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44 Zivildienst;Norm
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. Adolf Brandl, Rechtsanwalt in Frankenmarkt, Hauptstraße 102, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1998, Zl. 203.142/3-IV/10/98, betreffend Befreiung von der Zivildienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem im Jahre 1974 geborenen, seit 22. August 1995 zivildienstpflichtigen Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1995 der Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes bis 30. September 1999 zum Zweck des Abschlusses seiner Schulausbildung (an einer Bundeshandelsakademie) bewilligt.
Mit einem per Fax an das Militärkommando Oberösterreich gerichteten, mit 15. Juli 1998 datierten Schreiben namens der P. GmbH & Co KG (P. ist der Familienname des Beschwerdeführers) wurde ein Antrag auf Befreiung des Beschwerdeführers "vom Präsenzdienst" gestellt. Dieser Antrag wurde offenkundig an die belangte Behörde weitergeleitet. Diese ging davon aus, daß ein Antrag auf Befreiung von der Zivildienstpflicht gemeint war und leitete mit Schreiben an den Beschwerdeführer vom 3. August 1998 ein diesbezügliches Verwaltungsverfahren ein. Der Beschwerdeführer ließ sich in dieses Verfahren ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der oben genannte Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG abgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres auf Antrag einen Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern, von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien.
Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, daß sein Vater auf Grund eines Arbeitsunfalles im Jahre 1988 nicht mehr in der Lage sei, "seinen Verpflichtungen als Geschäftsführer der P. GmbH & Co KG" (eines Möbeltischlereiunternehmens mit 16 Arbeitnehmern) nachzukommen. Der Beschwerdeführer müsse daher auf Grund einer im Jahr 1998 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes seines Vaters diese Funktion übernehmen. Auf Grund seines "Insider-Wissens" sei er im Betrieb nicht entbehrlich und könne auch durch keinen Dritten ersetzt werden. Er sei Gesellschafter der GmbH und Kommanditist der GmbH & Co KG und seit 1998 alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, der Beschwerdeführer und seine Angehörigen hätten die ihnen seit dem Eintritt der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers im Jahre 1995 zukommende Pflicht zur Harmonisierung ihrer wirtschaftlichen Dispositionen mit der Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers verletzt. Der Beschwerdeführer hätte während seines Schulbesuches, der der Grund für die Bewilligung für den Aufschub des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes gewesen sei, im Verein mit seinem Vater die nötigen Vorkehrungen für den Fall treffen müssen, daß für den Betrieb verantwortliche Personen durch Krankheit oder - wie im Fall des Beschwerdeführers - durch Erfüllung der Zivildienstpflicht für längere Zeit ausfallen. Die aus dem Jahr 1988 herrührende gesundheitliche Beeinträchtigung stellte sich als 50 %ige Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Beines dar, doch übe der Vater des Beschwerdeführers die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers aus und sei nach wie vor im Unternehmen tätig.
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde dagegen vor, der Gesundheitszustand seines Vaters habe sich im Sommer 1998 "geradezu schlagartig" verschlechtert. Dieser habe deswegen nicht nur seine Geschäftsführerfunktion zurückgelegt, sondern seine Tätigkeit im Unternehmen zur Gänze eingestellt. Er selbst habe seinerseits unvorhergesehen und kurzfristig die Geschäftsleitung übernehmen müssen, um die Fortführung des Gewerbebetriebes zu ermöglichen.
In dem dem Verwaltungsverfahren zugrundeliegenden Antrag war in Ansehung der im Jahr 1998 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers insoferne die Rede, als ausgeführt wurde, daß der im Jahr 1988 erlittene Unfall dazu führe, daß bei Fortführung seiner jetzigen Tätigkeit seine Bewegungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt würde und unter Umständen die absolute Bewegungsunfähigkeit entstehen könnte. Er habe sich "laufend" Therapien zu unterziehen und sei im Augenblick nicht mehr in der Lage, seinen Geschäftsführerverpflichtungen nachzukommen. Dazu wurde auf ein beiliegendes Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie verwiesen (letzteres befindet sich nicht unter den von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen).
Die Begründung des angefochtenen Bescheides geht auf den Umstand der im Jahr 1998 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers, insbesondere auch auf deren Unvorhersehbarkeit, nicht ein. Wenn dieser Sachverhalt in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erstmalig ausdrücklich in dieser Deutlichkeit formuliert wurde, ist diese Behauptung doch offenkundig im ursprünglichen Antrag bereits enthalten. Es handelt sich daher bei dieser Behauptung nicht um eine unzulässige Neuerung. Mangels Eingehens auf diese Behauptung und mangels vollständiger Vorlage der Entscheidungsgrundlagen der belangten Behörde kann der Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfen, ob diese Behauptung als zutreffend zu werten ist oder nicht. Sollte sie zutreffen, könnte den vom Beschwerdeführer geltend gemachten (wirtschaftlichen) Interessen im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG die besondere Rücksichtswürdigkeit nicht im Hinblick auf eine Verletzung der Harmonisierungspflicht abgesprochen werden. Könnte doch angesichts des Eintretens unvorhergesehener Umstände von einer solchen Pflichtverletzung nicht die Rede sein (vgl. dazu das zu § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, Zl. 88/11/0045).
Der angefochtene Bescheid ist infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig, da er in seiner Begründung in einem wesentlichen Punkt auf Parteienvorbringen nicht eingeht. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110310.X00Im RIS seit
20.11.2000