umbringen, jedoch damit, dass man ihn ins Gefängnis einsperren könnte, bedroht worden. Der Freund seines Onkels hätte ihn davor gewarnt, in eine andere Region der Russischen Föderation zu ziehen, da er überall im Land gefunden werden könnte. Auf Vorhalt, dass es dem Erstbeschwerdeführer möglich wäre, sich überall in Russland anzusiedeln und seine Angaben keinesfalls so einzustufen wären, dass er als Verbrecher in Russland registriert wäre und daher nirgendwo hingehen könnte, erklärte der Erstbeschwerdeführer, er habe sich genau das gedacht, es laufe ja keine föderationsweite Fahndung nach ihm. Er habe sich auch nicht vorstellen können, weshalb der Freund seines Onkels dies ausgeschlossen hätte. Er habe zwar selbst bei der Polizei gearbeitet, aber ebenfalls nicht verhindern können, dass die Polizei ihn ständig kontaktiert und ihn nicht in Ruhe gelassen hätte. Früher habe der Erstbeschwerdeführer nicht hierherkommen wollen, er habe dann jedoch doch auf seinen Onkel und dessen Freund gehört und wolle nunmehr nicht mehr weg. Nachgefragt, sei er in Tschetschenien von niemandem persönlich bedroht oder verfolgt worden. Solche Leute habe es nicht gegeben; der Erstbeschwerdeführer habe eigentlich mit allen gute Beziehungen gehabt, außer mit der Regierung. Mit letzterer meine er die lokale Regierung in Tschetschenien. Wenn die russische Regierung einverstanden sei, mit dem was die tschetschenische Regierung mache, dann würden sie unter einer Decke stecken. Nachgefragt werde der Erstbeschwerdeführer in Tschetschenien/der Russischen Föderation nicht gesucht und es bestünde kein Haftbefehl gegen ihn. Es gebe zwar in Tschetschenien keine Fahndung gegen ihn, aber die Untersuchungsbeamten, die schon mit ihm gearbeitet hätten, würden ihn ganz sicher einsperren oder beseitigen wollen und er glaube, dass all diese Beamten zusammenarbeiten würden. Verfolgung oder eine Bedrohung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen hätte er in der Russischen Föderation nicht zu befürchten; es handle sich eher um religiöse Gründe als um politische. Um Präzisierung ersucht, führte der Erstbeschwerdeführer an, jeder glaube immer, dass alle so denken müssen, wie sie selber denken. Im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien zum jetzigen Zeitpunkt würde man dies sicher verraten, da die Informanten ihre Arbeit ordentlich machen würden. Was passieren würde, wenn er nach Russland zurückgehen würde, wisse er nicht, doch wäre es sicher nichts Gutes. Weitere Gründe für seine Asylantragstellung habe er nicht. Wenn er eine Arbeitsbewilligung erhalten würde, würde er jede Arbeit machen und bräuchte keine Sozialhilfe. Er arbeite schon seit dem Alter von 17 Jahren und könnte in Österreich als Eisenbahntechniker arbeiten. Der Erstbeschwerdeführer verzichtete auf eine Ausfolgung der Länderinformationen zu Tschetschenien und bestätigte nach Rückübersetzung seiner Angaben die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls durch seine Unterschrift.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer am 01.06.2018 im Beisein einer Dolmetscherin für die tschetschenische Sprache abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen an, sie sei gesund und benötige keine Medikamente. Sie habe vor etwa fünf Monaten eine Operation im Unterleib gehabt und müsse deshalb noch zu einer ärztlichen Kontrolle. Sie sei zur Durchführung der Einvernahme in der Lage. Bei der Erstbefragung habe sie den Dolmetscher verstanden und es sei eine Rückübersetzung erfolgt. Ihre Eltern und Geschwister würden unverändert in Tschetschenien leben, diesen ginge es gut. In Österreich lebe die Zweitbeschwerdeführerin von Grundversorgung, habe einen Deutschkurs besucht und ginge keiner Beschäftigung nach. Zum Grund ihrer Ausreise führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, nach der Flucht ihres Mannes nach Österreich seien Beamte zu ihr gekommen und sie sei zweimal von diesen Leuten abgeholt worden. Bei den Leuten habe es sich um uniformierte Männer, jedoch keine Polizisten gehandelt. Sie sei in die Stadt XXXX gebracht worden, wohin genau, wisse sie nicht mehr; ihr seien auf dem Weg dorthin die Augen verbunden worden. Sie sei alleine in ein Zimmer gebracht worden, sie hätten Informationen zum Aufenthaltsort ihres Mannes gefordert. Sie sei bedroht worden, man habe ihr gesagt, dass man sie jetzt mit Strom foltern werde. Sie sei tatsächlich gefoltert worden; dies sei jedoch nicht so schrecklich, sondern in leichter Form gewesen. Sie habe keine Informationen über den Aufenthaltsort ihres Mannes preisgegeben. Man habe sie etwa zwei Stunden dort festgehalten und sie dann wieder mit dem Auto nach Hause gebracht. Ihr Mann sei auch früher von den gleichen Leuten abgeholt worden, was sie von ihm gewollt hätten, habe er ihr jedoch nicht erzählt. Erstmals abgeholt worden sei sie Ende Oktober 2015. Die Leute hätten sich nicht vorgestellt; sie wisse, dass sie in XXXX gewesen wäre, da ihr Dorf zum Bezirk XXXX gehöre. Zwei Tage nach dem ersten Vorfall sei sie neuerlich abgeholt und in den gleichen Raum gebracht worden. Diesmal sei sie länger, zwei oder drei Stunden, festgehalten worden. Sie hätten ihr die gleichen Fragen gestellt und sie bedroht, dass sie länger bei ihnen bleiben und man sie prügeln werde. Die Männer hätten untereinander gesprochen, dass sie sie vielleicht wieder mit Strom behandeln oder schlagen sollten; sie sei daraufhin wieder leicht mit Strom gefoltert, nicht jedoch geschlagen worden. Mit dem Tod sei sie nicht bedroht worden, doch habe man ihr gesagt, dass sie nicht entspannt bleiben dürfe und sie wieder von ihnen geholt werden würde. Auf Vorhalt, dass sie bereits seit zweieinhalb Jahren in Österreich sei und befragt, ob ihr Mann ihr immer noch nicht gesagt hätte, weshalb diese Leute nach ihm gefragt hätten, verneinte die Zweitbeschwerdeführerin dies; sie hätte versucht, ihn zu fragen, doch habe er gesagt, dass dies nichts für Frauen, sondern Männersache, sei und er das nicht mit ihr besprechen wolle. Abgesehen von den geschilderten Vorfällen sei sie in Tschetschenien/der Russischen Föderation keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen. Auf die Frage, weshalb sie Tschetschenien verlassen hätte und ob sie nicht auch in einem anderen Teil der Russischen Föderation hätte leben können, meinte die Zweitbeschwerdeführerin, in Russland dürfte sie überhaupt nicht ohne ihren Gatten leben; dieser sei zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich gewesen, weshalb sie auch hierhergekommen wäre. Sie habe das Land am 04.12.2015 verlassen und bis dahin bei ihrer Schwiegermutter gelebt. Grundsätzlich dürfte sie mit ihrem Mann überall in Russland leben, die Probleme würden sie dort jedoch wieder haben. Nachgefragt, wisse sie nicht, um welche Probleme es sich dabei handle. Da sie sich anmelden müssten, wären die Behörden jedoch automatisch über ihren Aufenthaltsort informiert und könnten sie überall finden. Auf die Frage, ob ihr Mann in Tschetschenien etwas verbrochen oder gegen das Gesetz verstoßen hätte, sodass man ihn in ganz Russland suchen würde, erwiderte die Zweitbeschwerdeführerin, solange sie ihn kenne, habe ihr Mann nie gegen das Gesetz verstoßen. Auf Vorhalt, dass es diesfalls nicht nachvollziehbar erscheine, weshalb sie in ganz Russland nicht leben könnten, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, sie habe schon gesagt, dass ihr Mann ihr nicht erzählt hätte, welche Probleme er habe, doch werde es weiter gefährlich für ihn, andernfalls hätte er Tschetschenien nicht verlassen. Auf die Frage, ob sie in der Russischen Föderation gesucht werde oder ein Haftbefehl gegen sie bestünde, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, es könnte sein, sie wisse es nicht. Sie hätte keine Verfolgung oder Bedrohung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen in der Russischen Föderation zu befürchten, sondern nur die Probleme von ihrem Mann. Im Falle einer Rückkehr würde sie wieder und wieder von solchen Leuten wie damals abgeholt werden und nun würden sie noch mehr Informationen von ihr haben wollen, da sie bereits geflüchtet und wieder zurückgekommen wäre. In Österreich wolle die Zweitbeschwerdeführerin zunächst Deutsch lernen und anschließend eine Ausbildung machen, um als Kindergartenpädagogin zu arbeiten. Die Zweitbeschwerdeführerin verzichtete auf eine Ausfolgung der Länderberichte zur Russischen Föderation und bestätigte nach Rückübersetzung ihrer Angaben die Richtigkeit der und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift durch ihre Unterschrift.

