TE OGH 2019/4/3 1Ob39/19w

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P*, und 2. A*, beide vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2019, GZ 7 R 132/18k-24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 30. Juli 2018, GZ 212 C 94/17i-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0021018; RS0068103; RS0113693). Ebenso kommt der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten gemäß § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG handelt, keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 ZPO zu (RS0042984), sofern nicht der gesetzliche Ermessensspielraum überschritten wurde (RS0042984 [T4]) oder eine auffallende und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RS0042984 [T5; T6; T8]). Dies ist hier nicht der Fall.

Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RS0070303; vgl auch RS0067678). Grundsätzlich ist auf das Gesamtverhalten Bedacht zu nehmen (RS0070303 [T12; T14]; RS0070321). Es können auch einmalige Vorfälle den Kündigungsgrund verwirklichen, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass sie das Maß des Zumutbaren überschreiten und objektiv geeignet erscheinen, auch nur einem Hausbewohner das Zusammenleben zu verleiden (RS0070303 [T2]).

Der Revisionswerber meint offenbar, es durch den Umstand, dass er angeblich mehrere Jahrzehnte ohne Beanstandung im Haus gelebt habe, werde sein – im Vergleich dazu – erst seit kurzem aufgetretenes beanstandetes Verhalten aufgewogen. Eine „beanstandungsfreie“ Mietdauer kann aber nicht schlicht in ein bestimmtes Verhältnis zu einem Zeitraum mit unleidlichem Verhalten gesetzt werden, wäre doch ansonsten den übrigen Mietern (und zwar auch jenen, die überhaupt erst seit kurzem eingezogen sind) aufgebürdet, ein unzumutbares unleidliches Verhalten eines Mitbewohners im Haus bloß deswegen ungebührlich länger zu ertragen, weil sich dieser zuvor durch eine bestimmte Zeit „beanstandungsfrei“ verhalten hatte. Wieso er selbst das vom Erstgericht festgestellte Fehlverhalten als eine erst kurzfristig aufgetretene Störung der Hausgemeinschaft qualifiziert, bleibt im Übrigen unerfindlich, steht doch fest, dass etwa das unangemessene Verhalten gegenüber einer bestimmten Mieterin, Mutter einer damals ungefähr 13 Jahre alten Tochter, bereits 16 Monate vor Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung begann und dass der erstklagende Vermieter (der im Haus wohnt) schon jahrelang versuchte, ihn zu einer Verhaltenskorrektur zu bewegen, wobei letztlich nur mehr schriftliche Kontakte ohne Gesprächsbasis verblieben.

Die festgestellten Vorfälle (ua seine mehrfache Gefährdung von Personen durch Abschalten des Lichts im Keller im Wissen, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt dort befanden, sowie subtile Drohungen damit, dass er Boxer gewesen sei und man aufpassen solle) und vor allem das gegenüber der zuvor bereits erwähnten Mieterin gezeigte Verhalten (mehrfaches Abpassen zum Zweck eines Zusammentreffens, Einengen des Durchgangs bei der Tür, Anbringen von unerwünschten Geschenken oder etwa eines Zeitungsartikels über Prostituierte mit der Überschrift „Rotlichtsklaven“ neben einem Monate zuvor aufgenommenen Foto ihres Lebensgefährtens am Balkon, Einstecken eines mit Anrötungen an der Spitze [mit dem Aussehen von Blut] versehenen Gummipenis in den Briefschlitz, den als erste das Kind der Mieterin auffand) sind nicht tolerierbar, schon gar nicht, wenn ein solches Benehmen über einen längeren Zeitraum hinweg stattfindet. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beklagte, der in der Berufung allein bestritten hatte, diese Verhaltensweisen gesetzt zu haben, sich nun darauf zurückziehen will, es sei doch (im Rahmen der Beweiswürdigung seiner Aussage) festgestellt, dass er in einem Teil seiner Persönlichkeit verhaltensauffällig sei und an Realitätsverlust verbunden mit einer Störung in der Außenwahrnehmung und damit im Sozialverhalten leide. Er übersieht dabei schon, dass es nicht auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens ankommt (RS0070243). Entscheidend ist, ob das objektiv in Erscheinung getretene Verhalten – selbst für den Fall, dass es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückzuführen wäre – als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss (RS0067733).

Die Gefährdung von Personen durch Abschalten des Lichts im Keller, die subtile Androhung körperlicher Gewalt und das ungehörige und bedrohliche Verhalten gegenüber der Mieterin und deren Tochter wurde ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung als ein das Zusammenwohnen verleidende und zur Aufkündigung berechtigendes Verhalten angesehen.

2. Auch zur Beurteilung des Berufungsgerichts, die durch unsachgemäße Installationen herbeigeführte Gefährdung der Substanz des Hauses sei als erheblich nachteiliger Gebrauch anzusehen, es sei für jedermann leicht erkennbar gewesen, dass die (undichten und) unfachgemäßen Installationen, unter die schon seit einem Jahr nur mehr ein Behälter zum Auffangen des austretenden Wassers aufgestellt gewesen war, Substanzschäden herbeiführen könnten, kann er keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen, reicht doch für einen erheblich nachteiligen Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG aus, dass durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands droht (RS0070359; RS0067832 ua).

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E124852

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:E124852

Im RIS seit

07.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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