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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des A in L, geboren am 14. November 1974, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwalt in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. März 1998, Zl. 200.694/0-V/14/98, betreffend Asylgewährung und Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, der am 9. Oktober 1997 in das Bundesgebiet eingereist und am 13. Oktober 1997 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 20. Oktober 1997 durch das Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Er sei Mitglied des Stammes "Sacad", welcher sich allerdings "aufgelöst" habe. Dieser Stamm habe unter den von Aidid geführten Stämmen gegen andere Stämme, insbesondere die Gruppe um Ali Mahdi, gekämpft. Er habe als Maschinengewehrschütze fungiert. Seine Gruppe sei im Oktober 1996 aufgerieben worden. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich in Mogadischu, jedoch nicht an einem fixen Ort, aufgehalten. Wo sich seine Familie befinde, wisse er nicht. Die 2.000 $ für die Flucht habe er von Verwandten und Bekannten bekommen. Er werde von der Gruppierung um Ali Mahdi verfolgt. Daraufhin wurde an den Beschwerdeführer die Frage gestellt, warum er nicht in dem großen Teil Somalias verblieben sei, welcher von Aidid bzw. dessen Sohn kontrolliert werde. Er führte dazu aus, daß sein Stamm im Kampf gegen Ali Mahdi von Aidid nicht mehr unterstützt worden sei. Die Gruppierung um Ali Mahdi sei immer stärker geworden, deshalb habe er ausreisen müssen. Weitere Probleme könne er nicht angeben. Nach Rückübersetzung der Niederschrift wurde er neuerlich aufgefordert, weitere Asylgründe bekanntzugeben. Er blieb dabei, daß er seinen Angaben nichts hinzufügen könne.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1997 hat das Bundesasylamt den Asylantrag abgewiesen. Dies wurde u.a. damit begründet, daß dem Beschwerdeführer in dem großen Teil Somalias, der von Aidid kontrolliert werde, eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehe.
In seiner dagegen gerichteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer zunächst seine niederschriftlichen Angaben. Er bestritt nicht, daß Aidid einen großen Teil des somalischen Territoriums kontrolliere und führte aus, daß sein Stammesgebiet "von Anhängern des Aidid umgeben" sei. Das nach Ansicht der Erstbehörde sichere - von Aidid kontrollierte - Gebiet sei "instabil", weil jederzeit mit Angriffen anderer Stämme zu rechnen sei. Weiters stellte er in der Berufung den Antrag, ihm im Fall der Abweisung seines Asylantrages eine befristete Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 zu erteilen.
Mit Bescheid vom 30. März 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen und den Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsbewilligung gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zurückgewiesen.
Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde die als glaubwürdig erachteten Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme am 20. Oktober 1997 zugrunde. Aus diesen Angaben ergebe sich keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung. Der Umstand, daß der Stamm des Beschwerdeführers, der zu den Stämmen des Aidid gehöre, von den Truppen des Aidid nicht mehr im Kampf gegen die Gruppierung um Ali Mahdi unterstützt werde, deute noch nicht auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers hin, zumal kein zwingender Grund gegeben sei, daß sich der Beschwerdeführer weiterhin in Kampfhandlungen gegen andere Gruppen einlassen müsse. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher Befragung nicht dargelegt, warum es ihm unmöglich gewesen sei, sich in das von Aidid beherrschte Gebiet zu begeben. Daß er von Stammesangehörigen des Aidid verfolgt werde, habe er nicht behauptet. Daß im Verlauf eines Bürgerkrieges jederzeit mit neuerlichen Angriffen der gegnerischen Gruppen zu rechnen sei, liege im Wesen einer solchen Krisensituation, könne aber keine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers begründen. Nach § 15 des Asylgesetzes 1997 komme eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nur in Betracht, wenn gemäß § 8 leg. cit. festgestellt worden sei, daß die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Heimatstaat unzulässig sei. Gemäß § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG 1997 sei eine derartige Entscheidung jedoch nicht zu treffen gewesen, weil die Erstbehörde vor dem 1. Jänner 1998 entschieden habe.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Für die Gewährung von Asyl ist erforderlich, daß der Asylwerber im gesamten Gebiet seines Heimatstaates eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hat. Besteht hingegen für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine derartige Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, liegt eine sogenannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 3. Dezember 1997, Zl. 96/01/0947, vom 28. Jänner 1998, Zl. 95/01/0615, vom 22. April 1998, Zl. 96/01/0774, und vom 13. Mai 1998, Zl. 97/01/0099). Der Beschwerdeführer bestreitet die behördliche Feststellung, daß ein großer Teil seines Landes von der Gruppierung um Aidid kontrolliert wird, nicht. Daß er auch bei einer Aufenthaltnahme in diesem Gebiet von der mit Aidid verfeindeten Bürgerkriegspartei um Ali Mahdi verfolgt würde, hat er im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, obwohl ihm die Verfolgungssicherheit im Gebiet des Aidid bei der niederschriftlichen Vernehmung vorgehalten wurde und bereits die Erstbehörde vom Bestehen einer inländischen Fluchtalternative in dem von Aidid kontrollierten Gebiet ausging. Eine weitere Vernehmung des Beschwerdeführers zu dieser Frage war daher entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht erforderlich.
