TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/20 W256 2147472-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2019
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Entscheidungsdatum

20.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W256 2147472-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Jänner 2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes an: "Ich war verliebt in ein Mädchen. Sie hatte Fotos von mir bei sich, ihre Familie hat die Fotos gesehen und hat mich daraufhin verfolgt und bedroht. Die Familie des Mädchens namens XXXX hat Verbindungen zu den Taliban und verfügt über viel Macht. Sie drohten mir mich zu töten. Ich konnte auch nicht nach Maidan-Wardak zurückgehen, weil dort die Taliban sehr aktiv sind und ich von einer Zwangsrekrutierung betroffen wäre."

Der Beschwerdeführer wurde am 9. März 2016 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Dabei wiederholte er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und brachte er u.a. ergänzend vor, dass die Familie des Mädchens auf offener Straße und am Universitätsgelände auf ihn geschossen habe. Auch sei er zur Teilnahme am Krieg aufgefordert worden.

In seinen Stellungnahmen vom 14. März 2016 und vom 14. Juli 2016 führte der Beschwerdeführer - sofern hier wesentlich - aus, dass er aufgrund seiner grünen Augenfarbe nicht als richtiger Afghane bzw. Moslem angesehen werde und führe dies zu Diskriminierungen, Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten. Insbesondere die Taliban und andere Islamisten würden ihn deshalb als feindlichen Spion ansehen.

In seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2016 und vom 27. Juli 2016 verwies der Beschwerdeführer auf seine - neuerlich akute - schwere Traumatisierung und - unter Bezugnahme auf eine beigelegte Stellungnahme von XXXX - auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan.

Eine von der belangten Behörde zur Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers in Auftrag gegebene Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16. September 2016 brachte u.a. hervor, dass es an der Universität Nangarhar zwar zu gewalttätigen Vorfällen gekommen ist. Der vom Beschwerdeführer genannte Schussvorfall konnte allerdings nicht ermittelt werden.

Dazu führte der Beschwerdeführer in seiner Befragung vor einem Organ der belangten Behörde am 3. Oktober 2016 aus, dass er die Wahrheit gesagt habe und dieser Vorfall an der Universität nicht registriert worden sei. Ergänzend verwies der Beschwerdeführer auch auf sein politisches Engagement während seiner Studienzeit und seine diesbezüglichen Ängste.

Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vorgeführt, der in seinem psychiatrisch-neurologischem Gutachten vom 22. Dezember 2016 Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.2) feststellte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Auch habe keine sonstige asylrelevante Verfolgung von Amts wegen festgestellt werden können. Eine extreme allgemeine Gefahrenlage hinsichtlich der Sicherheitslage in Kabul habe nicht festgestellt werden können. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers würden sich auch keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass die allgemeine Sicherheitslage zu einer existenziellen Gefährdung bei einer Rückführung nach Kabul führe. Der Beschwerdeführer wäre in der Lage, durch Arbeit eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Auch könne dem Beschwerdeführer eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung im Rahmen seines familiären Netzes (auch außerhalb Kabuls) zu Teil werden. Es stehe ihm aber auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Hilfseinrichtungen offen. In Bezug auf die posttraumatische Belastungsstörung führte die belangte Behörde aus, dass die festgestellte Gesundheitsbeeinträchtigung nicht jenes außergewöhnliche Ausmaß an Leidenszuständen erreiche, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert werde. Die Behandlungsmöglichkeiten und der Zugang der benötigten Behandlungen seien in Afghanistan verfügbar. Mangels familiärer und berücksichtigungswürdiger sozialer Kontakte in Österreich könne nicht von einer nachhaltigen Integration ausgegangen werden, womit insgesamt gesehen, eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin führt der Beschwerdeführer - unter Anführung diverser Länderberichte - im Wesentlichen aus, er werde aufgrund seiner Liebesbeziehung zu einem Mädchen in Afghanistan persönlich bedroht und verfolgt. Zudem führe eine Rückkehr nach Afghanistan zu einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK, da Rückkehrer verfolgt werden. Selbst Kabul könne nicht mehr als sicherer Ort für Rückkehrer angesehen werden.

