TE OGH 2019/4/3 1Ob38/19y

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin C***** K*****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer und Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. W***** K*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Dezember 2018, GZ 44 R 441/18f-58, mit dem der Teilbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 9. Juli 2018, GZ 9 Fam 8/14f-52, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 6.235,20 EUR (darin enthalten 1.039,20 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind insofern weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die zwischen den Parteien im Jänner 1987 geschlossene Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 23. 1. 2014 gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden.

Die Parteien schlossen anlässlich der Scheidung einen gerichtlichen Vergleich, der folgende Regelung enthält:

„...

2. Die Einbringung und Durchführung eines ehelichen Aufteilungsverfahrens nach § 81 ff EheG bleibt ausdrücklich vorbehalten.

In diesem Zusammenhang erklärt aber die [Frau] ausdrücklich, dass sie in diesem Verfahren keinen Eigentumsanspruch auf das Haus in *****, erheben wird, ebensowenig einen Miteigentumsanspruch und auch keine diesbezüglichen Anträge stellen wird. Darüber hinaus erklärt sie ausdrücklich, dass sie keine Ansprüche stellen wird auf ein Wohnrecht in diesem Haus oder ein Fruchtgenussrecht in diesem Haus, sei es ein eingeschränktes Wohn- oder Fruchtgenussrecht, sei es ein Wohn- oder Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft. Dies heißt, dass die [Frau] ausdrücklich erklärt, dass sie im Aufteilungsverfahren lediglich einen Antrag auf Ausgleichszahlung stellen wird. Sie verzichtet auf einen Zuspruch einer Wohnmöglichkeit oder eines Eigentums an der Liegenschaft.

Die [Frau] erklärt ausdrücklich, dass sie eine Ausgleichszahlung begehren wird nach dem Ergebnis des Aufteilungsverfahrens, sie erklärt aber heute schon, dass sie keinen Anspruch stellen wird aus einem etwaigen behaupteten Mit- oder Nutzungsrecht an der Liegenschaft bzw der von ihr benützten Wohneinheit. Sie wird auch keinen Anspruch stellen aus irgend einem sonstigen Benützungsrecht an der Wohnung oder Liegenschaft.

Sie erklärt ausdrücklich, dass sie lediglich einen Antrag im Aufteilungsverfahren auf Ausgleichszahlung stellen wird.“

Der Mann ist seit 1976 selbständiger Rechtsanwalt. Er lebte ein sparsames Leben und arbeitete viel. Die Kosten für die Familie trug ausschließlich der Mann, der sehr großzügig war und der Frau während der Ehe etwa viel wertvollen Schmuck kaufte. Die Frau kümmerte sich – wie mit dem Mann vereinbart – um die drei gemeinsamen Kinder und den Haushalt und konnte mit Blankoschecks einkaufen, was sie wollte.

Im November 1986 (vor der Eheschließung) unterzeichnete der Mann den Kaufvertrag über die Liegenschaft in ***** samt Gebäude (kurz: Liegenschaft) zu einem Kaufpreis von 3,5 Millionen Schilling. Nach der Eheschließung wurde das Eigentum des Mannes an der Liegenschaft einverleibt. Er nahm Ende 1987 einen Kredit über 2,5 Millionen Schilling auf. Die Rückzahlung erfolgte ab Anfang 1988. Dieser Kredit war ursprünglich für den Ankauf einer weiteren Liegenschaft gedacht; ein Kaufvertrag kam jedoch nicht zustande, weshalb er den zugezählten Kredit zur Hälfte (1,25 Millionen Schilling) für die 1987 durchgeführten (näher beschriebenen) Erhaltungsarbeiten und die Einrichtung der Wohnung im 1. Stock des Wohnhauses und die andere Hälfte für die Sanierung seiner Rechtsanwaltskanzlei verwendete. Der Mann zahlte den Kredit über zehn Jahre aus den „Einnahmen seiner Rechtsanwaltskanzlei“ zurück. In den Jahren 1999 bis 2001 wurde das Haus um ca 9 Millionen Schilling umfassend renoviert und ausgebaut. Im Dachgeschoß wurden drei Kinderzimmer ausgebaut, ein Wohnzimmer mit Küche und ein Schlafzimmer für die Ehepartner sowie zwei Badezimmer und zwei Terrassen. Der Keller wurde trocken gelegt, Marmorsteine verlegt, Wände und Böden völlig saniert, ein Schwimmbad, ein Dampfbad, eine Sauna, ein Fitnessraum, eine Waschküche, ein Technikraum und ein Kinderspielplatz eingebaut. Die Familie nutzte fortan die Räumlichkeiten im 1. Stock, im Dachgeschoß und im Keller. Die Wohnung im Erdgeschoß war vermietet.

