TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/26 W111 2207691-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2019
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Entscheidungsdatum

26.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W111 2207691-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2018, Zl. 1112097707-160557820 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, gelangte illegal in das Bundesgebiet und stellte am 19.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX gehöre der Volksgruppe der Hawiye und der moslemischen Glaubensrichtung sunnitischer Ausrichtung an, habe die Grund-, Haupt- und Allgemeinbildende Höhere Schule besucht und sei zuletzt als Verkäufer in einem Handyshop tätig gewesen. Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftsstaat im Dezember 2015 verlassen und sei über eine näher dargestellte Route schlepperunterstützt nach Österreich gereist. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer eine Bedrohung durch Al Shabaab ins Treffen, welche darin begründet gewesen wäre, dass er sich die von ihm in Zusammenhang mit der Tätigkeit in einem Handyshop geforderten Abgaben nicht mehr leisten habe können. Außerdem hätten die Rebellen seinen Vater umgebracht.

Mit Eingabe vom 07.09.2016 übermittelte der Beschwerdeführer Kopien von Dokumenten, aus denen seine Minderjährigkeit hervorgehen würde (AS 65 ff).

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2a SMG, 15 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von fünf Monaten unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden ist.

Mit Aktenvermerk vom 07.12.2017 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Verfahren des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen unbekannten Aufenthalts seiner Person gemäß § 24 Abs. 2 AsylG ein.

Nachdem der Beschwerdeführer neuerlich aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war, wurde dieser am 03.09.2018 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die somalische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich zu den Gründen seiner Antragstellung auf internationalen Schutz einvernommen. Der Beschwerdeführer gab auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll (zum detaillierten Verlauf der Einvernahme, vgl. AS 255 bis 262), er sei gesund, benötige keine Medikamente und habe im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer sei in XXXX geboren, habe dort die Schule besucht und nach deren Abschluss ab dem Jahr 2013 bis zu seiner Ausreise zwei Jahre lang als Angestellter in einem Geschäft für Elektronikartikel auf dem XXXX -Markt in XXXX gearbeitet. Durch diese Tätigkeit habe er ein Einkommen von ca. USD 200,- monatlich erzielt, von dem man in XXXX leben könne. In Somalia habe er keine Angehörigen mehr, da seine Familie - diese bestehe aus seinen Eltern, drei Schwestern und einem Bruder - im Jahr 2017 nach Kenia gegangen wäre. Die Kosten seiner eigenen Reise nach Österreich hätten sich auf USD 4.200,- belaufen. Der Beschwerdeführer sei in Somalia nicht vorbestraft und sei von keinen Problemen mit den dortigen Behörden betroffen gewesen. Er habe sich nie politisch betätigt und habe im Heimatland keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt, ebensowenig sei er von gröberen Problemen mit Privatpersonen betroffen gewesen.

Um detaillierte Schilderung seiner Ausreisegründe ersucht, gab der Beschwerdeführer an, er habe am XXXX -Markt in XXXX gewohnt und gearbeitet. Dort sei auch immer wieder Al Shabaab hingekommen; am

