TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/24 98/11/0235

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Veröffentlicht am 24.03.1999
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 litb;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, Hamerlingstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. August 1998, Zl. RU 6-St-B-987, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B für die Dauer von 15 Monaten, gerechnet von der Zustellung des Erstbescheides der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 1. April 1998 (demnach bis 10. Juli 1999), vorübergehend entzogen.

In seiner zwar objektiv verspätet eingebrachten, aber im Hinblick auf den hg. Beschluß vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0234, betreffend Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als rechtzeitig erhoben geltenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat eine Äußerung zu der Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 17. Dezember 1997 schuldig erkannt wurde, in den Monaten Juli und August 1995 eine unmündige Minderjährige drei bis fünfmal auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht zu haben. Er habe dadurch das Verbrechen der Unzucht mit Minderjährigen nach § 207 Abs. 1 StGB begangen und wurde hiefür zu einer - bedingten - Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. In diesen strafbaren Handlungen erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 und schloß daraus auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967.

Der Beschwerdeführer stellt das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nicht in Abrede, macht aber geltend, daß eine Wertung dieser bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 nicht erfolgt sei. In diesem Zusammenhang betont er insbesondere die Länge der zwischen der Tat und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichenen Zeit von etwa drei Jahren und sein Wohlverhalten während dieser Zeit. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Auszugehen ist davon, daß die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers eine bestimmte Tatsache darstellen, die seine Verkehrsunzuverlässigkeit indiziert. Dabei fällt zu Lasten des Beschwerdeführers ins Gewicht, daß er nach den Feststellungen des Gerichtes mindestens drei Tathandlungen gesetzt hat. Der Umstand, daß bei Begehung dieser strafbaren Handlungen kein Kraftfahrzeug verwendet wurde, ändert an der Einschätzung dieser strafbaren Handlungen grundsätzlich nichts, denn es handelt sich dabei nach Auffassung des Gesetzgebers um strafbare Handlungen, deren Begehung typischerweise durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erleichtert wird.

Den Wertungskriterien der seit der Tat verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 hat aber die belangte Behörde nicht entsprechend Rechnung getragen. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides waren bereits über zweieinhalb Jahre verstrichen, während der sich der bis dahin unbescholtene Beschwerdeführer nicht nur keiner weiteren strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, sondern sich nach der Aktenlage auch einer erfolgreichen Psychotherapie unterzogen hat. Wenn auch Zeiten anhängiger Strafverfahren im gegebenen Zusammenhang verhältnismäßig geringer zu veranschlagen sind, so kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer sei noch im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides verkehrsunzuverlässig gewesen.

Im Hinblick auf die dargestellte rechtswidrige Einschätzung der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Ersatz für Schriftsatzaufwand nur für die Beschwerde zusteht (§ 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG).

Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich ein Abspruch über den - zur hg. Zl. AW 98/11/0068 protokollierten - Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110235.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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