TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/18 W196 2212765-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z6

Spruch

W196 2212765-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018, Zl. 66336801-180140346, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 24.05.2003 gemeinsam mit seiner Kernfamilie in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte - vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Mutter des Beschwerdeführers gab hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Wesentlichen an, dass dieser keine eigenen Fluchtgründe habe und sich daher sein Antrag auf den seines Vaters erstrecke.

Mit Bescheid vom 30.09.2003 GZ. 03 14.981 wurde dem Asylerstreckungsantrag stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 durch Erstreckung in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer schloss die Pflichtschule ab und nach Abbruch einer Lehre lebte er von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Am 06.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Konventionsreisepass, Nr. XXXX , mit einer Gültigkeit bis 05.06.2022 ausgestellt.

2. Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX 007 vom 19.09.2016, rechtskräftig am 23.09.2016, Geschäftszahl XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 127, 128 (1) Z 5,129 (1) Z 2, 129 (2) Z 1,130 (2) StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. (Jugendstraftat)

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX XXXX vom 30.03.2017, rechtskräftig am 04.04.2017, Geschäftszahl XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 15, 127, STGB verurteilt.

Am 12.04.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Wien eine Verständigung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , Zl. XXXX , ein, im Rahmen derer die Behörde über die Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 278b (2) (§278 Abs. 3 zweiter und dritter Fall StGB, 278a (§278a Abs. 3 zweiter und dritter Fall StGB §§146, 147 (2) StGB §278d (1a) Z 2 StGB verständig wurde.

Mit Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2018, Zl. 66336801/180140346, wurde der Beschwerdeführer informiert, dass ein Verfahren zur Aberkennung und zum Entzug des Konventionsreisepasses eingeleitet worden sei. Zudem wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt innerhalb von zwei Wochen zu dezidierten Fragen hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens sowie zu den ihm in der Beilage übermittelten Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation vom 19.03.2018 eine Stellungnahme abzugeben, wobei am 22.05.2018 ein diesbezügliches Schreiben des Beschwerdeführers beim Bundesamt einlangte.