In einer Stellungnahme vom 29. September 2017 legte der Beschwerdeführer umfassende Unterlagen zu seiner Integration vor und führte er u.a. aus, dass seine erbrachten Integrationsleistungen weit überdurchschnittlich seien und er derzeit den Beginn eines Informatikstudiums plane. Auch habe er bereits derartig intensive familiäre und private Bindungen aufgebaut, dass jedenfalls die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.

In einer Stellungnahme vom 5. April 2018 legte der Beschwerdeführer erneut Integrationsunterlagen vor und verwies er u.a. auf seine Sprachkenntnisse, seine Schulung als Dolmetscher, seine ehrenamtlichen Tätigkeiten und sein Studium.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien diverse Länderberichte durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt.

In einer Stellungnahme vom 20. August 2018 führte der Beschwerdeführer u.a. aus, dass aus den verfügbaren Berichten über Zwangsrekrutierungen durch nichtstaatliche Gruppierungen unmissverständlich hervorgehe, dass in Afghanistan zur Rekrutierung und Mobilisierung soziale, psychische und physische Gewalt angewandt werde. Es bedürfe einer genauen Ermittlungstätigkeit, ob tatsächlich Zwangsrekrutierung vorliege. Im Falle einer Rückkehr wäre der Beschwerdeführer zusätzlich mit der unüberwindbaren Hürde, eine Behandlung für seine psychische Erkrankung zu organisieren, konfrontiert. Aus dem aktuellen LIB der Staatendokumentation gehe hervor, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan verschlechtert habe und äußerst volatil sei. Seine langjährige Abwesenheit aus Afghanistan würde eine Unkenntnis der aktuellen Gegebenheiten und Umstände bedingen, die ihm wirksame Schutzmaßnahmen unmöglich machen würden. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf das Gutachten von XXXX vom 28. März 2018, wonach u.a. alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehen würde.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 20. August 2018 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen wie bisher aus. Unter einem legte der Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen sowie eine ärztliche Bestätigung vor.

Mit Schreiben vom 21. August 2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer ein Sprachzertifikat vom 23. Februar 2018 nachgereicht. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer an einem Deutsch-Intensivkurs der Stufe C1/a teilgenommen hat, als Gesamtnote jedoch ein Nicht Genügend verteilt wurde.

In seiner Stellungnahme vom 3. September 2018 führte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die am 30. August 2018 erschienenen UNHCR-Richtlinien näher aus, dass Zivilisten im Rahmen ihrer alltäglichen jobbezogenen und sozialen Aktivitäten im urbanen Raum dem Risiko von Gewalt ausgesetzt seien. Zudem werde darin auch darauf hingewiesen, dass die Provinzhauptstädte 54 % der Binnenvertriebenen aufgenommen hätten und die Unterstützungen und Infrastruktur immer mehr überstrapaziert seien und der Kampf für Ressourcen weiterhin wachse. Zusätzlich seien der nördliche und westliche Teil Afghanistans mit Dürre konfrontiert, was die Landwirtschaft in diesen Gebieten zum Einsturz gebracht habe. Am schlimmsten seien davon die Provinzen Balkh, Ghor, Faryab, Badghis, Herat und Jowzjan betroffen. Somit könne es dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, nach Afghanistan zurückzukehren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe auch nicht offen. Unter einem wurden weitere Integrations- und ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29. Juni 2018, zuletzt aktualisiert am 23. November 2018 (im Folgenden: LIB) u.a. zum Parteiengehör übermittelt.

