TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/14 W240 2186331-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.2019
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Entscheidungsdatum

14.02.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W240 2186331-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Somalia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2018, Zl. 1082104703-151062287, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.10.2018 zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. XXXX wird gemäß § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005 in der geltenden Fassung eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.08.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, in Jijiga in Äthiopien geboren zu sein und der Volksgruppe der Ogaden anzugehören. Seine Familie lebe in Äthiopien. Er habe Anfang Jänner 2015 Äthiopien verlassen. Als Fluchtgrund gab er an, dass das Leben in Äthiopien für ihn schwer gewesen sei und er habe dort nicht mehr bleiben wollen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst hungern zu müssen.

Am 23.11.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somali niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer führte insbesondere wie folgt aus:

"(...)

Anm: Kopien werden dem Akt beigelegt - Originale werden dem AW rückausgefolgt.

LA: Haben Sie jemals einen Auslandsreisepass besessen oder beantragt? Wenn ja, befand sich ein Visum darin?

VP: Ich hatte noch nie einen Reisepass.

LA: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

VP: Ich lebe in Grundversorgung und bekomme Unterstützung.

LA: Welche Staatsbürgerschaft, welcher Religionszugehörigkeit und Volksgruppe gehören Sie an?

VP: Ich bin somalischer Staatsbürger, gehöre der Volksgruppe der Ogaden an und bin Moslem (Sunnit).

LA: Welche Staatsbürgerschaft, welcher Religionszugehörigkeit und Volksgruppe gehören Ihre Eltern an?

VP: Sie sind somalische Staatsbürger, gehören der Volksgruppe der Ogaden an und sind Moslems.

LA: Haben Sie die Schule besucht?

VP: Ich habe fünf Jahre die Grundschule in Jig Jiga besucht.

LA: Leben Sie in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung oder einer gleichkommenden Partnerschaft?

VP: Ich bin ledig

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Nein.

LA: Sind sie arbeitsfähig?

VP: Ja.

LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?

VP: Ich bin gesund. Ich nehme keine Medikamente und gehe auch nicht zum Arzt.

LA: Wo wurden Sie geboren und wo haben Sie sich danach aufgehalten?

VP: Ich wurde im Bezirk XXXX in Jig Jiga geboren. Ich habe immer bis zu meiner Ausreise in Jig Jiga gelebt.

LA: Seit wann leben Ihre Eltern in Jig Jiga?

VP: Sehr lange. Ich weiß es nicht genau.

LA: Wie lange hat die Reise von Ihrem Wohnort in Jig Jiga bis nach Österreich gedauert?

VP: Ich war ungefähr ein Jahr unterwegs.

LA: Haben Sie Angehörige im Heimatland? Wenn ja. Wo befinden Sie sich?

VP: Meine Mutter XXXX ist ca. 40 Jahre alt. Sie lebt in Jig Jiga. Mein Vater ist 2005 gestorben. Ich habe vier Geschwister. Zwei Brüder und zwei Schwestern. Mein Bruder XXXX ist ca. 20 Jahre alt. Er ist älter als ich. Mein Bruder XXXX ist im Jahre 2005 verstorben. Ich habe noch zwei Schwestern (XXXX ca. 17 Jahre alt und XXXXca. 14 Jahre alt).

LA: Weshalb ist Ihr Vater und Ihr Bruder XXXX im Jahre 2005 verstorben?

VP: Mein Vater wurde getötet. Zwei Monate später wurde auch mein Bruder XXXX getötet.

LA: Was war der Grund dafür?

VP: Die Behörde hat meinen Bruder und meinen Vater getötet.

LA: Kennen Sie den Grund dafür?

VP: Die Behörde hat geglaubt, dass mein Vater mit der ONLF zusammenarbeiten würde.

LA: Stimmt es, dass Ihre beiden Verwandten (Vater und Bruder) ungefähr 10 Jahre vor Ihrer Ausreise aus Jig Jiga getötet wurden.

VP: Nein. Ich habe den äthiopischen Kalender gemeint.

(...)

LA: Sie haben bei der Erstbefragung wie auch heute zu Ihrer Staatsangehörigkeit Somalia angegeben. Im Schreiben vom 02.02.2017 hat Ihre damalige gesetzliche Vertretung angegeben, dass Sie Äthiopier sind. Nehmen Sie dazu bitte Stellung

VP: Ich bin Somalier. Ich bin aber in Äthiopien geboren.

LA: Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?

Anm: Dem AW wird ein Din A4 Blatt vorgelegt - Dort schreibt dieser " XXXX" und "1992" - Schreiben (Beilage 1) wird dem Akt beigelegt.

