TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/25 I403 2185495-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2019
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Entscheidungsdatum

25.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2185495-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2018, Zl. 1123656710/181055155, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, stellte am 21.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass sie in Nigeria wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden sei.

Die Beschwerdeführerin wurde am 29.08.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Sie wiederholte ihr bisheriges Vorbringen und erklärte, in Österreich freiwillig der Prostitution nachzugehen, da sie ihrem Vater €

15.000.- für ihre Flucht zurückzahlen müsse. Sie sei nicht Opfer von Menschenhandel.

Die Landespolizeidirektion XXXX verständigte die Staatsanwaltschaft von dem Verdacht des Menschenhandels. Die Staatsanwaltschaft sah aufgrund fehlenden Anfangsverdachts von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab (Verständigung vom 12.12.2017).

Mit Bescheid des BFA vom 15.01.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Zugleich wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde für nicht glaubhaft befunden. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.09.2018, Zl. I420 2185495-1/5E, als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Am 06.11.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte sie nunmehr, sie sei Opfer von Menschenhandel und in Österreich zur Prostitution gezwungen worden.

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 22.11.2018 gab die Beschwerdeführerin an, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen von Nigeria nach Europa gelockt worden zu sein; man habe ihr versprochen, sie könne hier als Kindermädchen arbeiten. Sie habe vor ihrer Ausreise ein Voodoo-Ritual durchlaufen. Ihre Angaben im Erstverfahren habe sie auf Druck der Menschenhändlerin getätigt. Seit März 2018 habe sie aber den Kontakt zu dieser Frau und auch zu ihrem Vater abgebrochen; aktuell gehe sie gelegentlich freiwillig der Prostitution nach.

Mit Bescheid vom 23.11.2018 wies die belangte Behörde den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 hinsichtlich des Status der Asylberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht.

Dagegen wurde im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung am 06.12.2018 Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Abänderung des angefochtenen Bescheids der Beschwerdeführerin Asyl, in eventu subsidiären Schutz zuerkennen; in eventu die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweisen; feststellen, dass die Rückkehrentscheidung bzw. die Abschiebung unzulässig sind; eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 11.12.2018 vorgelegt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Am 22.01.2019 wurde eine mündliche Verhandlung abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner schweren Erkrankung und ist arbeitsfähig. Sie ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Benin und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie wohnte vor ihrer Ausreise in Benin City, wo ihr Vater, ihr Bruder und weitere Verwandte leben.

Die Beschwerdeführerin verließ Nigeria im Frühjahr 2016, hielt sich etwa zwei Monate in Libyen auf, ehe sie über Italien im Juli 2016 in Österreich einreiste und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Dieser erste Antrag auf internationalen Schutz vom 21.07.2016 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.01.2018 abgewiesen; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2018 als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft. In diesem ersten Verfahren begründete die Beschwerdeführerin ihren Schutzbedarf mit ihrer Homosexualität.

Die Beschwerdeführerin erklärte im gegenständlichen Asylverfahren, dass sie die Angaben im Erstverfahren aufgrund von Druck der Menschenhändler getätigt habe. Tatsächlich sei sie Opfer von Menschenhandel und habe es nicht gewagt, dies im Erstverfahren anzugeben. Sie sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Europa gelockt und hier zur Prostitution gezwungen worden. Damit brachte sie im gegenständlichen Verfahren neue Fluchtgründe vor, welche allerdings schon während des vorangegangenen Asylverfahrens existent und der Beschwerdeführerin bekannt waren.

Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Menschenhandels war von der Staatsanwaltschaft wegen fehlendem Anfangsverdachtes nicht eingeleitet worden.

Für den Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria unterliegt sie keiner besonderen Gefährdung; insbesondere besteht keine reale Gefahr, dass sie von Personen, die ihre Ausreise organisiert haben, bedroht oder in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt wird.

Die strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführerin geht in Österreich der Prostitution nach. Sie hält sich seit rund zweieinhalb Jahren in Österreich auf. Sie führt seit ca. einem Jahr eine Beziehung zu einem in Österreich lebenden nigerianischen Staatsbürger. Eine nachhaltige Verfestigung im Bundesgebiet liegt nicht vor.

