TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/11 I403 1436252-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 1436252-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Brigitte TCHOUKWE TCHOUA, Peter-Jordan-Str. 117-119/1/15, 1180 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2019, Zl. 633377701/180565339, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und beantragte erstmalig am 24.05.2013 internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie homosexuell sei, was in Nigeria jedoch nicht akzeptiert werde. Die Polizei suche gezielt nach homosexuellen Frauen und sei dabei auch ihre Lebensgefährtin festgenommen und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

2. Mit Bescheid vom 06.06.2013, Zl. 13 06 807 BAT, beschied das Bundasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz negativ und wies es die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

3. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.10.2013, Zl. A5 436.252-1/2013/5E, als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

4. Am 26.05.2015 stellte die Beschwerdeführerin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Ihren Folgeantrag begründete sie damit, dass sie aufgrund ihrer Homosexualität aus Nigeria geflohen sei. Sie habe bislang jedoch verschwiegen, dass sie im Zuge von Menschenhandel nach Griechenland gekommen sei. Eine Frau habe die Beschwerdeführerin von Cotonou nach Griechenland geschleppt. Dort hätte die Beschwerdeführerin für sie als Prostituierte arbeiten sollen, was die Beschwerdeführerin jedoch verweigert habe und weswegen es zu einer Streitigkeit gekommen sei. Vor der von Nachbarn herbeigerufenen Polizei habe die Beschwerdeführerin weglaufen können, die Menschenhändlerin sei jedoch festgenommen worden. Aufgrund des Vorfalls habe die Beschwerdeführerin Griechenland verlassen und sei nach Österreich gereist. Dort habe sie im Mai 2015 einen Anruf von der Schwester der Schlepperin erhalten. Diese habe die Beschwerdeführerin beschuldigt, dass sie ihre Schwester - die Menschenhändlerin - an die Polizei verraten habe. Zugleich habe ihr die Schwester der Menschenhändlerin im Falle einer Rückkehr nach Nigeria angedroht, dass sie dort auf die Beschwerdeführerin warte werde.

5. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA; belangte Behörde) vom 16.05.2017 bestätigte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen, wonach sie kein neues Fluchtvorbringen habe, jedoch seit Mai 2015 von der Schwester der Menschenhändlerin bedroht werde.

6. Mit Bescheid vom 30.06.2017, Zl. 633377701-150561820, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.). Zudem erteilte sie der Beschwerdeführerin keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

7. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin, mit Schriftsatz ihrer Rechtsvertretung, vom 19.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies im Wesentlichen mit einer inhaltlich falschen Entscheidung und einer mangelhaften Verfahrensführung.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2017, Zl. I405 1436252-3/7E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

9. Am 18.06.2018 stellte die Beschwerdeführerin neuerlich einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte sie, Opfer von Menschenhandel zu sein und von einem Paar bedroht zu werden, dem sie noch Geld für die Schleppung schulde. In der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 27.06.2018 gab die Beschwerdeführerin an, vor etwa zwei Monaten telefonisch von der in Griechenland lebenden Menschenhändlerin bedroht worden zu sein. Der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin wurden aktuelle Länderfeststellungen zu Nigeria übergeben und ihr Gelegenheit für eine schriftliche Stellungnahme gewährt. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 02.07.2018 wurden ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2016, Zl. I403 2129236-1, mit dem einem nigerianischen Opfer von Frauenhandel der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden war, und ein Abschnitt des Berichts von EASO, Nigeria: Sexhandel mit Frauen vom Oktober 2015 zu Juju-Ritualen zitiert.

10. Mit Bescheid vom 29.01.2019 wies die belangte Behörde den Folgeantrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 18.06.2018 hinsichtlich des Status der Asylberechtigten wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.). Der Antrag wurde auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund habe keinen glaubhaften Kern und sei zudem bereits bei der Stellung des ersten Antrages auf internationalen Schutz bekannt gewesen.