LA: Stimmt es das Sie XXXX heißen und nach dem äthiopischen Kalender im Jahre 1992 geboren sind?

VP: Ja.

LA: Ihre damalige gesetzliche Vertretung hat am 02.02.2017 vorgebracht, dass Sie tatsächlich XXXX heißen würden. Heute gaben Sie an, dass SieXXXX heißen würden. Nehmen Sie dazu bitte Stellung.

VP: Ich hatte eine Fahrkarte in Italien. Dort stand dieser Name darauf. Es war nicht mein richtiger Name.

LA: Wie heißen Sie dann mit Ihrem richtigen Namen?

Anm: AW verlangt ein Blatt Papier - er möchte dort seinen richtigen Namen vermerken - "XXXX" - Din A4 Blatt (Beilage 2) wird mit dem neuerlichen handschriftlichen Namen zum Akt genommen.

VP: Ich heiße XXXX.

(...)

LA: Wie wurde Ihre Ausreise finanziert? Wie viel haben Sie dafür bezahlt?

VP: Ich habe 500 USD bezahlt. Mein Onkel XXXX hat es mir gegeben.

LA: Wie war Ihre wirtschaftliche Lage in Jig Jiga ?

VP: Ich konnte normal leben.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland gearbeitet? Wenn ja welche Tätigkeit? Wie lange haben Sie diese Tätigkeit ausgeübt?

VP: Ich habe noch nie gearbeitet.

LA: Haben Sie Kontakt zu Angehörigen in Äthiopien und Somalia?

VP: Nein

LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

VP: Wir haben in einem Mietshaus gelebt. Mein Vater hatte ein Kleidungsgeschäft.

LA: Hatte Ihre Familie dieses Geschäft noch bei Ihrer Ausreise?

VP: Ja.

LA: Wer hat dort gearbeitet?

VP: Nur mein Vater.

LA: Sind Sie legal oder illegal ausgereist?

VP: illegal

LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?

VP: Ja.

LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen?

VP: Eine Woche war ich in Haft.

LA: Sind Sie Mitglied einer Partei, parteiähnlichen oder terroristischen Organisation?

VP: Nein.

LA: Geht es Ihnen gut?

VP: Ja.

Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

VP: Ich habe mein Land verlassen, weil mein Vater und mein Bruder getötet wurden. Ich habe Angst gehabt und ich habe mein Land verlassen.

LA: Was waren jetzt Ihre persönlichen ausschlaggebenden Gründe weshalb Sie aus Jig Jiga weggegangen sind?

VP: Ich war eine Woche in Haft bei der Polizei. Sie haben mir gesagt, dass ich zum Militär gebracht werde.

LA: Wo waren Sie bei der Polizei in Haft. Wie hieß das Gefängnis?

VP: XXXX.

LA: Wann wurden Sie dort inhaftiert? Wie viele Tage Wochen, Monate Jahre vor Ihrer Ausreise aus Jig Jiga?

VP: Ich war im Jahre 2006 in Haft.

LA: Wie viele Tage, Wochen, Monate oder Jahre vor Ihre Ausreise waren Sie in Haft?

VP. Ich war acht Tage im Gefängnis.

LA: Können Sie mir bitte sagen Wie lange Sie danach noch in Jig Jiga waren?

VP: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

LA: Was war der Grund, dass Sie ins Gefängnis gekommen sind?

VP: Nach dem Tod meines Vaters und auch meines Bruders XXXX war ich auch im Gefängnis. Ich weiß es nicht warum.

LA: Wo wurden Sie festgenommen?

VP: Ich bin nach Hause gekommen. Die Polizei war schon da.

LA: Wie viele Polizisten haben da auf Sie gewartet?

VP: 4 Polizisten.

LA: Wer war noch alles anwesend?

VP: Meine Mutter, meine Schwester XXXX.

LA: Waren noch andere Personen bei diesem Vorfall dabei?

VP: Nein.

LA: Hat Ihre Mutter Ihnen über den Grund Ihrer Inhaftierung etwas gesagt?

VP: Nein.

LA: Wie wurden Sie festgenommen? Erzählen sie bitte genauer davon?

VP: Ich bin zu Hause angekommen. Es waren vier Polizisten. Sie haben mich festgenommen. Sie haben mich zur Polizeistation gebracht. Die Polizei hat zu mir gesagt, dass ich der Gruppe der ONLF angehöre. Die Polizei hat mir gesagt, dass ich zum Militär gehen muss.

LA: Sind sie zum Militär gegangen?

VP: Nein.

LA: Nach einer Woche wurden Sie aus dem Gefängnis der Polizei freigelassen. Wohin sind Sie danach gegangen?

VP: Ich bin nach Hause zu meiner Mutter gegangen.