1.2. Zur allgemeinen Lage in Nigeria:

Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die wesentlichen Feststellungen daraus sind:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017

-

AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,

http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017

-

IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):

Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017

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NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/, Zugriff 4.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 23.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 22.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 4.7.2017

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UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady, Zugriff 4.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel:

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org, aweg95@yahoo.com, nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),19 , Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htm, Zugriff 5.7.2017

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htm, Zugriff 5.7.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 5.7.2017

-

WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): About us, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/2, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/, Zugriff 5.7.2017

1.3. Zum Menschenhandel

Nigeria ist eine Drehscheibe des Menschenhandels; jährlich werden hunderte Mädchen und Frauen von dort nach Europa verbracht. Die meisten Opfer von Menschenhandel stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen. Viele werden auch von Frauen, den sogenannten "Madames" angeworben, welche teilweise auch vorgeben, Magie und Zauberei ("Juju") anzuwenden. Diese "Madames" sind häufig sowohl in Nigeria, wie auch im Zielland aufhältig und überwachen die Mädchen bzw. Frauen nach ihrer Ankunft.

Nur sehr wenige Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, kehren freiwillig nach Nigeria zurück. Dennoch kann nicht festgestellt werden, dass Frauen und Mädchen generell dem Risiko unterliegen, Opfer von Frauenhandel zu werden. Es kann ebenfalls nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Opfer von Frauenhandel, das nach Nigeria zurückkehrt, automatisch einer Verfolgung der Menschenhändler unterliegt, welche sie ursprünglich nach Europa verbracht hatten. Dies ist abhängig von der individuellen Situation. Insbesondere wenn eine enge Beziehung zwischen dem Opfer (bzw. seiner Familie) und den Ausbeutern besteht, ist die Gefahr groß, vor allem, wenn noch Schulden offen sind. Manche Frauen können im Fall der Rückkehr auch diskriminiert und sozial stigmatisiert werden, insbesondere, wenn sie nicht vermögend zurückkehren und ihre Familie in den Menschenhandel involviert war.

Nigeria hat in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um den internationalen Standards zur Bekämpfung von Frauenhandel zu entsprechen, die Mittel zum Opferschutz wurden allerdings gekürzt. Die Kapazitäten der Organisation National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP) sind allerdings eingeschränkt und ist die Organisation auch nicht immer darüber informiert, wenn Opfer von Menschenhandel nach Nigeria rückgeführt werden. Nach wie vor gibt es 10 NAPTIP-Unterkünfte, welche 315 Personen Schutz bieten. Zumeist wird eine Unterkunft maximal für sechs Wochen gewährt.

Diese Feststellungen basieren auf den folgenden Quellen:

* US Department of State: Trafficking in Persons Report 2018 - Nigeria;

* European Asylum Support Office (EASO) vom Oktober 2015 zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen";

* UK Home Office, Country Policy and Information Note - Nigeria:

Trafficking of women, November 2016.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdeführerin machte im Verfahren keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen ebenfalls auf deren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Unterlagen zur Integration wurden nicht vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, seit etwa einem Jahr eine Beziehung zu einem nigerianischen Staatsbürger zu führen, doch wusste sie seinen Nachnamen nicht und meinte sie, dass die Beziehung jederzeit ein Ende haben könnte.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 13.12.2018.

2.2. Zur Frage der entschiedenen Sache:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zunächst zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 23.11.2018 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Dazu muss geprüft werden, ob die Beschwerdeführerin neue Fluchtgründe vorgebracht hat. Die Beschwerdeführerin hatte im ersten Verfahren erklärt, in Nigeria wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu werden; im gegenständlichen Verfahren hatte sie dagegen behauptet, Opfer von Menschenhandel zu sein. Auch die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass die Beschwerdeführerin "im gegenständlichen Verfahren andere Gründe betreffend ihre Asylantragstellung" angegeben hatte.

Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass diesem Vorbringen Asylrelevanz zukommt. Unter "Menschenhandel" ist im Sinne des Art. 2 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2011/36/EU (Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels; Umsetzungsfrist: April 2013) "die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen, einschließlich der Übergabe oder Übernahme der Kontrolle über diese Personen, durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die die Kontrolle über die andere Person hat, zum Zwecke der Ausbeutung" zu verstehen.

Ausbeutung im Sinne der genannten Richtlinie umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung sowie Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen (einschließlich Betteltätigkeiten, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung strafbarer Handlungen oder die Organentnahme). Ausbeutung liegt vor, sobald eine Person genötigt wird (unter Androhung oder Anwendung von Gewalt, Entführung, Betrug, Täuschung usw.), wobei es keine Rolle spielt, dass das Opfer seine Zustimmung gegeben hat.

Opfer von Menschenhandel können Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 A

(2) der GFK sein, aber nur, wenn sie alle der dort genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen (UNHCR-Richtlinien zum Schutz von Opfern von Menschenhandel; vgl. auch EGMR, Statement of Facts - 49113/09, L.R. gegen Vereinigtes Königreich).

