TE Bvwg Beschluss 2019/2/7 I403 2125448-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2125448-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX alias XXXX, alias

XXXX, geboren XXXX alias XXXX, alias XXXX, geboren am XXXX, alias

XXXX, geboren am XXXX, alias XXXX, geboren am XXXX, alias XXXX, geboren am XXXX, alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien (alias Libyen alias Marokko), gegen den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. 1101873303/190107753, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14. Jänner 2016 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund Folgendes an: "Ich habe familiäre Probleme. Sonst habe ich keinen weiteren Fluchtgrund."

Am 7. April 2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; BFA) niederschriftlich einvernommen, wobei er erklärte, dass er vor einer Person geflüchtet sei, die von ihm Geld fordere. Die wirtschaftliche Lage in Algerien sei sehr schlecht und er habe keine Arbeit gehabt. Er habe sich von dieser Person 15.000 Euro für die Reise nach Europa geliehen. Er wolle hier arbeiten und das Geld wieder zurückzahlen. Auf die Frage, ob es somit richtig sei, dass er aus wirtschaftlichen Gründen sein Herkunftsland verlassen habe, erwiderte er: "Ja, das ist richtig. Ich bin hierher gekommen, um zu arbeiten."

Mit Bescheid vom 7. April 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab; zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13. April 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, dass er nicht in seine Heimat zurück wolle. Er habe kein Geld mehr. Er habe sich Geld für die Reise nach Europa ausgeliehen und wenn er zurückgehen müsse, werde ihn dieser Mann umbringen, weil er seine Schulden nicht bezahlen könne. Er habe große Angst davor und bitte das Gericht um seine Hilfe.

Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Mai 2016, Zl. I409 2125448-1/6E als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer in Algerien weder Verfolgung noch eine besondere Gefährdung drohten.

Der Beschwerdeführer wurde am 4. Jänner 2019 in Schubhaft genommen und stellte im Stande der Schubhaft am 15. Jänner 2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am folgenden Tag erklärte er, dass er bereits im ersten Verfahren erzählt habe, dass er in Algerien von der Mafia verfolgt werden würde. Diese habe ihn Anfang 2017 in Frankreich gefunden und misshandelt, wodurch er eine Beinverletzung erlitten habe.

Der Beschwerdeführer wurde am 30. Jänner 2019 niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Nun erklärte er, 2017 in Frankreich auf den Kopf geschlagen worden zu sein und seither an Bluthochdruck zu leiden. Zudem benötige er eine Fußoperation. Seine im vorhergegangenen Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe seien weiterhin aufrecht. Am 04. Februar 2019 wurde der Beschwerdeführer nochmals einvernommen und wurde im Anschluss mit mündlich verkündeten Bescheid der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Der Verwaltungsakt langte am 07. Februar 2019 bei der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BFA hat dem BVwG im Falle einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde. Die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).

Des Weiteren liegt auch eine Beschwerde iSd Art. 130 B-VG vor. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann eine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet ("Parteibeschwerde"). Art. 132 B-VG regelt somit, wem die Beschwerdeberechtigung zukommt; eine Beschwerde kann ausschließlich von einem legitimierten Beschwerdeführer erhoben werden. Die Beschwerdelegitimation knüpft dabei an den jeweiligen Beschwerdegegenstand an. Die gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten an das BVwG gilt nach der ausdrücklichen Anordnung des § 22 Abs. 10 vierter Satz leg cit als Beschwerde gegen den Bescheid des BFA. Vor diesem Hintergrund ist nach Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018, G186/2018 ua davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Übermittlung der Verwaltungsakten intendiert, eine Parteibeschwerde, also die Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit durch den Betroffenen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG, zu fingieren.

Die vom Gesetzgeber in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und §22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist - vor dem Hintergrund des engen inhaltlichen Zusammenhanges des Aufhebungsverfahrens mit dem Folgeantrag - mit dem in Art. 130 und 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar (VfGH, 10.10.2018, G186/2018).

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Familie lebt in Algerien.

Er ist bereits unter sieben Aliasnamen sowie acht Aliasgeburtsdaten aufgetreten; am 26. August 2015 wurde er bereits einmal von den deutschen Behörden nach Algerien abgeschoben.

Der Beschwerdeführer hält sich (mit Unterbrechung) seit Anfang 2016 in Österreich auf; er verfügt - schon angesichts seines kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet, der im Wesentlichen in Justizanstalten erfolgte - in Österreich über keine maßgeblichen privaten Beziehungen und auch über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er befand sich von 19. März 2016 bis 17. Juni 2016 in Haft; eine weitere Haftstrafe verbüßte er von 17. Oktober 2017 bis 04. Jänner 2019. Danach wurde er in Schubhaft genommen. Über einen ordentlichen Wohnsitz verfügte er im Bundesgebiet nie.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 19. April 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahles und versuchten Diebstahles durch Einbruch oder mit Waffen gemäß § 127 und § 129 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 7. November 2017 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahles und versuchten Diebstahles durch Einbruch oder mit Waffen und versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles gemäß § 127 und § 129 Abs. 1 Z 1 StGB und § 130 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechzehn Monaten verurteilt.