LA: Was haben Sie dort gemacht?

VP: Ich habe meiner Mutter erzählt, was die Polizei mit mir gemacht hat.

LA: Wie ist es dann weitergegangen?

VP: Meine Mutter hat gesagt, dass mein Vater und mein Bruder schon getötet wurden. Sie hat gesagt, dass ich Äthiopien verlassen muss ansonsten werde auch ich getötet.

LA: Wie lange waren Sie nach der Rückkehr vom Gefängnis der Polizei noch bei Ihrer Mutter zuhause?

VP: Eine Woche.

LA: Hat es da irgendwelche Vorfälle gegeben?

VP: Nein.

LA: Hat es vor der Festnahme durch die Polizei irgendwelche persönlichen Probleme gegeben?

VP: Nein.

LA: Erzählen sie mir bitte genau als Sie von der Polizei freigelassen wurden? Wie ist dies vorgefallen?

VP: Ich bin alleine nach Hause gegangen.

LA: Hat die Polizei irgendetwas bei Ihrer Freilassung zu Ihnen gesagt?

VP: Nein. Sie haben nur gesagt, dass ich zum Militär gehen soll.

LA: Haben Sie dazu genauere Informationen erhalten?

VP: Nein. Andere Informationen habe ich nicht erhalten.

LA: Wollen Sie noch etwas Wichtiges mitteilen?

VP: Ich habe alles gesagt.

LA: Wo wurde Ihr Bruder XXXX getötet?

VP: Er wurde in einem Gefängnis getötet.

LA: Wie hieß das Gefängnis?

VP: Es war bei der "XXXX" in XXXX.

LA: Wo wurde Ihr Vater getötet?

VP: Er wurde auch im gleichen Gefängnis getötet.

LA: Wer hat Ihnen vom Tod Ihres Vaters und von Ihrem Bruder XXXX erzählt?

VP: Meine Mutter hat es mir erzählt.

LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ich habe alles gesagt.

LA: Könnten Sie wieder nach Jig Jiga zurückkehren?

VP: Nein.

LA: Weshalb nicht?

VP: Ich habe Angst um mein Leben. Mein Bruder und mein Vater wurden getötet.

(...)

LA: Wer hat Ihren Vater und Ihren Bruder getötet?

VP: Es war die "XXXX"

Anm: Der AW hat dies auf eine Blatt Papier geschrieben - wird als Beilage 3 zum Akt gegeben.

LA: Ist das die äthiopische Polizei?

VP: Ja

LA: Heute haben Sie angegeben, dass Ihr Vater in einem Polizeigefängnis von der äthiopischen Polizei getötet wurde. Bei der Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Ihr Vater von der ONLF in Ihrem Wohnhaus getötet würde. Möchten Sie dazu bitte Stellung nehmen?

VP: Die XXXX hat meinen Vater getötet. Sie haben gesagt, dass er mit der ONLF zusammengearbeitet hat.

LA: Die ergänzenden Fragen wurden rückübersetzt. Wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ja, es stimmt alles.

(...)"

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsbestätigungen vor.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2018, Zl. 1082104703-151062287, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Somalia getroffen. Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsbürger, muslimischen Glaubens sei und der Volksgruppe der Ogaden angehöre. Er sei volljährig, seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Familie und habe keine Verwandten in Österreich.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, die Identität des Beschwerdeführers könne mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments oder sonstigen Bescheinigungsmittels nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, die Behörde davon zu überzeugen, dass er in seinem Heimatland einer Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder nunmehr sei. Das BFA hielt fest, dass es die Auffassung vertrete, es ergebe sich für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Somalia, da eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben seien.

3. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde darin ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Äthiopien geboren worden sei. In der Beschwerde wurde von der ausgewiesenen Vertretung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eigentlich äthiopischer Staatsbürger sei, seine Familie stamme aus einem lange Zeit zwischen Somalia und Äthiopien umstrittenen Gebiet. Seine Eltern und Großeltern seien in Somali geboren. Ogaden würde hauptsächlich von Somali bewohnt werden, es werde dort Somali gesprochen und viele Bewohner würden sich entgegen der offiziellen Zugehörigkeit zu Äthiopien als Angehörige Somalias fühlen, daher habe sich der Beschwerdeführer als Somali bezeichnet. Entgegen der Ansicht des BFA sei der Beschwerdeführer jedoch äthiopischer Staatsbürger.

4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 31.10.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch den ausgewiesenen Vertreter, einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft, der Lage in Somalia und zu seiner Integration befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Somalia sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.