Allerdings wies das BFA im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hin, dass der vorgebrachte Fluchtgrund nicht erst nach Rechtskraft der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren entstanden sei. Tatsächlich hatte die Beschwerdeführerin ja ihrer eigenen Aussage nach die Tätigkeit als Prostituierte im Oktober 2016 gezwungenermaßen aufgenommen, dies im vorangegangenen Verfahren aber geleugnet. Das BFA ging daher im angefochtenen Bescheid davon aus, dass sich der Asylfolgeantrag auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, dem die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts über den ersten Antrag auf internationalen Schutz entgegensteht.

Eine Durchberechnung der Rechtskraftwirkung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2018 wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich seither der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorliegen würde, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH, 23.01.2018, Ra 2017/18/0274; VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0293).

Die Beschwerdeführerin stützt sich im gegenständlichen Verfahren auf (behauptete) Umstände, die bei hypothetischem Zutreffen allesamt bereits während des letzten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens existent gewesen wären; auch ihr behaupteter Kontaktabbruch zu den Menschenhändlern war im März 2018 und damit während des vorangegangenen Verfahrens erfolgt. Es handelt sich sohin nicht um "nova producta", die eine neue Entscheidung in der Sache des Antrages auf internationalen Schutz zulässig machen würden.

In der Beschwerde wurde zwar behauptet, dass "nach dem Abschluss ihres Vorverfahrens gravierende Änderungen ihrer persönlichen Verhältnisse und daraus folgend ihrer Rückkehrbefürchtungen stattgefunden haben" würden, doch wurde dies nicht inhaltlich begründet. In der Beschwerde wurde auch auf gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin verwiesen, dies wurde aber ebenso wenig erläutert und wurden auch keine Befunde vorgelegt. Soweit in der Beschwerde auf die inzwischen "wesentlich schlechtere" Sicherheitslage in Nigeria verweist, wird ebenfalls unterlassen darzulegen, was sich seit Rechtskraft des Erkenntnisses vom 27.09.2018 (und somit in einem Zeitraum von nur vier Monaten) geändert haben sollte. Wenn in der Beschwerde auf das Thema der Genitalverstümmelung eingegangen wird, wird damit einerseits ein vollkommen neuer Fluchtgrund vorgebracht und andererseits nicht aufgezeigt, warum gerade die volljährige Beschwerdeführerin davon bedroht werden sollte. Ein neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist zudem von der Sache des Beschwerdeverfahrens nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH, 24.6.2014, Ra 2014/19/0018).

Es sind auch keine wesentlichen in der Person der Beschwerdeführerin liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf ihre Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

Zusammengefasst ist daher dem BFA zuzustimmen, dass keine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung der Rechtslage wurde weder behauptet noch entspricht eine solche dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.3. Zur Frage einer etwaigen Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria:

Nigeria ist eine der Drehscheiben des internationalen Frauen- und Menschenhandels; die meisten Opfer stammen aus Benin City, ebenso wie die Beschwerdeführerin. Es stellt sich daher - unabhängig von dem Umstand, dass einer neuen inhaltlichen Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2018 entgegensteht - die Frage, ob die Beschwerdeführerin Opfer von Menschenhandel ist und im Falle einer Rückkehr nach Nigeria deswegen in Gefahr wäre.

Soweit das BFA darauf verweist, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum die Beschwerdeführerin im Erstverfahren nicht zugegeben habe, Opfer von Menschenhandel zu sein, verkennt das BFA, dass Opfer von Menschenhandel oftmals unter einem massiven Druck stehen und aus Angst vor den Menschenhändlern lange nicht die Wahrheit sagen. In diesem Fall konnte nicht einfach von einer Steigerung des Vorbringens ausgegangen werden, sondern wären weitergehende Ermittlungen notwendig gewesen. Es ist gerade ein typisches Verhalten von Opfern von Menschenhandel, dies zunächst nicht zuzugeben. Zudem wurde die Einvernahme vor dem BFA am 29.08.2017 (im Vorverfahren) durch einen Mann durchgeführt. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im Vorverfahren leugnete, ein Opfer von Menschenhandel zu sein, bedeutet daher nicht automatisch, dass das diesbezügliche Vorbringen nicht stimmt.