Die Frau begehrt nun die Leistung einer Ausgleichszahlung von 3 Millionen Euro, wovon 2,7 Millionen Euro auf die Liegenschaft entfallen. Die von den Ehegatten als Ehewohnung bewohnte, im Alleineigentum des Mannes stehende Liegenschaft sei – mit Ausnahme der bis 2008/2009 vermieteten Wohnung im Erdgeschoß – Teil der Aufteilungsmasse. Zwar sei der Kaufvertrag 45 Tage vor Eheschließung abgeschlossen worden, die Einverleibung, Übergabe, Finanzierung und Zahlung des Kaufpreises sei jedoch erst danach erfolgt. Vom Kaufpreis von 3,5 Millionen Schilling sei lediglich ein Teilbetrag von 1 Million Schilling aus vorehelichen Ersparnissen geleistet worden, wobei sie mit 55.000 DM, die sie aus einer Verlassenschaft erhalten und die ihr späterer Mann verwahrt habe, dazu beigetragen habe. Der restliche Kaufpreis sei kreditfinanziert worden, die erste Rückzahlungsrate Anfang 1988 fällig gewesen. Das Gebäude sei bis Anfang 2000 revitalisiert worden. Diese Arbeiten seien nicht mit vorehelichen Ersparnissen des Mannes finanziert worden, sondern mit ehelichen Ersparnissen oder Ersparnissen aus der Rechtsanwaltskanzlei. Sie habe sich mit gerichtlichem Vergleich vom 23. 1. 2014 im Scheidungsverfahren verpflichtet, im Rahmen eines Aufteilungsverfahrens keine Eigentumsansprüche auf die Liegenschaft geltend zu machen, sondern ausschließlich eine Ausgleichszahlung zu begehren.

Der Mann begehrt von der Frau die Leistung einer Ausgleichszahlung von 794.857,32 EUR. Zur von der Frau für die Liegenschaft begehrten Ausgleichszahlung brachte er vor, dass er diese Liegenschaft „lange“ vor der Eheschließung gekauft sowie den gesamten Kaufpreis und die Renovierungskosten aus vorehelichen Ersparnissen aufgebracht und gezahlt habe, sodass die Liegenschaft nicht in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sei.