2. Mit im Familienverfahren ergangenen Bescheiden vom 19.06.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz vom 30.10.2015 sowie vom 14.12.2015 jeweils bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.) und die Anträge gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die beschwerdeführenden Parteien eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkte IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). In Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG jeweils eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt im Wesentlichen fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass die beschwerdeführenden Parteien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in ihrer Heimat von staatlicher Seite verfolgt würden. Die von ihnen zur Begründung ihrer Anträge vorgebrachten Fluchtgründe könnten nicht als asylrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Eine Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien sei diesen zumutbar.

Dies wurde im Verfahren des Erstbeschwerdeführers im Wesentlichen auf die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen gestützt:

"(...) Die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht muss nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt (auch im Licht der Umstände im Herkunftsstaat) wahrscheinlich verwirklicht worden ist somit aber zugleich auch die persönliche Glaubwürdigkeit und die Konsistenz des Vorbringens gegeben ist.

Sie brachten vor, dass Sie in Tschetschenien für die Polizei hätten arbeiten sollen, Sie hätten im Jahr 2014 der Polizei innerhalb von 10 Monaten 3 Ihrer Freunde ausliefern sollen.

Andererseits brachten Sie wieder vor, dass Sie Leute anwerben hätten sollen, bzw. diese in den Wald schicken sollten, die Polizisten würden das dann wissen, und hätten die Personen dann umgebracht.