Soweit das Beschwerdevorbringen so zu verstehen ist, daß dem Beschwerdeführer eine Verfolgung durch Angehörige der Gruppierung des Ali Mahdi auch in dem von Aidid kontrollierten Gebiet drohe, handelt es sich somit um eine gemäß § 43 Abs. 2 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung.
Die belangte Behörde hat somit die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers schon wegen des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative zu Recht verneint.
Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Zurückweisung des auf § 8 Abs. 1 AsylG 1991 gestützten Antrages, bringt aber vor, daß die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 verpflichtet gewesen wäre, von Amts wegen zu prüfen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei. § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG 1997 lasse offen, in welchen Fällen die Asylbehörden eine Non-refoulement-Prüfung durchzuführen habe. Aus dem Zweck der Regelung ergebe sich, daß eine derartige Prüfung immer dann durchzuführen sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - von der Fremdenbehörde darüber noch nicht entschieden worden sei. In diesem Zusammenhang regt der Beschwerdeführer die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der Bestimmung des § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG 1997 an, weil es diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut der Behörde völlig freistelle, ob sie eine Non-refoulement-Prüfung durchführe oder nicht.
Die hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
§ 75 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75:
"(1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, daß für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.
(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen."
§ 88 Abs. 1 FrG:
"(1) Behörde im Sinn dieser Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese."
§ 8 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76:
"Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden."
"(1) Asylbehörde erster Instanz ist das Bundesasylamt, das in Unterordnung unter dem Bundesminister für Inneres errichtet wird."
§ 38 Abs. 1 erster Satz AsylG:
"(1) Über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat, der mit Sitz in Wien errichtet wird."
"(1) Am 1. Jänner 1998 bei den Asylbehörden anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Bundesminister für Inneres hat die bei ihm anhängigen oder nach Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verfassungsgerichtshof oder den Verwaltungsgerichtshof anhängig werdenden Sachen dem unabhängigen Bundesasylsenat zuzuleiten. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, ein Non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, besteht nicht."
Im gegenständlichen Verfahren wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erlassen. Wie sich aus der Bestimmung des § 44 Abs. 1 AsylG unzweifelhaft ergibt, besteht für solche Fälle die in § 8 AsylG grundsätzlich normierte Verpflichtung, bei Abweisung eines Asylantrages eine amtswegige Non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, jedenfalls nicht.
Bei nicht eindeutigem Gesetzeswortlaut und mehreren denkbar möglichen Auslegungen ist der verfassungskonformen Interpretation der Vorzug zu geben. Die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung liefe darauf hinaus, daß dem unabhängigen Bundesasylsenat Ermessen darüber einräumt wäre, auch in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine Non-refoulement-Prüfung durchzuführen. Grundsätzlich besteht hinsichtlich der Non-refoulement-Prüfung nach dem FrG die Zuständigkeit der Fremdenbehörde. Die in § 8 AsylG aus Gründen der Verfahrensökonomie für einen bestimmten Fall strikt normierte Pflicht der (jeweiligen) Behörde, von Amts wegen eine Non-refoulement-Prüfung vorzunehmen, begründet in diesen Fällen eine von der grundsätzlichen Zuständigkeit abweichende Entscheidungskompetenz der Asylbehörden. Durch § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG wird aber in bestimmten Fällen davon abweichend gerade keine zwingende Zuständigkeit des unabhängigen Bundesasylsenates normiert. Ein Verständnis im Sinne des Beschwerdeführers würde das Gebot, strikte Zuständigkeitsgrenzen festzulegen, wie es sowohl dem Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 B-VG als auch Art. 83 Abs. 2 B-VG zu entnehmen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, B 1565/96 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), verletzen. Des weiteren enthält § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG keine Ermessenskriterien. Die Auslegung im Sinne des Beschwerdeführers unterstellte damit der Norm, sie sei wegen Fehlens jeglicher das Ermessen regelnder näherer Bestimmungen auch aus diesem Grund verfassungswidrig.
Aufgrund dieser Überlegungen kann diese Übergangsbestimmung - trotz des nicht eindeutigen Wortlautes "Eine Verpflichtung ... besteht nicht" - nur so verstanden werden, daß der unabhängige Bundesasylsenat in Fällen, in denen die Entscheidung der Behörde erster Instanz vor dem 1. Jänner 1998 erging, eine Feststellung gemäß § 8 AsylG mangels strikt normierter Zuständigkeit nicht vornehmen darf.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010352.X00Im RIS seit
20.11.2000