Am 01.10.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache einvernommen. Anfangs gab er an Antidepressiva zu nehmen, wobei er den Namen des Medikamentes nicht kenne. Sein Psychiater habe ihm diese verschrieben. Weiters gab er an, dass ihm der Inhalt seiner Stellungnahme vom 22.05.2018 bekannt sei und er nichts ergänzen wolle. Im Jahr 2003 sei er zuletzt in seinem Herkunftsland gewesen. In Österreich würden seine Eltern, seine beiden Schwestern, sein Bruder sowie ein Onkel und eine Tante väterlicherseits leben. Im Herkunftsland, in Gudermus, lebe seine Großmutter in deren alten Haus. Das Haus gehöre der Großmutter, die dort alleine wohne. Hierbei führte er auf Nachfrage an, dass es seiner Großmutter gut gehe. Sie wäre schon zweimal nach Österreich gekommen. Sie wäre nach Österreich wegen gesundheitlicher Probleme nach Österreich eingereist und habe sich in Österreich wegen ihrer Zuckerkrankheit behandeln lassen. Sie habe damals auch einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sei aber freiwillig wieder zurückgekehrt. Es bestehe telefonischer Kontakt zur Großmutter. Darüber hinaus verfüge er über Cousins und Cousinen in Tschetschenien. Zu diesen bestehe kein Kontakt und kenne er sie nicht, da er seit 2003 in Österreich aufhälig sei. In Tschetschenien habe er die Grundschule besucht, wo er auch Russisch gelernt habe. Seine Muttersprache sei Tschetschenisch und würden sie auch zu Hause Tschetschenisch sprechen. Zu seiner familiären Situation in Österreich brachte er vor, dass seine Eltern geschieden wären. Seine Mutter, seine Schwestern und sein Bruder würden zusammen in einer Wohnung leben, wo auch der Beschwerdeführer gelegentlich Unterkunft genommen habe. Er habe sich dort nicht gemeldet, da er auch eine eigne Wohnung habe wollen. Zudem sei er nicht immer dort. Er schlafe auch oft bei Freunden, die alle Tschetschenen seien. Er habe auch andersgläubige Freunde, die Mazedonier und Rumänen wären. In Österreich habe er vier Jahre lang die Volks- und folglich die Hauptschule besucht. Er trainiere im Fitnessstudio, spiele Fußball und verbringe mit seinen Freunden die Freizeit. Im Jahr 2015 sei er einige Zeit bei einem Judoverein gewesen. Befragt, was dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr drohe, gab er an, dass ihm in Tschetschenien nichts drohe. Sein Vater habe dort zwar Probleme, aber er nicht. Er wisse aber, dass er dort nicht leben könne. Das sei nichts für ihn. Sollte er abgeschoben werden, werde er auch sicherlich wieder zurückkehren. Er könne nicht in Tschetschenien leben. Der Einvernahmeleiter gab gegenüber dem Beschwerdeführer an, dass seinen Eltern ebenso wie seinen minderjährigen Geschwistern der Asylstatus bereits rechtskräftig aberkannt worden sei, da sie sich unter den Schutz des Herkunftsstaates gestellt hätten (Reisepassausstellung). Aufgrund des Wegfalls des Schutzstatus seiner Ankerperson sei auch in seinem Fall davon auszugehen, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten weggefallen seien, sodass ihm der Status nunmehr anzuerkennen sei. Dazu erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht wisse, weshalb seine Eltern sich einen Reisepass hätten ausstellen lassen. Über Nachfrage, gab er an, dass sie, seine Eltern, 2016 in Tschetschenien gewesen seien, da seine Oma krank gewesen wäre. Deshalb hätten sie Dokumente benötigt. Die Probleme seines Vaters würden sich nur auf Tschetschenien beschränken. Er verstehe, weshalb nunmehr auch gegen ihn ein Aberkennungsverfahren geführt werde. Zu Urteil zu der Zahl:

XXXX befragt, gab er an, dass er einen Freund habe unterstützen wollen. Er habe nie beabsichtigt, eine terroristische Organisation zu unterstützen. Er habe damals nicht einmal im Kopf gehabt, dass die Richter meinen könnten, dass er eine Terrororganisation unterstütze. Das sei alles um sonst. Auch wenn er in das Gefängnis gehe, werde er umsonst dort sitzen. Er habe sowieso nie etwas mit Terrorismus zu tun. Das es verboten sei, dass er zum AMS gegangen sei, wisse er aber. "Stress umsonst". Weiters wurde der Beschwerdeführer näher zu einigen im Akt näher genannten Personen befragt. Zudem gab er zum Themenkomplex Religion zusammengefasst an, dass er in die XXXX -Moschee, nunmehr XXXX -Moschee als Nahfolgemoschee zum Freitagsgebet gehe. Er gehe immer schon dorthin. Manchmal gehe er in die bosnische Moschee am XXXX . Er selbst würde sich nicht als religiösen Menschen bezeichnen. Ein religiöser Mensch würde fünf Mal in der Woche in die Moschee gehen und öfters beten. Er bete derzeit überhaupt nicht. Wenn er das sage, schäme er sich für sich selbst, da es seine Pflicht wäre zu beten, dies aber nicht tue. Über Vorhalt, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer genannten Moscheen um solche handle, in denen die Lehre des Salafismus verfolgt werde, gab er an, dass mit ihm dort über solche Sachen nicht geredet werde. Er gehe zum Beten hin. Er bleibe dort und rede mit niemanden über solche Sachen. Auch im Freitagsgebet sei nie über Syrien gesprochen worden. Über Nachfrage, wie der Beschwerdeführer dazu stehe, dass einer seiner im Akt genannten Freunde nach Syrien gegangen sei, gab er an, dass das nicht richtig sei. Warum sollte er [gemeint: sein Freund] nach Syrien gehen, um zu sterben. Das sei nicht deren Krieg. Sie wären selbst vor dem Krieg geflohen. Über Nachfrage, was der Beschwerdeführer damit meine "das ist nicht unser Krieg", gab er an, dass er damit gemeint habe, weshalb Tschetschenen dort sterben sollten? Das habe ihn nie interessiert und werde ihn auch nie interessieren. Jetzt müsse er sich wegen dem Gericht damit auseinandersetzen. "Alles Stress umsonst." Über Vorhalt zu seinen beiden rechtskräftigen Verurteilungen, gab er an, dass er nicht wisse, weshalb er das getan habe. Damals hätten sie Drogen genommen. Er habe im Gefängnis damit aufgehört, eine Therapie habe er nicht gemacht. Im Hinblick auf seine verwirklichten Vermögensdelikte und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer derzeit einkommenslos sei, gab er auf die Frage, weshalb die Behörde davon ausgehen könne, dass er sich in Hinkunft wohlverhalten werde, an, dass er seitdem er aus dem Gefängnis gekommen sei, nichts mehr gemacht habe. Und wisse er, dass er nichts mehr machen werde.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX Abteilung 10 vom 09.10.2018 Geschäftszahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Begehung des Verbrechens der terroristischen Vereinigung gemäß § 278b Abs. 2 ( § 278 Abs. 3 zweiter und dritter Fall) StGB der Begehung des Verbrechens der kriminellen Organisation gemäß § 278a ( § 278 Abs. 3 zweiter und dritter Fall) StGB, des Vergehens des schweren Betrugs gem. §§ 146,147Abs 2 StGB in Form der Beitragstäterschaft und das Verbrechen der Terrorismusfinanzierung nach 278d Abs. 1a Z2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.09.2003, Zl. 0314.981-BAE, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 und 9 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamt zusammengefasst aus, dass vor dem Hintergrund der beiden Verurteilungen des Beschwerdeführers der Aberkennungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 1 und 4 AsylG 2005 vorliege. Zu den diesbezüglichen Gründen wurde auf die strafrechtlichen Verurteilungen Bezug genommen und im Hinblick auf die Verurteilung des Oberlandesgerichtes XXXX vom 09.10.2018, GZ XXXX darauf hingewiesen, dass erschwerend hinzukomme, dass neben dem Zusammentreffen von vier Verbrechenmit einem Vergehen, die besondere Verwerflichkeit der Beweggründe im Hinblick auf die Ausrichtung der vom Beschwerdeführer unterstützen Terrororganisation zur Last gelegt worden sei. Dabei wäre der bis zur Tatbegehung ordentliche Lebenswandel, das teilweise zur Wahrheitsfindung dienliche Geständnis als mildernd bewertet worden. Entgegen des Erstgerichtes wäre keine tatrelevante Verstandesschwäche erkannt worden. Zudem habe das Rechtsmittelgericht erkannt, dass es dem Beschwerdeführer an ernsthaften Bemühungen bei der Such nach einer legalen Erwerbstätigkeit fehle, sodass ihm ein unverändert starker Hang zur Ausnützung des österreichischen Sozialsystems und