Sie hätten den Leuten einreden sollen, dass sie eine Chance gegen die Polizei hätten, aber ein normaler Mensch würde das nicht machen, Sie sollten sie dazu bewegen das zu tun. In Tschetschenien würde ein Polizist für jeden dieser "Terroristen" eine Million bekommen, ob Rubel oder Dollar, würden Sie nicht wissen. Die Polizei würde jedenfalls ein riesen Geschäft mit diesen Leichen machen.

Es würden sich immer wieder Leute finden die dort hingehen. Die Leute die in den Wald gehen würden, für die wäre es ein Kampf gegen die Polizei wegen der Gerechtigkeit.

Ihre Freunde, wegen denen Sie 2010 aus der Universität ausgeschlossen worden wären, wären schon 2012 getötet worden. Die Freunde, die Sie ausliefern hätten sollen, die wären auch im Jahr 2012 getötet worden. 3 der Personen wären am 5. Oktober 2012 und einer im Feber 2012 von der Polizei getötet worden.

Vor dem Jahr 2015 hätte die Polizei versucht, Sie einzuschüchtern. Sie wären misshandelt worden und immer erst freigelassen, sobald die blauen Flecken verschwunden wären. Das wäre aber nicht nur Ihnen passiert, sondern auch anderen.

Ein bekannter Ihres Onkels hätte Ihrem Onkel erzählt, dass Sie misshandelt worden wären. Danach wäre Ihr Onkel zu Ihnen gekommen und hätte gesagt, dass Sie Tschetschenien verlassen müssten. Der Freund Ihres Onkels wäre Polizist, er hätte Ihnen gesagt, dass Sie nach Österreich gehen sollen, da die Österreicher niemanden, der aus seinem Land flüchten muss, zurück schicken.

Im Oktober 2014 wären Sie das letzte Mal bei der Polizei gewesen, da hätten die Polizisten von Ihnen verlangt, dass Sie innerhalb von 10 Monaten Leute anwerben und in den Wald schicken sollen. Sie hätten das nicht machen wollen, daher hätten Sie auch niemanden angeworben, weil Sie gedacht hätten, dass ohnehin nichts passieren würde, wenn Sie niemanden anwerben.

Gegen Ende dieser 10 Monate hätte die Polizei Sie angerufen und gefragt, ob Sie arbeiten oder nichts tun würden. Sie hätten geantwortet, dass bis jetzt noch nichts geklappt hätte und Sie noch Zeit brauchen würden. Wenn Sie niemanden der Polizei ausliefern hätten können, dann hätten die Polizisten Sie umgebracht.

Gleich danach hätten Sie sich über Freunde erkundigt, wer Reisen ins Ausland organisiert. Letzten Endes hätte Ihnen der Freund Ihres Onkels, der Polizist, geholfen. Der hätte Ihnen auch den Rat gegeben, bei der Erstbefragung in Österreich nicht die Wahrheit über Ihre Reiseroute zu sagen.

Es würde in Tschetschenien zwar nicht nach Ihnen gefahndet werden aber die Untersuchungsbeamten, die schon mit Ihnen gearbeitet hätten, würden Sie ganz sicher einsperren oder beseitigen wollen.

Zu Ihren Rückkehrbefürchtungen befragt gaben Sie an, dass, wenn Sie nach Tschetschenien zurückkehren würden, man das sicher verraten würde, denn die Informanten würden Ihre Arbeit ordentlich machen. Wenn Sie nach Russland zurückkehren würden, wüssten Sie nicht, was passieren würde aber es wäre sicher nichts Gutes.

Nach eingehender Auseinandersetzung mit Ihrem Vorbringen musste Ihnen die Glaubwürdigkeit aus folgenden Gründen versagt werden:

Ihre Ausführungen zu der angeblich für Sie in Tschetschenien vorliegenden Verfolgungsgefahr sind weder bewiesen, noch belegt/bescheinigt. Daher ist die Beurteilung, ob diese Ausführungen/Behauptungen als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf Ihre persönliche Glaubwürdigkeit und auf die Glaubhaftigkeit Ihrer Ausführungen selbst abzustellen.

Die erkennende Behörde gelangt zur Ansicht, dass Sie lediglich ein für Sie in Tschetschenien vorliegendes Verfolgungsszenario konstruierten, ohne tatsächlich von dem Vorgebrachten persönlich betroffen gewesen zu sein. Weiters, dass Ihr behauptetes/vorgegebenes Vorbringen einzig und allein dem Ziel dient, in Österreich eine Asylgewährung, aber zumindest ein vorläufiges Aufenthaltsrecht quasi zu erzwingen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Ihre Angaben zu den - angeblichen - Fluchtgründen folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsablauf, bleiben jedoch äußerst vage, verwirrend und zusammenhangslos. Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen sollte sich aber gerade dadurch auszeichnen bzw. zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung von auch oft unwesentlichen Details oder Nebenumständen berichten. Die von Ihnen präsentierte "Fluchtgeschichte" ist als zu "blass", zu wenig detailreich, zu wenig emotional und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren.

