TE Bvwg Beschluss 2019/3/21 W112 2115684-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2019
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Entscheidungsdatum

21.03.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W112 2115684-3/4E

BESCHLUSS

Im Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019, Zl. 820694407-190182119, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019, Zl. 820694407-190182119, wird aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach einem Asylantrag in XXXX am 06.06.2012 unter Vorlage seines Inlandsreisepasses seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich XXXX zu dem er am selben Tag polizeilich erstbefragt wurde. Das Verfahren wurde am 10.06.2012 durch Ausfolgen der Aufenthaltsberechtigungskarte zugelassen.

Nach der Zustellung des Ladungsbescheides vom 23.07.2012 ersuchte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom folgenden Tag um die Beigabe eines TSCHETSCHENISCHEN Dolmetschers für die mündliche Verhandlung. Mit Eingabe vom 14.08.2012 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er anders heiße; der am 06.06.2012 vorgelegte Pass sei eine Fälschung. Auch die Angaben zu seinen Eltern, Geschwistern, seiner Schulausbildung und seiner Meldeadresse seien falsch gewesen. Mit Eingabe vom 22.08.2012 legte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin die Kopie des Inlandsreisepasses, der Geburtsurkunde, von Schulzeugnissen, eines Collegediploms, der Versicherungskarte und zweier Lieferscheine vor; diese Unterlagen habe er vor zwei Tagen von seiner Mutter im Wege eines Freundes erhalten. Am 23.08.2012 vernahm das Bundesasylamt den Beschwerdeführer niederschriftlich ein. Laut kriminaltechnischem Untersuchungsbericht vom 03.10.2012 können an der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung festgestellt werden und es handelt sich um einen authentischen Formularvordruck. Mit Schreiben vom 08.04.2013 räumte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu den Länderberichten ein.

Mit Bescheid vom 29.07.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies ihn in die Russische Föderation aus.

Mit Schriftsatz vom 08.08.2013 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Asylgerichtshof. Mit 01.01.2014 ging das Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht über.

Mit Schriftsatz vom 05.01.2015 lud das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung und räumte ihm Parteiengehör zu den Feststellungen zur Lage in Tschetschenien und zur innerstaatlichen Fluchtalternative von Tschetschenen in Russland ein. Am 18.0.2015 fand die hg. mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Tschetschenisch statt, in der der Beschwerdeführer zwei russische Ladungen vorlegte. Mit Schriftsatz vom 04.03.2015 erstattete der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Vertreterin eine Stellungnahme. Der Stellungnahme war ein Unterstützungsschreiben des röm.-kath. Pfarramtes beigelegt.

Mit Erkenntnis vom 08.05.2015, dem Beschwerdeführer zugestellt am 18.05.2015, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz als unbegründet ab; im Übrigen verwies des das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück.

Der Beschwerdeführer stellte Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde bzw. Revision an den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, denen die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nicht Folge gaben. Beschwerde oder Revision wurde nicht erhoben.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vernahm den Beschwerdeführer am 18.09.2015 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch ein.

Mit Bescheid vom 21.09.2015 erteilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein.

Mit Schriftsatz vom 29.09.2015 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen diesen Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis vom 20.10.2015, dem Beschwerdeführer zugestellt am 29.10.2015, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

Beschwerde oder Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht erhoben.

3. Am 02.12.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung an das Bundesamt. Mit Schriftsatz vom 16.11.2015 erstattete die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers eine Stellungnahme.

Am 19.01.2016 stellte der Föderale Migrationsdienst der Russischen Föderation ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer aus. Demzufolge handelt es sich beim Beschwerdeführer um XXXX , geb. XXXX StA Russische Föderation. Am 20.01.2016 erteilte das Bundesamt einen Abschiebeauftrag auf dem Luftweg, einen Festnahme und Durchsuchungsauftrag. Der Beschwerdeführer wurde am 10.02.2016 in seiner Wohnung in XXXX festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum überstellt. Er verweigerte die Bestätigung der Zustellung der Information über die bevorstehende Abschiebung "vehement".

Die Abschiebung am XXXX wurde, nachdem dem Beschwerdeführer bei der Durchsuchung am Terminal XXXX aus seiner Jackentasche abgenommen und sichergestellt wurde, nach dem Boarding abgebrochen, weil der Beschwerdeführer einen XXXX erlitt. Der Beschwerdeführer war XXXX im XXXX auf der XXXX - XXXX stationär aufgenommen zwecks Observanz und Medikamenteneinstellung; weitere Maßnahmen waren nicht nötig. Er wurde auf eigenen Wunsch aus dem Spital entlassen.