Das Erstgericht sprach mit Teilbeschluss aus, dass „der Antrag“ (ein solcher wurde gar nicht gestellt), die Liegenschaft „in die Aufteilungsmasse einzubeziehen“, abgewiesen werde (Punkt 1.). Weiters wies es den Antrag der Frau, dem Mann eine anteilige Ausgleichszahlung „für die Liegenschaft“ von 2,7 Millionen Euro aufzuerlegen, ab (Punkt 2.). Gelange das Gericht zum Schluss, dass bestimmte Gegenstände oder Ersparnisse aufgrund ihrer Herkunft oder Verwendung nicht in die Aufteilung einzubeziehen seien, habe es in der Sache selbst mit Teilabweisung zu entscheiden. Die Liegenschaft unterliege bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtung deshalb nicht der Aufteilung, weil der Mann bis zur Eheschließung im Jänner 1987 57 % des Kaufpreises an den Verkäufer der Liegenschaft gezahlt habe. Die Liegenschaft sei daher als eingebracht im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG zu werten. Die Frau mache kein dringendes Wohnbedürfnis im Sinn des § 82 Abs 2 EheG geltend, sondern habe erklärt, keine wie immer gearteten Eigentums- oder Benützungsansprüche geltend zu machen. Selbst wenn die überwiegende Wertsteigerung der eingebrachten Liegenschaft durch den umfassenden Ausbau von Dach- und Kellergeschoß von 1999 bis 2001 um 9 Millionen Schilling „während der Ehe“ eingetreten sei, sei dieser Ausbau (wie der Kauf der Liegenschaft) ausschließlich mit Mitteln, die der Mann vor der Ehe erwirtschaftet und angespart gehabt habe, finanziert worden, weshalb die Frau an einer allfälligen Wertsteigerung nicht mitpartizipiere. Reine Erhaltungsarbeiten, wie die im Jahr 1987 durchgeführten, stellten keinen Wertzuwachs dar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Rechtlich führte es aus, dass in einer gemäß § 97 Abs 5 EheG zwischen den Ehegatten im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren geschlossenen Vereinbarung auf Teile des Aufteilungsanspruchs verzichtet werden könne. Teilentscheidungen über die Ausgleichszahlung sowie über die Nichteinbeziehung bestimmter Sachen seien gemäß § 36 Abs 2 AußStrG zulässig. Die Parteien hätten im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe im Scheidungsverfahren einen zulässigen (§ 97 Abs 5 EheG), gerichtlichen Vergleich geschlossen, der sich auf die Liegenschaft und mögliche Ansprüche in einem Aufteilungsverfahren beziehe und dessen Wirksamkeit nicht bestritten werde. Nach dem Wortlaut enthalte der Vergleich keine abschließende Regelung über sämtliche mögliche Fragen im Zusammenhang mit der Aufteilung der Liegenschaft, beziehe „sich aber ausdrücklich auf diese“. Er enthalte eine detaillierte Erklärung der Frau, die inhaltlich als Verzicht auf eine Zuweisung dinglicher Rechte und auch die Begründung eines Benützungsrechts an der Liegenschaft „interpretiert werden“ könne. Auslegungsbedürftig sei, ob die vom Mann durch Abschluss des Vergleichs angenommene Erklärung impliziere, dass damit die Frage geklärt worden sei, ob die Liegenschaft in die Aufteilungsmasse fallen solle (im Sinn einer Vereinbarung nach § 82 Abs 2 EheG). Umgekehrt stelle sich die Frage, weshalb eine solche Erklärung in den Vergleich aufgenommen worden sei, sollten beide Parteien davon ausgegangen sein, dass die Liegenschaft gar nicht der Aufteilungsmasse zuzurechnen ist. Da dazu nähere Feststellungen fehlten, könne nicht abschließend beurteilt werden, ob die Parteien bei Vergleichsabschluss bedacht hätten, die Gestaltungsmöglichkeit des Gerichts im Sinn des § 87 Abs 1 Satz 2 EheG („durch Vereinbarung ausschließen“) mit diesem Teilvergleich einvernehmlich zu begrenzen, gleichzeitig aber mit bereinigender Wirkung klären hätten wollen, ob die Liegenschaft in die Aufteilung einzubeziehen sei. Da weder die Parteien noch das Erstgericht die dargestellte Rechtslage bedacht hätten, sei zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung eine Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses erforderlich. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 87 Abs 1 Satz 2 EheG im Zusammenhang mit einem einen Teilverzicht enthaltenen Scheidungsvergleich noch nicht bestehe.

Dagegen richten sich die – vom jeweiligen Verfahrensgegner beantworteten – Revisionsrekurse beider Parteien mit dem Antrag der Frau, die eheliche Liegenschaft in das Aufteilungsverfahren „einzubeziehen“, wogegen der Mann die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses beantragt; beide stellen hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Frau ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Der Revisionsrekurs des Mannes ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Keine der Parteien releviert, dass die Frau – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – gar keinen Antrag stellte, die Liegenschaft (real) in die Aufteilungsmasse einzubeziehen. Sie wenden sich im Revisionsrekurs auch nicht gegen die prozessuale Zulässigkeit eines Teilbeschlusses nach § 36 Abs 2 AußStrG darüber, dass die Liegenschaft nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen sei. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen.

Zum Revisionsrekurs der Frau:

2. Die Frau argumentiert, der Mann habe durch eine „steuerliche Konstruktion“ sowohl den Kaufpreis als auch die getätigten Investitionen steuerlich geltend gemacht. Er habe gegenüber den Finanzbehörden behauptet, dass es sich bei der Ehewohnung um ein Mietwohnhaus handle, das ausschließlich Vermietungszwecken diene. Aufgrund dieses Umstands habe er erhebliche Steuerbegünstigungen in Anspruch genommen, sodass die „Refinanzierung“ der Anschaffung der Liegenschaft durch Steuerersparnisse erfolgt sei. Setze man die Steuerersparnis von 524.677,24 EUR der Anschaffung sowie den Renovierungskosten der Liegenschaft gegenüber, so seien der überwiegende Kaufpreis und die überwiegenden Renovierungskosten „während aufrechter Ehe“ erwirtschaftet worden.

Damit vermag die Frau eine Wertsteigerung der Liegenschaft durch während der Ehe erwirtschaftete Mittel nicht darzulegen. Die behauptete Steuerersparnis führte dazu, dass dem Mann ein höheres Nettoeinkommen zur Verfügung stand, wirkte sich aber in keiner Weise auf den Liegenschaftswert aus.

3. Die Frau behauptet erstmals im Revisionsrekurs, für sie sei im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses wesentlich gewesen, dass die Liegenschaft „jedenfalls ins Aufteilungsverfahren miteinbezogen wird“, sodass sogleich die Feststellung zu treffen gewesen wäre, dass die Liegenschaft „in die Aufteilung miteinzubeziehen ist“. Eine unrichtige Rechtsansicht des Rekursgerichts zur Frage der Einbeziehung der Liegenschaft zeigt die Frau damit nicht auf. Sie meint ersichtlich (weiterhin) eine bloß wertmäßige Berücksichtigung und keine reale Einbeziehung in die Aufteilungsmasse. Ihre Ausführungen zum Inhalt des anlässlich der Scheidung geschlossenen Vergleichs und ihrer Absicht verstoßen zudem gegen das Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG). Im Übrigen ist sie auf die Behandlung des Rechtsmittels des Mannes zu verweisen.

4. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage ist ihr Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung dazu beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG. Der Mann hat auf die mangelnde Zulässigkeit des Rechtsmittels der Frau hingewiesen.

Zum Revisionsrekurs des Mannes:

5. Der Mann behauptet, die Frau habe gegen ihn nicht nur ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet, sondern auch bei den Finanzbehörden gegen ihn Strafanzeigen erstattet, worauf eine Überprüfung sämtlicher Steuerunterlagen für die Jahre 1997 bis einschließlich 2008 erfolgt sei. Er sei von sämtlichen ihm vorgeworfenen Straftatbeständen freigesprochen worden. Auch die Finanzbehörden hätten nach Prüfung der Unterlagen kein strafrechtlich relevantes Verhalten in Bezug auf steuerliches Fehlverhalten festgestellt. Die Frau habe ihm gegenüber durch diese Strafanzeigen mehrfach den Staftatbestand der Verleumdung begangen und außerdem 4,5 Millionen Schilling im Juni 2003 nicht an ihn zurückgegeben. Durch diese Verfehlungen habe sie „ihren Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im ehelichen Aufteilungsverfahren nach § 81 ff EheG verwirkt“.

Das österreichische Recht kennt keine allgemeine Verwirkung (RS0014221). Außerhalb der im Gesetz geregelten Verwirkungstatbestände (vgl § 94 Abs 2 ABGB; § 74 EheG; § 400 ABGB) ist dem österreichischen Recht ein allgemeiner Grundsatz der „Verwirkung durch missbilligtes Verhalten“ fremd (6 Ob 48/99y = RS0014221 [T10]). Das Recht des nachehelichen Vermögensaufteilung enthält keinen gesetzlichen Tatbestand, nach dem ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung „verwirkt“ wäre. Der Mann vermag eine gesetzliche Grundlage auch nicht zu nennen. Entgegen seiner nicht näher begründeten Ansicht ergibt sich eine solche „Verwirkung“ auch nicht aus § 540 ABGB aF (in der vom Mann herangezogenen Fassung vor dem ErbRÄG 2015) „im Zusammenhang mit § 83 ff EheG“.

