TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/18 W234 1419232-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W234 1419232-5/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Spruchpunkte I bis IV des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.08.2015 für die Zuerkennung des Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, am 22.02.2011 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde hinsichtlich des Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2015 als unbegründet abgewiesen und die Rechtssache hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) zurückverwiesen. Nach Durchlaufen des Verwaltungsverfahrens und Erhebung einer Bescheidbeschwerde wurde im gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 fortgesetzten Verfahren mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2015 dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt und ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt. Die genannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts erwuchsen in Rechtskraft.

2. Am 04.08.2015 stellte der Beschwerdeführer den hier maßgeblichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Nachdem dieser Antrag zunächst vom Bundesamt mit Bescheid vom 19.12.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen sowie seine Abschiebung in die Russische Föderation für zulässig erklärt wurde, ohne dass ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde und gegen ihn ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen wurde, wurde dieser Bescheid über Beschwerde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2018 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und an das Bundesamt zurückverwiesen. Zur Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass das Bundesamt für die Feststellungen, wie sich die örtlichen Gegebenheiten in der Russischen Föderation heute darstellen, ausschließlich deutlich veraltete Quellen aus der Zeit vor Eintritt der Rechtskraft der letzten Asylentscheidung in der Sache heranzog. Daher habe das Bundesamt zur Frage, wie sich die örtlichen Gegebenheit im Herkunftsstaat seit Eintritt der Rechtskraft der letzten Asylentscheidung in der Sache änderten, keine tauglichen Ermittlungsschritte gesetzt.

Schließlich wies das Bundesamt mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.08.2018 den Antrag vom 04.08.2015 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Zudem wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer - vertreten durch eine von ihm bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation - rechtzeitig die vorliegende Beschwerde erhoben.

4. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2018 wurde Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheids, welcher der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannte, ersatzlos behoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage beider Asylanträge des Beschwerdeführers, seiner Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesasylamtes bzw. des Bundesamtes, der bislang ergangenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid, der im Laufe des Verfahrens vorgelegten Schriftsätze sowie der Einsichtnahme in die Verwaltungsakten, das Zentrale Melderegister und das Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem und das Strafregister der Republik Österreich werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Vorverfahren:

Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 22.02.2011 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchlaufen eines Verwaltungsverfahrens und der Erhebung einer Bescheidbeschwerde wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2015 für den Status des Asyl- sowie des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde die Rechtssache gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt zurückverwiesen. Im fortgesetzten Verfahren wurde schließlich - ebenfalls nach Durchlaufen eines Verwaltungsverfahrens und der Erhebung einer Bescheidbeschwerde - mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2015 dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei; die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Sowohl das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2015 als auch jenes vom 16.07.2015 erwuchsen in Rechtskraft.

