TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/22 W169 2195323-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2195323-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018, Zl. 1157915804-170751917, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus und der Volksgruppe der Punjabi an. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Grundschule im Punjab besucht und würden dort die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass sein Vater und er mehrmals von den Sikhs aufgrund ihrer Religion angegriffen worden seien. Diese würden die Mehrheit und die Regierungspartei im Punjab stellen. Auch sei der Vater des Beschwerdeführers bei der Polizei gewesen, jedoch habe diese nichts unternommen. In der Folge sei der Beschwerdeführer mit dem Tod bedroht worden und habe seine Familie aus diesem Grund beschlossen, er solle das Land verlassen.

2. Am 13.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er dabei an, dass er Zugehöriger einer Scheduled Caste und der Religionsgemeinschaft der Hindus sei. Er beherrsche die Sprachen Hindi und Punjabi in Wort und Schrift, sei ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule besucht und gemeinsam mit seinen Eltern im Elternhaus gewohnt. Er sei von seinem Vater finanziell unterstützt worden und habe in der Landwirtschaft der Familie mitgeholfen. Die Eltern des Beschwerdeführers würden bei Verwandten in Ludhiana leben; sein Vater arbeite als Sicherheitskraft und seine Mutter sei Hausfrau. Er habe ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und stehe in Kontakt zu diesen. Der Beschwerdeführer habe in Indien überdies Onkel und Tanten mütterlicherseits und auch zu diesen ein "normales" Verhältnis. Der Beschwerdeführer sei gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe?

A: In Indien gab es einen heftigen Streit, ich wurde mit dem Tod bedroht. Die Angehörigen

der Hindu Gesellschaft sind in ganz Indien registriert, ebenso wie ich. Es gab ein bis zwei

Angriffe, auch gegen mich. Ich wurde auch ein bis zwei Mal zu Hause aufgesucht. Ich war

ein bis zwei Mal bei der Polizei um eine Anzeige zu mache, die wurde aber nicht

aufgenommen. Da ich das einzige Kind, meiner Eltern, bin, hatten meine Eltern große Angst

um mich und wollten mich an einen sicheren Ort bringen.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren

Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

A: Ich bin ein Angehöriger der Hindus. Die Mehrheit unseres Dorfes sind Sikhs. Ein bis zwei

Mal haben die Sikhs aus unserem Guru eine Puppe gemacht und diese verbrannt. Es wurde

versucht mit beiden Gesellschaften zu sprechen und eine Lösung zu finden für ein gutes

Zusammenleben. Allerdings wurde erneut diese Puppe verbrannt. Als Rache haben wir das

Selbe mit ihrem Guru gemacht. So kam es zu einem heftigen Streit zwischen den zwei

Gesellschaften. Ich und auch einige Andere wurden danach von den Siks belästigt. Sie

kamen zu mir nach Hause und sagten ich soll ihre Religion annehmen. Einige von meinem

Dorf hatten Angst und sind konvertiert. Da ich die Religion abgelehnt habe wurde ich ein bis

zwei Mal geschlagen und haben mich mit dem Tod bedroht.

Wiederholung der Frage! Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr Vorbringen lässt

Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete Angaben über Ihren

Fluchtgrund!

A: Sie kamen zu mir nach Hause, zwei bis drei Mal und haben Gegenstände zerstört und

meine Familie belästigt. Sie wollten unsere Hindu Gesellschaft zerstören und sie wollten,

dass wir zum Sikhismus wechseln. Als sie Hindus auf den Straßen oder sonst wo entdeckt

haben, haben sie diese mit verschiedenen Waffen ( zb. Schwerter) geschlagen. Das Leben

der Hindus war somit gefährdet. Die Mehrheit aus unserm Dorf bestand schon im Vorhinein

aus Sikhs. Nach dem Streit wurden einige Hindus gezwungen die Religion zu wechseln, was

auch geschah. Der Rest wurde von den Sikhs verfolgt und geschlagen.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Nein.

F: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

A: Ja.

F: Wie oft wurden Sie bedroht oder verfolgt?