In seiner Stellungnahme vom 4. Jänner 2019 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisher erstattetes Vorbringen. Ergänzend brachte der Beschwerdeführer vor, dass eine interne Fluchtalternative nach UNHCR nur dann zumutbar sei, wenn die grundlegenden Menschenrechte gewahrt werden und Möglichkeiten für ein ökonomisches Überleben bestehen würden. Bezüglich der Hauptstadt Kabul werde dies ausgeschlossen. Den aktuellen Informationen des österreichischen Außenministeriums zu Afghanistan sei zudem eine Reisewarnung (Sicherheitsstufe 6) zu entnehmen. Darin werde vor Reisen nach Afghanistan gewarnt, da im ganzen Land das Risiko von gewalttätigen Auseinandersetzungen, Raketeneinschlägen, Minen, Terroranschlägen und kriminellen Übergriffen, einschließlich Entführungen, Vergewaltigungen und bewaffneter Raubüberfälle bestehe. Diese Risiken für österreichische Staatsbürger müssten für afghanische Staatsbürger gleichermaßen gelten. Weiters wird zu den Feststellungen im LIB zur Rückkehrsituation ausgeführt, dass diese einseitig, nicht ausgewogen und keinesfalls objektiv seien. Das vom Bundesverwaltungsgericht ins Verfahren eingebrachte LIB bilde die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif im Ergebnis nur unzureichend ab. Der Beschwerdeführer könne nicht auf eine interne Fluchtalternativ in Kabul, Herat oder Mazar-e verwiesen werden, da die dortige Sicherheits- und Versorgungslage unzureichend und eine interne Fluchtalternative nicht zumutbar sei. Bei einer Rückkehr würde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existentielle Notlage geraten und würde v.a. das Aussehen des Beschwerdeführers zur Diskriminierung und zu einem erschwerten Zugang der ohnehin begrenzten Ressourcen führen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person

Der - im Spruch genannte - Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem (OZ 1 AS 5, AS 44, Verhandlungsschrift Seite 7).

Er ist in Afghanistan, in der Provinz Maidan Wardak geboren und aufgewachsen. Nach der der elften Schulstufe ist der Beschwerdeführer nach Kabul übersiedelt und hat er dort die zwölfte Schulstufe abgeschlossen. Anschließend hat er an der Universität in Nangarhar bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan studiert. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan im September 2014 verlassen und ist er anschließend nach Europa ausgereist (OZ 1 AS 44 ff, Verhandlungsschrift Seite 6 f).

Seine Kernfamilie besteht aus seiner Mutter und seinen drei Brüdern. Bis auf einen in Belgien aufhältigen Bruder lebt seine Familie derzeit im Heimatdorf des Beschwerdeführers im Haus des Onkels (Verhandlungsschrift Seite 8 f und Beweiswürdigung). Die Familie des Beschwerdeführers verfügt über ein Haus und eine eigene Landwirtschaft im Heimatdorf, auf welcher Weizen, Mais und Erdäpfel für den Eigen- und auch Fremdbedarf angebaut werden. Die Familie lebt von dieser Landwirtschaft (Verhandlungsschrift Seite 10, siehe auch Beweiswürdigung).

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist seine Familie in der Lage, diesen (finanziell) zu unterstützen (siehe dazu die Beweiswürdigung).

Der Beschwerdeführer spricht Paschtu, Englisch, Dari, ein wenig Arabisch und Deutsch (OZ 1 AS 5, Verhandlungsschrift Seite 8).

Er hat in Afghanistan die Schule bis zur zwölften Schulstufe und danach die Universität in der Provinz Nangarhar bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan besucht (OZ 1 AS 5, AS 43, AS 45, Verhandlungsschrift Seite 6 und 8). Sowohl in seiner Schul- als auch in seiner Studienzeit hat der Beschwerdeführer in der Landwirtschaft und als Lastenträger gearbeitet (OZ 1 AS 45, Verhandlungsschrift Seite 7).

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig (Verhandlungsschrift Seite 7) und arbeitsfähig (siehe Beweiswürdigung).

Er ist seit seiner Antragsstellung am 17. Jänner 2015 im Bundesgebiet aufhältig (OZ 1 AS 7). Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 19. März 2019).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen oder Verwandten (Verhandlungsschrift Seite 11).