11. Dagegen wurde im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung am 03.02.2019 Beschwerde erhoben. Der Bescheid wurde zur Gänze angefochten und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Abänderung des angefochtenen Bescheids der Beschwerdeführerin Asyl, in eventu subsidiären Schutz zuerkennen; in eventu die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweisen; feststellen, dass die Rückkehrentscheidung bzw. die Abschiebung unzulässig sind; eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen; einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation des Menschenhandels in Nigeria befasst sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Es handle sich um ein typisches Verhalten von Opfern von Menschenhandel, wenn sie diese Eigenschaft erst spät offenbarten; die Beschwerdeführerin habe im ersten Asylverfahren die Unwahrheit gesagt, da ihr dies von ihrem Schlepper und ihrer Madame so aufgetragen worden sei. Es liege ein veränderter Sachverhalt vor.

12. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.02.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person, zu den Asylanträgen und zum gegenständlichen Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist volljährig, gesund, Staatsangehörige Nigerias, gehört der Volksgruppe Benin an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Sie stammt aus Benin City.

Die Beschwerdeführerin ist ledig und kinderlos. Die Beschwerdeführerin besuchte fünf Jahre lang die Grundschule und verdiente sich anschließend ihren Lebensunterhalt als Friseurin. In Benin City leben ihre Eltern, ihr Bruder, ihre Schwester und ihre Tante. Sie steht in Kontakt mit ihren Eltern.

In Österreich befindet sich die Beschwerdeführerin seit Mai 2013. Hier verfügt die Beschwerdeführerin über keine familiären Anknüpfungspunkte. In ihrer Freizeit verkauft die Beschwerdeführerin die Straßenzeitung Augustin. Die Beschwerdeführerin hat keine Deutschprüfung absolviert. Sie besucht sonntags regelmäßig die Gottesdienste und nimmt an den Veranstaltungen der Kirche teil. Ihren Unterhalt in Österreich bestreitet die Beschwerdeführerin aus den Mitteln der Grundversorgung und aus dem Verkauf von Straßenzeitungen. Darüber hinaus verfügt sie über keine soziale oder integrative Verfestigung.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 24.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie Nigeria aufgrund ihrer Homosexualität verlassen habe. Mangels Glaubhaftigkeit ihres Fluchtvorbringens beschied das Bundesasylamt ihren Antrag mit Bescheid vom 06.06.2013, Zl. 13 06 807 BAT, negativ. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 15.10.2013, Zl. A5 436.252-1/2013/5E, als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs mit 07.11.2013 in Rechtskraft.

Am 26.05.2015 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Darin machte die Beschwerdeführerin neben ihrem bereits im Erstverfahren genannten Problem erstmals auch eine seit Mai 2015 bestehende Bedrohung durch ihre Schlepper geltend. Das BFA wies ihren Antrag wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 30.06.2017 zurück; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2017, Zl. I405 1436252-3/7E als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs mit 08.01.2018 in Rechtskraft.

Am 18.06.2018 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz, den sie damit begründete, Opfer von Menschenhandel zu sein. Dieses Vorbringen weist keinen glaubhaften Kern auf. Zudem waren die Fluchtgründe schon während der vorangegangenen Asylverfahrens existent und der Beschwerdeführerin bekannt.

Eine Anzeige bei der Polizei wurde von der Beschwerdeführerin nicht erstattet.

Für den Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria unterliegt sie keiner besonderen Gefährdung; insbesondere besteht keine reale Gefahr, dass sie von Personen, die ihre Ausreise organisiert haben, bedroht oder in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt wird.

1.2. Zur allgemeinen Lage in Nigeria:

Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria umfassend zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die wesentlichen Feststellungen daraus sind:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017

-

AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,

http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017

-

IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):

Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017

-

NHW - Nigerian Healthwatch (10.5.2016): Five big issues at the International Conference of Midwives in Abuja, http://nigeriahealthwatch.com/five-big-issues-at-the-international-conference-on-midwives-in-abuja/, Zugriff 4.7.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (2.2.017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 23.6.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 22.6.2017

-

UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 4.7.2017

-

UNFPA (9.2.2016): Female Genital Mutilation must end within a generation, says Nigerian First Lady, http://wcaro.unfpa.org/news/female-genital-mutilation-must-end-within-generation-says-nigerian-first-lady, Zugriff 4.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

(Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel:

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org, aweg95@yahoo.com, nosaaladeselu@yahoo.co.uk (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA),19 , Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Diese Feststellungen basieren im Wesentlichen auf den folgenden Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htm, Zugriff 5.7.2017

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htm, Zugriff 5.7.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2013): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17129693/16296710/16800759/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2013%2C_deutsch.pdf?nodeid=16801531&vernum=-2, Zugriff 5.7.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

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OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (14.3.2014): Remarks By The High Commissioner For Human Rights At A Press Conference During Her Mission To Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/271987/400697_de.html, Zugriff 5.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.a): Contact Us, http://wacolnigeria.org/wacol/?page_id=58, Zugriff 5.7.2017

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.b): About Us, http://wacolnigeria.org/wacol/, Zugriff 5.7.2017

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): Contact, http://www.womenconsortiumofnigeria.org/node/5, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.a): Contact Details, https://wrapanigeria.org/, Zugriff 5.7.2017

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.b): https://wrapanigeria.org/whatiswrapa/, Zugriff 5.7.2017

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA.

Allerdings weichen ihre Angaben von jenen im Vorverfahren ab: machte sie früher geltend, dass sie ihre Eltern nicht kennen würde und dass sie bei ihrer Tante aufgewachsen sei, war davon im gegenständlichen Verfahren keine Rede mehr, sondern gab sie an, mit ihren Eltern in Kontakt zu stehen. Ihre Eltern und ihr 24jähriger Bruder würden ebenso wie ihre Tante und ihre Schwester in Benin City leben, gab sie gegenüber dem BFA am 27.06.2018 an.

Die Beschwerdeführerin machte im Verfahren keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen ebenfalls auf deren Aussagen vor dem BFA. Unterlagen zur Integration wurden nicht vorgelegt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 08.02.2019.

2.2. Zur Frage der entschiedenen Sache:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zunächst zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Asylgerichtshofes bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 29.01.2019 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist. Dazu muss geprüft werden, ob die Beschwerdeführerin neue Fluchtgründe vorgebracht hat.

Die Beschwerdeführerin hatte im ersten Verfahren erklärt, in Nigeria wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu werden; im zweiten Verfahren hatte sie dies wiederholt, ergänzend aber vorgebracht, dass sie Opfer von Menschenhandel sei.

Im gegenständlichen Verfahren erklärte sie in der Einvernahme durch die belangte Behörde am 27.06.2018, dass sie in ihren früheren Verfahren Angst gehabt habe, die Wahrheit zu sagen. Der Fluchtgrund im Vorverfahren sei erfunden gewesen. Sie betonte allerdings, Opfer von Menschenhandel zu sein. Sie sei in Griechenland von 2009 bis 2013 der Prostitution nachgegangen. Die Menschenhändlerin XXXX habe sie im April 2018 von Griechenland aus angerufen und bedroht, wenn sie nicht die ausständigen Schulden in Höhe von 35.000 Euro bezahle. Man habe auch schon zweimal jemanden zu ihren Eltern geschickt, um diese zu bedrohen.

Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass diesem Vorbringen Asylrelevanz zukommt. Unter "Menschenhandel" ist im Sinne des Art. 2 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2011/36/EU (Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels) "die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen, einschließlich der Übergabe oder Übernahme der Kontrolle über diese Personen, durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die die Kontrolle über die andere Person hat, zum Zwecke der Ausbeutung" zu verstehen. Ausbeutung im Sinne der genannten Richtlinie umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung sowie Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen (einschließlich Betteltätigkeiten, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung strafbarer Handlungen oder die Organentnahme). Ausbeutung liegt vor, sobald eine Person genötigt wird (unter Androhung oder Anwendung von Gewalt, Entführung, Betrug, Täuschung usw.), wobei es keine Rolle spielt, ob das Opfer seine Zustimmung gegeben hat.

Opfer von Menschenhandel können Flüchtlinge im Sinne von Art. 1 A

(2) der GFK sein, aber nur, wenn sie alle der dort genannten Voraussetzungen für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen (UNHCR-Richtlinien zum Schutz von Opfern von Menschenhandel; vgl. auch EGMR, Statement of Facts - 49113/09, L.R. gegen Vereinigtes Königreich).