A: Vier bis fünf Mal.

F: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick!

A: Vom April 2017 bis zur Ausreise Ende April.

F: Wann wurden Sie zum ersten Mal und wann zu letzten Mal bedroht?

A: In der zweiten Woche im April wurde ich das erste Mal bedroht und Ende April das letzte

Mal.

F: Machen Sie mir umfangreiche Angaben rund um die Bedroher/Verfolger!

A: Die Namen kenne ich nicht. Sie waren Sikhs.

Vorhalt: Sie gaben an in einem Dorf seit Ihrer Geburt mit Sikhs zu leben und kennen keine

genauen Daten zu den Bedrohern, sie haben auch Anzeigen eingebracht. Das ist so nicht

glaubhaft. Nehmen Sie dazu Stellung.

A: Das waren keine Leute aus dem Dorf sondern von der gegnerischen Gesellschaft.

F: Machen Sie mir konkrete Angaben zu dem Streit.

A: Wie meinen Sie das genau.

F: Sie gaben vorhin an, dass sich der Fluchtgrund auf einen heftigen Streit gründet. Machen

Sie mir genaue Angaben zu diesem Streit.

A: Ich habe Ihnen ja schon alles gesagt. Sie wussten wo ich lebe, haben nach mir gesucht

und meine Eltern belästigt. Ich war bei der Polizei, aber die haben keine Anzeige

aufgenommen.

F: Machen Sie mir konkrete Angaben zu der Todesdrohung und den Handgreiflichkeiten.

A: Sie haben gesagt ich soll zu ihrer Religion konvertieren. Ich wollte aber nicht. Sie gingen

auch in unseren Tempel und haben unsere Heiligtümer zerstört. Sie haben uns die Vorteile

einer Konversion aufgezählt. Als ich zum Beispiel in der Früh spazieren ging, kamen sie auf

mich zu und schlugen mich.

Wiederholung der Frage. Machen Sie mir konkrete Angaben zu der Todesdrohung und den

Handgreiflichkeiten. Nennen Sie mir alles was Sie darüber wissen.

A: Sie haben mir gesagt, dass ich entweder konvertiere oder sie würden mich umbringen.

F: Sie wurden ein vermeintliches Opfer von einer Todesdrohung und Eingriffe in Ihre

körperliche Integrität (Schläge) und Sie können keine genauen Angaben darüber machen.

Machen Sie mir konkrete Angaben über diese Erlebnisse.

A: Mehr darüber kann ich nicht angeben.

F: Machen Sie mir konkrete Angaben über die Übergriffe im Haus der Eltern.

A:Als es diese Übergriffe gab, war ich nicht anwesend. Sie kamen um mich zu suchen.

Vorhalt: Sie werden doch mit Ihren Eltern über diesen Sachverhalt gesprochen haben. Umso

mehr Sie im Blickpunkt der Verfolger standen. Machen sie mir Angaben über die Übergriffe

im Haus.

A: Sie haben mir gesagt, dass meine Verfolger nach mir suchen und wissen wollen wo ich

bin.

F: Mehr können Sie dazu nicht angeben?

A: Nein.

F: Schildern Sie mir die Angriffe gegen Ihren Vater im Detail.

A: Mein Vater wurde zuvor auch ein bis zwei Mal bedroht. Als mein Vater keine Angaben

über mich gemacht hat, wurden sie handgreiflich und zerstörten Gegenstände in unserem

Haus.

Wiederholung der Frage konkretisieren Sie mir diese Vorfälle.

A: Er wurde geschlagen und es wurden Gegenstände zerstört. Wegen diesen Belästigungen

wurde meine Mutter schwer krank und war 15 bis 20 Tage im Spital.

F: Von wem wurden die Verfolger angezeigt?

A:Einmal ging ich hin und einmal mein Vater.

F: Machen Sie mir bitte umfangreiche Angaben über die Sikh-Comunity. Was wissen Sie

über diese?

A: Ihre Comunity gibt es überall. Die Hauptcomunity ist in Amritsar. Befragt gebe ich an, dass

ich nicht mehr darüber weiß.