Im ersten Asylverfahren brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor: Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung am 22.02.2011 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, in seinem Herkunftsstaat mit der Regierung Probleme zu haben, da er die Regierung einige Male kritisiert habe; seit 2001/2003 werde er durch sie verfolgt. Nach etwa vier bis fünf Jahren seien gewisse Personen amnestiert worden und er habe nach Hause zurückkehren können. Aus seinem Freundeskreis seien jedoch nur wenige zu Hause geblieben, alle anderen hätten fliehen müssen. Manche Bekannte seien spurlos verschwunden und er habe keine Informationen erhalten; deswegen sei er geflohen. Bei einer weiteren Einvernahme durch die Erstaufnahmestelle Ost gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen nunmehr an, dass er nicht wisse, ob nach ihm gefahndet werde, aber dass in letzte Zeit Bedienstete zu ihm gekommen seien, wobei man nicht sagen könne, von welcher Behörde diese stammten. Sie hätten ihm keinen Haftbefehl gezeigt, dennoch hätten sie ihn auf den Posten mitgenommen und dort einige Stunden festgehalten und befragt. Er sei nur einmal festgenommen und dann wieder entlassen worden, aber zu ihm nach Hause seien sie öfter gekommen. Am 31.03.2011 erfolgte schließlich die Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt. Diesmal gab der Beschwerdeführer an, dass es im Jahr 2009 Anti-Terror-Operationen gegeben hätte, anlässlich derer es auch zu Hausdurchsuchungen gekommen sei. Der Beschwerdeführer sei auf der Straße angehalten, mit Handschellen gefesselt und ins nächste Nachbardorf zur Polizeistation gebracht worden. Seine Bekannten hätten sich um seine Freilassung bemüht. Er habe ungefähr einen halben Tag in der Polizeistation verbracht, ehe er wieder entlassen worden sei. Danach sei er weder mitgenommen noch geschlagen worden, jedoch mehrmals im Monat von den Behörden aufgesucht worden. Ihm seien Fragen zu Personen, die er aus dem ersten Krieg gekannt habe, gestellt worden. Er habe sich nicht mehr sicher gefühlt, weil immer wieder auch Leute, die im ersten Krieg gekämpft hätten, spurlos verschwunden seien. Weiters brachte er erneut seine in den Jahren 2001 oder 2003 getätigten regierungskritischen Äußerungen wegen des Verschwindens einiger Bekannter von ihm vor.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz vom 22.02.2011 begründete das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 28.01.2015 im Wesentlichen damit, dass über die genauen Ausreisegründe des Beschwerdeführers mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden konnten. Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei sehr vage, oberflächlich und ungenau gewesen. Er sei weder in der Lage gewesen, die konkreten Probleme mit den Behördenorganen der Russischen Föderation zu schildern, noch habe er seine einzige behauptete Verhaftung genau schildern können; er habe sich auch hier auf eine sehr oberflächliche Darstellung beschränkt. Sein Vorbringen habe auch einige Widersprüche enthalten; so hätte er seine vermeintliche Verfolgung bei der Erstbefragung noch auf die von ihm geäußerte Kritik an der Regierung zurückgeführt, bei den weiteren Einvernahmen jedoch (weitgehend) auf seine frühere Kämpfertätigkeit. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers bezogen auf die vermeintliche Verfolgungs- bzw. Bedrohungssituation in seinem Herkunftsstaat wurde insgesamt die Glaubwürdigkeit versagt.

1.2. Zum aktuellen Antrag auf internationalen Schutz

Vor seiner zweiten Asylantragstellung in Österreich hielt sich der Beschwerdeführer in der Schweiz auf und stellte auch dort einen Asylantrag. Die Asylantragstellung in der Schweiz begründete der Beschwerdeführer u.a. auch damit, dass er aufgrund der Scheidung von seiner zweiten Frau in Österreich keinen Platz mehr hätte. Von den Schweizer Behörden wurde über den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot verhängt, welches von 23.09.2013 bis 22.09.2016 aufrecht war.

Am 04.08.2015 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag im Wesentlichen damit, dass seine im bisherigen Verfahren genannten Ausreise- bzw. Fluchtgründe gleich seien bzw. er diese nach wie vor aufrechterhalte. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 11.12.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass seine bisherigen Aussagen (insbesondere jene anlässlich seiner Erstbefragung) der Wahrheit entsprechen und er diesbezüglich keine Änderungen vornehmen wolle.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 19.12.2017 wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.08.2015 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 02.03.2018 wurde stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und zur neuerlichen Beurteilung an das Bundesamt zurückverwiesen. Zur Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass das Bundesamt für die Feststellungen, wie sich die örtlichen Gegebenheiten in der Russischen Föderation heute darstellen, ausschließlich deutlich veraltete Quellen aus der Zeit vor Eintritt der Rechtskraft der letzten Asylentscheidung in der Sache heranzog. Daher habe das Bundesamt zur Frage, wie sich die örtlichen Gegebenheit im Herkunftsstaat seit Eintritt der Rechtskraft der letzten Asylentscheidung in der Sache änderten, keine tauglichen Ermittlungsschritte gesetzt.

Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt fand am 23.07.2018 eine weitere Einvernahme statt, in welcher - nach Zusammenfassung des Ablaufs seines bisherigen Asylverfahrens durch die Leiterin der Einvernahme - der Beschwerdeführer erneut zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, seine Probleme bereits ausführlich geschildert zu haben und seinen bisherigen Aussagen nichts hinzuzufügen bzw. an ihnen auch nichts abzuändern zu wollen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.08.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und schließlich auch einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit (Teil-)Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.10.2018 wurde Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die hier (noch teilweise) zu erledigende Beschwerde, die am 25.09.2018 per E-Mail beim Bundesamt einlangte. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt sich bei seiner Entscheidung auf unzureichende Länderberichte gestützt hätte. In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde auf einen unter http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/44392 abrufbaren Artikel verwiesen. Behauptet wird weiters, dass der Beschwerdeführer Widerstand gegen den russischen Staat geleistet und sich diesbezüglich auch kritisch geäußert habe. Freunde des Beschwerdeführers seien wegen ähnlicher Äußerungen und Handlungen verschwunden. Aus diesem Grund bestehe die begründete Befürchtung, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr (auch) eine Verfolgung durch staatliche Behörden drohen würde. Aufgrund seiner politischen (regierungskritischen) Gesinnung liege eine asylrelevante Verfolgung durch den russischen Staat und die tschetschenischen Behörden vor. Dem Beschwerdeführer stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Schon alleine angesichts der prekären Sicherheitslage für Personen aus Tschetschenien hätte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Im Fall des Beschwerdeführers stelle eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK dar. Die Dauer des vom Bundesamt verhängten Einreiseverbotes sei keinesfalls verhältnismäßig und lasse sich weder sachlich noch rechtlich begründen.

1.3. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX im Bezirk XXXX in Tschetschenien geboren, besuchte die Mittelschule und absolvierte eine Lehre als Kraftfahrer. Nach der Ableistung des Militärdienstes in Usbekistan begann er ein Studium der Landwirtschaft in XXXX , welches er jedoch aufgrund des Beginns des ersten Tschetschenienkrieges abbrach.

Der Beschwerdeführer ist gesund und leidet an keiner schweren psychischen oder physischen, akut lebensbedrohlichen und in seinem Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankung.

Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit bereits zwei Mal verheiratet. In Österreich hat der Beschwerdeführer seine zweite Frau, XXXX , mit der er auch einen gemeinsamen Sohn hat im Jahr 2012 oder 2013 geheiratet. Die Ehe wurde im Jahr 2013 vor dem Bezirksgericht XXXX wieder geschieden. Seine Ex-Frau, der gemeinsame Sohn, XXXX , sowie zwei weitere Kinder, die nicht vom Beschwerdeführer stammen, verfügen in Österreich über eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte und halten sich im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer leistet für seinen Sohn keinen Unterhalt und ist auch nicht obsorgeberechtigt. Der Beschwerdeführer hat weder zu seiner Ex-Frau noch zu seinem Sohn Kontakt. Auch mit seiner ersten Frau, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat, steht der Beschwerdeführer nicht in Kontakt.

Zudem wohnen drei Cousins des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, zu welchen er nicht in Kontakt steht.

Der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers, die beide bereits in Pension sind, leben nach wie vor im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Auch zwei Schwestern und ein Bruder des Beschwerdeführers leben gemeinsam mit deren Familien im Herkunftsstaat. Mit seinen Eltern und Geschwistern steht der Beschwerdeführer - auch von Österreich aus - in Kontakt.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig, sondern bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer lebt alleine in einer Pension.

Der Beschwerdeführer verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mehrere Deutschkurse besucht und besucht einen solchen auch derzeit.

Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und ist auch nicht ehrenamtlich tätig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass es im Vergleich zur zuletzt gegen den Beschwerdeführer verhängten - rechtskräftigen - Rückkehrentscheidung zu einer wesentlich tieferen Integrationsverfestigung gekommen ist.