Mit Bescheid vom 29.02.2016 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück.

4. Am 05.04.2016 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Am folgenden Tag wurde er polizeilich erstbefragt. Am 06.04.2016 entschied das Bundesamt mit Prognoseentscheidung, ein Folgeantragsverfahren zu führen.

Am 12.04.2016 wurde der Beschwerdeführer wieder in die Grundversorgung aufgenommen und in ein Quartier der Grundversorgung in XXXX überstellt. Dieses verließ er am 02.06.2016 und zog an eine private Adresse in XXXX .

Am 15.06.2016 wurde er unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Am 02.08.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch erneut niederschriftlich einvernommen. Am Ende der Einvernahme legte der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge eine schriftliche Bestätigung des Innenministeriums vor, dies beziehe sich auf absichtliche schwere Körperverletzung. Es handle sich um einen Fahndungsauftrag des Kreises XXXX an den Bezirk XXXX . Dieses Schriftstück habe ihm sein Vater von zu Hause geschickt. Er wisse aber nicht, wer seinem Vater das Papier gegeben habe.

Mit Bescheid vom 04.08.2016, dem Beschwerdeführer zugestellt am 06.08.2016, wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 05.04.2016 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch den Statuts des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte ihm eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2016 erhob der Beschwerdeführer vertreten durch XXXX und XXXX Beschwerde gegen diesen Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis vom 09.05.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 10.05.2017, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

Beschwerde oder Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht erhoben.

5. Mit Ende OKTOBER 2017 stellte die Grundversorgung die Verpflegungsleistungen für den Beschwerdeführer ein.

Laut dem E-Mail des Bundesamtes vom 24.11.2017 hat der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin, XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, verheiratet, und zwei Kinder in Österreich, die an einer anderen Adresse gemeldet sind.

Die Russische Föderation stellte am 15.11.2017 erneut ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer aus.

Das Bundesamt erteilte am XXXX den Abschiebeauftrag, am 24.11.2017 Festnahme und Durchsuchungsauftrag. Der Festnahmeauftrag konnte am 29.11.2017 zu mehreren Zeitpunkten nicht vollzogen werden. Ermittlungen ergaben, dass sich der Beschwerdeführer schon seit einigen Monaten nicht mehr an der Adresse aufhielt. Auch die Erhebungen an der Adresse der Lebensgefährtin in XXXX verliefen negativ.

Die Abschiebung am XXXX wurde storniert.

Der Wohnsitz des Beschwerdeführers wurde am 14.02.2018 amtlich abgemeldet.

Am 26.03.2018 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag betreffend den Beschwerdeführer.

Mit 25.04.2018 stellte die Grundversorgung die Krankenversicherung und die Bezahlung der Miete für den Beschwerdeführer ein.

6. Am 20.02.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

In der polizeilichen Erstbefragung am selben Tag gab er unter Beziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch an, dass er sich von XXXX bis XXXX in XXXX aufgehalten habe. Im XXXX 2017 habe er erfahren, dass seine Eltern in Tschetschenien mit dem Umbringen bedroht werden. Man wolle, dass er unbedingt nach Tschetschenien zurückreise. Die Regierungsbeamten bzw. Behörden bedrohen ihn. Er werde aktuell immer noch bedroht. Im Falle der Rückkehr werde er unbedingt umgebracht.

Mit Prognoseentscheidung vom 20.02.2019 beschloss das Bundesamt, ein Folgeantragsverfahren durchzuführen.

Der Beschwerdeführer wurde in der Betreuungsstelle XXXX wieder in die Grundversorgung aufgenommen.

7. Mit Verfahrensanordnung vom 27.02.2019 teilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt davon ausgehe, dass entschiedene Sache iSd § 68 AVG vorliege, weiters, dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, schließlich dass er der Meldeverpflichtung unterliege. Mit einer weiteren Verfahrensanordnung vom selben Tag verpflichtete das Bundesamt den Beschwerdeführer, Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen.

Am 14.03.2019 vernahm das Bundesamt den Beschwerdeführer unter Beziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich ein. Dabei machte er folgende Angaben:

"LA: Haben Sie in der EU bzw. in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet) bzw. sonstige Verwandte?

VP: Eine Cousine lebt in XXXX , ich habe aber kaum zu ihr Kontakt.

