TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/13 G314 2215830-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.03.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs5

Spruch

G314 2215830-1/2E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, nordmazedonischer Staatsangehöriger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX, diese vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der im 16. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer (BF) kam in Österreich zur Welt und hält sich seit seiner Geburt hier auf. Sein Herkunftsland kennt er nur von Besuchen. Er lebte bislang überwiegend in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern, die in Österreich erwerbstätig sind und für seinen Lebensunterhalt aufkommen, und seinen beiden Brüdern in Wien und besuchte (zumindest bis November 2018) immer wieder die Schule. Er verfügt - wie seine Eltern - über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" und ist aufgrund der Mitversicherung mit seinen Eltern krankenversichert. Er besitzt einen am 07.08.2018 ausgestellten und bis 06.08.2023 gültigen nordmazedonischen Reisepass.

Der BF wurde am XXXX.2018 vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu XXXX wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 2, 15 StGB iVm § 5 Z 4 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die Bewährungshilfe angeordnet. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er in der Nacht von XXXX. auf XXXX.2018 gemeinsam mit XXXX Mittätern in XXXX Angriffen Postboxen und Paketkästen teilweise mit einer XXXX aufbrach, teilweise mit widerrechtlich erlangten XXXX öffnete und so Gegenstände (Lebensmittel, Kosmetika, Bekleidung, Schmuck bzw. Orden) im Wert von über EUR XXXX stahl, wobei es einmal beim Versuch blieb, weil das erbeutete Kinder-T-Shirt für die Tätergruppe ohne Nutzen war.

Am XXXX.2018 wurde gegen den BF mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX zu XXXX wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB iVm § 5 Abs 4 JGG eine XXXX-monatige Zusatzstrafe iSd §§ 31, 40 StGB zu dieser Verurteilung verhängt, wobei ein XXXXmonatiger Strafteil für eine XXXXjährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.2018 während eines laufenden Strafverfahrens gemeinsam mit einem Mittäter einem anderen unter Verwendung einer XXXX Bargeld von insgesamt EUR 40 abnötigte und sein Opfer anschließend durch gefährliche Drohung zur Unterlassung einer Anzeigenerstattung zu nötigen versuchte. Dem BF wurden vom Gericht die Weisungen erteilt, eine Psychotherapie zu absolvieren und regelmäßig die Schule zu besuchen. Den unbedingten Strafteil verbüßte er bis XXXX.2018 in der Justizanstalt XXXX.

Der BF besuchte von XXXX. bis XXXX.2018 die Schule in Wien, blieb aber dem Unterricht schon ab XXXX.2018 unentschuldigt fern. Einvernahmetermine vor dem BFA am XXXX.2019 und am XXXX.2019 nahm er nicht wahr, weil er von zu Hause weglief und abgängig war.

Aktuell ist gegen den BF ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) anhängig, weil er am XXXX.2018 einen anderen durch Schläge und Tritte verletzt haben soll. Er gab dies zu, verteidigte sich jedoch damit, dass das Opfer zuerst auf ihn losgegangen sei.

In Nordmazedonien gibt es Erziehungs- und Strafvollzugseinrichtungen für minderjährige Straftäter. Wenn die betroffene Person keine nahen Verwandten in Nordmazedonien hat, wird vom Zentrum für Soziale Arbeit des Sozialministeriums ein Vormund ernannt.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs 5 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach (Nord-)Mazedonien festgestellt (Spruchpunkt II.), ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit den (in der Bescheidbegründung näher beschriebenen) Straftaten des BF begründet. Seine sofortige Ausreise sei erforderlich, weil sein Verbleib in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle.

Gegen sämtliche Spruchpunkte dieses Bescheids richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung zur Einvernahme des BF, seiner Eltern und seines Bewährungshelfers durchzuführen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu, die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung, der Abschiebung des BF und des Einreiseverbots festzustellen und der Beschwerde wegen drohender Verletzung von Art 8 EMRK die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 12.03.2019 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten sei.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Hier ist zwar aufgrund der wiederholten Straffälligkeit des BF, der sich von gegen ihn geführten Strafverfahren und strafgerichtlichen Sanktionen bislang völlig unbeeindruckt zeigte und auch die gerichtliche Weisung, regelmäßig die Schule zu besuchen, missachtete, davon auszugehen, dass sein Aufenthalt in Österreich eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Er beging mehrmals Vermögens- und Aggressionsdelikte, sodass bereits eine (teilweise) unbedingte Freiheitsstrafe gegen ihn erlassen werden musste, obwohl er erst seit kurzem strafmündig ist.

Im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung ergibt sich aber, dass mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung die Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden ist, zumal der BF sein ganzes Leben im Inland verbracht hat und eine Trennung von seinen (daueraufenthaltsberechtigten und im Inland erwerbstätigen) Eltern und gesetzlichen Vertretern während des Beschwerdeverfahrens nicht verhältnismäßig ist. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass das BFA zwar Erhebungen zur allgemeinen Versorgung von Minderjährigen in Nordmazedonien getätigt, sich aber entgegen § 46 Abs 3 FPG nicht konkret vergewissert hat, dass er bei einer Abschiebung nach Nordmazedonien dort einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden kann.

Minderjährige stehen - auch wenn sie (wie der BF) straffällig wurden - unter dem besonderen Schutz der Gesetze (vgl § 21 ABGB). Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher wegen der nach dem derzeitigen Verfahrensstand anzunehmenden realen Gefahr einer mit der Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat verbundenen Verletzung von Art 8 EMRK ersatzlos aufzuheben, zumal die sofortige Abschiebung des BF auch angesichts des anhängigen Strafverfahrens kontraproduktiv wäre.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentliche bzw. außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision gilt Anwaltspflicht.

Zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist berechtigt, wer sich durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt erachtet. Eine Revision ist zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.

Eine Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Eine Revision ist beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabengebühr von €

240,-- zu entrichten.

Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sind nicht mehr zulässig, wenn nach Verkündung oder Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses ausdrücklich darauf verzichtet wurde. Der Verzicht auf die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist bis zur Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Bundesverwaltungsgericht, nach Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Verfassungsgerichtshof schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Der Verzicht auf die Revision ist dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Wurde der Verzicht nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben, so kann er binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2215830.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten