TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/20 W167 2167265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2019
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Entscheidungsdatum

20.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W167 2167265-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Kärnten (BFA) vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Asylantrag.

2. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung nach AsylG durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater ihm gesagt habe, dass er nunmehr in einem Alter sei, dass ihn die Taliban in den Krieg holen würden. Da sein Vater Angst um das Leben des Beschwerdeführers gehabt habe, habe der Beschwerdeführer das Land verlassen.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer beim BFA einvernommen.

4. Mit Bescheid vom XXXX wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab und erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) zu. Es wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis XXXX erteilt.

5. In der rechtzeitig erhobenen zulässigen Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides machte der Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe geltend. Der Beschwerde ist ein klinisch-psychologischer Befund betreffend die kognitiven Fähigkeiten des Beschwerdeführers angefügt.

6. Am XXXX fand eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu statt, an der der Beschwerdeführer, seine gesetzliche Vertreterin und deren Vertreterin teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil, die Verhandlungsschrift wurde dem BFA übermittelt.

7. Mit seiner Eingabe vom XXXX nahm der Beschwerdeführer zu den in der Verhandlung zugrunde gelegten Länderberichten Stellung und zitierte darüber hinaus weitere Berichte betreffend Rekrutierungen durch die Taliban. Zudem wurde angeführt, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine bestimmte politische Gesinnung unterstellt würde, sodass Verfolgungsgefahr bestehe.

8. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 übermittelt.

9. Am XXXX langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Darin wird angeführt, dass in den aktuellen Länderberichten die Rekrutierung von Kindern nahezu gar nicht behandelt werde. Im Übrigen wurde auf die Stellungnahme vom XXXX verwiesen und auf die volatile Lage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist nunmehr volljährig, ledig, Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, sunnitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er stammt aus der Provinz Parwan. Die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Elternhaus des Beschwerdeführers, sein Vater hält sich ebenfalls noch in Afghanistan auf.

1.2. Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan im Jahr 2015. Im selben Jahr reiste er unter Umgehung der Grenzvorschriften nach Österreich ein und stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat Afghanistan nicht vorbestraft. Er hat sich nicht politisch betätigt, war nicht Mitglied einer politischen Partei und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in Afghanistan vorgebracht.

1.4. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und hat keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates dargetan. Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.

1.5. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.6. Zur aktuellen Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen:

1.6.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation betreffend Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen.

Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

Parwan

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul (Pajhwok o.D.a). Die Provinz grenzt im Norden an Baghlan, im Osten an Panjshir und Kapisa, im Süden an Kabul und (Maidan) Wardak und im Westen an (Maidan) Wardak und Bamyan (NPS o.D.). Die Provinz besteht aus folgenden Distrikten: Bagram, Jabal Saraj/Jabalussaraj, Salang, Sayed Khel/Saydkhel, Shinwar/Shinwari, Shikh Ali/Shekhali, Shurk Parsha/Surkh-e-Parsa, Charikar, Koh-e-Safi und Syiah Gird/Seyagerd/Ghorband (Pajhwok o.D.b, vgl. UN OCHA 4.2014, NPS o. D., LWJ 10.11.2017). Charikar ist die Provinzhauptstadt (Pajhwok o. D.b). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 687.243 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Usbeken, Quizilbasch, Kuchi und Hazara (NPS o.D.).

Im Distrikt Bagram gibt es einen Militärflughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation, Kapitel 3.35.). Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 1.2.2017; vgl. LWJ 12.11.2016); es ist der größte US-amerikanische militärische Stützpunkt der Provinz und ist manchmal von "high-profile"-Angriffen durch Aufständische betroffen (FP 20.6.2017; vgl. NYT 20.6.2017).

Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Bamyan verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen (Khaama Press 2.11.2015; vgl. Pajhwok 1.3.2017). Die Provinzhauptstadt von Parwan, Charikar, ist durch die Kabul-Charikar Road, auch "A76" genannt, mit Kabul verbunden (UN Habitat 3.2016).

In der Provinz werden Programme des Afghan Rural Enterprise Development Program (AREDP) zur Förderung der ländlichen Bevölkerung implementiert; zahlreiche Frauen profitieren von diesen Maßnahmen (Reliefweb 3.10.2017).

Parwan gehört zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Parwan gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans, in der Talibanaufständische in einigen abgelegenen Distrikten aktiv sind (TN 22.2.2018; vgl. Khaama Press 22.2.2018, Khaama Press 15.11.2017, Khaama Press 9.5.2017, OI 9.5.2017). Aus unruhigen Distrikten in der Provinz Parwan wird von Straßenbomben, Selbstmordangriffen, gezielten Tötungen und anderen terroristischen Angriffen berichtet. Deshalb werden Anti-Terrorismus Operationen durchgeführt, um die Aufständischen zu verdrängen (Khaama Press 22.2.2018). Talibanaufständische führen in einigen Teilen der Provinz Angriffe auf die Sicherheitskräfte aus (ATN 6.2.2018; vgl. AP 6.9.2017, AJ 20.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 63 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 77 zivile Opfer (20 getötete Zivilisten und 57 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von gezielten Tötungen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 31% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Parwan

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Tolonews 6.2.2018; vgl. Tolonews 20.12.2017, Tolonews 9.12.2017, Tolonews 4.10.2017, Tolonews 2.10.2017); dabei werden Talibankämpfer getötet (Tolonews 6.2.2018) und Waffen gefunden (Tolonews 9.12.2017). Auch werden Luftangriffe durchgeführt (Tolonews 2.10.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 30.9.2017; vgl. Tolonews 29.9.2017, Tolonews 27.7.2017, Tolonews 8.7.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Talibanaufständische sind in abgelegenen Distrikten der Provinz Parwan aktiv (Khaama Press 15.11.2017; vgl. Tolonews 30.9.2017, Khaama Press 9.5.2017). Die Distrikte Seyagerd/Ghorband und Shinwari zählten im November 2017 zu den umkämpften Distrikten der Provinz (LWJ 10.11.2017; vgl. Tolonews 2.10.2017, NYT 1.10.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden in der Provinz Parwan IS-bezogene Vorfälle (Gefechte) an der Grenze zu Kabul registriert; zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz hingegen keine sicherheitsrelevanten Ereignisse bzgl. des IS gemeldet (ACLED 23.2.2018).

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).

[...]

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

[...]

Rekrutierung von Kindern

Im Februar 2016 trat das Gesetz über das Verbot der Rekrutierung von Kindern im Militär in Kraft. Berichten zufolge rekrutieren die ANDSF und andere regierungsfreundliche Milizen in limitierten Fällen Kinder; die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen benutzen Kinder regelmäßig für militärische Zwecke. Im Rahmen eines Regierungsprogramms werden Schulungen für ANP-Mitarbeiter zu Alterseinschätzung und Sensibilisierungskampagnen betreffend die Rekrutierung von Minderjährigen organisiert sowie Ermittlungen in angeblichen Kinderrekrutierungsfällen eingeleitet (USDOS 20.4.2018).

1.6.2. Auszug aus der Landinfo-Arbeitsübersetzung betreffend Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017:

Rekrutierung von Minderjährigen

Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Junge und Mann fließend; ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit, die erweiterte Familie zu repräsentieren. Welchen Status jemand auf der Skala vom Kind zum Erwachsenen innehat und zu welchem Zeitpunkt erwachsenes Verhalten erwartet wird, entspricht im Regelfall weder den nationalen afghanischen Gesetzen noch dem Völkerrecht. Diese Tatsache, gepaart mit der demografischen Zusammensetzung, wirtschaftlichen, politischen und anderen kulturellen Gegebenheiten führt im Ergebnis dazu, dass bewaffnete Soldaten in verschiedenen Gruppen die im Völkerrecht festgelegten Altersgrenzen unterschreiten können. In der überwiegenden Mehrzahl aller Kontexte ziehen Afghanen bei der Beurteilung von Status, Stellung und Reife einer Person nur in geringem Ausmaß formelle und rechtliche Bestimmungen heran.

Wie bereits erwähnt, ist die erweiterte Familie die tonangebende gesellschaftliche Institution und bildet den Rahmen für die Familienmitglieder. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband "herauslösen" (Gespräch mit einer NGO, Kabul 2016).

Die Haltung der Taliban

Artikel 69 der Layha (Gesetzeskodex der Taliban) besagt, dass "Jugendliche" (deren Bärte aufgrund ihres Alters nicht sichtbar sind) von den Mudschaheddin nicht in Wohn- und Militärzentren untergebracht werden dürfen (Clark 2011, S. 12).

Auch wenn die Taliban regelmäßig abstreiten, dass die Organisation Minderjährige ("Kinder und Jugendliche") im Zusammenhang mit sogenannten dschihadistischen Operationen einsetzt, sind diese Richtlinien offensichtlich willkürlich. Entscheidend ist die Beurteilung durch den einzelnen Kommandanten. In der Praxis ist es die lokale Norm, die den Ausschlag gibt, wann jemand als reif und unabhängig gilt, nicht das tatsächliche Alter.

Ausmaß der Rekrutierung von Minderjährigen

Minderjährige werden zweifellos rekrutiert, allerdings lässt sich das Ausmaß schwer abschätzen und es bestehen vermutlich größere Abweichungen von Ort zu Ort. Da die Taliban nun vermehrt auf militärische Erfahrung und Expertise setzen, kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der rekrutierten Minderjährigen rückläufig ist.

Nach einem Bericht des VN-Generalsekretärs ist belegt, dass im Jahr 2016 91 Kinder in Afghanistan rekrutiert wurden. Diese Zahl bezieht sich auf alle Konfliktparteien, inklusive der afghanischen Sicherheitskräfte. Die meisten, so der Generalsekretär, werden durch die bewaffnete Opposition rekrutiert (VN-Generalsekretär 2017, S. 6). Nach einem Bericht des VN-Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte in Afghanistan (VN-Sicherheitsrat 2015, S. 5) ist die Rekrutierung von 560 Minderjährigen im Zeitraum 2010 bis 2014 für bewaffnete Operationen oder für andere Dienste für eine der bewaffneten Gruppierungen des Landes dokumentiert. Dies betrifft Minderjährige, die in Unterstützungsfunktionen tätig waren, als auch solche, die für aktive Kampfhandlungen eingesetzt wurden - Angaben bezüglich deren Aufteilung bzw. Alter liegen nicht vor. Nach Angaben des VN-Generalsekretärs wurden viele eingesetzt, um improvisierte Sprengkörper zu transportieren und zu verlegen. In diesem Vierjahreszeitraum registrierte die UNO 20 Fälle von Selbstmordanschlägen durch Minderjährige.

Die Traditionen und Normen im Kontext organisierter Gewalt legitimieren nach dem Verständnis von Landinfo die Mobilisierung von Personen unter 18 Jahren. Nach Einschätzung von Landinfo liegt die Zahl der in dieser Alterskategorie mobilisierten Personen vermutlich wesentlich höher, als es die begrenzte Anzahl der berichteten Fälle nahelegt. Für Landinfo liegt es klar auf der Hand, dass Menschen unter Verstoß gegen internationale Gesetze von allen bewaffneten Gruppen in Afghanistan rekrutiert und mobilisiert werden, sowohl durch die bewaffnete Opposition als auch die verschiedenen privaten Gruppen, die mit den Behörden kooperieren, die sogenannten regierungsfreundlichen Milizen. Bei den Sicherheitskräften gibt es verstärkte Kontrollen, die verhindern sollen, dass unter 18-Jährige rekrutiert werden, doch kommt es allem Anschein noch immer zu einer Rekrutierung von Minderjährigen durch die Sicherheitskräfte der Regierung. Der Dolmetscher Faizullah Moradi arbeitete für die norwegischen Kräfte in Afghanistan. Er erklärte gegenüber der Zeitung VG, dass er noch vor Erreichen des 18. Lebensjahrs als Dolmetscher eingestellt wurde, da er falsche Angaben bezüglich seines Alter gemacht und gefälschte Personaldokumente vorgewiesen hatte (Ege & Widerø 2014). Daraus ist ersichtlich, wie schwierig es ist, strenge Altersbestimmungen im Kontext Afghanistans umzusetzen.

Im Februar 2016 berichtete Human Rights Watch (HRW), "die Streitkräfte der Taliban haben seit Mitte 2015 unter Verstoß gegen das internationale Verbot des Einsatzes von Kindersoldaten unzählige Kinder in ihren Reihen aufgenommen". Eine Sprecherin der Organisation behauptete, die Taliban hätten Dreizehnjährige (und jünger) in den Madrassen von Kunduz, Takhar und Badakhshan rekrutiert. Aus Chahardara, einem Distrikt in Kunduz, seien im Jahr 2015 mehr als 100 Kinder rekrutiert worden. HRW meldete auch, dass die Taliban Ausbildungszentren in Kunduz eingerichtet hätten. Als Quelle für HRW fungierten unter anderem Verwandte von 13 der rekrutierten Kinder und Bewohner des Distrikts Chahardara von Kunduz (HRW 2016).