Der Beschwerdeführer verbringt seinen Alltag in Österreich damit, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen und sich verschiedene Programmiersprachen anzueignen. Er verfügt über freundschaftliche Kontakte mit Personen. Er betätigt sich sportlich, indem er schwimmen und Rad fahren geht. Zudem studiert der Beschwerdeführer an der Universität XXXX XXXX und nimmt er auch an kulturellen und informativen Veranstaltungen der Universität XXXX und von anderen Organisatoren teil (Verhandlungsschrift Seite 11 f, Beilage ./B und ./C). Der Beschwerdeführer hat bereits mehrere Deutschkurse absolviert und auch Prüfungen dazu abgelegt (Verhandlungsschrift Seite 12 sowie die vorgelegten Unterlagen des Beschwerdeführers).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich bereits mehreren ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgegangen, u.a. hat er als Dolmetscher und Vermittler/Betreuer beim XXXX gearbeitet (Verhandlungsschrift Seite 12; Beilage ./A).

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung (psychiatrisch-neurologisches Gutachten vom 22. Dezember 2016, Beilage ./F zur Verhandlung vor dem erkennenden Gericht), wobei der Zustand derzeit stabil und der Beschwerdeführer deswegen nur gelegentlich seinen Hausarzt aufsucht und auch ansonsten nicht in medikamentöser Behandlung steht (Verhandlungsschrift Seite 5).

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 19. März 2019).

zur Lage in Afghanistan

zur Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB, Seite 42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB, Seite 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB, Seite 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB, Seite 53).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB, Seite 46).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB, Seite 45).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB, Seite 46).

zu Maidan Wardak

Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud und Hisa-i-Awal Bihsud (LIB, Seite 227).

Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn (LIB, Seite 227).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, im gesamten Jahr 2017 wurden 83 Opfer registriert (LIB, Seite 228).

In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Bei diesen Operationen werden unter anderem auch Führer von regierungsfeindlichen Gruppierungen getötet. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt; bei diesen werden auch Aufständische getötet. Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt (LIB, Seite 228 f).

zu Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (LIB, Seite 67).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB, Seite 67ff).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (LIB, Seite 68).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren ‚high-profile'-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (LIB, Seite 68).

Zur Veranschaulichung werden folgende (im LIB auf Seite 47 wiedergegebene) Beispiele öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle angeführt:

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff.

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff.

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben.

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt. Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet. Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff.

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet. Der IS bekannte sich zum Angriff.

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten. Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich.

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt; Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten. Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte. Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren. Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden. Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen.

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall.

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere. Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel.

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall.

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war. Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte. 160 Menschen konnten gerettet werden. Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff.

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall.

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 68).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (LIB, Seite 68).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen (LIB, Seite 69.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB, Seite 69).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen ‚Zarghun Belt' (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (LIB, Seite 69ff).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal (‚terrorists to hire'), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB, Seite 70).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des ‚Modus Operandi' der Taliban an (LIB, Seite 70).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (LIB, Seite 71).

zu Mazar-e Sharif

Mazar-e-Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e-Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri. Sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich auch an und auch der Dienstleistungsbetrieb wächst. In Mazar-e-Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (LIB, Seite 85 ff).

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten (LIB, Seite 85 ff).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, das darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz zu reduzieren (LIB, Seite 85 ff).

Die Provinz Balkh ist nach wir vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistan, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen Nordafghanistans. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (LIB, Seite 85 ff).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 85 ff).

zur Versorgungslage:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB, Seite 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB, S. 336 ff).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben (LIB, Seite 338).

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB, Seite 340).

In den letzten 10 Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (LIB, Seite 340).

Das afghanische Gesundheitsministerium bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten, diese Kosten müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (LIB, Seite 341 ff).

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Während in den Städten ein aureichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB, Seite 342 ff).

zur Behandlung psychisch erkrankter Personen in Afghanistan

In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (LIB, Seite 342).

Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (LIB, Seite 342 f).

Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden (LIB, Seite 343).

Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (LIB, Seite 343).

zur Situation im Falle einer Rückkehr

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB; Seite 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft in Kabul zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB, Seite 351).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. AMASO bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa Beratung und Unterstützung. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB, Seite 351 ff).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB, Seite 352 ff).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB, S. 353 ff).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, S. 353 ff).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Seite 354).

zu den Sanktionen gegen ein unverheiratetes Paar

In einem im Mai 2012 veröffentlichten Bericht zu einer Fact Finding Mission nach Afghanistan schreibt das Danish Immigration Service (DIS) unter Berufung auf Angaben der Lawyers Union of Afghanistan (LUA), dass eine vor- bzw. außereheliche Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau eine ernste Verletzung der Familienehre, und insbesondere der Ehre der Familie der Frau, darstelle. Die Familie der Frau könne damit drohen, sowohl ihre eigene Tochter als auch den Mann und seine Familie zu töten, unabhängig davon, ob es sich bei der vor- bzw. außerehelichen Beziehung um eine sexuelle oder eine rein freundschaftliche gehandelt habe. Gegen den Mann gerichtete Drohungen könnten sich ausweiten und zu Drohungen zwischen den Familien führen. Wenn es sich bei dem Vater der Frau um einen Warlord handle, hätten Drohungen ernste Konsequenzen. [...] Im selben Bericht äußert sich UNHCR zu der Frage, mit welchen Konsequenzen ein junger Mann rechnen müsse, der eine außereheliche Beziehung mit einer jungen Frau geführt habe. Laut UNHCR sei diese Situation sowohl für den Mann als auch für seine Familie gefährlich. Wenn es innerhalb der Familie der Frau eine einflussreiche Person gebe, deren Ruf und Ehre bedroht sei, sei die Gefahr sogar noch größer (ACCORD Anfragebeantwortung vom 27. Dezember 2012, Seite 3).

2. Beweiswürdigung:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.

1. zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen Sprachkenntnissen und seinen Aufenthalten in Afghanistan ergeben sich aus seinen diesbezüglich weitestgehend gleichbleibenden und glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem schulischen, universitären und beruflichen Werdegang stützen sich auf seine glaubhaften Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Zusammenhalt mit seinen Angaben in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde (OZ 1 AS 5, AS 43, AS 45, Verhandlungsschrift Seite 6 ff).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie den diesbezüglich vorgelegten medizinischen Unterlagen (psychiatrisch-neurologischem Gutachten vom 22. Dezember 2016, vorgelegtes Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27. August 2018, Verhandlungsschrift Seite 4 f). Bezugnehmend auf seine psychische Erkrankung führte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst aus, dass sein Zustand derzeit stabil, er nur gelegentlich seinen Hausarzt deshalb aufsuche und er auch keine Medikamente deshalb aktuell einnehme (Verhandlungsschrift Seite 5). Dass der Beschwerdeführer wegen sonstiger im vorgelegten Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27. August 2018 angeführten Leiden (Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis), Kopfschmerzen, Schlafstörungen sowie einer Vorhautverklebung (Konglutination)) notwendig in Behandlung stünde, ist nicht hervorgekommen und wurde dies vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Angesichts seiner aufgezeigten ehrenamtlichen Tätigkeiten und seines Studiums in Österreich ist auch von einer grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Die Feststellungen zu seiner Familie ergeben sich aus den eigenen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln (OZ 1 AS 5, 97 und Verhandlungsschrift Seite 8 f). Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst aus, dass sein älterer Bruder zwischenzeitig Afghanistan verlassen habe und nunmehr in Belgien lebe (Verhandlungsschrift Seite 8). Auch brachte er vor, dass er mit seiner restlichen Familie bis vor ein paar Monaten in Kontakt gestanden sei und diese zu diesem Zeitpunkt im Heimatdorf im Haus des Onkels gelebt habe. Aufgrund seiner psychischen Verfassung habe er derzeit jedoch von sich aus keinen Kontakt zu seiner Familie (Verhandlungsschrift Seite 9: "R: Warum haben Sie keinen Kontakt?