LA: Haben Sie Beweismittel die Sie vorlegen können?

VP: Ja, einen polizeilichen Auftrag vom 18.01.2016 mich zu suchen. Das hat mein Vater seinerzeit übernommen, das habe ich auch im Vorverfahren schon angegeben. In Kopie zum Akt.

Übersetzung: Anklage wegen: Vorsätzlicher Zufügung schwerer Körperverletzung vom 14.10.2011. Artikel 111 Teil 3 StGB RF (russische Föderation)

LA: Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP: Sie haben keine Beweise, das ist erfunden.

LA: Sie haben bereits eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten, womit Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag auf internationalen Schutz gem. § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben. Sie haben nunmehr Gelegenheit zur geplanten Vorgangsweise des Bundesamtes Stellung zu nehmen. Was spricht gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme, über die bereits rechtkräftig abgesprochen worden ist?

VP: Ich will nicht nach Tschetschenien zurück.

LA: Sind Ihre Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht?

VP: Ja.

LA: Ihre Vorverfahren wurden mehrfach rechtskräftig negativ entschieden. Warum stellen Sie erneut einen Antrag auf internationalen Schutz?

VP: Im XXXX 2017 wurde ich angerufen und es wurde mir gesagt, dass es "unsere Leute" auch hier gibt und dass sie mich umbringen werden.

LA: Wer war das?

VP: Das waren irgendwelche Tschetschenen, von denen ich glaube dass sie für KADYROW arbeiten. Sie sagten ich solle zurückkehren, sonst bringen sie meine Eltern um. Warum bekam ich da einen negativen Bescheid? Ich fordere meine Menschenrechte ein.

LA: Sie waren laut eigenen Angaben von XXXX bis XXXX in XXXX aufhältig. Was haben Sie dort gemacht?

VP: Ich war in XXXX und dort Obdachlos. Es gibt dort Unterkünfte für Obdachlose und so habe ich gelebt. Ich verkühlte mich dort stark und ging ins Krankenhaus. Dazu kann ich eine Bestätigung vorlegen. In Kopie zum Akt, von XXXX

LA: Warum haben Sie in dieser Zeit Österreich verlassen?

VP: Weil ich angerufen wurde und bedroht wurde bin ich ausgereist. Hier bin ich nicht sicher. Aber auch in XXXX wurden Tschetschenen nach Russland ausgeliefert, ich hörte auch, dass einer dort umgebracht wurde.

LA: Hat sich Bezüglich Ihrer Fluchtgründe etwas geändert?

VP: Nein.

LA: Gehen Sie in Österreich einer geregelten Arbeit nach?

VP: Nein, ich wohne hier im Lager da gibt's keine Arbeit.

LA: Ihnen wurden die Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsstaat bereits vorab zur Kenntnis gebracht. Haben Sie eine schriftliche Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zur Russische Föderation/Tschetschenien vorbereitet?

VP: Nein, das brauche ich nicht.

LA: Wollen Sie zu den Länderfeststellungen eine Stellungnahme abgeben?

VP: Nein, ich bin informiert.

Vorhalt: Das von Ihnen dargebrachte Vorbringen ist nicht geeignet, einen neuen asylrelevanten Sachverhalt zu begründen, es ist beabsichtigt, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung steht Ihnen nicht zu. Was möchten Sie dazu angeben?

VP: Was macht das für einen Unterschied, ich kann nicht einmal meine Eltern anrufen weil die Telephone überwacht werden. Wie soll ich nach Hause gehen.

Auf Nachfrage erklärt der ASt. ausreichend Gelegenheit gehabt zu haben, die Gründe für seinen Asylantrag vollständig und umfassend zu schildern und auch alle sonstigen Hindernisse darzulegen, die einer Rückkehr ins Heimatland entgegenstehen. Er bestätigt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher gab.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

VP: Ja.

LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?

VP: Ja.

Anmerkung: Dem Rechtsberater wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

Der RB hat keine Fragen oder Anträge.

[...]

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie noch etwas hinzufügen oder ergänzen?

VP: Nein."

8. Im Anschluss daran hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz mit mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.

Diesen Bescheid gründete es auf folgende Feststellungen:

"C) Feststellungen

Die Behörde gelangt daher zu folgenden Feststellungen:

-

zu Ihrer Person:

Ihre Identität wurde bereits im Vorverfahren festgestellt.