In einem Sonderbericht aus 2015 erklärte UNAMA, man sei im Besitz von "schlüssigen, glaubwürdigen Informationen, denen zufolge die Taliban während des Angriffs auf Kunduz eine große Anzahl an Kindersoldaten eingesetzt hätten" (UNAMA 2015). Zabihullah Mujahid, ein Sprecher der Taliban, wies diese Anschuldigungen in einer offiziellen Erklärung mit dem Hinweis zurück, dass die Rekrutierung von Kindern bei den Taliban strengstens verboten sei (Jolly 2016).

Demhingegen merkt Landinfo an, dass die Operation in der Stadt Kunduz im September/Oktober 2015 einen großen Propagandaeffekt hatte und für die Taliban von symbolischer Bedeutung war. Aus militärstrategischer Sicht handelte es sich dabei um eine militärisch komplexe und höchst offensive Aktion. Bedenkt man, dass die Streitkräfte der Taliban spezialisierter und professioneller geworden sind, mutet der Einsatz von relativ unerfahrenen Kindern in diesem Kontext eher ungewöhnlich an. Gleichzeitig war die Lage in Kunduz sehr chaotisch und entfaltete rasch eine Eigendynamik. Die Offensive wurde von der obersten Führung der Taliban eingeleitet, kurz danach schlossen sich jedoch neue Akteure an, nämlich lokale bewaffnete Gruppen und Milizen. Diese Gruppen unterstanden nicht dem Kommando irgendeiner der Parteien und sie waren massiv an Einbrüchen in Banken, Geschäfte, NGOs und öffentliche Ämter beteiligt (siehe zum Beispiel Landinfo 2015). Es ist möglich, dass Kinder in diesem Kontext eingesetzt wurden.

Ein Mitarbeiter einer NGO (NGO A, Gespräch in Kabul, Mai 2017) aus einem Distrikt in Kunduz behauptete, die Taliban hätten bezüglich Rekrutierung anscheinend eine langfristige Strategie und Perspektive. In der Provinz Kunduz werden große Madrassen mit einer Vielzahl von Studierenden eingerichtet. In einigen Jahren werden die Jungen dieser Madrassen Teil des Rekrutierungsreservoirs der Taliban bilden. Es wurde von Fällen berichtet, in denen sich Kinder freiwillig den Taliban angeschlossen hätten; wenn sie jedoch ihre Meinung ändern und die Bewegung verlassen wollen, können sie von den Taliban daran gehindert werden (HRW 2016).

Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren

Ein geregeltes Urkundenwesen ist der afghanischen Gesellschaft de facto fremd, viele Menschen wissen nicht genau, wie alt sie sind. Nach dem Wissensstand von Landinfo über die Rekrutierung von Minderjährigen kann man davon ausgehen, dass die Mehrzahl zwischen 15 und 18 Jahre alt ist. Diejenigen, die den Taliban eingegliedert werden, werden vermutlich nur nach Einsatzfähigkeit und Qualifikationen beurteilt, d.h. man wird mobilisiert, wenn man als tauglich befunden wird. Die Rekrutierung für die staatlichen Sicherheitskräfte ebenso wie für die bewaffnete Opposition (einschließlich der Taliban) ist nach Dafürhalten von Landinfo vor allem Ausdruck der strukturellen Gegebenheiten, die sich auf Entscheidungen auswirken, und kein faktischer Zwang seitens irgendeiner der beteiligten Parteien. Wie erwähnt, sind in vielen Gebieten bewaffnete Gruppen bzw. der Dienst für irgendeine der Konfliktparteien für junge Menschen die einzige Erwerbsmöglichkeit und Karrierechance.

Kinder unter 15 Jahren

Das humanitäre Völkerrecht bzw. das Kriegsrecht untersagt den Akteuren in einem bewaffneten Konflikt, Kinder unter 15 Jahren zu rekrutieren oder einzusetzen. Die Mobilisierung von Kindern unter 15 Jahren gilt nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) als ein Kriegsverbrechen.

Artikel 38, Absatz 2 und 3 der VN-Konvention über die Rechte des Kindes (siehe Barne-og familiedepartementet 2003) lautet wie folgt:

2. Die Vertragsstaaten treffen alle durchführbaren Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen.

3. Die Vertragsstaaten nehmen davon Abstand, Personen, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zu ihren Streitkräften einzuziehen. Werden Personen zu den Streitkräften eingezogen, die zwar das fünfzehnte nicht aber das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, so bemühen sich die Vertragsstaaten, vorrangig die jeweils ältesten einzuziehen.

