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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §26 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. November 1998, Zl. 11-39-421/98-1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) für die Dauer von zwei Wochen von der Zustellung des Erstbescheides der Bundespolizeidirektion Graz vom 11. August 1998 - somit bis 31. August 1998 - entzogen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 24. Oktober 1997 auf einer näher bezeichneten Stelle der Südautobahn A 2 als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die durch Verkehrszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 76 km/h überschritten habe. Darin erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG, die die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers nach sich ziehe.
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, daß er im Zusammenhang mit diesem Vorfall zwar von der Bezirkshauptmannschaft Hartberg mit Straferkenntnis vom 27. April 1998 einer Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung für schuldig erkannt worden sei, dieses Straferkenntnis aber infolge Erhebung einer Berufung nicht rechtskräftig und für die belangte Behörde nicht bindend sei. Das Vorliegen der in Rede stehenden bestimmten Tatsache hätte von der belangten Behörde selbständig beurteilt werden müssen.
Die belangte Behörde verweist dazu in ihrer Gegenschrift auf die Bestimmung des § 26 Abs. 7 FSG, wonach eine Entziehung gemäß Abs. 3 (bei Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 4) erst ausgesprochen werden darf, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Dies sei bei Erlassung des Erstbescheides der Bundespolizeidirektion Graz vom 11. August 1998 der Fall gewesen.
Die belangte Behörde ist darin insofern im Recht, als die formale Voraussetzung des § 26 Abs. 7 FSG erfüllt war. Das bedeutet aber nicht, daß sich die Prüfung der Berufungsbehörde, ob die angenommene bestimmte Tatsache vorliegt oder nicht, darauf beschränken kann, ob ein erstinstanzlicher Strafbescheid erlassen worden ist. Das Vorliegen eines Strafbescheides ist im gegebenen Zusammenhang zwar Voraussetzung dafür, daß eine Entziehung der Lenkberechtigung überhaupt in Betracht kommt, entbindet die Berufungsbehörde aber nicht von ihrer Verpflichtung zur Überprüfung, ob die bestimmte Tatsache - deren Vorliegen vom Berufungswerber in Abrede gestellt wird - gegeben ist. Die belangte Behörde übersieht dabei zweierlei: Zum einen kann die Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nach der Rechtsprechung nicht in Ansehung des Ausmaßes der Überschreitung binden (vgl. das Erkenntnis vom 25. August 1998, Zl. 98/11/0162), zum zweiten würde die Meinung der belangten Behörde dazu führen, daß selbst im Falle der Aufhebung des Strafbescheides durch die zuständige Berufungsbehörde, weil der betreffende Lenker keine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, die von der Erstbehörde verfügte Entziehung von der (FSG-)Berufungsbehörde zu bestätigen wäre, solange zum Zeitpunkt der Entscheidung der Erstbehörde ein Strafbescheid erster Instanz vorgelegen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Februar 1999, Zl. 98/11/0096). Ein solcher Sinn dürfte aber in verfassungskonformer Weise dem Gesetz nicht beigemessen werden. Der Hinweis der belangten Behörde auf den nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens durch den zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat vermag am Ergebnis nichts zu ändern, weil ein rechtskräftiger Schuldspruch nur den Umstand, daß eine Geschwindigkeitsüberschreitung stattgefunden hat, nicht aber deren Ausmaß bindend festlegt. Letzteres ist aber für die Annahme einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 4 unumgänglich.
Die belangte Behörde hat die maßgebliche Rechtslage verkannt, der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 24. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110316.X00Im RIS seit
17.04.2001