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

-

zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:

Zu wiederholtem Male geben Sie vor der Behörde angeblich neu entstandene Sachverhalte an.

Diese Vorbringen waren allesamt nicht glaubhaft.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert.

Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

-

zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation/Tschetschenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

-

zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen kann kein unverhältnismäßiger Eingriff in Ihr durch Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens erkannt werden.

Zu Russische Föderation/Tschetschenien werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem aktuellsten Stand).

[...]"

Beweiswürdigend führte das Bundesamt Folgendes aus:

"-

betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Diese wurden den vorliegenden Akteninhalten entnommen und wurden von Ihnen in der nunmehrigen Einvernahme nicht abgeändert bzw. als falsch aufgezeigt.

-

betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung:

Der Feststellung wurde Ihr Vorbringen in den Vorverfahren sowie Ihr heutiges Vorbringen zu Grunde gelegt.

Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb Sie nicht in Ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, sind nicht glaubwürdig.

Zu wiederholtem Male bringen Sie neue Varianten Ihrer Erzählung vor, offensichtlich zu dem einzigen Zweck, das Verfahren vorsätzlich zu verzögern.

Im nunmehrigen Asylantrag haben Sie offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt.

Wenn nach Ihnen in Russland wegen eines Verbrechens tatsächlich gefahndet werden sollte, so kann Ihre Entziehung vor gerechtfertigter Strafe niemals einen asylrelevanten Sachverhalt begründen. Höchst dubios bleibt dabei allerdings wie ein solches polizeiliches Dokument ohne Ihrer Habhaft geworden zu sein in Ihre Hände gelangt sein soll.

Die Behauptung es sei dies Ihrem Vater ausgehändigt worden widerspricht jeglicher international üblichen Polizeiarbeit.

Es muss Ihnen daher in Gesamtbetrachtung des Falles jegliche persönliche Glaubwürdigkeit entschieden abgesprochen werden.

Die vorgebrachten Gründe sind daher nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter asyl- bzw. refoulementrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Werden nur Nebenumstände modifiziert, so wie in diesem Fall, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl, zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057).

Die erkennende Behörde kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen

Anzumerken ist noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund ihres Vorbringens eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar ist.

-

betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation:

Die Lage in Ihrem Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über Ihren vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland in Verbindung mit Ihrem Vorbringen droht Ihnen keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 beschrieben.

Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

-

betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Diese wurden aufgrund Ihrer nicht anzuzweifelnden Angaben getroffen.

Sie sind ledig und haben keine Kinder.

Ein schützenswertes Familienleben kann nicht festgestellt werden.

-

betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen objektiven Zusammenstellungen und Auskünften der aktuellsten österreichischen Staatendokumentation."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

"In Ihrem Fall liegt ein Folgeantrag vor. Ihr Vorverfahren wurde mit VZ: 1018153rechtskräftig.

Die gegen Sie ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung ist aufrecht, zumal Sie zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen haben.

Sie verfügen über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Ihr nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz ist voraussichtlich zurückzuweisen, da Sie keinen neuen Sachverhalt vorgebracht haben und sich auf Ihre schon behandelten Fluchtgründe bezogen, bzw. das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehrt. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung, z.B. die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, ist bereits gegeben bzw. steht unmittelbar bevor.

Auch hat sich die allgemeine Lage in Ihrem Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert.

Bereits in Ihrem Vorverfahren wurde festgestellt, dass Ihnen bei einer Rückkehr oder Abschiebung in Ihr Herkunftsland keine Verletzung Ihrer Integrität droht. Da sich die allgemeine Lage wie auch Ihre persönlichen Verhältnisse und Ihr körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert haben, kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in Ihrem Herkunftsstaat für Sie zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen wird.

Selbiges gilt für Ihre persönlichen Verhältnisse. Auch bezüglich dieser ist keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwuchs, ist somit nach wie vor nicht anzuzweifeln.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland in Verbindung mit Ihrem Vorbringen kann somit davon ausgegangen werden, dass Ihnen keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, droht.

Es liegen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor, sodass spruchgemäß zu entscheiden war."

Auf die Frage, ob er mit dieser Entscheidung einverstanden sei oder gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben wolle, gab der Beschwerdeführer an, dass er mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sei und lieber hierbleiben wolle.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 14.03.2019 ordnete das Bundesamt die Unterkunftnahme des Beschwerdeführers in der Betreuungsstelle XXXX an.