Einigen Berichten zufolge sollen Kinder unter 15 Jahren Selbstmordanschläge verübt haben. Nach einem Bericht des VN-Generalsekretärs verübte ein 14-Jähriger im Februar 2014 einen Selbstmordanschlag in der Provinz Paktika (VN-Generalsekretär 2015, S. 6). In einem Gespräch mit Landinfo behauptete eine VN-Quelle (VN-Quelle A, April 2016), dass Kinder im Alter von nur 10-12 Jahren von den Taliban rekrutiert wurden. Nach Berichten des Nachrichtenmediums TOLO News soll es einem 12-jährigen Jungen, der 2015 einen Selbstmordanschlag in Faryab verüben hätte sollen, gelungen sein, vom Stützpunkt der Taliban zu entkommen. Der Vater des Jungen hatte seinen Sohn angeblich für AFN 700,000 (ca. USD 10,000) verkauft (TOLO News 2015). Im Jahr 2014 hätten drei Kinder im Alter von sechs, acht und zehn Jahren einen selbstgebauten Sprengkörper in einem Schubkarren transportieren sollen. Es kam zu einer Detonation, zwei der drei Kinder starben, eines wurde verletzt (VN-Generalsekretär 2015, S. 6). Der am häufigsten berichtete Einzelfall in den vergangenen Jahren datiert aus der Zeit der Aktionen der Taliban in der Stadt Kunduz im Jahr 2015. Dort sollen einige Minderjährige unter 15 Jahren dem Vernehmen nach von den Taliban mobilisiert worden sein (UNAMA 2015, S. 18).

Was über die Rekrutierung von Soldaten unter 15 Jahren dokumentiert ist, sowohl für die Taliban als auch für andere Gruppen, ist nahezu gänzlich anekdotisch. Wenig deutet darauf hin, dass die Taliban ihre Aktivitäten solcherart organisieren, dass eine große Anzahl von Personen unter 15 Jahren für die Teilnahme an militärischen Tätigkeiten und Kampfhandlungen rekrutiert wird.

Die geschilderten Erfahrungen und Eindrücke von Landinfo decken sich mit denen des UNHCR und mehreren der angeführten Quellen; nahezu alle unabhängigen militärischen Akteure mobilisieren Personen unter 18 Jahren. Auch wenn es kein repräsentatives Zahlenmaterial gibt, ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Mehrzahl der Mobilisierten zwischen 15 und 18 Jahre alt ist. Auch ist es richtig, dass viele von ihnen nach lokalen Standards als Erwachsene gelten. Unter Berücksichtigung der sogenannten verifizierten Fälle dürfte die Dunkelziffer vermutlich hoch sein.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen wurde auf Grundlage des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, der Erstbefragung nach dem Asylgesetz, der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA, des angefochtenen Bescheides, der rechtzeitigen und zulässigen Beschwerde dagegen, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt und der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, in der sich die erkennende Richterin einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, sowie aller im Verwaltungs- und Gerichtsakt einliegenden Schriftstücke bzw. Nachweise getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt.

2.1. Die getroffenen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (1.1. bis 1.3.) stützen sich auf folgende Beweiswürdigung:

Der im Einleitungssatz angeführte Name sowie das (angenommene) Geburtsdatum ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und dienen ausschließlich der Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Das Bundesverwaltungsgericht folgt dabei der Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers im verwaltungsbehördlichen Verfahren.

Die Feststellungen zur Staats-, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, zum Familienstand, sowie zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben im gesamten Verfahren. Die Angabe zu seiner Muttersprache bestätigte der Beschwerdeführer zuletzt in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in welcher eine Dolmetscherin für die angegebene Sprache beigezogen wurde und weder seitens des Beschwerdeführers noch seitens der Dolmetscherin Verständigungsschwierigkeiten angemerkt wurden.

Die Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des Beschwerdeführers, v.a. auch betreffend den Aufenthaltsort seiner Kernfamilie, in seinem Herkunftsstaat beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Ausreise aus Afghanistan sowie unter 1.3. ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.

2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte (1.4.), ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die zur Entscheidung berufene Richterin geht auf Grund ihres in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks davon aus, dass dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt.