Der Beschwerdeführer ist nicht unbescholten. Während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist der Beschwerdeführer bereits mehrmals strafrechtlich verurteilt worden. Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

"1) LG XXXX vom 19.06.2013 RK 29.11.2013

§ 15 StGB § 83 (1) StGB

§ 15 StGB § 105 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 24.12.2012

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 29.11.2013

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 07.07.2014

2) LG XXXX vom 29.11.2013 RK 29.11.2013 § 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 01.11.2013 Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 29.11.2013

Probezeit der bedingten Nachsicht verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 07.07.2014

3) LG XXXX vom 07.07.2014 RK 26.11.2014 § 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 22.04.2014 Freiheitsstrafe 3 Monate Vollzugsdatum 26.11.2014

4) BG XXXX vom 18.02.2015 RK 24.02.2015

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 02.02.2014 Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX RK 26.11.2014 Vollzugsdatum 24.02.2015

zu BG XXXX RK 24.02.2015 (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig Vollzugsdatum 24.02.2015 BG XXXX vom 29.08.2018."

1.4. Als örtliche Gegebenheiten in der Russischen Föderation stellt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes fest:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der Inhalt dieser Kurzinformation wird mit 7.5.2018 in das LIB Russische Föderation übernommen (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 13)

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag (7.5.2018) den Eid für seine vierte und somit letzte Amtszeit abgelegt. Vor etwa 5.000 Gästen im Kreml in Moskau gelobte er, "dem Volk treu zu dienen", wie es in der Eidesformel heißt (Kurier.at 7.5.2018).

Bei der Präsidentenwahl im März 2018 hatte die Wahlbehörde ihm ein Rekordergebnis von knapp 77% der Stimmen zugesprochen. Überschattet wird die Amtseinführung von der Gewalt, mit der die Polizei am 5.5.2018 Kundgebungen von Regierungsgegnern auflöste. Landesweit wurden dabei etwa 1.600 Anhänger des Oppositionellen Alexej Nawalny festgenommen, die meisten aber wieder freigelassen. Doch das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" zählte am Montag immer noch dutzende Demonstranten in Gewahrsam (Standard.at 7.5.2018).

Alexej Nawalny hatte zu landesweiten Protesten gegen den Kremlchef aufgerufen, unter dem Motto "Er ist nicht unser Zar" fanden sich in rund 90 Städten Demonstranten zusammen. Die größten Veranstaltungen gab es traditionell in Moskau und St. Petersburg. Vor allem junge Menschen folgten dem Aufruf Nawalnys. In der Hauptstadt Moskau waren es nach Einschätzung der Tageszeitung Kommersant rund 10.000 Demonstranten, während die Polizei die Menge dort auf nur 1.500 Personen taxierte. Die in jedem Fall verhältnismäßig geringe Zahl der Demonstranten ist auch auf die anhaltende Zersplitterung der russischen Opposition zurückzuführen. So beteiligten sich weder die sozialliberale Jabloko-Partei, noch die neue "Partei der Veränderungen" um Xenia Sobtschak und Dmitri Gudkow an den Kundgebungen. Die Obrigkeit hingegen hatte eine enorme Anzahl an Sicherheitskräften aufgefahren, um mögliche Unmutsbekundungen im Keim zu ersticken. Neben der Polizei waren Männer in Kosakenuniform im Einsatz. Kosaken - eigentlich Folklore - treten immer wieder als Hilfspolizisten auf. In Moskau gingen sie hart gegen die Menge vor. Auch die Polizei setzte Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein. Kritik am harten Vorgehen der Behörden gab es nicht nur von der EU, sondern auch aus dem Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Speziell der Einsatz der Kosaken rief dort Unmut hervor. Kremlsprecher Dmitri Peskow hingegen kommentierte die Vorfälle nicht. Nawalny wurde gleich nach seinem Eintreffen auf dem für die Protestaktion zentralen Puschkin-Platz abgeführt. Etwa 80% der Festgenommen wurden innerhalb eines Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch Nawalny kam nach mehreren Stunden vorläufig frei, allerdings muss er sich am 11.5.2018 - vier Tage nach den Inaugurationsfeiern im Kreml - vor Gericht wegen der Organisation einer ungenehmigten Kundgebung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten. Als Wiederholungstäter droht dem Oppositionellen eine empfindliche Strafe (Standard.at 6.5.2018).