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11. Jänner 2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 7. April 2016 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Mai 2016 abgewiesen; die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer verließ das Bundesgebiet im Anschluss zwar, hielt sich aber nicht mehr als 18 Monate außerhalb des Bundesgebietes auf.

Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der Beschwerdeführer keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor.

Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist in den letzten zweieinhalb Jahren und damit seit Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Der Beschwerdeführer leidet an den Folgen eines jahrelangen Substanzmissbrauches (Politoxikomanie), doch ergibt sich aus dem Befund eines Facharztes im Anhaltezentrum vom 9. Jänner 2019, dass keine psychotischen Symptome, keine Denkstörungen und keine Hinweise auf Selbstgefährdung vorliegen. Es liegen somit keine schwerwiegenden gesundheitlichen bzw. lebensbedrohlichen Probleme vor.

Auch eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens in Österreich wurde nicht behauptet; eine besondere Aufenthaltsverfestigung ist nicht erkennbar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und Familie des Beschwerdeführers ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie seinen Sprach- und Ortskenntnissen.

Die Feststellung zu seinen Verurteilungen ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 7. Februar 2019.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorliegenden Akten. Der Beschwerdeführer hatte im vorangegangenen Verfahren vor dem BFA angegeben, Algerien aus familiären und wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben und nun zu befürchten, im Falle einer Rückkehr nach Algerien umgebracht zu werden, da er das für die Reise ausgeliehene Geld nicht zurückzahlen könne. Im gegenständlichen Verfahren erklärte er am 30. Jänner 2019 explizit, dass sich seine Fluchtgründe gegenüber dem Erstverfahren nicht geändert hätten. Soweit der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren erklärt hatte, dass er Anfang 2017 in Frankreich von "der Mafia" am Kopf und am Bein geschlagen worden sei, woran er noch immer leide, steht dies in Widerspruch zu den im Akt einliegenden ärztlichen Befunden. Zudem ergibt sich daraus kein neuer Fluchtgrund, war die Verfolgung durch seine Gläubiger doch bereits Gegenstand seiner Beschwerde im Vorverfahren. Der Folgeantrag wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Seine gesundheitliche Situation ergibt sich aus den folgenden Befunden:

* Ambulanzkarte des Landeskrankenhauses XXXX vom 18. Jänner 2019:

Eine Sonographie und ein Röntgen ergaben keine Besonderheiten; der Beschwerdeführer hatte angegeben sich beim Laufen am rechten Unterschenkel verletzt zu haben.

* Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie im AHZ XXXX vom 9. Jänner 2019; Diagnose: Politoxikomanie nach langjährigem Substanzmissbrauch von Opiaten, Kokain und Rivotril; Medikation:

Proxiten

* Schreiben eines Facharztes für Psychiatrie im AHZ XXXX vom 21. Jänner 2019: Diagnose: Politoxikomanie; Medikation: Lyrica

Der Beschwerdeführer verließ das Bundesgebiet zu einem unbekannten Zeitpunkt nach seiner Haftentlassung am 17. Juni 2016; dem Akt ist das genaue Datum seiner Rückkehr nach Österreich nicht eindeutig zu entnehmen, doch wurde er am 17. Oktober 2017 wieder in Haft genommen, so dass er das Bundesgebiet jedenfalls keine 18 Monate verlassen hat.

Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des ersten Asylverfahrens und dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Algerien. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine privaten, familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte und über keine gesicherte (stete) Unterkunft, er verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel und ist nicht erwerbstätig. Ein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ("Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG"): Gemäß § 12 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG achtzehn Monate ab der Ausreise eines Fremden aufrecht. Der Beschwerdeführer hat das Bundesgebiet zwar kurzfristig verlassen, ist jedoch vor Ablauf von achtzehn Monaten nach Österreich zurückgekehrt. Gegenständlich liegt daher eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. dazu zuletzt VwGH, 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen (VwGH, 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Der Antrag vom 11. Juni 2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich Verfahren erklärt, die bereits im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe aufrechterhalten zu wollen. Es ergibt sich daraus kein gegenüber dem Vorfahren geänderter Sachverhalt im Sinne neuer Fluchtgründe. Auch die Situation in Algerien hat sich seit dem Vorverfahren nicht geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Beschwerdeführers, der eine Verfolgung durch die algerischen Behörden explizit verneint hatte. Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 (EMRK-Verletzung): Im vorangegangenen Verfahrensgang hatten das BFA bzw. das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

Auch im gegenständlichen Asylverfahren vor dem BFA sind keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Soweit dem Beschwerdeführer eine Medikation in Bezug auf seinen Zustand nach langjährigem Substanzmissbrauch (Opiate, Kokain) verschrieben wurde, weist das BFA im mündlich verkündeten Bescheid auf die Möglichkeit einer Behandlung in Algerien hin. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich durch eine Abschiebung nicht.

Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben führen würde. Ein schützenswertes Familien- oder Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK im Bundesgebiet wurde von ihm auch gar nicht behauptet, gab er doch selbst zu Protokoll, dass er sich während seiner Zeit in Österreich zumeist in Haft befand.

Im Lichte des § 22 BFA - VG und des eindeutigen Sachverhaltes hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 4. Februar 2019 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2125448.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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