6. Zutreffend zeigt der Mann aber auf, dass die Frau im erstinstanzlichen Verfahren und auch im Rekurs keine Behauptung aufgestellt hatte, dass aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen gerichtlichen Vergleichs die Liegenschaft in das Aufteilungsverfahren „einzubringen“ (gemeint: einzubeziehen) sei. Die vom Rekursgericht vorzunehmende Überprüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidungen nach allen Richtungen, auch wenn diese Rechtsfragen im bisherigen Verfahren nicht erörtert wurden, hat nur auf der Grundlage der Feststellungen und der in erster Instanz aufgestellten Tatsachenbehauptungen zu erfolgen (RS0043352 [T16]). Keine der Parteien behauptete, dass die Liegenschaft schon kraft Gesetzes real in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen wäre oder dass eine Vereinbarung gemäß § 82 Abs 2 AußStrG geschlossen worden wäre, wonach die Ehewohnung in die Aufteilung einzubeziehen sei.

Sowohl die Frau als auch der Mann begehren jeweils nur eine Ausgleichszahlung. Die Frau macht – entsprechend dem anlässlich der Scheidung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich – im Rahmen des Aufteilungsverfahrens keine Ansprüche auf die im Eigentum des Mannes stehende Liegenschaft geltend. Sie argumentierte im erstinstanzlichen Verfahren, der Kaufvertrag über die Liegenschaft sei vor Eheschließung unterfertigt worden, jedoch seien sowohl die Übergabe der Liegenschaft, die Einverleibung des Eigentumsrechts in das Grundbuch und die Kaufpreiszahlung sowie die Finanzierung des wesentlichen Kaufpreises „während aufrechter Ehe der Streitteile erfolgt“. Die Liegenschaft falle „sohin – mit Ausnahme der vermieteten Wohnung im Erdgeschoß – zur Gänze in die Aufteilungsmasse im gegenständlichen Verfahren“. Der Mann behauptet wiederum, die Liegenschaft habe er „lange“ vor der Eheschließung gekauft und damals ausreichend Ersparnisse gehabt, sodass er den gesamten Kaufpreis und auch die damaligen Renovierungskosten aus den Ersparnissen vor der Eheschließung gezahlt habe. Die Liegenschaft sei demzufolge in das Aufteilungsverfahren nicht einzubeziehen.

Gerade auch aus den gestellten Sachanträgen ergibt sich, dass keine der Parteien die Ansicht vertritt, die Liegenschaft des Mannes solle – ungeachtet der Regelungen im Vergleich – real der Aufteilung unterliegen. Die Frau hat auch keine erstinstanzliche Behauptung aufgestellt, dass die Ehewohnung aufgrund einer Vereinbarung nach § 82 Abs 2 EheG in die Aufteilung einzubeziehen wäre, ganz abgesehen davon, dass sie sich diesbezüglich auch nicht auf den anlässlich der Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleich berief. Nach dem Wortlaut dieser Vereinbarung ist gerade nicht davon auszugehen, dass die Parteien vereinbaren wollten, dass die Ehewohnung (real) in die Aufteilung einzubeziehen sei. Einen davon abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen (im Sinn der Rechtsansicht des Rekursgerichts) behauptete keine der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren. Das Rekursgericht hat daher zu Unrecht einen Feststellungsmangel angenommen.

7. Auf materiell-rechtlicher Ebene ist die Aufhebung des Teilbeschlusses über die Abweisung der Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse richtig. Die Parteien begehren nicht die reale Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse, sondern streiten nur über die Einbeziehung des Werts der Liegenschaft in die Aufteilung. Nachdem beide Parteien nur eine Ausgleichszahlung begehren und die Frau im Rahmen der Aufteilung keinerlei Recht an der im Eigentum des Mannes stehenden Liegenschaft beansprucht, kommt es nur darauf an, ob und inwieweit der Wert der Liegenschaft bei der Aufteilungsentscheidung zu berücksichtigen ist. Nicht in Betracht kommt aber (nach dem erstinstanzlichen Vorbringen und den Anträgen der Parteien) die reale Einbeziehung der Liegenschaft in die Aufteilungsmasse, worüber das Erstgericht absprach und wozu das Rekursgericht Erörterungen und Feststellungen vermisste. Haben sich die Parteien – im Zusammenhang mit der Scheidung – wirksam darauf geeinigt (vgl §§ 85, 97 Abs 5 EheG), dass die reale Einbeziehung einer Liegenschaft nicht stattfinden soll, besteht auch keine materiell-rechtliche Grundlage für die Begründung von Rechten an der Liegenschaft des anderen. Damit ist eine eingetretene eheliche Wertschöpfung lediglich rechnerisch auszugleichen.