BF: Vor einigen Monaten, als ich versucht habe, den Kontakt zu meiner Familie herzustellen.... Ich habe nur traurige Nachrichten übermittelt bekommen. Es war ein Dauerzustand. Jedes Mal, wenn ich den Kontakt nachhause aufgenommen habe, ging es mir danach psychisch schlecht. Danach habe ich keinen Kontakt mehr aufgenommen. R: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrer Familie? BF: Vor circa einigen Monaten. R: Wo hat Ihre Familie zu dieser Zeit gelebt? BF:

In unserer Ortschaft, in der Gegend, wo wir gelebt haben." sowie Verhandlungsschrift Seite 11). Sonstige Gründe, die gegen eine Kontaktaufnahme mit seiner Familie und auch gegen einen weiteren Verbleib seiner Familie in Afghanistan sprechen würden, sind nicht hervorgekommen und wurden solche vom Beschwerdeführer auch nicht angeführt. Es bestehen daher von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts keine Bedenken daran, dass seine Familie - bis auf seinen älteren Bruder - nach wie vor im Heimatdorf lebt und der Beschwerdeführer mit dieser auch in Kontakt treten kann. Auch bestehen keine Zweifel daran, dass seine immer schon von der eigenen Landwirtschaft lebende Familie auch derzeit - wenn auch wie vom Beschwerdeführer behauptet unter erschwerten Bedingungen - leben kann (Verhandlungsschrift Seite 10). Gründe, die gegen eine (finanzielle) Unterstützungsmöglichkeit des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr durch die Familie sprechen würden, sind daher nicht erkennbar. Dabei darf insbesondere auch nicht übersehen werden, dass auch der in Belgien lebende Bruder der Familie finanziell unter die Arme greifen kann und dies in Bezug auf den Beschwerdeführer bereits auch schon der Fall war (Verhandlungsschrift Seite 6: "R: Wer hat Ihre Ausreise finanziert?

BF: Ich hatte selbst Geld bei mir und darüber hinaus haben mich zwei Freunde unterstützt. Mein Bruder, der in Belgien lebt, hat meine Schulden bei den Freunden beglichen.").

Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zu seinem Leben und seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen.

2. zu den Nichtfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen in Afghanistan:

Der Beschwerdeführer behauptet eine Verfolgung in Afghanistan wegen

1) einer Liebschaft zu einem Mädchen durch dessen Familie sowie 2) einer verweigerten Zusammenarbeit mit den Taliban, 3) seiner Augenfarbe und 4) seines politischen Engagements durch die Taliban.

Diese vom Beschwerdeführer behaupteten Bedrohungen konnten vom Beschwerdeführer insgesamt nicht plausibel und damit nicht glaubhaft gemacht werden.

Dazu ist bereits an dieser Stelle vorauszuschicken, dass der Beschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben in Bezug auf die behaupteten und unter den Punkten 2) bis 4) zusammengefassten Verfolgungen nie einer Bedrohung in Afghanistan in irgendeiner Form ausgesetzt und ihm überdies trotz dieser behaupteten Verfolgungen auch ein unbehelligtes Leben in Afghanistan möglich gewesen sein soll (Verhandlungsschrift Seite 19 in Bezug auf die behauptete verweigerte Zwangsrekrutierung: "R: Wurden Sie jemals persönlich aufgefordert, für die Taliban zu arbeiten? BF: Als ich dort die Schule besucht habe und dort gelebt habe, war unsere Wohngegend ein Kriegsgebiet. Die Taliban haben mich ausnutzen wollen. Sie haben mich aufgefordert, mich am Krieg zu beteiligen. Auch mein Bruder war der gleichen Drohung ausgesetzt und er konnte dort nicht leben. Deswegen hat er die Flucht ergriffen und er ist nach Belgien geflohen. R: Wann wurden Sie aufgefordert, für die Taliban zu arbeiten? BF: Damals, als ich die Schule dort noch besucht habe. Die Taliban setzen voraus, dass wenn man etwas älter ist, sie unterstützt. R: Wurden Sie konkret aufgefordert, für die Taliban zu arbeiten? BF: Nicht von Angesicht. R: Wie sonst? BF: Wenn man in so einer Gegend lebt, dann gibt es Personen, die für die Taliban arbeiten. Ich wurde mit keiner Waffe bedroht. Sie haben versucht, mich anzuwerben und gesagt: "Du musst wie dein Vater sterben". Sie haben versucht, mich auf die sanfte Art anzuwerben. Deswegen habe ich entschieden, in Kabul die Schule abzuschließen. Es war gefährlich. Es hätte auch anders ausarten können und auf der anderen Seite war es mein innigster Wunsch, meinen Abschluss zu machen; Verhandlungsschrift Seite 21 in Bezug auf sein Aussehen: "R: Waren Sie jemals in Afghanistan wegen Ihres Aussehens bedroht? BF: Ja. R:

Warum? BF: Wegen meiner Augenfarbe wurde ich dort diskriminiert. Die Familie hat sie auf den Fotos gesehen. Meine Augenfarbe ist jetzt nicht typisch für Afghanen. In der Gesellschaft, in Veranstaltungen wurde ich wegen meiner Augenfarbe beleidigt und ausgegrenzt. R:

Wurden Sie auch bedroht? BF: Das war die Drohung. R: Was war die Drohung? BF: Ich meine, dass ich anhand der Fotos identifiziert wurde. R: Wurden Sie ansonsten wegen Ihres Aussehens bedroht? BF:

Ich war einige Male solch einer Situation ausgesetzt. Beispielsweise wurde diskutiert und ich habe meine Meinung auch gesagt. Danach wurde mir vorgeworfen, dass ich nicht wie ein Afghane aussehe und auch nicht wie ein solcher wirke." sowie in Bezug auf sein politisches Engagement: "R: Waren Sie jemals in Afghanistan politisch engagiert? BF: Ja. R: Und zwar? BF: Ich habe Politikwissenschaften studiert. Ich habe Interesse an der Politik.

Deswegen war ich auch engagiert. R: Inwiefern haben Sie sich politisch engagiert? BF: Ich habe großes Interesse an der Politik. Ich wollte nach der Universität mit internationalen Beziehungen meinen Master machen. Ich wollte mich in meinen Gebieten weiterentwickeln. Ich habe während der Unizeit versucht, solange es ging, aktiv zu sein. Bei Sitzungen von Hochschülerschaften habe ich vorgesprochen. Auf der Uni und auch in der Akademie war es mein

Vorhaben aktiv zu sein. R: Wurden Sie in diesem Zusammenhang jemals bedroht? BF: Andere Studienkollegen, die Politikwissenschaften studiert haben, wurden von den Taliban verschleppt. R wiederholt die Frage. BF: Nein, dass ich aufgesucht werde, war nicht der Fall. R:

Ansonsten? BF: Nein, gar nicht."). So konnte der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen ohne diesbezügliche Probleme nach der von ihm selbst als "sanft" bezeichneten Anwerbung für die Taliban die Schule für ein Jahr in Kabul besuchen, anschließend trotz seines zusätzlich behaupteten politischen Engagements während seines Studiums sechs Semester in Nangarhar studieren und sogar zwischendurch in sein Heimatdorf zurückkehren (Verhandlungsschrift Seite 9: "R: Wann haben Sie Ihre Familie das letzte Mal im Heimatdorf besucht? BF: Ich habe bereits bei der Erstbefragung gesagt, dass es schwer für mich ist, es einzuschätzen. Ich war circa im 5. Semester, als ich sie besucht habe. R: In welchem Semester waren Sie, als Sie ausgereist sind? BF: Im 6. Semester."). Eine aktuelle konkret den Beschwerdeführer betreffende Bedrohung wegen den in den Punkten 2) bis 4) zusammengefassten Gründen kann daher schon allein deshalb nicht angenommen werden.

Aber auch die (oben zu Punkt 1) angeführte) behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Liebe zu einem Mädchen durch die Familie dieses Mädchens in Afghanistan konnte nicht plausibel und damit nicht glaubhaft gemacht werden. Dazu führte der Beschwerdeführer näher aus, er habe sich öfters in Afghanistan mit einem Mädchen getroffen, weshalb er eines Tages von deren (den Taliban angehörenden) Familie auf offener Straße und schlussendlich Tage danach auf der Universität beschossen worden sei.

Bereits aufgrund des Umstandes, dass es einem Teil seiner Familie nach wie vor möglich ist, im Heimatdorf zu leben, hingegen nach den getroffenen Länderfeststellungen und auch nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nur derjenige, der eine außereheliche

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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