13. oder 14. Juli 2014 sei sein Vater von Al Shabaab am XXXX -Markt getötet worden. Nach diesem Problem habe der Beschwerdeführer das Land verlassen. Außerdem habe er Probleme wegen seiner Clanzugehörigkeit gehabt; er habe mit anderen Jugendlichen nichts unternehmen können. Weitere Gründe für das Verlassen seiner Heimat habe er nicht. Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst vor Al Shabaab, sowie davor, wieder von anderen Personen ausgegrenzt zu werden. Seine Probleme aufgrund seiner Clanzugehörigkeit hätten sich konkret dadurch geäußert, dass er keine Freunde gehabt hätte und oft von anderen beleidigt worden wäre. Es habe sich dabei um Leute des Hawiye-Clans, nicht jedoch seines Sub-Clans, gehandelt. Diese hätten gesagt, der Beschwerdeführer würde einer Minderheit angehören, weshalb er sich auch nicht mit Mädchen habe unterhalten können. Darüberhinausgehende Nachteile in Zusammenhang mit seiner Clanzugehörigkeit habe er nicht erlebt. Nach einem persönlichen Kontakt zu Al Shabaab gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, diese seien im Juli 2014 zu ihm gekommen und hätten ihn geschlagen und verletzt. Sie hätten ihn bedroht und ihn dann gleich mit der Pistole auf den Kopf geschlagen. Auf zweifache Nachfrage vermochte der Beschwerdeführer diesen Sachverhalt nicht konkreter zu schildern. Nochmals nachgefragt, was im Juli 2014 in Zusammenhang mit Al Shabaab nun konkret passiert wäre, führte der Beschwerdeführer aus, zu dieser Zeit habe er sich mit anderen Jugendlichen am XXXX -Markt getroffen. Es sei dann täglich jemand von Al Shabaab gekommen und hätte Steuergeld von ihm vereinnahmt. Die Höhe der Abgaben, welche er Al Shabaab leisten habe müssen, hätten sich auf 5.000,-

somalische Shillings pro Tag belaufen, wobei deren Höhe immer gleich geblieben wäre. Auf Vorhalt seiner abweichenden Angabe anlässlich der Erstbefragung, wonach man immer höhere Abgaben verlangt hätte, gab der Beschwerdeführer nochmals an, dass die Abgaben immer gleich hoch gewesen wären. Der Beschwerdeführer habe in diesem Geschäft gearbeitet, sei Geschäftsführer gewesen und habe auch Verantwortung gehabt. Eigentümer des Geschäfts sei der Nachbar des Beschwerdeführers gewesen. Das Verlassen des Herkunftsstaates habe nichts mit dem Tod seines Vaters zu tun gehabt. Sein Vater sei sehr religiös und Imam einer Moschee gewesen; die Al Shabaab habe diesen abgelehnt und ihn am Heimweg von der Moschee mit acht Schüssen getötet. Auf die Frage, weshalb er im Juli 2014 geschlagen worden wäre, erklärte der Beschwerdeführer, dies sei so üblich; sie würden den Leuten einfach Angst machen wollen. Zu weiteren ähnlichen Vorfällen sei es nicht gekommen. Nach dem konkreten Motiv für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat gefragt, antwortete der Beschwerdeführer, er habe schon lange Zeit geplant, die Heimat zu verlassen; im September 2015 hätte sich dann die Möglichkeit ergeben, mit einem Bus nach Kenia zu fahren. Nachgefragt, ob dies bedeute, dass es im September 2015 kein Ereignis gegeben hätte, welches ihn veranlasst hätte, den Herkunftsstaat fluchtartig zu verlassen, sondern sich einfach eine diesbezügliche Möglichkeit ergeben hätte, bejahte der Beschwerdeführer dies und ergänzte, der Bus müsse immer voll sein, ansonsten fahre dieser nicht.