Ihr Vorbringen war in seiner Gesamtheit ein wirres Konstrukt von nicht nachvollziehbaren und somit auch nicht glaubwürdigen Behauptungen. Sie konnten auch nach mehrmaligem Nachfragen des Referenten keine Gründe nennen, warum Sie Ihre Freunde oder sonstige Personen für die Polizei "rekrutieren" und in den Wald schicken sollten bzw. warum die Polizei an Ihren Freunden oder sonstigen Personen interessiert gewesen wäre.

Sie gaben zu Beginn der Einvernahme an, dass Freunde von Ihnen im Jahr 2010 in den Wald gingen, da sie mit der Regierung nicht einverstanden gewesen wären. Deshalb wären Sie von der Universität ausgeschlossen worden und hätten Probleme bekommen, die Polizei hätte Sie immer wieder vorgeladen.

Warum gerade Sie deswegen, weil Ihre Freunde in den Wald gegangen wären, Probleme bekommen hätten, konnten Sie jedoch nicht angeben.

Sie brachten dabei auch vor, dass, als Sie das letzte Mal im Jahr 2014 mit der Polizei Kontakt hatten, die Polizisten von Ihnen verlangt hätten, dass Sie 3 Ihrer Freunde innerhalb von 10 Monaten ausliefern sollten.

Im Laufe der Einvernahme gaben Sie dann aber wieder an, dass Ihre Freunde, wegen denen Sie aus der Universität ausgeschlossen worden wären, schon im Jahr 2012 getötet worden wären. Ebenso wären die Freunde, die Sie ausliefern sollten, auch schon im Jahr 2012 getötet worden. 3 Ihrer Freunde wären am 5. Oktober 2012 und einer im Feber 2012 von der Polizei getötet worden.

Hierzu stellt sich die Frage, wie Sie im Jahr 2014/15 Ihre Freunde der Polizei ausliefern sollten, wenn diese angeblich schon im Jahr 2012 getötet worden wären?

Im weiteren Verlauf der Einvernahme behaupteten Sie dann, dass Sie im Oktober 2014 das letzte Mal bei der Polizei gewesen wären und die Polizei von Ihnen verlangt hätte, dass Sie innerhalb von 10 Monaten Leute anwerben und in den Wald schicken sollten. Hier sprechen Sie nun nicht mehr von Ihren Freunden (wie zu Beginn der Einvernahme), die Sie ausliefern sollten, sondern von irgendwelchen Personen.

Sie wurden gefragt, was es mit dem Anwerben von Leuten und diese in den Wald zu bringen auf sich hat und ob dies Verbrecher, Kriminelle oder sonst irgendwelche Leute sein sollten.

Dazu gaben Sie an, dass sich in Tschetschenien alles auf militärische Strukturen konzentrieren würde. Da Sie den Fragen des Referenten hier zum wiederholten Male ausgewichen sind, wurde Ihnen die Frage erneut gestellt. Darauf antworteten Sie, dass es der Polizei egal gewesen wäre, wen Sie ihnen gebracht hätten.

Zu Ihrem Vorbringen wird abschließend festgehalten, dass es Ihnen nicht gelungen ist, Ihre Behauptungen in irgendeiner Weise glaubhaft zu untermauern. Im Gegenteil, Ihr Vorbringen ist widersprüchlich, scheinbar ohne Sinn und Zweck und nicht nachvollziehbar.

In Zusammenschau der hervorgekommenen Umstände ergeben sich keine glaubwürdigen Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen würden, dass Ihre Ausreisegründe aus der Russischen Föderation/Tschetschenien auf Probleme mit der Polizei zurückzuführen sind.

Es wird jedoch festgehalten, dass selbst bei Wahrunterstellung Ihres Vorbringens - dass Sie mit der Polizei in Tschetschenien Probleme gehabt hätten - dieses keine Dimension erreicht, sodass von einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der GFK auszugehen wäre. In diesem Falle, wäre diese von Ihnen behauptete "Bedrohung" durch die Polizei eine sehr lokal begrenzte Schikane, die nicht dergestalt ist, dass dem Asylrelevanz beigemessen werden könnte. In einem derartigen Falle würde Ihnen in ganz Russland eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen.

Die erkennende Behörde kommt daher klar und zweifelsfrei zum Schluss, dass bei Gesamtbetrachtung die von Ihnen ins Treffen geführten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Verfolgung oder Bedrohung auszugehen.

Zusammenfassend war bezüglich Ihres Vorbringens somit zu befinden, dass diesem keine besonderen Umstände entnommen werden konnten, aus denen - glaubhaft - hervorgeht, dass Sie im Falle einer Rückkehr unmittelbaren und/oder mittelbaren staatlichen Verfolgungen oder Verfolgung durch Dritte im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sind.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch festgehalten, dass Sie bereits vor Ihrer Einreise in Österreich in mehreren anderen Ländern (unter anderem auch in als sicher geltende Staaten innerhalb der Europäischen Union) vor einer etwaigen Verfolgung, die Ihnen im Herkunftsstaat gedroht hätte, sicher gewesen wären und zumutbarer Weise bereits dort Aufenthalt nehmen und gegebenenfalls auch einen Asylantrag stellen hätten können. Durch das Unterlassen kann daraus geschlossen werden, dass Sie andere Motive als jene der Schutzsuche haben.

Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu beantragen bzw. zu finden. Nachvollziehbare Gründe zu einer Weiterreise konnten nicht konstatiert werden bzw. konnten Ihren dahingehenden Bedenken nicht Rechnung getragen werden.