Ausdrücklich gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auf Nachfrage an, dass er die somalische Staatsbürgerschaft habe so wie sein Vater.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend weitere aktuelle Länderberichte zur Herkunftsregion und zu Minderheitenclans in Somalia sowie eine Anfragebeantwortung zu den Ogaden und das Länderinformationsblatt zu Äthiopien und der humanitären Lage in Somalia zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Somalia, er lebte in Dire Dawa in Äthiopien und war nie in Somalia. Er gehört dem Clan der XXXX an. Er hat die Grundschule besucht und war als Chauffeur tätig. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer schilderte aufgrund von Widersprüchen und Unplausibilitäten nicht glaubhaft seinen Ausreisegrund aus Äthiopien, wonach er als Rettungsfahrer für die Regierung tätig gewesen sei und er von einer Gruppe der ONAQ gezwungen worden sei, für diese als Chauffeur zu arbeiten. Als die Regierung in Äthiopien erfahren hätte, dass der Beschwerdeführer zusammen mit einem Freund für die ONAQ tätig sei, hätte die Regierung den Freund umbringen lassen und der Beschwerdeführer habe flüchten müssen aus Äthiopien.

Es ist darauf zu verweisen, dass das behauptete fluchtauslösende Ereignis als nicht glaubhaft eingestuft wird und sich überdies die Vorfälle in Äthiopien ereignet haben sollen, woraus jedoch kein asylrelevanter Sachverhalt für den Herkunftsstaat Somalia erblickt werden kann.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Somalia ernstlich Gefahr liefe, im Falle einer (unterstellten) politischen Überzeugung bzw. als Unterstützer der ONAQ seitens der somalischen Behörden oder anderer Bevölkerungsteile - insbesondere der Al Shabaab - Übergriffe zu erleiden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Somalia ernstlich Gefahr liefe, nach Äthiopien ausgeliefert zu werden.

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass der Beschwerdeführer in Somalia ernstlich Gefahr liefe, als Rückkehrer nach einem langjährigen Aufenthalt in Äthiopien seitens der somalischen Behörden oder seitens der Al Shabaab Übergriffe zu erleiden.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Somalia ernstlich Gefahr liefe, wegen seiner Clanzugehörigkeit intensiven Übergriffen anderer Bevölkerungsteile ausgesetzt zu sein.

Der Beschwerdeführer gibt an, keinerlei familiären und/oder sozialen Kontakt nach Somalia zu haben und dass seine Familie in Somalia kein Eigentum besitzt.

Von seiner Religion her ist er Moslem und Sunnit. Die angegebene örtliche Herkunft und seine Schulbildung erscheinen glaubhaft.

Der Beschwerdeführer beherrscht die somalische Sprache auf muttersprachlichem Niveau.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zu Somalia wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt.

2. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

2.1. Puntland

Der so genannte Puntland State of Somalia hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Die staatlichen Organe in Puntland sind insgesamt weniger fragil als die zentralstaatlichen (AA 1.1.2017). Dabei konnte Puntland die Verwaltungskapazitäten weiter ausbauen. Gleichzeitig ist Puntland auf Bundesebene ein wichtiger Akteur. Grundlegende staatliche Dienste (z.B. Infrastruktur, Behörden) sind in Puntland gegeben. Das Verwaltungssystem ist aber urban konzentriert und reicht nicht bis in entlegene Gebiete (BS 2016).

Im Jänner 2014 kam es zum dritten Mal zu einem friedlichen Machtwechsel an der Spitze von Puntland. Allerdings fand dieser Machtwechsel nicht auf der Grundlage einer allgemeinen Wahl statt (AA 1.1.2017). Zwar war eine solche geplant, doch wurde die Wahl aufgrund gewaltsamer Proteste abgesagt. Gewählt wurde Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" im Prinzip von Ältesten (BS 2016). Das Parlament, das den Präsidenten wählte, war unter Einbeziehung traditioneller Strukturen mit Clan-Bezug von einem durch den vorherigen Präsidenten eingesetzten Auswahlausschuss ernannt worden (AA 1.1.2017). Dabei folgte die Wahl von Präsident Gaas dem Rotationsprinzip der drei Hauptclans von Puntland (BS 2016).

Obwohl das Parlament schon im Jahr 2012 eine Verfassung beschlossen hat, die ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 3.3.2017), hat Puntland noch keine wirklich demokratischen Strukturen geschaffen. Präsident und Parlament werden durch den Beschluss von Ältesten entschieden (BS 2016).

Politische Auseinandersetzungen werden in der Regel zwar nicht gewaltsam ausgetragen, aber die Sicherheitslage ist im Umfeld der Wahlen sehr angespannt. Staatliche Sicherheitskräfte agieren mit Sondervollmachten (AA 1.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

3. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):

a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).

b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.

c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.

Operational Areas

d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;

Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;

e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.

f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.

g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).

Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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