Der Beschwerdeführe könne keine Nachweise oder Bestätigungen zu absolvierten Deutschkursen oder sonstigen Integrationsmaßnahmen vorweisen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Behörde stellte die Volljährigkeit sowie die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliege; ebensowenig habe festgestellt werden können, dass dieser einer Verfolgung aus ethnischen Gründen ausgesetzt wäre. Beweiswürdigend wurde zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen insbesondere festgehalten, dass eine seitens des Bundesamtes durchgeführte Einsichtnahme in sämtliche zur Verfügung stehende Datenbanken sowie eine Online-Recherche in somalischen Medien keinen Beleg dafür geliefert hätte, dass es im vom Beschwerdeführer genannten Zeitraum im Juli 2014 zu einem Mord an einem Imam gekommen wäre. Die Behörde ginge davon aus, dass ein derartiges Ereignis im Sinne der Ermordung eines Imams, bei welchem es sich laut Angaben des Beschwerdeführers um eine bekannte Persönlichkeit gehandelt hätte, nicht in sämtlichen der näher angeführten Quellen völlig unerwähnt geblieben wäre. Soweit der Beschwerdeführer Benachteiligungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit angesprochen hätte, ergebe sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt, dass einzelne somalische Minderheiten unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen leben würden und sich in vielfältiger Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt sehen würden. Zu den "noblen" oder auch Mehrheitsclans würden unter anderem die Hawiye zählen. Wenn auch die Clanzugehörigkeit in XXXX relevant sei, so bestünde in XXXX zufolge mehrerer Berichte kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Im Falle des Beschwerdeführers könne nicht davon ausgegangen werden, dass die behauptete Benachteiligung ein derartiges Ausmaß erreicht haben könnte, welche einen Verbleib im Heimatland unerträglich gemacht hätte. Was die Sicherheitslage betreffe, werde seitens der Behörde im Hinblick auf die Länderfeststellungen zwar nicht verkannt, dass die Situation (auch) in XXXX nach wie vor angespannt sei. Dennoch sei festzuhalten, dass die somalische Regierung bzw. AMISOM die Kontrolle über XXXX hätte und eine sichere Erreichbarkeit der Stadt auf dem Luftweg gegeben wäre. Aus dem als unglaubwürdig einzustufenden Fluchtvorbringen hätten sich keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die eine wie auch immer geartete Verfolgung glaubhaft gemacht hätten.

Unter Berücksichtigung aller bekannter Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde. Desweiteren habe nicht festgestellt werden können, dass dieser im Fall einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Von der Dürre und Nahrungsmittelverknappung seien nicht alle Personen in Somalia gleichermaßen betroffen gewesen, zuletzt habe sich eine Entspannung der Situation abgezeichnet, das Risiko einer Hungersnot könne in den meisten Teilen Somalias ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer sei im erwerbsfähigen Alter, verfüge über mehrjährige Schulbildung sowie Berufserfahrung im Herkunftsstaat und gehöre keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger erweise, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Der Beschwerdeführer sei mit den örtlichen Gegebenheiten und den sozialen Strukturen in XXXX vertraut und könne durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden.

Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG hätten sich im Verfahren nicht ergeben. Da der Beschwerdeführer, welcher im Bundesgebiet keine familiären Bindungen aufweisen würde, angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerte Integrationsverfestigung begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen. Die Verhängung eines Einreiseverbotes wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz und einer aus dem zugrundeliegenden Fehlverhalten ableitbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie dem hohen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität begründet. Angesichts der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers sei desweiteren der Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erfüllt und sei es diesem, da für die Behörde feststünde, dass er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keiner Gefahr einer Menschenrechtsverletzung unterliege, zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten; folglich bestünde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Eingabe vom 10.10.2018 fristgerecht Beschwerde ein (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 462 bis 474). In dieser wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe anlässlich seiner Einvernahme ausführlich geschildert, dass er aus seiner Heimat habe fliehen müssen, da sein Vater von Al Shabaab getötet worden wäre, er selbst von Al Shabaab misshandelt worden wäre und aufgrund seiner Clanzugehörigkeit unterdrückt worden wäre. Angesichts des mangelhaften Ermittlungsverfahrens habe die Behörde eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. In diesem Zusammenhang sei auszuführen, dass es bezüglich des Todes des Vaters des Beschwerdeführers zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre - dieser sei im Jahr 2013, und nicht wie unrichtigerweise protokolliert, im Jahr 2014 umgebracht worden. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass die Behörde dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit deshalb abspreche, weil ihre Recherchen zum Tod seines Vaters ergebnislos verlaufen wären. Die Behörde sei in der Beweiswürdigung nicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Misshandlungen durch Al Shabaab eingegangen. Auch auf das Vorbringen der asylrelevanten Unterdrückung aufgrund der Clanzugehörigkeit sei nicht individuell eingegangen worden. Auch wenn es sich bei den Hawiye um einen Mehrheitsclan handle, so sei der Beschwerdeführer dennoch von Mitgliedern des Hawiye-Clans aufgrund seiner Sub-Clan-Zugehörigkeit unterdrückt worden. Der Beschwerdeführer sei ständig belästigt und unterdrückt worden, der Verbleib im Heimatland sei ihm unerträglich geworden. Bei ganzheitlicher Würdigung des individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers unter Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten hätte die Behörde zur Ansicht gelangen müssen, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der GFK sei, da der somalische Staat ihn vor der drohenden Verfolgung nicht schützen könne. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde würde der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Unterstützung erhalten, zumal sich dessen Familie in Kenia aufhalte und der Beschwerdeführer aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert werde, weshalb dieser jedenfalls in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Zudem hätte die belangte Behörde schon aufgrund der prekären Sicherheitslage, der - durch näher angeführtes Berichtsmaterial belegten - Dürre und Überschwemmungen und der daraus resultierenden Hungersnot in Somalia den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Der Beschwerdeführer verfüge über eine starke Bindung zu Österreich, dieser halte sich bereits seit mehr als zweieinhalb Jahren in Österreich auf, was angesichts seines jugendlichen Alters eine lange Zeit darstelle. Dieser habe viele österreichische Freunde, mit denen er Fußball spiele, demgegenüber weise er keine Bindung zu seinem Heimatland auf. Eine Rückkehrentscheidung stelle im Fall des Beschwerdeführers daher einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar und verstoße gegen Art. 8 EMRK. Weiters wurde begehrt, das BVwG möge der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, jedenfalls aber innerhalb einer Woche ab Vorlage der Beschwerde förmlich über den Antrag auf aufschiebende Wirkung entscheiden. Die Rechtmäßigkeit der Verhängung des Einreiseverbotes werde dem Grunde nach sowie hinsichtlich seiner Dauer und seines Umfanges bestritten. Der Beschwerdeführer bereue seine Straftat sehr und sei sich des Unrechtsgehalts seiner Tat nicht bewusst gewesen. Auch das Strafgericht stelle diesem aufgrund der geringen Strafhöhe und der bedingten Strafe eine positive Zukunftsprognose. In Ansehung der Umstände könne nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 16.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit hg. Beschluss vom 18.10.2018 ist der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Hawiye an und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus XXXX , wo er zuletzt gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern gelebt hat. Er hat in seinem Herkunftsstaat sieben Jahre lang die Schule besucht und nach deren Abschluss als Angestellter in einem Geschäft für Elektronikartikel gearbeitet, wodurch er seinen Lebensunterhalt eigenständig bestreiten konnte. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat im zweiten Halbjahr 2015 verlassen und reiste illegal und schlepperunterstützt ins österreichische Bundesgebiet, wo er am 19.04.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in XXXX einer gezielten Bedrohung durch die Al Shabaab unterliegen würde. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach XXXX aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr in den Raum XXXX Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Bei einer Niederlassung in XXXX besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2a SMG, 15 Abs. 1 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, von der ihm ein Teil in der Höhe von fünf Monaten unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden ist.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen und den öffentlichen Interessen an der Verhinderung von Suchtmittelkriminalität zuwiderlaufen.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im April 2016 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat keinen Nachweis über bereits vorhandene Deutschkenntnisse oder sonstige Integrationsbemühungen vorgelegt; er brachte vor, Freunde im Bundesgebiet gefunden zu haben, mit denen er gemeinsam Fußball spiele; er verfügt jedoch über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderberichte Folgendes festgestellt:

...

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

-

Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

-

FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

-

WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

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0. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):

a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).

b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.

c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.

Operational Areas

d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;

Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;

e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.

f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.

g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).

Bild kann nicht dargestellt werden

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(BFA 8.2017)

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2016; vgl. ACLED 2017).

Quellen:

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

-

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

0.1. Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gek

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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