Aus dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt.

Es wird nicht verkannt, dass es sich bei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einreise in Österreich sowie bei den Befragungen durch das BFA und das Bundesverwaltungsgericht um einen Minderjährigen handelte und daher darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Angaben des Beschwerdeführers aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgten und die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen" Maßstäben gemessen werden kann. Dennoch ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei den Einvernahmen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht bereits 16 Jahre alt gewesen ist. Betreffend den der Beschwerde angeschlossenen klinisch-psychologischen Befund ist darauf hinzuweisen, dass dieser lediglich aufgrund von unzureichenden Lernfortschritten veranlasst wurde. Zwar wurde hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten des Beschwerdeführers insgesamt ein unterdurchschnittliches Ergebnis festgestellt hat, gleichzeitig wurde jedoch festgehalten, dass die sequenzielle Verarbeitung, das visuelle Kurzzeitgedächtnis und das Erfassen räumlicher Zusammenhänge als altersentsprechend zu bewerten seien. Da dem Beschwerdeführer zudem auch eine hohe psychische Stabilität attestiert wurde, ergaben sich für das Bundesverwaltungsgericht aus diesem Befund keine Anhaltspunkte dafür, die Aussagekraft der vom Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen gemachten Angaben zu relativieren, sodass sich auch weitere Ermittlungen bezüglich den geistigen Zustand des Beschwerdeführers erübrigten.

Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung als Fluchtgrund an, dass sein Vater beschlossen habe, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen müsse, da er nunmehr in einem Alter sei, in dem die Taliban ihn in den Krieg holen würden. In der mündlichen Verhandlung und bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA brachte der Beschwerdeführer vor, dass er einerseits einen Anschlag der Taliban miterlebt habe und die Taliban zudem bereits mehrmals versucht hätten, ihn für Selbstmordattentate zu rekrutieren. Da er aber nicht für die Taliban habe arbeiten wollen, habe er das Land verlassen.

Vorauszuschicken ist, dass selbst wenn der Beschwerdeführer in seiner Person ein Risikoprofil der UNHCR-Richtlinien erfüllen würde, dies nicht per se zu einer asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung führt. Vielmehr erfordern die gegenständlichen UNHCR-Richtlinien eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall.

Festzuhalten ist zudem, dass der Beschwerdeführer während des gesamten verwaltungsbehördlichen Verfahrens von sich aus keine Belege für sein Vorbringen beibrachte. Besondere Bedeutung kommt daher dem Vorbringen des Asylwerbers zu, das auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen ist. Dieses muss genügend substantiiert, plausibel und in sich schlüssig sein. Es obliegt dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht altersadäquat einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Schließlich muss der Beschwerdeführer auch persönlich glaubwürdig sein. Im vorliegenden Fall gab der Beschwerdeführer zwar im gesamten Verfahren durchgängig an, dass er Afghanistan verlassen habe, da er eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban fürchtete. Er war jedoch nicht in der Lage diese Angaben seinem Alter entsprechend zu konkretisieren, sodass sein diesbezügliches Vorbringen überaus vage und unkonkret blieb. Zudem muss das Fluchtvorbringen eines Beschwerdeführers in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich - unter Berücksichtigung seines Alters - demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Abgesehen von dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung lediglich eine unspezifische Angst vor der Rekrutierung durch die Taliban äußerte, während er im späteren Verfahren konkrete Rekrutierungsversuche schilderte, zeigten sich im vorliegenden Fall auch mehrere Widersprüche zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA und jenen in der mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdeführer gab an, in der Koranschule das erste Mal von den Taliban aufgesucht worden zu sein. Dabei hätten sie ihm von ihren Plänen erzählt, ihn zu einem Selbstmordattentäter auszubilden und ihm angedroht, dass sie ihn das nächste Mal mitnehmen würden. Während er jedoch in der Einvernahme vor dem BFA angab, dass der Mullah, der sie unterrichtet habe, gesagt habe, dass die Ausländer umgebracht werden müssten (Einvernahmeprotokoll BFA S. 16), verneinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob der Mullah mit ihnen über die ausländischen Truppen geredet habe (Verhandlungsprotokoll S. 12, 15). Auffällig ist zudem, dass der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA schilderte, dass die Schüler in der Koranschule aufgrund der Rekrutierungen durch die Taliban immer weniger geworden seien (Einvernahmeprotokoll BFA S. 14). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht meinte er jedoch nichts darüber zu wissen, dass es Veränderungen in seiner Schülergruppe gegeben habe, und sagte erst über mehrfache Nachfrage vage aus, dass möglicherweise neue Schüler dazugekommen und andere weggegangen seien (Verhandlungsprotokoll S. 15). Außerdem erklärte er in der mündlichen Verhandlung, dass es ihm nicht aufgefallen sei, dass die Taliban noch mit anderen Kindern gesprochen hätten (Verhandlungsprotokoll S.14), während er bei der Befragung vor dem BFA angab, dass auch andere Kinder - genauso wie er - von den übrigen Schülern weggeholt worden seien, damit die Taliban versteckt mit ihnen sprechen könnten (Einvernahmeprotokoll BFA S.14). Über Vorhalt dieser Widersprüche erklärte er, dass er sich an vieles nicht mehr erinnern könne und die Befragung zudem während des Ramadan stattgefunden habe, sodass er deswegen einiges durcheinandergebracht habe. Bei den angeführten Widersprüchen handelt es sich jedoch nicht um Umstände, die man bei mangelnder Konzentration üblicherweise verwechselt. Es handelt sich nämlich nicht um Ungenauigkeiten bei zeitlichen Abläufen oder besondere Details, sondern um Umstände, die sich entweder ereignet haben oder nicht. Eine Verwechslung ist daher kaum anzunehmen. Auch das Argument, dass er sich an vieles nicht mehr erinnern könne, ist vor dem Hintergrund, dass die beiden Befragungen in einem Abstand von nur ca. einem halben Jahr stattgefunden haben und die maßgeblichen Ereignisse zu diesem Zeitpunkt lediglich eineinhalb bzw. zwei Jahre zurückliegen, keine schlüssige Erklärung für derartige Widersprüche.