die Gefahr des abermaligen Rückfalls hinsichtlich seiner Vermögensdelinquenz zu attestieren sei. Der Beschwerdeführer habe bis Sommer 2014 die radikal-salafistische XXXX -Moschee in XXXX und anschließend die ebenso radikal-salafistische Nachfolgemoschee XXXX besucht. Eine größere Anzahl, insbesondere jüngere Männer habe sich aus der tschetschenischen Diaspora nach Syrien oder den Irak begeben, um die dortige Terrororganisation "Islamischer Staat" bzw. XXXX zu unterstützen, unter anderem auch XXXX , dessen Ausreise nach Syrien der Beschwerdeführer, im Wissen und in der Absicht, sich dadurch selbst als Mitglied an dieser terroristischen Vereinigung zu beteiligen, unterstützt habe. Zudem habe er sich zwischen Jänner und April 2016 in betrügerischer Weise Leistungen der XXXX Gebietskrankenkasse und des AMS XXXX -West und Umgebung erschlichen, um diese Vermögenswerte in weiterer Folge der Terrororganisation "Islamischer Staat" angehörenden Mitglieder, bereitzustellen. Dieses Verhalten liege auch der angeführten rechtskräftigen Verurteilung ua. wegen §§ 278a und 278b StGB vom 16.05.2018 zu Grunde. Zudem sei aufgrund seiner rechtskräftigen Verurteilungen wegen Vermögensdelikten, aber auch im Lichte seines fehlenden Willens sich seinen Unterhalt durch regelmäßige und legal Erwerbstätigkeit zu verdienen, eine besondere verwerfliche Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, fremden Vermögens und auch der österreichischen Gesellschaft dokumentiert. Im Lichte dieser destruktiven Grundhaltung und seiner wirtschaftlichen Lage sie auch nach seiner Haftentlassung mit einer maßgeblichen Gefahr des Rückfalles und weiterer einschlägiger Vermögensdelinquenzen zu rechnen. Zudem sei davon auszugehen, dass im Fall einer durchschnittlichen einsichtigen Person, der Entscheidung, die Verbrechen exorbitanten Ausmaßes der Terrororganisation "Islamischer Staat" zu unterstützen, jedenfalls auf eine fundamentale und nur schwer umkehrbare Gewissensentscheidung und eine völlig fehlgeschlagene Sozialisierung und Integration in der europäischen Wertekultur zu Grunde liege. Zudem verwies die belangte Behörde auf die im gegenständlichen Verfahren signifikanten Widersprüche zwischen seinen Angaben in der Einvernahme am 01.10.2018 und der schriftlichen Stellungnahme vom 22.05.2018 betreffend die familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und eine befürchtete Rückkehrgefährdung. Der besonders destruktive Charakter des Beschwerdeführers bzw. der Umstand, dass der Beschwerdeführer schlichtweg nicht willens oder in der Lage sei die österreichische Rechtsordnung zu akzeptieren und die Behörden zu respektieren, ergebe sich aufgrund seiner klaren Ankündigung seine allfällige Außerlandesbringung nicht zu akzeptieren. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers stelle aus gewichtigen Gründen eine schwerwiegende und nachhaltige Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Von einer positiven Zukunftsprognose, in Form eines nachhaltigen Gesinnungswandels, könne daher nach dem derzeitigen Beobachtungszeitraum keinesfalls ausgegangen werden. Zudem widerspreche die innere Einstellung des Beschwerdeführers einer nachhaltigen und ernsthaften Integration im österreichischen Bundesgebiet. So habe der Beschwerdeführer durch seine nachgewiesene Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung, wie seine einschlägige rechtskräftige Verurteilung aufzeige, einen nachträglichen Asylausschlussgrund gesetzt. Zudem ergebe sich aus der mittlerweile erreichten Volljährigkeit des Beschwerdeführers, seinen Lebensumständen in Österreich und der rechtskräftigen Aberkennung des Asylstatus bei seinem Vater (Ankerperson), dass eine Notwendigkeit zur Zuerkennung des Asylstatus iSd Kriterien des § 9 BFA-VG, nicht mehr vorliegen würden. Der Beschwerdeführer sei niemals persönlich einer Verfolgung unterlegen oder werde im Falle der Rückkehr nicht der Gefahr einer Todesstrafe, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw. als Zivilperson in einen innerstaatlichen Konflikt in Mitleidenschaft gezogen. Die Lage sei sowohl in Tschetschenien, in seinem Herkunftsgebiet, als auch im gesamten Gebiet der Russischen Föderation soweit befriedet als aktuell die Sicherheitslage nicht mehr als fragil zu bezeichnen sei und dem Beschwerdeführer auch die Möglichkeit offenstehe, sich in jedem anderen Landesteil niederzulassen. Dies hätten auch seine Eltern insofern zum Ausdruck gebracht, als dass sie sich wieder freiwillig unter den Schutz ihres Herkunftsstaates stellten und damit einen Asylaberkennungsgrund verwirklicht hätten. Zur Situation im Falle einer Rückkehr folgerte die belangte Behörde, dass nicht festgestellt werden habe können, dass eine Verfolgung in der Russischen Föderation in irgendeiner Art drohen bzw. dem Beschwerdeführer seine Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Als Staatsbürger der Russischen Föderation mit tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, welcher sich dem moslemischen Glauben zugehörig fühle, gehöre der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation einer Bevölkerungsgruppe an, bei der er im Grunde hinsichtlich der ethnischen Herkunft und religiösen Orientierung eine Gefährdung nicht gegeben sei und wurde in diesem Zusammenhang auf die Länderfeststellungen verwiesen. Zudem sei die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich unter anderem wegen § 278b StGB weder öffentlich bekannt noch habe konkret festgestellt werden können, dass er als Person in irgendeiner Form öffentlich mit Terrorismus in Verbindung gebracht worden wäre oder gebracht werde. Es könne nicht festgestellt werden, dass er aufgrund seiner Verurteilung in Österreich automatisch einer Überwachung der Behörden der Russischen Föderation unterliegen würde. Auch habe der Beschwerdeführer entgegen der Stellungnahme vom 22.05.2018 in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 01.10.218 selbst vorgebracht, dass ihm in Tschetschenien nichts drohe, aber eine Außerlandesbringung nicht akzeptieren werde. Der Beschwerdeführer spreche Russisch und Tschetschenisch und sei auch nach seiner Ausreise weiterhin innerhalb der tschetschenischen Kernfamilie sozialisiert. Zudem verfüge er, wie er selbst angegeben habe, über familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat. Aufgrund seines Gesundheitszustandes, seines Alters, der Vertrautheit mit Sprache, Kultur bzw. seinem Schulbesuch im Herkunftsland sei dem Beschwerdeführer eine Teilnahme am Erwerbsleben uneingeschränkt möglich.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei brachte er vor, seit seinem 9. Lebensjahr in Österreich zu sein und in der Russischen Föderation keine familiären Bindungen zu haben. Mit Beschwerdeergänzung, eingelangt am 14.01.2019, wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahem vom 22.05.2018 Angaben zu seinem Privatleben getätigt habe und ihm keine jihadistisch-salafistische Gewalttheologie anzuhängen sei. Dies sei auch durch den Verein XXXX mit Eingabe vom 05.07.2018 bekräftigt worden. Daran vermöge auch eine unbedingte Freiheitsstrafe nichts zu ändern. Zudem komme den inhaltlichen Ausführungen der strafgerichtlichen Urteile keine Bindungswirkung zu, sondern sei es Aufgabe der Fremdenbehörden eine eigenständige Wertung des zur Verurteilung geführten Verhaltens in fremdenrechtlicher Hinsicht vorzunehmen. Die Behörde habe die Gesamtbeurteilung des individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers verabsäumt. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2011 bis 2013 achtbare sportliche Erfolge erzielt habe und sei er letztlich durch "falsche Freunde" ins Drogenmilieu abgerutscht. Zudem handle es sich bei XXXX um einen Jugendfreund und hätten sich deren Lebensweg abseits des Sports in äußerst gegensätzliche Richtungen entwickelt. Zudem könne im Rahmen der Prognoseentscheidung aufgrund der vorgelegten Stellungnahme und der persönlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom endgültigen Abwenden von einer kriminellen Gesinnung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer habe erklärt nach der Entlassung aus der Strafhaft ein "normales" Leben führen zu wollen. Ferner würden die Sicherheitsbehörden in der Russischen Föderation rigoros gegen Personen wie den Beschwerdeführer vorgehen, was aus den Länderfeststellungen und anderen unabhängigen Quellen zu entnehmen sei. Zudem stehe außer Frage, dass die erlassene Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife und hätte die Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, insbesondere, wenn die Auswirkung auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wöge, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahem von ihrer Erlassung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, sowie muslimischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer reiste am 24.05.2003 im Familienverband in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte sein Vater, als gesetzliche Vertretung, einen Asylantrag. Für den Beschwerdeführer wurden keine eigenen Asylgründe vorgebracht. Mit Bescheid vom 30.09.2003, GZ. 03 14.981, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren erstreckt von seinem Vater zuerkannt.