Quellen:

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Standard.at (6.5.2018): Härte gegen Proteste vor erneuter Putin-Amtseinführung,

https://derstandard.at/2000079263953/Nawalny-nach-Festnahme-bei-Oppositionskundgebung-wieder-frei, Zugriff 7.5.2018

-

Standard.at (7.5.201): Putin trat vierte Amtszeit als Präsident an, kommt am 5. Juni nach Wien, https://derstandard.at/2000079311730/Putin-tritt-vierte-Amtszeit-als-russischer-Praesident-an, Zugriff 7.5.2018

-

Kurier.at (7.5.2018): Putin trat vierte Amtszeit an und besucht am 5. Juni Wien,

https://kurier.at/politik/ausland/putin-trat-vierte-amtszeit-an-geloebnis-vor-5000-gaesten/400031920, Zugriff 7.5.2018

[...]

Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2018 im Amt bestätigt worden. Nach Auszählung von 99% der Stimmen errang er 76,7% der Stimmen. Putins stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam auf 11,8%, dahinter der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit 5,7%. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei knapp 67%, und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration. 70% waren in den letzten Wochen inoffiziell als Ziel gestellt worden, zuletzt hatte der Kreml die Erwartungen auf 65% heruntergeschraubt (Standard.at 19.3.2018, vgl. Presse.at 19.3.2018). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Tagesschau.de 19.3.2018).

Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018).

Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018).

Quellen:

-

Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 19.3.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 19.3.2018

-

Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 19.3.2018

[...]

In Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, ist die gesamte Regierungsspitze auf Befehl Moskaus festgenommen worden, insgesamt sieben Personen: der kommissarische Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und vier weitere ranghohe Beamte. Ihnen wird Korruption vorgeworfen. Persönliche Waffen der Politiker wurden beschlagnahmt. Die Politiker wurden von Sicherheitskräften aus Moskau in Handschellen zum Flughafen gebracht und zu Vernehmungen in die russische Hauptstadt geflogen. Die muslimisch geprägte russische Teilrepublik Dagestan wird von Korruption und islamistischem Extremismus geprägt und macht Moskau Sorgen. Präsident Wladimir Putin entsandte im vergangenen Oktober den ehemaligen russischen Vize-Innenminister Wladimir Wassiljew, um für Ordnung zu sorgen. Im Januar war bereits der Bürgermeister der Hauptstadt, Mussa Mussajew, wegen Amtsmissbrauchs verhaftet worden (Euronews 6.2.2018, vgl. Kurier 5.2.2018).

Der Präsident der Republik Dagestan, Ramasan Abdulatipow, ist im September 2017 von seinem Amt aus Altersgründen zurückgetreten (Ostexperte.de 28.9.2017). Am 9.10.2017 wird daraufhin Wladimir Wasiljew zum kommissarischen Oberhaupt der Republik Dagestan ernannt (Länderanalysen - Chronik 9.10.2017).

Quellen:

-

Euronews (6.2.2018): Dagestan: Gesamte Regierung in Handschellen abgeführt,

http://de.euronews.com/2018/02/06/dagestan-gesamte-regierung-in-handschellen-abgefuhrt, Zugriff 7.2.2018

-

Kurier (5.2.2018): Russland: Regierungsspitze in Dagestan festgenommen,

https://kurier.at/politik/ausland/russland-regierungsspitze-in-dagestan-festgenommen/309.777.147, Zugriff 7.2.2018

-

Russland Analysen (9.10.2017): Chronik: Russland im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/russland/chroniken/Chronik_RusslandAnalysen_2017.pdf, Zugriff 7.2.2018

-

Ostexperte.de (28.9.2017): Präsident von Dagestan verkündet Rücktritt,

https://ostexperte.de/praesident-von-dagestan-verkuendet-ruecktritt/, Zugriff 7.2.2018

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Ind

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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