Allerdings wies das BFA im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf hin, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin keinen glaubhaften Kern aufweist, da es insbesondere zwischen der Darstellung im ersten Folgeantragsverfahren und im gegenständlichen Verfahren starke Abweichungen gibt. Die Beschwerdeführerin hatte ja bereits im ersten Folgeantragsverfahren davon gesprochen, Opfer von Menschenhandel zu sein und von den Menschenhändlern bedroht zu werden. Allerdings gab sie damals an, bereits zweimal von der Schwester der Menschenhändlerin ("Madame") bedroht worden zu sein, während sie im gegenständlichen Verfahren erklärte, sie sei erstmals durch einen Telefonanruf der Madame selbst im April 2018 bedroht worden. Das BFA wies auch zu Recht darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in den verschiedenen Verfahren unterschiedliche Angaben zu ihren Verwandten in Nigeria tätigte. Soweit in der Beschwerde versucht wird, den Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Behörden und Gerichte über Jahre mit dem Vorbringen einer angeblichen Homosexualität getäuscht hatte, damit zu erklären, dass ihr dies im ersten Asylverfahren "vom Schlepper und ihrer Madame so aufgetragen wurde", klingt dies im Übrigen wenig glaubhaft, da die Beschwerdeführerin ja angegeben hatte, aus Griechenland und somit aus dem Einflussbereich ihrer "Madame" geflüchtet zu sein. Wenn zudem in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass es typisch für Opfer von Frauenhandel sei, sich erst spät im Verfahren als solche erkennen zu geben, ist im gegenständlichen Fall allerdings festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin ja bereits im Vorverfahren angegeben hatte, Opfer von Menschenhandel zu sein, dass ihre unterschiedlichen Angaben in den beiden Verfahren aber keinen anderen Schluss zulassen, als dass sie nicht bereit ist, den Behörden die Wahrheit zu sagen. Dem BFA ist daher zuzustimmen, wenn es im gegenständlichen Vorbringen keinen glaubhaften Kern zu erkennen vermag.

Zudem ist, wie das BFA ebenfalls zu Recht im angefochtenen Bescheid feststellt, der vorgebrachte Fluchtgrund nicht erst nach Rechtskraft der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren entstanden. Tatsächlich hatte die Beschwerdeführerin ja angegeben, aus Griechenland und den Fängen der Menschenhändler geflüchtet zu sein, ehe sie ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hatte. Zudem handelt es sich um keinen neuen Fluchtgrund, da die Beschwerdeführerin ja bereits im ersten Folgeantragsverfahren erklärt hatte, Opfer von Menschenhandel zu sein - und bereits in diesem Verfahren ihr Antrag rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war.

Das BFA ging daher im angefochtenen Bescheid zu Recht davon aus, dass sich der Asylfolgeantrag auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten und zweiten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, dem die Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes über den ersten und zweiten Antrag auf internationalen Schutz entgegensteht.

Eine Durchberechnung der Rechtskraftwirkung der vorangegangenen Erkenntnisse wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich seither der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorliegen würde, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH, 23.01.2018, Ra 2017/18/0274; VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0293).

Die Beschwerdeführerin stützt sich im gegenständlichen Verfahren auf (behauptete) Umstände, die bei hypothetischem Zutreffen bereits während des vorangegangenen rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens existent gewesen wären; es handelt sich sohin nicht um "nova producta", die eine neue Entscheidung in der Sache des Antrages auf internationalen Schutz zulässig machen würden. Soweit sie meinte, sie habe im April 2018 einen ersten Drohanruf erhalten, steht dem entgegen, dass sie bereits im Vorverfahren von Drohanrufen berichtet hatte.