Der Beschwerdeführer ist in Tschetschenien geboren und - bis zu seinem neunten Lebensjahr - dort aufgewachsen. Er hat dort die Grundschule besucht. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Tschetschenisch. Er spricht auch Russisch und sehr gut Deutsch.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich vier Jahre lang die Volks- und weitere vier Jahre lang die Hauptschule. Er begann mit einer Kfz-Mechaniker-Lehre die er nach einem Jahr abgebrochen hat. In den Jahren 2013 bis 2015 habe er als Mechaniker gearbeitet. Danach hat er diverse Kurse besucht und war bei Jugend am Werk aktiv. Der Beschwerdeführer verfügt über Freunde in Österreich, wobei er erklärte, dass diese alle Tschetschenen wären. Er hat auch Rumänen und Mazedonier als Freunde, die auch andersgläubig seien (vgl. AS 316).

In Österreich sind die Eltern sowie seine Geschwister, zwei Schwestern und ein Bruder aufhältig. Seinen Eltern und seinen minderjährigen Geschwistern wurde allesamt der Status des Asylberechtigten aberkannt und deren Konventionsreisepässe entzogen. Seine Familienangehörigen verfügen über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU". Seine älteste Schwester besitzt einen Konventionsreisepass.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und ledig.

Für den Beschwerdeführer scheinen im österreichischen Strafregister folgende Verurteilungen auf:

* Urteil des zuständigen Landesgerichts für Strafsachen vom 19.09.2016 (rechtskräftig mit 23.09.2016) wegen §§127, 128 (1) Z 5, 129 (1) Z 2, 129 (2) Z 1, 130 (2) StGB, § 15 StGB als Jugendlicher zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten davon 12 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren;

* Urteil des zuständigen Bezirksgerichtes vom 30.03.2017 (rechtskräftig mit 04.04.2017) wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehens § 15 StGB, § 127 StGB;

* Urteil des zuständigen Landesgerichtes für Strafsachen vom 16.05.2018 (rechtskräftig mit 09.10.2018) wegen §§ 278b (2) (§278 Abs. 3 zweiter und dritter Fall StGB, 278a (§278a Abs. 3 zweiter und dritter Fall StGB §§146, 147 (2) StGB §278d (1a) Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren

Dem Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Dezember 2015 im bewussten und gewollten Zusammenwirken den abgesonderten XXXX zum Flughafen transportierte, der folglich nach Istanbul flog, sich vor Ort seiner Kontaktperson anschloss und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt an die Grenze zu Syrien reiste, wo er schließlich mit Hilfe von Schleppern über die grüne Grenze nach Syrien in das von der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat kontrollierte Gebiet gelangt und seither für die terroristische Vereinigung kämpft. Zudem habe der Beschwerdeführer am 18. und 25. Jänner 2016 für den abgesondert verfolgten XXXX den Eindruck erwecken wollen, dass sich dieser noch im Bundesgebiet befinde. Er sei zu dessen Hausarzt gegangen, um für den besagten Medikamente abzuholen. Mit den von der Gebietskrankenkasse für die körperliche Gesundung vorgesehen Rehabilitationsgeld in der Höhe von € 7.254,24 herausgelockte Geld unterstütze der Beschwerdeführer die Finanzierung des Aufenthaltes der im Akt näher genannten Person als Mitglied der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat in der Türkei. Im April 2016 gab sich der Beschwerdeführer bei einem Kontrolltermin des AMS als XXXX aus; er täuschte die Behörden somit und verleitete die Sachbearbeiterin zu einer Betreuungsvereinbarung und den Bezug der Notstandshilfe in einer Gesamthöhe von € 3.009,30. Der Beschwerdeführer hat sich als Mitglied an kriminellen Organisationen, welche jeweils auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen das Ziel verfolgt, in Syrien und im Irak einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten und zur Erreichung dieses Ziels terroristische Straftaten gemäß § 278c Abs. 1 StGB zu begehen, somit, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versucht. Der Beschwerdeführer hat sich im Rahmen der kriminellen Ausrichtung dieser terroristischen Organisation in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbaren Handlungen förderte.