10. Mit Anschreiben vom 14.03.2019 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Akt vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Der Akt langte am 18.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig und Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Seine Identität steht fest.

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.06.2012 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.2015 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.10.2015 eine Rückkehrentscheidung verhängt. Das Gericht erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte ihm eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein.

Der Beschwerdeführer kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach. Der Abschiebeversuch am XXXX wurde abgebrochen, weil der Beschwerdeführer einen XXXX an Bord des Flugzeuges hatte; zuvor war XXXX in seiner Jackentasche gefunden und sichergestellt worden. Er wurde am XXXX auf eigenen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen.

Den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 vom 02.12.2015 wies das Bundesamt mit Bescheid vom 29.02.2016 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ab. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

Der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.04.2016 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.05.2017 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; das Gericht erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und räumte ihm eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein.

Der Abschiebeversuch am XXXX wurde storniert, weil sich der Beschwerdeführer schon seit Monaten nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhielt und unbekannten Aufenthalts war; er konnte nicht festgenommen werden.

Mit Ende OKTOBER 2017 stellte die Grundversorgung die Verpflegungsleistungen für den Beschwerdeführer ein, am 14.02.2018 wurde sein Wohnsitz behördlich abgemeldet und mit 25.04.2018 stellte die Grundversorgung die Krankenversicherung und die Bezahlung der Miete für den Beschwerdeführer ein. Er war bis zur dritten Asylantragstellung unbekannten Aufenthalts.

Am 20.02.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Sowohl in der Erstbefragung am 20.02.2019 als auch in der Einvernahme am 14.03.2019 gab er an, sich XXXX bis XXXX in XXXX aufgehalten zu haben; als Beleg dafür legte er in der Einvernahme seinen Angaben zufolge eine XXXX Krankenhausbestätigung vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Identität des Beschwerdeführers gründen sich auf die Heimreisezertifikate, das der Föderale Migrationsdienst ausstellte.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den beigeschafften Gerichtsakten. Die Angaben zu den Abschiebeversuchen beruhen auf den vorgelegten fremdenpolizeilichen Akten.

Die Abmeldung der Meldeadresse des Beschwerdeführers steht auf Grund des ZMR-Auszuges fest; die Angaben zur Einstellung der Grundversorgung gründen sich auf den GVS-Auszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Entscheidung über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes

1. Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

1.1. §12a (2) AsylG 2005:

"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

1.2. § 22 BFA-VG:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

2. Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005.

Mit Erkenntnis vom 09.05.2017 erließ das Bundesverwaltungsgericht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gegen den Beschwerdeführer. Das Erkenntnis ist rechtskräftig. Dies stellte die belangte Behörde zutreffend fest.

3. Für Rückkehrentscheidungen nach § 52 FPG ordnet § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005 an, dass sie jedenfalls 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben (VwGH 29.06.2017, Ro 2016/21/0007). § 12a Abs. 6 AsylG 2005 entspricht § 10 Abs. 6 AsylG 2005 aF (s. EB zur RV 1803 BlgNR 24. GP 39). § 10 Abs. 6 AsylG 2005 sah ebenfalls vor, dass asylrechtliche Ausweisungen "binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden" aufrecht blieben; die EB zur RV 330 BlgNR 24. GP 10 führte aus, dass mit § 10 Abs. 6 ein zeitliches Element für asylrechtliche Ausweisungen festgelegt werden sollte, demzufolge durch die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet eine asylrechtliche Ausweisung nicht mehr sofort konsumiert werden sollte.

Seit der Erlassung der Rückkehrentscheidung mit Erkenntnis vom 09.05.2017 sind mehr als 18 Monate vergangen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Beschwerdeführer der Ausreiseverpflichtung nachkam und seither mehr als 18 Monate vergangen sind.

4. Eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat (§ 52 Abs. 8 FPG; vgl. VwSlg. 19.086 A/2015).

Der Beschwerdeführer brachte in der Erstbefragung vor, dass er sich von XXXX bis XXXX in XXXX aufgehalten habe. In der niederschriftlichen Einvernahme ergänzte er, dass er in XXXX und dort obdachlos gewesen sei. Es gebe dort Unterkünfte für Obdachlose und so habe er gelebt. Er habe sich dort stark verkühlt und sei ins Krankenhaus gegangen. Dazu legte er eine Krankenhausbestätigung aus XXXX vor.

XXXX ist nicht der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, aber ein Drittstaat bzw. Transitland iSd § 52 Abs. 8 FPG.