Vorhalt: Nach Ihren Angaben wären Sie von Sikhs als Hindu verfolgt worden, Hindus stellen

den größten Teil der Bevölkerung (ca. 80%) in Indien dar. Laut LIB beläuft sich der Anteil

der Sikhs auf lediglich 1,7% der Bevölkerung in Indien. Die Behörde ist daher der Ansicht,

dass sie jedenfalls über eine innerstaatliche Fluchtalternative verfügen zumal der Großteil

der Bevölkerung gläubige Hindus sind. Was sagen Sie dazu?

A: Ich möchte dazu keine Angaben machen.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie

morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

A: Ich werde umgebracht.

(...)".

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er kein Familienleben bzw. keine familienähnliche Beziehung führe und würden auch keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten zu in Österreich lebenden Personen bestehen. Der Beschwerdeführer arbeite ab und zu als Zeitungszusteller und gehe in seiner Freizeit in den Tempel. Er habe auch einige indische Freunde im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und spreche kein Deutsch.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien Einsicht und gegebenenfalls diesbezüglich Stellung zu nehmen. Dazu gab er an, dass er das nicht brauche.

3. Mit Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 15.02.2018 wurde zu den im Verfahren herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation Stellung bezogen und insbesondere ausgeführt, dass die Reisefreiheit in Indien zu relativieren sei und der Beschwerdeführer keine Möglichkeit habe, sich - mangels sozialer Anknüpfungspunkte - außerhalb seiner Heimatregion niederzulassen. In Zusammenschau mit den Länderberichten sei das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu beurteilen und könne er keinen Schutz durch die indischen Behörden erwarten. Auch würde er sich für den Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage begeben. Schließlich sei der Beschwerdeführer seit seiner Einreise vor zwei Jahren bemüht, sich im Bundesgebiet zu integrieren und sei die Rückkehrentscheidung aus diesem Grund "auf Dauer für unzulässig" zu erklären.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass das Bundesamt den Großteil seiner Aussagen nicht zur Kenntnis genommen, sondern nur "selektiv und in tendenziöser Weise jene herausgeklaubt" habe, die seiner eigenen Argumentation zuträglich seien. So habe der Beschwerdeführer genaue Ort- und Zeitangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch und konsistent geschildert sowie Erklärungen über sämtliche Personen getätigt, obzwar er durch die Unübersichtlichkeit der traumatisierenden Ereignisse überfordert gewesen sei. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers gehe ferner hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunfähig und schutzunwillig seien. Auch sei die pauschale Behauptung, in Indien bestehe immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht zutreffend. Der Beschwerdeführer verfüge in seiner Heimat über kein Auffangnetz mehr, sei entwurzelt und sei ihm aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage subsidiärer Schutz zu gewähren. Im Hinblick auf das im Bundesgebiet vorhandene Privat- und Familienleben sei die Rückkehrentscheidung "auf Dauer für unzulässig" zu erklären. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprachen Punjabi und Hindi in Wort und Schrift, ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre die Grundschule besucht und gemeinsam mit seinen Eltern im Elternhaus gelebt. Er hat in der Landwirtschaft der Familie ausgeholfen und ist von seinem Vater finanziell unterstützt worden.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Verwandten oder Familienangehörigen, führt mit niemandem ein Familienleben oder eine familienähnliche Beziehung und bestehen auch keine finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten zu in Österreich lebenden Personen. Der Beschwerdeführer arbeitet gelegentlich als Zeitungszusteller, geht in seiner Freizeit in den Tempel und hat indische Freunde. Er ist nicht in Vereinen und Organisationen tätig und spricht kein Deutsch. Die Eltern Beschwerdeführers leben nach wie vor im Herkunftsstaat, und zwar bei Verwandten in Ludhiana. Sein Vater arbeitet als Sicherheitskraft und seine Mutter ist Hausfrau; er hat ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und steht in regelmäßigem Kontakt zu diesen. Auch hat er in Indien Onkeln und Tanten mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, steht im erwerbsfähigen Alter, ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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