TE Bvwg Beschluss 2019/3/26 W152 2130188-1

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Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W152 2130188-1/14E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2016, Zl. 1073486908-150669728, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste am 13.06.2015 (illegal) in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am 15.06.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einer Erstbefragung unterzogen wurde.

Im Rahmen dieser Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer - nachdem er angab, der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Religionsgemeinschaft anzugehören und aus der Provinz Parwan von Afghanistan zu stammen - im Wesentlichen vor, sein Bruder XXXX habe ein Mädchen geliebt, die Sunnitin gewesen sei und deren Familie nicht mit der Beziehung einverstanden gewesen sei. Als sein Bruder XXXX alleine zu Hause gewesen sei, sei dieser von Mitgliedern der Familie des Mädchens geschlagen worden. Aufgrund von weiteren Bedrohungen sei die restliche Familie nach Kabul gezogen, wo dann die Familie des Mädchens den Bruder XXXX des Beschwerdeführers getötet und das Mädchen mitgenommen habe.

Am 10.05.2016 erfolgte eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, wobei der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführte, sein Vater, der (ebenfalls) von der Familie des Mädchens, die gegen eine Heirat mit dem Bruder XXXX gewesen sei, bedroht worden sei, sei im Jänner 2015 weggegangen und sei seitdem verschollen. Dann sei sein Bruder XXXX von Mitgliedern der Familie des Mädchens geschlagen worden, worauf ihn XXXX nach Kabul in ein Krankenhaus - im weiteren Verfahrensverlauf wurden hiezu zwei Farbfotos, die XXXX mit eingegipstem Arm in einem Krankenhaus zeigen sollen, vorgelegt (vgl. S. 199 und 201 des Verwaltungsaktes des Bundesamtes) - gebracht habe. Die Familie des Beschwerdeführers habe sich dann nach Kabul begeben. Der Beschwerdeführer habe dann von seiner Mutter erfahren, dass sein Bruder XXXX von Mitgliedern der Familie des Mädchens getötet und das Mädchen mitgenommen worden sei. Da der Beschwerdeführer befürchtet habe, dass diese Feindschaft auch für ihn gelte, habe er Afghanistan schon vorher verlassen.

Mit Aktenvermerk von 10.05.2016 wurde vom Bundesamt festgehalten, dass auf dem Handy des Beschwerdeführers zwei afghanische Telefonnummern vorgefunden worden seien, wobei die eine Person nicht erreichbar gewesen sei, wogegen beim Anruf der anderen Nummer der Anruf angenommen worden sei. Es sei dann ein Gespräch zwischen dem Dolmetscher XXXX und dieser Person geführt worden, wobei diese Person angegeben habe, den Namen " XXXX " zu führen, in Kabul in XXXX zu wohnen und ein entfernter Verwandter des Beschwerdeführers zu sein.

Am 25.05.2016 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers, wobei ihm der oben genannte Aktenvermerk vom 10.05.2016 - der Beschwerdeführer und seine (damalige) Vertretung waren während des darin festgehaltenen Gesprächs zwischen dem Dolmetscher und dem Angerufenen offensichtlich nicht anwesend - vorgehalten wurde. Die Vertreterin stellte dann u.a. den Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme ihres Dolmetschers XXXX , XXXX , XXXX (Wohnsitzadresse lt. ZMR vom 25.03.2019 weiterhin aufrecht), in diesem Verfahren.

Im Rahmen einer mit 08.06.2016 datierten Stellungnahme wurde hiezu näher ausgeführt, dass nach einer vom Bundesamt vorgenommenen telefonischen Information der Vertreterin des Beschwerdeführers über die getätigten Anrufe, der Dolmetscher der Vertreterin ebenfalls die in Frage kommende Telefonnummer angerufen habe, wobei jedoch eine Person namens " XXXX " abgehoben habe, der nach dessen Aussage in Kabul in XXXX lebe und den Beschwerdeführer noch nie persönlich getroffen habe. Dieser " XXXX " sei dem Beschwerdeführer sehr dankbar, weil dieser es ihm eine Zeitlang ermöglicht habe, zu seinem Bruder XXXX in Traiskirchen Kontakt zu halten. Der Kontakt sei im Herbst 2015 abgebrochen, weil sich der Beschwerdeführer seit damals in Vorarlberg befinde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 27.06.2016, Zahl: 1073486908-150669728, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV). Das Bundesamt ging hiebei von der Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Antragstellers aus, wobei es insbesondere nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer von der Familie der Freundin des Bruders bedroht worden sei. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Bruder des Beschwerdeführers getötet worden sei. Es wurde hiebei jedoch nicht festgestellt, um welchen Bruder - der Beschwerdeführer habe ja nach seinem Vorbringen mehrere Brüder - es sich hiebei handeln solle. Das Bundesamt stützte sich hiebei in erster Linie und hinsichtlich der relevierten Tötung des Bruders XXXX nahezu ausschließlich darauf, dass sich eine Person namens " XXXX " bei diesem Anruf durch den Dolmetscher XXXX gemeldet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene Beschwerde, wobei insbesondere releviert wird, dass man sich nicht mit der Stellungnahme vom 08.06.2016 auseinandergesetzt habe und nicht den Beweisanträgen nachgekommen sei, wobei insbesondere die Unterlassung der zeugenschaftlichen Vernehmung des Dolmetschers der Vertreterin gerügt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Obwohl gemäß § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt weitere Entscheidungen getroffen, in denen er diese Grundsätze weiter ausgebildet hat. So hat er im Erkenntnis vom 19.04.2016, Zl. Ra 2015/01/0010, ausgesprochen, dass auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, dies allein noch nicht dazu führt, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 20.05.2015, Zl. Ra 2014/20/0146).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

Das Bundesamt stützte sich im Hinblick auf die festgestellte Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers in erster Linie und hinsichtlich der nicht festgestellten Tötung des Bruders ( XXXX ) nahezu ausschließlich auf den im Aktenvermerk vom 10.05.2016 festgehaltenen Inhalt des Telefonates des Dolmetschers XXXX mit einer Person namens " XXXX ". Die bereits in der Einvernahme am 25.05.2016 beantragte und in der Stellungnahme vom 10.06.2016 auch näher begründete zeugenschaftliche Einvernahme des Dolmetschers - XXXX - der Vertreterin, der ebenfalls ein Telefonat mit einer Person unter der in Frage kommenden Telefonnummer geführt haben will, wobei sich jedoch ein völlig anderes Bild gezeigt habe, wurde jedoch unterlassen, wobei nicht bereits von vornherein dieses angebotene Beweismittel als irrelevant bewertet werden kann. Angesichts der vom Beschwerdeführer angebotenen Aufklärung, wobei es sich bei der unterlassenen Einvernahme des oben genannten Dolmetschers hinsichtlich der Heranziehung des Inhaltes des in Rede stehenden Telefonates als Kernargument des Bundesamtes nicht bloß um eine (punktuelle) ergänzende Einvernahme handelt und daher nicht eine bloße Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens vorliegt, kann dann auch nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgegangen werden.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass es sich im gegenständlichen Fall ohnedies nicht um eine bloße Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens handelt, erweist sich eine zeugenschaftliche Einvernahme des in XXXX wohnenden Dolmetschers XXXX durch die sich XXXX in XXXX befindliche Regionaldirektion Vorarlberg des Bundesamtes als rascher möglich und insbesondere als kostengünstiger.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da also der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Es fehlt auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W152.2130188.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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