Des Weiteren weist auch die Tatsache, dass Sie den Weg der illegalen Einreise wählten, darauf hin, dass Sie mehr daran interessiert waren, eine Einreise in ein Land Ihrer Wahl sicherzustellen, als einen Zufluchtsort zu suchen bzw. zu finden.

Dem Bundesamt liegen auch keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern im Russische Föderation/Tschetschenien vor.

Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:

Sie vermochten nicht glaubhaft darzulegen, dass Sie im Falle der Rückkehr keine Lebensgrundlage mehr hätten, zumal Ihnen zugemutet werden kann, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland selbst für Ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Bei Ihnen handelt es sich um einen gesunden, arbeitsfähigen, mobilen Mann, der durchaus in der Lage ist (sein müsste), sich selbst zu versorgen. Sie haben vorgebracht, dass Sie in Tschetschenien 14 Jahre lang die Schule besuchten und 5 Jahre studiert haben. Außerdem haben Sie zumindest von 2013 bis 2015 als Schlosser gearbeitet. Auf Grund Ihres Bildungsstandes und Ihrer Arbeitserfahrung ist davon auszugehen, dass Sie auf dem Arbeitsmarkt in der Russischen Föderation ausreichend Möglichkeiten und Jobangebote vorfinden werden.

Zufolge der Ländererkenntnisse ist davon auszugehen, dass Sie in der Russischen Föderation zumindest durch Gelegenheitsarbeiten ein derartiges Fortkommen erreichen können, um Ihre Existenz zu sichern.

Aus den Ländererkenntnissen und den Feststellungen zu Ihren persönlichen Umständen ergibt sich bei Berücksichtigung des verbleibenden Sachverhaltes zudem, dass im Herkunftsstaat keine solchen Verhältnisse herrschen, die dazu führen, dass Sie, wenn Sie sich dort aufhalten, einem realem Risiko unterworfen wären, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein.

Das Bundesamt muss daher zwingend davon ausgehen, dass Sie auf jeden Fall nach Tschetschenien bzw. in die Länder der Russischen Föderation zurückkehren können, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass diese Gebiete ungehindert erreichbar sind. Ihre Niederlassung im, sowie eine Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat ist somit reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung. Sie sind auch soweit gesund und arbeitsfähig, dass Sie sich im Herkunftsstaat eine Existenz sichern können.

Außerdem haben Sie im Falle Ihrer Rückkehr auch die Möglichkeit, sich sowohl an die zahlreich tätigen NGO's zu wenden, um dort jene Unterstützung zu erhalten, die notwendig ist, Ihre Grundbedürfnisse an Unterkunft, Verpflegung, Bildung usw. zu decken. Es ist Ihnen auch zuzumuten, dass Sie sich an diese Einrichtungen wenden, sollten Sie selbst nicht in der Lage sein, sich um Ihre Bedürfnisse selbst zu kümmern.

Ihre kontinentalübergreifenden Reisen in Länder, deren Kultur Sie nicht kannten, zeugen zudem von einer überdurchschnittlichen Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit, welche Ihnen bei einer Rückkehr in den gewohnten Kulturkreis, in dem Sie Ihr bisheriges Leben überwiegend verbrachten, zugutekommt.

Mit den Rückkehrbefürchtungen vermochten Sie dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht gerecht werden.

Ihre diesbezüglichen Befürchtungen stützen sich lediglich auf vage Vermutungen, konkrete Anhaltspunkte oder Hinweise konnten jedoch Ihrem Vorbringen nicht entnommen werden, und vermochten Sie solche auch nicht glaubhaft darzulegen. (...)"

Im Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin wurden darüber hinaus insbesondere die folgenden beweiswürdigenden Erwägungen getroffen:

"(...) Die erkennende Behörde gelangt zur Ansicht, dass Sie lediglich ein für Sie in Tschetschenien vorliegendes Verfolgungsszenario konstruierten, ohne tatsächlich von dem Vorgebrachten persönlich betroffen gewesen zu sein. Weiters, dass Ihr behauptetes/vorgegebenes Vorbringen einzig und allein dem Ziel dient, in Österreich eine Asylgewährung, aber zumindest ein vorläufiges Aufenthaltsrecht quasi zu erzwingen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Ihre Angaben zu den - angeblichen - Fluchtgründen folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsablauf, bleiben jedoch äußerst vage. Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen sollte sich aber gerade dadurch auszeichnen bzw. zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung von auch oft unwesentlichen Details oder Nebenumständen berichten. Die von Ihnen präsentierte "Fluchtgeschichte" ist als zu "blass", zu wenig detailreich, zu wenig emotional und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren.