Eine weitere Ungereimtheit besteht auch in Bezug auf die Frage, wo sich der Beschwerdeführer zwischen dem letzten Rekrutierungsversuch der Taliban und der Ausreise aus Afghanistan aufgehalten habe. In der Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass er sich zuhause versteckt habe (Einvernahmeprotokoll BFA S. 15). Auch über mehrfache Nachfrage erklärte er zumindest ein Monat in seinem Heimatdorf geblieben zu sein und erst dann seine Ausreise angetreten zu haben (Einvernahmeprotokoll BFA S. 16). Diese Aussagen wurden in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides aufgegriffen und als unglaubwürdig erachtet, da die Taliban bereits sein Haus aufgesucht hätten und er sich wohl daher dort nicht für zwei Monate erfolgreich hätte verstecken können (angefochtener Bescheid S. 87). Demgegenüber erklärte er in der mündlichen Verhandlung, dass er die Zeit bis zu seiner Ausreise bei seiner Großmutter in einem anderen Dorf verbracht habe und dass dieser Aufenthalt ungefähr zwei Wochen lang gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S. 10). Hier ergeben sich also sowohl hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts in Afghanistan nach der letzten Aufforderung der Taliban als auch hinsichtlich des Ortes, an dem er sich in dieser Zeit aufgehalten habe, deutliche Unstimmigkeiten.

Des Weiteren ergibt sich aus dem Einvernahmeprotokoll des BFA der Eindruck, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen während dieser Befragung zu steigern versuchte. Denn während er auf die erste Frage nach seinem Fluchtgrund lediglich von dem ersten Rekrutierungsversuch der Taliban in der Koranschule berichtete und sogar über zweimalige Nachfrage bestätigte, dass dies sein gesamter Fluchtgrund gewesen sei (Einvernahmeprotokoll BFA S. 10), erklärte er erst auf die Frage, was in den zwei Monaten bis zu seiner Ausreise geschehen sei, dass die Taliban danach noch zweimal seinen Vater aufgesucht hätten (Einvernahmeprotokoll BFA S. 14). Außerdem gab er am Beginn der Einvernahme an, dass seine Eltern und Geschwister nach wie vor im Heimatdorf leben würden (Einvernahmeprotokoll BFA S. 9), erklärte jedoch im Zuge der Befragung zu seinem Fluchtgrund, dass sein Vater sich zurzeit vor den Taliban verstecke (Einvernahmeprotokoll BFA S. 15) und sich nicht mehr in seinem Heimatdorf aufhalte. Auch in der mündlichen Verhan

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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