TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/12 VGW-031/007/809/2019

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Veröffentlicht am 12.04.2019
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Entscheidungsdatum

12.04.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG §29 Abs5
VwGVG §50 Abs2
VStG §24
VStG §49 Abs1
AVG §6
AVG §14

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Wien (Polizeikommissariat …) vom 04.12.2018, Zl. ..., mit welchem der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 07.10.2018 gemäß § 49 Abs. 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 13.03.2019 zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin bekämpft einen Zurückweisungsbescheid vom 04.12.2018, mit dem ein Einspruch vom 30.11.2018 gegen eine Strafverfügung vom 07.10.2018 als verspätet zurückgewiesen wurde.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin hat eine Strafverfügung wegen einer Übertretung des § 52 lit. c Z 24 iVm § 99 Abs. 3 lit. a StVO am 07.10.2018 direkt von den diese Übertretung wahrnehmenden Organen übernommen. Damit war die Strafverfügung sofort wirksam zugestellt bzw. erlassen und es begann die Zweiwochenfrist des § 49 Abs. 1 VStG zu laufen.

Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, gleich vor Ort mündlich einen Einspruch gegen die Strafverfügung erheben zu können.

Die Strafverfügung (Formular) enthielt im Beschwerdefall eine Rechtsmittelbelehrung, in der Einbringungsstelle und –form dargelegt werden („schriftlich oder mündlich beim oben angeführten Amt“). Im Kopf des Formulars ist die LPD Wien ausgewiesen, daneben ist „Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …“ (samt Anschrift) aufgestempelt. Einen Aktenvermerk oder sonstigen Hinweis auf einen mündlich bei den Organen erhobenen Einspruch findet man weder auf diesem Formular, noch im Verwaltungsakt. Eine Dokumentation der Äußerungen der Beschwerdeführerin erfolgte nicht.

Nachdem kein Einspruch bei der belangten Behörde einlangte und auch keine Zahlung der Strafe erfolgte, erging eine Mahnung vom 26.11.2018.

Mit Schreiben vom 30.11.2018 (Freitag, E-Mail um 16:20) erklärte die Beschwerdeführerin Berufung/Einspruch wegen der Strafhöhe zu erheben. Sie habe bereits vor Ort erwähnt, dass sie berufen möchte.

Daraufhin wurde der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom 04.12.2018 erlassen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Strafverfügung am 07.10.2018 persönlich übernommen worden sei. Daher begann an diesem Tag die zweiwöchige Einspruchsfrist und endete am 22.10.2018. Trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung sei der Einspruch erst am 30.11.2018 eingebracht worden. Die Rechtsmittelfrist sei abgelaufen. Der Einspruch sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 18.12.2018 (E-Mail um 21:36 Uhr) brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie natürlich innerhalb von zwei Wochen gegen die Strafverfügung berufen hätte, da sie dies mündlich vor Ort getan hätte. Dies könnten alle drei Beamten bestätigen, da sie dies gehört hätten. Sie habe vor Ort darauf hingewiesen, dass sie berufen möchte. Der Polizist habe gemeint, er wisse nicht, wie das mit dem berufen sei und ob das funktioniere. Der Polizist habe so darauf reagiert, als hätte er keine Ahnung, wie das mit dem berufen sei, ob das bewilligt werde oder nicht.

Rechtslage

§ 49 Abs. 1 VStG lautet: „Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.“

Der Einspruch ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat. Wurde der Einspruch bei der unrichtigen Einbringungsstelle eingebracht, ist er auf Gefahr des Einschreiters gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten (Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 49 Rz 4; Raschauer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 [2016] § 49 Rz 8).

Der Einspruch kann schriftlich oder aber auch mündlich erhoben werden. Wird der Einspruch mündlich erhoben, ist darüber gemäß § 14 AVG eine Niederschrift aufzunehmen Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 49 Rz 7; Raschauer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 [2016] § 49 Rz 6).

Dass der Einspruch „bei der Behörde“ einzubringen ist, bedeutet, dass er bei jener Dienststelle (Einbringungsstelle) eingebracht werden muss, welche zur Entgegennahme solcher Eingaben berufen ist. Ausschlaggebend ist, dass der Einspruch an der richtigen Stelle eingebracht wird, und nicht, dass er an die richtige Behörde gerichtet ist (Raschauer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 (2016) § 49 Rz 8).

§ 6 Abs. 1 AVG sieht die Weiterleitung von Eingaben an die zuständige Stelle vor. Schriftliche Anbringen sind an die zuständige Stelle weiterzuleiten, bei mündlichen Anbringen ist der Einschreiter an diese zu verweisen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 10).

Die Weiterleitung (bzw. die Einbringung bei der falschen Behörde) erfolgt nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers „auf Gefahr des Einschreiters“. Das bedeutet, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile (zB Fristversäumnis) unter allen Umständen zu tragen hat (Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 11). Ein bei der unzuständigen Stelle eingebrachtes, fristgebundenes Anbringen ist daher nur dann nicht verspätet, wenn das Schriftstück noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde einlangt.