Vorweg wird angemerkt, dass Sie keine glaubwürdigen Gründe vorbrachten, die auf eine Verfolgung oder Bedrohung im Sinne der GFK hinweisen würden. Die von Ihnen in den Raum gestellten Befragungen durch die Polizei, wobei Sie auch mit Strom gefoltert worden wären, sind schon alleine deshalb nicht glaubhaft, da kein ersichtlicher Grund dafür vorliegt. Hierzu brachten Sie vor, dass, nachdem Ihr Mann Tschetschenien verlassen hätte, die Polizei Sie 2 Mal von zuhause abgeholt hätte und Sie 2 bis 3 Stunden nach Ihrem Mann befragte. Da die Fluchtgeschichte Ihres Mannes für unglaubwürdig befunden wurde, ist es auch nicht glaubhaft, dass Sie von der Polizei in Tschetschenien befragt, geschweige denn mit Strom gefoltert worden wären. Dazu wird auf den Bescheid Ihres Mannes ... verwiesen. (IFA: 1097140308)

Außerdem konnten Sie nicht einmal angeben, wer die Personen gewesen wären, von denen Sie abgeholt worden wären. Sie gaben lediglich an, dass dies uniformierte Beamte gewesen wären aber keine Polizisten. Diese hätten Sie mit verbunden Augen in die Stadt XXXX in ein Zimmer gebracht, wo Sie über Ihren Mann befragt worden wären.

Dass Sie nicht gewusst hätten, wer diese Männer waren, aber dass man Sie nach XXXX gebracht hätte, obwohl man Ihnen die ganze Zeit die Augen verbunden hatte, ist ein weiteres Indiz Ihrer Unglaubwürdigkeit.

Sie wurden in der Einvernahme auch aufgefordert, über diese 2 malige Fahrt bzw. Anhaltung in diesem Zimmer zu erzählen und Ihre Eindrücke dieser Umstände wiederzugeben. Hierzu wird jedoch festgehalten, dass Sie darüber kaum etwas sagen konnten.

Wären Sie tatsächlich von Beamten mitgenommen worden, kann erstens nicht nachvollzogen werden, warum Ihnen diese die Augen hätten verbinden sollen und zweitens, dass jemand der sich tatsächlich in einer derartigen Situation befunden hat, sehr ausführlich darüber erzählen könnte.

Zu Ihren Rückkehrbefürchtungen befragt, gaben Sie an, dass Sie immer wieder von diesen Leuten geholt werden würden, um von denen befragt zu werden.

Sie gaben weiters an, dass Sie mit Ihrem Mann überall in Russland leben dürfen aber die Probleme würden sie dort weiter haben.

Da Sie vorbrachten, dass Sie und Ihr Mann angeblich in ganz Russland Probleme haben würden bzw. Sie und Ihr Mann in ganz Russland gefunden werden würden, wurden Sie gefragt, ob Ihr Mann in Tschetschenien etwas verbrochen oder gegen das Gesetz verstoßen hätte.

Darauf antworteten Sie, dass, solange Sie Ihren Mann kennen, er nie gegen das Gesetz verstoßen hätte.

Wenn sich Ihr Mann in Tschetschenien nie etwas hat zu Schulden kommen lassen, dann kann es nicht sein, dass Sie in der ganzen Russischen Föderation Probleme bekommen würden.

Hierzu wird angemerkt, dass selbst bei Wahrunterstellung Ihres Vorbringens - dass Sie mit der Polizei in Tschetschenien Probleme gehabt hätten - dieses keine Dimension erreicht, sodass von einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der GFK auszugehen wäre. In diesem Falle, wäre diese von Ihnen behauptete "Bedrohung" durch die Polizei eine sehr lokal begrenzte Schikane, die nicht dergestalt ist, dass dem Asylrelevanz beigemessen werden könnte. In einem derartigen Falle würde Ihnen in ganz Russland eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen.

In Zusammenschau der hervorgekommenen Umstände ergeben sich keine glaubwürdigen Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen würden, dass Ihre Ausreisegründe aus der Russischen Föderation/Tschetschenien auf Probleme mit der Polizei zurückzuführen sind.

Die erkennende Behörde kommt daher klar und zweifelsfrei zum Schluss, dass bei Gesamtbetrachtung die von Ihnen ins Treffen geführten Faktoren nicht ausreichen, um von einer tatsächlichen, ernsthaften Verfolgung oder Bedrohung auszugehen.

Zusammenfassend war bezüglich Ihres Vorbringens somit zu befinden, dass diesem keine besonderen Umstände entnommen werden konnten, aus denen - glaubhaft - hervorgeht, dass Sie im Falle einer Rückkehr unmittelbaren und/oder mittelbaren staatlichen Verfolgungen oder Verfolgung durch Dritte im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sind. (...)"

Die beschwerdeführenden Parteien seien illegal eingereist, hielten sich erst seit einem vergleichsweise kurzen Zeitraum im Bundesgebiet auf und würden hier über kein schützenswertes Familienleben verfügen. Die beschwerdeführenden Parteien würden ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus staatlicher Unterstützung finanzieren und keine Deutschkenntnisse aufweisen. Eine Rückkehrentscheidung erweise sich demnach als zulässig.