Als mildernd wurden sein bis zur Tatbegehung ordentlicher Lebenswandel, das teilweise zur Wahrheitsfindung dienliche Geständnis sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer teilweise Taten vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat.

Der Beschwerdeführer befand sich in Haft, in einer Justizanstalt oder einem Polizeianhaltezentrum:

* von 22.06.2016 bis 30.03.2016 JA XXXX ;

* von 30.06.2016 bis 21.10.2016 JA XXXX ;

* von 05:08.2017 bis 11.08.2017 PAZ XXXX

* von 05.12.2017 bis 07.12.2017 JA XXXX ;

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit - seit 13.12.2018 - in Haft.

Im Falle des Beschwerdeführers kann keine positive Zukunftsprognose erstellt werden.

Festgestellt wird, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

In Österreich leben die Eltern des Beschwerdeführers, seine beiden Schwestern und ein Bruder. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen des Beschwerdeführers aus gesundheitlichen oder anderen Gründen besteht nicht. Die Beziehung, konnte in den Zeiträumen der Haftaufenthalte in der Vergangenheit und der nunmehrigen Haft des Beschwerdeführers nur durch Besuche in der Haft gelebt werden. Auch vor seinem Haftantritt übernachtete der Beschwerdeführer gelegentlich bei seiner Mutter und seinen Geschwistern in der Wohnung seiner älteren Schwester, jedoch brachte er in diesem Zusammenhang kein Abhängigkeitsverhältnis vor. So gab er an, dort nicht immer zu sein, sondern auch oft bei Freunden zu schlafen. Dies ergibt sich auch aus dem Auszug aus dem Melderegister. Die Beziehung zu seinen Familienangehörigen kann auch von der Russischen Föderation aus über elektronische Medien und Internet aufrechterhalten werden.

Im Herkunftsland lebt seine Großmutter, die alleine im ehemaligen Haus des Beschwerdeführers und dessen Kernfamilie in Guderums. Es besteht telefonischer Kontakt zur Großmutter. Zudem verfügt er über weitere verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte (Cousin und Cousinen) in seinem Herkunftsland.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation keine asylrelevante Verfolgung droht. Er war im Herkunftsstaat vor seiner Ausreise keiner Verfolgung ausgesetzt.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG verwirklicht hat. Er wurde von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt und bedeutet aufgrund dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Russische Föderation stellt keine Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention dar.

Dem Beschwerdeführer droht in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus, insbesondere außerhalb von Tschetschenien, keine Doppelbestrafung und auch außerhalb der Strafverfolgung keine Verfolgung auf Grund des der Verurteilung in Österreich zugrundeliegenden Verhaltens. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner Verurteilung in Österreich oder des dieser Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung wegen seines Aussehens oder seiner ethnischen Volksgruppenzugehörigkeit. Ihm droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb des Nordkaukasus, insbesondere außerhalb Tschetscheniens, keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung in Österreich und wegen des langjährigen Aufenthaltes außerhalb der Russischen Föderation.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus niederzulassen und anzumelden. Die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland bieten trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit entsprechende Chancen auch für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der Beschwerdeführer hat auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung. Es besteht keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer in anderen Teilen der Russischen Föderation Opfer fingierter Strafverfahren würde. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung bei der Wiedereinreise in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus.

Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:

1. Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

1.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017

2. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Sze

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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