8. Mit der eingangs dargestellten Regelung im Vergleich haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass einerseits die Liegenschaft im Alleineigentum des Mannes bleiben und sich andererseits davon ausgehend ein allfälliger Anspruch der Frau auf eine Ausgleichszahlung nach den allgemeinen Grundsätzen des Aufteilungsrechts errechnen soll, die folgendermaßen zusammengefasst werden können:

Unterliegt eine Liegenschaft im Sinn des § 82 Abs 1 Z 1 EheG als von einem Ehegatten eingebracht nicht der Aufteilung, dann ist (lediglich) die Werterhöhung durch die Investitionen während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft zu berücksichtigen und (rechnerisch) aufzuteilen. Aber auch wenn die Liegenschaft real in die Aufteilungsmasse fällt – was die Parteien hier einvernehmlich ausgeschlossen haben (vgl etwa RS0057681) –, ist der Wert der von einem Teil eingebrachten Sache wertverfolgend zu berücksichtigen, vor Ermittlung der Ausgleichszahlung mit ihrem noch vorhandenen Wert von der Aufteilungsmasse abzuziehen (RS0057490 [T1]) und dem betreffenden Ehegatten rechnerisch vorweg zuzuweisen (RS0057490 [T4, T5]). Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die durch Beträge der Ehegatten während ihrer ehelichen Gemeinschaft geschaffene Wertsteigerung rechnerisch als eheliche Errungenschaft in die Aufteilung fällt.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Mann die Liegenschaft um 3,5 Millionen Schilling kaufte und während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft zwischen 1999 bis 2001 um 9 Millionen Schilling renovierte, wobei er diese Beträge aus Ersparnissen zahlte, die er vor der Eheschließung erwirtschaftet und angespart hatte. Es konnte nicht feststellen, dass die Frau einen finanziellen Beitrag zur Finanzierung des Kaufs der Liegenschaft leistete. Diese Feststellungen wurden von der Frau im Rekurs mit Beweisrüge bekämpft, deren Behandlung das Rekursgericht aber unterließ. Das führt hier nicht sogleich zu einem Ergänzungsauftrag an das Gericht zweiter Instanz, weil jedenfalls noch wesentliche Feststellungen fehlen, die das Erstgericht nachzuholen haben wird.

Nach den (unbekämpften) Feststellungen verwendete der Mann einen Kreditbetrag von 1,25 Millionen Schilling für die 1987 durchgeführten Erhaltungsarbeiten und die Einrichtung der Wohnung im ersten Stock der Liegenschaft. Er zahlte den Kredit während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft aus „Einnahmen seiner Rechtsanwaltskanzlei“ zurück. Wenn das Erstgericht – ohne Feststellungen zu treffen – davon ausging, dass Erhaltungsarbeiten, wie die im Jahr 1987 durchgeführten, keinen Wertzuwachs bewirkten, ist diese rechtliche Beurteilung mangels ausreichender Tatsachengrundlagen nicht nachvollziehbar. Selbst unter Zugrundelegung des (von der Frau im Rekurs bekämpften) vom Erstgericht zugrunde gelegten Sachverhalts fehlen tragfähige Feststellungen, um beurteilen zu können, ob der aus ehelichen Ersparnissen zurückgezahlte Kredit über 1,25 Millionen Schilling, der für Erhaltungsarbeiten und die Einrichtung der Wohnung im 1. Stock verwendet wurde, nicht doch zu einer Werterhöhung der Liegenschaft führte, liegt es doch nahe, dass durch eine kostenintensive Sanierung jedenfalls das Wohngebäude eine Wertsteigerung erfahren hat.

Da dazu jedenfalls noch Feststellungen fehlen, ist die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung über das Begehren der Frau auf eine Ausgleichszahlung im Ergebnis zu billigen.

9. Dem Revisionsrekurs des Mannes ist daher im Ergebnis nicht Folge zu geben, weil das Verfahren tatsächlich noch ergänzungsbedürftig ist.

Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass kein die Sache erledigender Beschluss im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG vorliegt.

Textnummer

E124848

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00038.19Y.0403.000

Im RIS seit

06.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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