3. Mit am 04.07.2018 eingelangtem und für beide beschwerdeführenden Parteien gleichlautendem Schriftsatz wurde - unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses - fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht insofern verletzt, als sie nicht durch konkrete Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente darauf hingewirkt hätte, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben getätigt oder vervollständigt würden. Die Behörde habe stattdessen eine vollinhaltlich abweisende Entscheidung erlassen, ohne die beschwerdeführenden Parteien zu den entscheidungsrelevanten Umständen konkret zu befragen oder ihnen vermeintliche Widersprüche vorzuhalten und dadurch Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie bzw. tragende Grundsätze des Unionsrechts verletzt (Verweis auf EuGH 22.11.2012, C 277/111; sowie vom 18.12.2008, C349/07). Nach der zitierten EuGH-Rechtsprechung hätte die belangte Behörde darauf hinarbeiten müssen, dass die beschwerdeführenden Parteien lückenlose Angaben zu allen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit relevanten Sachverhaltselementen machen. Die Behörde habe es konkret unterlassen, den Erstbeschwerdeführer dahingehend zu befragen, welcher Organisation oder Miliz sich die Personen angeschlossen hätten, welche seinen Angaben zufolge "in den Wald" gegangen wären bzw. was "in den Wald gehen" in diesem Zusammenhang bedeute. Der Erstbeschwerdeführer hätte hierzu zusätzlich angeben können, dass die Personen sich der Gruppierung Kaukasus-Emirat und damit dem islamistischen Untergrundkampf angeschlossen hätten. Zusätzlich hätte die Behörde den Erstbeschwerdeführer näher zu den Hintergründen seines Ausschlusses von der Universität befragen müssen. Weiters habe es die Behörde unterlassen, den Erstbeschwerdeführer im Detail zu konkreten zeitlichen Abläufen der fluchtauslösenden Vorfälle zu befragen. Hierbei hätte der Genannte angeben können, dass er am selben Tag im Jahr 2010, als die vier Personen aus seinem Umfeld sich dem Kaukasus-Emirat angeschlossen hätten, in Polizeigewahrsam genommen worden wäre. Während der folgenden viertägigen Haft habe die Polizei ihn aufgefordert, für sie zu arbeiten und Personen aus seinem Umfeld für das Kaukasus-Emirat zu "rekrutieren" sowie diese in der Folge den Behörden zu melden, damit diese die Personen dann umbringen hätten können. Als die Polizei sich nach zehn Monaten wieder bei ihm gemeldet hätte und der Erstbeschwerdeführer keine Ergebnisse habe liefern können, habe die Polizei ihm noch zwei zusätzliche Monate eingeräumt. Da der Erstbeschwerdeführer jedoch keine Personen rekrutieren hätte wollen und Angst vor der folgenden Verfolgung durch die Polizei gehabt hätte, sei er im Jahr 2011 erstmals aus Tschetschenien geflüchtet und habe sich in der Folge zwei Jahre lang außerhalb Tschetscheniens, jedoch innerhalb der Russischen Föderation, aufgehalten. Als ein bei der Polizei tätiger Freund seines Onkels ihm nach diesem Zeitraum versichert hätte, dass er ohne Probleme nach Tschetschenien zurückkommen könne, sei der Erstbeschwerdeführer nach Tschetschenien zurückgekehrt. Nach sechs Monaten sei die Polizei jedoch abermals an ihn herangetreten und habe ihn wie im Jahr 2010 aufgefordert, Personen für die Gruppierung Kaukasus-Emirat zu rekrutieren, wofür sie ihm wiederum zehn Monate Zeit gewährt hätten. Dabei hätten sie ihm gedroht: "Falls du keine Ergebnisse zeigst, werden wir an dir Ergebnisse zeigen." Als die Polizei den Erstbeschwerdeführer gegen Ende der Frist wiederum kontaktiert hätte, habe dieser sich zur Flucht aus der Russischen Föderation entschlossen. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig, zumal diese zwar allgemeine Aussagen über Tschetschenien beinhalten, sich jedoch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien befassen würden. Die Polizei habe es zur Gänze unterlassen, sich mit der Lage von Personen auseinanderzusetzen, welchen eine Nähe zur Gruppierung des Kaukasus-Emirats vorgeworfen werde bzw. die von der Polizei aufgefordert worden wären, Menschen zu rekrutieren, um sie dann an die Polizei zu verraten. In diesem Zusammenhang wurde auf näher angeführtes Berichtsmaterial zum Vorgehen der tschetschenischen Behörden gegenüber religiös Andersdenkenden verwiesen. Hätte die Behörde diese Berichte herangezogen, so hätte sie zur Feststellung gelangen müssen, dass den beschwerdeführenden Parteien aufgrund ihrer, wenn auch nur unterstellten, Nähe zu Kämpfern des islamistischen Untergrundes bzw. der Gruppierung Kaukasus-Emirat Verfolgung drohe. Die beschwerdeführenden Parteien hätten ihr Vorbringen entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl detailliert und lebensnah gestaltet und über die ihnen in Tschetschenien drohende Verfolgung frei und schlüssig gesprochen. Wenn die Behörde von einer anscheinenden Emotionslosigkeit beim Erstbeschwerdeführer spreche, so ginge sie von westeuropäischen Verhaltensmustern aus. Zudem sei die Heranziehung des Gefühlsausdrucks zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit aus psychologischer Sicht nicht indiziert. Soweit die Behörde die Unglaubwürdigkeit zudem auf vermeintliche Widersprüche innerhalb der Angaben des Erstbeschwerdeführers stütze, so hätten sich diese bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen leicht aufklären lassen. Da der Erstbeschwerdeführer angeführt hätte, dass die Freunde, welche im Jahr 2010 in den Wald gegangen wären, bereits im Jahr 2012 getötet worden wäre, sei evident, dass es sich bei jenen Personen, welche die Polizei im Jahr 2014 ausgeliefert haben bekommen wollte, um andere Freunde gehandelt hätte. Die Zweitbeschwerdeführerin habe sehr eindrücklich und unter der Angabe von Details berichtet, wie sie von der Polizei abgeholt und misshandelt worden wäre. Darüber hinaus begnüge sich die Behörde mit dem pauschalen Verweis auf die vermeintliche Unglaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers, aus welcher die Behörde schließe, dass auch