Dazu wurde bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2017, Zl. I405 1436252-3/7E über den ersten Folgeantrag ausgeführt: "Dies gilt auch für den Umstand des Menschenhandels. Die Tatsache, dass sie von Nigeria nach Griechenland geschleppt wurde, war schon bei ihrer ersten Asylantragstellung bekannt. Damit wird im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl VwGH 07.06.2000, 99/01/0321). Die weiters behauptete Gefährdung der Beschwerdeführerin, dass sie von der Schwester ihrer Schlepperin erstmals im Mai 2015 kontaktiert wurde und sie diese nunmehr zur Leistung des Schlepperhonorars auffordere und deswegen bedrohe, stellt keine wesentliche Änderung der entscheidungsrelevanten Fakten dar (vgl. VwGH 22.11.2004, 2001/10/0035; 21.06.2007, 2006/10/0093). Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin für Schleppung nach Griechenland zu bezahlen hätte und sie dadurch einer Bedrohung ausgesetzt gewesen sei, war der Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt ihrer ersten rechtskräftigen Entscheidung im Jahr 2013 bekannt ("Als ich dann nach Griechenland kam, sagte sie mir dass ich ihr Geld bezahlen muss, welches ich natürlich nicht hatte. Sie verlangte 55.000 Euro von mir. Sie versuchte mich zur Prostitution zu zwingen, aber ich weigerte mich. [...] Aus diesem Grund habe ich Griechenland verlassen."). An dieser Bedrohungssituation hat sich nichts geändert. Selbst wenn die Geldforderung nunmehr durch "die Schwester" der Schlepperin und "erstmals im Mai 2015" einfordert wird ("Die Schwester meiner Zuhälterin hat mich schon zwei Mal aus Griechenland angerufen, sie will, dass ich das Geld bezahle. Sie bedroht mich."). Der Nebenumstand, dass nunmehr die "Schwester" das Geld für die Schleppung fordert, ist für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich und stimmt das neue Begehren der Beschwerdeführerin somit im Wesentlichen mit dem früheren, bereits rechtskräftig negativ entschiedenen, Begehren überein, weshalb diesbezüglich eine neue Sachentscheidung ausgeschlossen ist (vgl. VwGH 19.12.2006, 2003/06/0169; 24.01.2006, 2003/08/0162; 24.08.2004, 2003/01/0431; 21.09.2000, 98/20/0564;)."

Auch der gegenständliche Asylfolgeantrag stützt sich somit auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt, dem die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.10.2013, Zl. A5 436.252-1/2013/5E, entgegensteht (vgl VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Soweit daher in der Beschwerde die Beauftragung eines länderkundigen Sachverständigen zur Frage des Menschenhandels in Nigeria beantragt wurde, wird dieser Antrag abgelehnt, da es keiner weiteren Feststellungen zu diesem Thema bedarf, nachdem festgestellt wurde, dass dem Vorbringen kein glaubhafter Kern zukommt und einer neuen inhaltlichen Prüfung des Sachverhalts zudem die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung entgegensteht.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person der Beschwerdeführerin liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf ihre Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

Zusammengefasst ist daher dem BFA zuzustimmen, dass keine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung der Rechtslage wurde weder behauptet noch entspricht eine solche dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.3. Zur Frage einer etwaigen Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Nigeria:

Nigeria ist eine der Drehscheiben des internationalen Frauen- und Menschenhandels; die meisten Opfer stammen aus Benin City, ebenso wie die Beschwerdeführerin. Die erkennende Richterin muss, wie soeben ausgeführt, dem BFA aber darin zustimmen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft ist und daher von keiner besonderen Gefährdung für den Fall ihrer Rückkehr nach Benin City auszugehen ist. Insgesamt konnte sie keine konkrete Bedrohung oder Verfolgung ihrer Person schildern.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass keine besondere Gefährdung für die Beschwerdeführerin für den Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria zu erwarten ist. In ihrem Fall liegen auch keine besonderen Vulnerabilitäten, etwa in Form einer Erkrankung oder ähnlichem, vor. Die Beschwerdeführerin ist gesund, unabhängig und erwerbsfähig und ist daher davon auszugehen, dass sie sich in Benin City, wo auch noch ihre Eltern, ihre Tante und ihre Geschwister leben, wieder eine Existenz aufbauen kann.

2.4. Betreffend die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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