Eingebracht ist ein Einspruch, wenn er tatsächlich (in lesbarer Form und vollständig) fristgerecht bei der Behörde (Einbringungsstelle) einlangt (Raschauer in Raschauer/Wessely (Hrsg), VStG2 [2016] § 49 Rz 9). Langt der Einspruch nicht fristgerecht bei der zuständigen Stelle ein, wird die Strafverfügung hingegen rechtskräftig.

Beurteilung des Beschwerdefalls

Die Beschwerdeführerin hat – sofern sie vor Ort bei den Organen einen Einspruch erhoben hätte – bei der falschen Stelle einen Einspruch eingebracht. Es besteht grundsätzlich kein Zweifel daran, dass sie sich vor Ort gegen die Strafhöhe geäußert hat. Als Einspruch wurde dies jedenfalls nicht vermerkt (Niederschrift). Über eine als bloße Ankündigung eines Rechtsmittels verstandene Äußerung müsste auch nicht eine Niederschrift angefertigt werden.

Bei der zuständigen Stelle (der belangten Behörde), d.h. „beim [in der Strafverfügung] oben angeführten Amt“, ist binnen der Zweiwochenfrist kein Einspruch eingelangt. Das Risiko, dass keine (vollständige und rechtzeitige) Weiterleitung einer an der falschen Stelle eingebrachten Eingabe an die zuständige Behörde erfolgt, verantwortet gemäß § 6 Abs. 1 AVG die Beschwerdeführerin. Sie hätte Zweifel aufgrund des Verhaltens der Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und Polizeijurist) an der Wirksamkeit ihrer Einspruchserhebung haben müssen. Das Risiko des Einlangens eines Einspruches bei der Behörde trägt in dieser Konstellation der Beschuldigte.

Das Schreiben vom 30.11.2018 wurde zutreffend als verspäteter Einspruch gewertet. Ein ausreichender (substantiierter) Wiedereinsetzungsgrund (Irrtum über wirksame Einspruchserhebung vor Ort) war aus diesem Schreiben nicht ersichtlich. Es handelt sich im Wesentlichen um ein bloßes Vorbringen gegen die Strafhöhe.

Eine Behörde ist nach der Judikatur zu § 13a AVG nicht verpflichtet (vgl. VwGH 24.04.2002, 2002/18/0069), vor Zurückweisung einer unzweifelhaft verspäteten Eingabe die Partei zunächst über die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist zu belehren. Schließlich ergab sich aus dem Schreiben vom 30.11.2018 kein ausreichender Hinweis auf einen Wiedereinsetzungsgrund (sofern man überhaupt eine entsprechende Manuduktionspflicht annehmen wollte; generell dagegen Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a Rz 5; differenziert dafür Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 [2014] Rz 164).

Mit Schreiben vom 18.12.2018 erging die vorliegende Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid. Darin wird erstmals der Irrtum über die wirksame Einspruchserhebung vor Ort angesprochen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung (hier Einspruchsfrist) hätte binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses iSd § 71 AVG gestellt werden müssen. Der Irrtum über die wirksame Einspruchserhebung wurde jedoch bereits mit der Mahnung vom 26.11.2018 offenkundig. Ob ein Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis berechtigt gewesen wäre, ist im vorliegenden Fall daher nicht weiter zu beurteilen.

Jedenfalls ist das Erlassen des Zurückweisungsbescheides in der Beschwerdekonstellation im Ergebnis nicht zu beanstanden; es war nämlich nicht fristgerecht ein Einspruch erhoben worden.

Die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid war somit abzuweisen.

In anderen Konstellationen (abhängig von der zeitlichen Abfolge der Kommunikation mit der Behörde und vom Inhalt der Eingaben) wäre freilich ein anderes Verfahrensergebnis denkbar. Bei einer Ausfolgung vor Ort (Ort der Begehung einer Verwaltungsübertretung) scheint im Übrigen wohl eine Organstrafverfügung nach § 50 VStG zweckmäßiger (insbesondere in Bezug auf § 50 Abs. 6 VStG und die vorliegende Fallkonstellation).

H i n w e i s

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG von mindestens einem der hierzu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Gemäß § 50 Abs. 2 VwGVG hat die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses im Fall der Verhängung einer Strafe überdies die als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten zu enthalten.

Das Verwaltungsgericht hat am 13.03.2019 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde der Beschwerdeführerin unmittelbar ausgefolgt und der belangten Behörde sowie dem BMVIT jeweils am 18.03.2019 zugestellt. Somit wurde die Niederschrift sämtlichen zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen ausgefolgt oder zugestellt.

Keine zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof beziehungsweise Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt.

Deshalb konnte das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 Z 1 VwGVG gekürzt ausgefertigt werden. Gegen diese gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Strafverfügung; Erlassung; Rechtsmittelfrist; Einspruch; mündlich; Niederschrift; Einbringungsstelle; Risikotragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.007.809.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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