Es lagen bereits im Erstverfahren Indizien für Menschenhandel vor. Entsprechend wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2018 festgehalten: "Der Vollständigkeit halber sei noch darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin in Österreich der Prostitution nachgeht und das BFA deswegen korrekterweise das Vorliegen von Menschenhandel überprüfte. Die Beschwerdeführerin verneinte zwar alle in diese Richtung zielenden Fragen, jedoch lagen entsprechende Indikatoren vor (AS 33f). So erging seitens des BFA am 30.08.2017 eine Meldung an die zuständige Abteilung des LKA XXXX betreffend Verdacht auf das Vorliegen von Menschenhandel."

Allerdings sah die Staatsanwaltschaft in weiterer Folge von einem Ermittlungsverfahren ab. Dies beweist aber auch nicht unbedingt, dass die Beschwerdeführerin kein Opfer von Menschenhandel ist, zumal sie selbst angibt, sich erst im März 2018 aus den Fängen der Menschenhändler befreit zu haben - was theoretisch erklären könnte, warum sie im gegenständlichen Verfahren offenere Aussagen trifft als im vorangegangenen Verfahren.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss die erkennende Richterin allerdings dem BFA darin zustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist. Die Beschwerdeführerin war in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, überzeugend zu schildern, wie es zu ihrer Ausreise aus Nigeria gekommen war. Immer wieder verwies sie darauf, dass sie sich nicht erinnern könne. Obwohl sie vor dem BFA in der Einvernahme am 22.11.2018 ihre Angst vor dem Voodoo-Zauber, dem sie angeblich vor ihrer Ausreise unterzogen worden wäre, in das Zentrum ihrer Schilderung und ihrer Befürchtungen stellte, war davon vor dem Bundesverwaltungsgericht zunächst keine Rede, wie der folgende Ausschnitt aus dem Verhandlungsprotokoll vom 22.01.2019 zeigt:

RI: Wie kam es zu Ihrer Ausreise aus Nigeria?

BF: Ich war in Nigeria in der Schule. Ich war 18 Jahre alt. Es sind eines Tages Leute zu meinem Vater gekommen. Da waren drei Männer, die mich nach Europa bringen sollten. Sie haben zu meinem Vater gesagt, dass sie mich nach Europa bringen wollen. Sie haben meinem Vater erklärt, dass, wenn ich nach Europa gehe, ich dort zur Schule gehen könnte und dass ich vielleicht auch Kinder betreuen kann. Ich bin dann illegal eingereist.

RI: Waren Sie bei diesen Gesprächen dabei?

BF: Ja, das habe ich gehört.

RI: Waren das bekannte oder unbekannte Leute?

BF: Mein Vater hat sie gekannt. Ich war zwei Monate in Libyen, auch in Italien war ich im Juni.

RI: Wie lange dauerte es dann von dem ersten Kontakt bis zu Ihrer Ausreise?

BF: Das habe ich vergessen.

RI: Waren das wenige Tage oder war das ein langer Zeitraum?

BF: Ein paar Tage. Nicht so lang.

RI: Was geschah in dieser Zeit? Kamen diese Leute nochmals?

BF: Ich weiß nicht, vielleicht, als ich nicht da war.

RI: Sonst ist in dieser Zeit nichts geschehen, unmittelbar vor Ihrer Ausreise?

BF: Nein.

Erst auf entsprechenden Vorhalt der erkennenden Richterin bestätigte sie dann die Abhaltung des Voodoo-Rituals, blieb in ihrer Beschreibung desselben aber vage und ausweichend.

Widersprüchlich waren auch ihre Angaben bezüglich der Kontaktaufnahme mit den Menschenhändlern; so gab sie in der mündlichen Verhandlung zunächst an, dass sie ein Mobiltelefon von Nigeria mitgebracht und mit diesem in Italien eine Nummer gewählt habe, die man ihr bereits in Nigeria gegeben habe. Erst nachdem die erkennende Richterin wissen wollte, wie sie von Italien und Österreich aus die Rechnung für das nigerianische Mobiltelefon bezahlt habe, meinte sie, sie habe nicht vom Telefon, sondern nur vom Papier gesprochen, auf dem die Kontaktnummer gespeichert gewesen sei:

RI: Was geschah nach Ihrer Ankunft in Italien?

BF: Man hat mir bei meiner Ausreise aus Nigeria eine Nummer gegeben, die habe ich bei meiner Ankunft in Italien angerufen. Es war eine Frau dran. Sie hat mir gesagt, dass ich mit dem Bus von Italien nach Österreich fahren soll. Ich bin dann nach Wien, glaube ich. Sie hat mich dann in ein Lager gebracht, um Asyl zu beantragen.

RI: Woher hatten Sie das Mobiltelefon?

BF: Aus Nigeria.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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