Trifft es zu, dass der Beschwerdeführer Österreich nach rechtskräftiger Erlassung der gegen ihn im Zuge seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz ergangenen Rückkehrentscheidung verlassen hat und in XXXX ausgereist ist, ist er seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen. Es stellt sich daher die Frage, ob die mit Erkenntnis vom 09.05.2017 erlassene Rückkehrentscheidung bereits konsumiert ist:

Ist es zu einer "Konsumation" der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung gekommen (vgl. VwGH 25.03.2010, 2010/21/0006 zu § 10 AsylG 2005 aF), hat die Rückkehrentscheidung ihre rechtliche Existenz verloren (vgl. VwGH 25.03.2010, 2010/21/0006; 22.01.2014, 2013/21/0004, zu § 10 AsylG 2005 aF).

5. Auch wenn die 18 Monats-Frist des § 12a Abs. 6 AsylG 2005 zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 20.02.2019 auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge - ungeachtet der vom Bundesamt nicht erhobenen Frage, wann der Beschwerdeführer aus Österreich ausgereist ist - gegebenenfalls noch nicht abgelaufen war, war dies im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen am 14.03.2019 Bescheides dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge jedenfalls der Fall.

Der Verwaltungsgerichtshof ging in seiner Rechtsprechung zu Schubhaftverfahren betreffend § 10 Abs. 6 AsylG 2005 aF davon aus, dass die Ausweisung mit dem Ablauf der 18-Monatsfrist auch dann konsumiert wurde, wenn der Beschwerdeführer vor Ablauf der 18 Monate wieder nach Österreich einreiste und der der Ablauf der 18-Monats-Frist nach der Wiedereinreise eintrat (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0004, zu § 12a Abs. 1 AsylG 2005 aF).

Dies war im Fall des Beschwerdeführers seinem Vorbringen zufolge spätestens fünf Tage nach der Stellung des dritten Asylantrages, vor der Erlassung des hg. angefochtenen Bescheides der Fall.

6. Bei "Konsumation" der Rückkehrentscheidung ist die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht mehr erfüllt (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0004, zu § 12a Abs. 1 AsylG 2005 aF).

Bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers wäre somit die Voraussetzung des § 12 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht vorgelegen und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtswidrig; das Vorliegen der alternativen Tatbestandselemente einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG hat die belangte Behörde nicht begründet. Deren Vorliegen ist dem vorgelegten Akt auch nicht zu entnehmen.

Das Bundesamt setzte sich mit der Frage der Konsumation der mit Erkenntnis vom 09.05.2017 erlassene Rückkehrentscheidung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht auseinander:

Weder überprüfte es das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Aufenthalt in XXXX , noch ermittelte es den Ausreisezeitpunkt, noch setzte es sich mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten XXXX Krankenhausbestätigung auseinander; diese wurde nicht einmal übersetzt. Die Plausibilität des Vorbringens wurde auch nicht auf Grund des Akteninhaltes überprüft: So mag eine Ausreise des Beschwerdeführers einerseits mit der schrittweisen Einstellung der Grundversorgung und der amtlichen Abmeldung der Meldeadresse in Einklang stehen, wobei sich jedoch in den vorgelegten Akten keine Ausreisebestätigung findet, andererseits aber prima facie nicht mit den vom Beschwerdeführer angegebenen Daten; dies betrifft insbesondere die Bezahlung der Miete des Beschwerdeführers durch die Grundversorgung bis APRIL 2018, sohin ein halbes Jahr nach der von ihm relevierten Ausreise.

Das Bundesamt hat es somit unterlassen, den Sachverhalt betreffend ein notweniges Tatbestandselement, das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, zu erheben und nachvollziehbar zu begründen, da weder im angefochtenen Bescheid noch auf Grund des vorgelegten Aktes festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer der Ausreiseverpflichtung nachkam, und wenn ja, wann er dies tat.

7. Da die belangte Behörde nicht dartat, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 erfüllt ist, ist die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 14.03.2019, Zl. 820694407-190182119, rechtswidrig und aufzuheben.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt:

Zur Frage, ob die im Bereich der Schubhaft ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 22.01.2014, 2013/21/0004, zu § 12a Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 6 AsylG 2005 aF, auch auf die seit 01.01.2014 geltende Rechtslage gemäß § 12a Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 6 AsylG 2005 übertragbar ist, liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht
rechtmäßig, Revision zulässig, Rückkehrentscheidung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2115684.3.00

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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