das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin nicht den Tatsachen entsprechen könne. Hätte die belangte Behörde die Zweitbeschwerdeführerin ihren Ermittlungspflichten entsprechend befragt, hätte diese bereits in ihrer Einvernahme angeben können, dass die lokale Polizeistation in XXXX liege und sie daher gewusst hätte, wohin sie gebracht worden wäre. Schließlich widerspreche es Denkgesetzen, vom Passieren "sicherer Drittstaaten" auf die Unglaubwürdigkeit eines Fluchtvorbringens zu schließen. Hätte die belangte Behörde die Feststellungen auf Basis einer mängelfreien Beweiswürdigung getroffen, so hätte sie feststellen müssen, dass der von den beschwerdeführenden Parteien geschilderte Sachverhalt glaubhaft gemacht werden konnte und darauf aufbauend feststellen müssen, dass den beschwerdeführenden Parteien in Tschetschenien staatliche Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von Personen, welchen eine Nähe zum islamistischen Untergrund unterstellt werde bzw. die sich weigern, der Polizei Menschen aus ihrem nahen Umfeld als Islamisten zu verraten, drohe. Aus den zitierten Länderberichten sei zweifelsfrei ersichtlich, dass staatliche Verfolgung durch die Polizei in Fällen wie in jenen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin existiere. Im Falle der Zweitbeschwerdeführerin hätte die Behörde zudem feststellen müssen, dass dieser asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie drohe. Soweit die Behörde die beschwerdeführenden Parteien auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative verweise, wäre sie ihrer diesbezüglichen Begründungspflicht nicht nachgekommen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde für die beschwerdeführenden Parteien nicht, da sich die Situation für Tschetschenen außerhalb der Republik Tschetschenien als prekär erweise und die beschwerdeführenden Parteien andererseits auch dort nicht vor Verfolgung sicher wären. Selbst wenn man zum Schluss komme, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien keinem asylrelevanten Tatbestand entspreche, so wäre diesen jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass diesen in Tschetschenien wiederum Inhaftierung und Folter bis hin zur Tötung drohe. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung gemäß § 9 BFA-VG bestünde in großen Teilen aus Stehsätzen, welche besagen würden, dass ein schützenswertes Familien- und Privatleben der beschwerdeführenden Parteien in Österreich nicht existiere. Die belangte Behörde vermöge dies jedoch nicht im Detail zu begründen und erweise sich die Erlassung der Rückkehrentscheidung damit als rechtswidrig. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlagen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 10.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsakts der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, welche der tschetschenischen Volksgruppe angehören, sich zum moslemischen Glauben bekennen und die im Spruch ersichtlichen Personalien führen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und haben zuletzt in XXXX gemeinsam mit der Mutter und einer Schwester des Erstbeschwerdeführers gelebt. Darüber hinaus leben noch die Eltern und Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin sowie Tanten und Onkeln des Erstbeschwerdeführers in der Teilrepublik Tschetschenien. Sowohl der Erstbeschwerdeführer, als auch die Zweitbeschwerdeführerin, verfügen über Schulbildung, der Erstbeschwerdeführer verfügt zudem über langjährige Berufserfahrung und eine Ausbildung als Eisenbahnmechaniker. Beiden war es im Vorfeld ihrer Ausreise stets problemlos möglich, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Der Erstbeschwerdeführer stellte infolge illegaler Einreise am 30.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend im Bundesgebiet auf. Die Zweitbeschwerdeführerin gelangte ebenfalls illegal ins Bundesgebiet, stellte am 14.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführenden Parteien in Tschetschenien respektive der Russischen Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wären. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung der beschwerdeführenden Parteien in der Russischen Föderation festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschetschenien respektive in die Russische Föderation in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären. Die beschwerdeführenden Parteien liefen dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die beschwerdeführenden Parteien sind jeweils gesund und bedürfen keiner medikamentösen Behandlung.

Die unbescholtenen beschwerdeführenden Parteien verfügen in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Sie führen ein Familienleben untereinander, haben darüber hinaus jedoch keine familiären Bindungen oder andere enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Die beschwerdeführenden Parteien sind im Bundesgebiet nicht selbsterhaltungsfähig und bestreiten ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer verrichtet überdies Reinigungsarbeiten im Ausmaß von 24 Wochenstunden, wofür er ein Entgelt in der Höhe von 110 EUR monatlich bezieht. Die beschwerdeführenden Parteien besuchten zudem einen Deutschkurs, haben jedoch keinen Nachweis über bereits vorhandene Deutschkenntnisse vorgelegt und im Verfahren auch darüber hinaus keine Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur oder Integrationsbemühungen ins Treffen geführt. Sie sind in keinen Vereinen Mitglied und gehen keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Eine die beschwerdeführenden Parteien betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde jeweils keinen ungerechtfertigten Eingriff in deren gemäß Art. 8 EMRK geschützte Rechte auf Privat- und Familienleben darstellen.

1.3. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zu Grundversorgung und Wirtschaft sowie zur Lage von Rückkehrern wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrecht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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