TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/15 W111 2140614-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.2019
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Entscheidungsdatum

15.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
IntG §10 Abs2 Z5

Spruch

W111 2140614-1/21E

Schriftliche Ausfertigung des am 23.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Werner DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX ; geboren am XXXX alias XXXX ; StA.: Somalia, vertreten durch den Verein XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 1043646103-140096763/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_04, nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 AsylG 2005

idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, auf Dauer unzulässig ist.

III. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 10 Abs. 2 Z 5 Integrationsgesetz, BGBl. I. Nr. 68/2017 idgF, wird XXXX alias XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, gelangte illegal in das Bundesgebiet und stellte am 22.10.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am folgenden Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe zuletzt in XXXX gelebt, sei sunnitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe der Ashraf. In der zuvor erwähnten somalischen Stadt hielten sich unverändert die Eltern und fünf Geschwister des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer habe Somalia im Juli 2014 verlassen, da dort Bürgerkrieg herrsche und es sich um ein unsicheres Land handle. Der Beschwerdeführer habe Angst, im Krieg zu sterben. Persönlich verfolgt oder bedroht werde er in seiner Heimat nicht.

Aus einem seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebenen medizinischen Sachverständigen-Gutachten vom 13.12.2014 ergibt sich, dass eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz nicht mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden könne.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 30.09.2016 eine niederschriftliche Einvernahme des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache (zum detaillierten Verlauf der Einvernahme, vgl. Verwaltungsakt, Seiten 141 bis 148). Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und gesund zu sein. Er habe bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären. An seinen in der Erstbefragung geschilderten Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Der Beschwerdeführer sei bei seiner zwischenzeitlich verstorbenen Großmutter aufgewachsen. Sein Vater sei im September 2015 verstorben, seine Mutter hielte sich seit dem Jahr 2010 in Saudi-Arabien auf. In XXXX habe er zuletzt noch fünf Halbgeschwister gehabt. Die letzten drei Jahre vor seiner Flucht habe er in einer Strohhütte am Stadtrand von XXXX bei seiner Großmutter gelebt, sein Vater und seine (Stief)mutter hätten in der gleichen Stadt eine Mietwohnung bewohnt. Die Sicherheitslage in XXXX habe sich während dieser Zeit als stabil erwiesen, es habe kein Krieg geherrscht. Er habe Somalia im Juli 2014 verlassen, die Kosten hierfür seien von seiner Großmutter getragen worden. Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, er sei aus XXXX einzig wegen Familienproblemen geflüchtet. Seine Großmutter sei alt und krank gewesen, weshalb er sie darum gebeten hätte, ihm bei der Reise zu helfen. Wenn sie noch am Leben wäre, wäre der Beschwerdeführer schon längst bei ihr. Mit Al Shabaab sei der Beschwerdeführer lediglich im Jahr 2012 in XXXX in Kontakt gekommen, in der Folge sei er mit seiner Großmutter nach XXXX gezogen. Weitere Fluchtgründe weise er nicht auf. In Österreich bewohne der Beschwerdeführer eine Grundversorgungseinrichtung, besuche Deutschkurse und würde seinen Schulbesuch gerne fortsetzen. Vorgelegt wurden eine Bestätigung über die Absolvierung einer ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau A2, eine Bestätigung über den Besuch eines Kurses zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss, drei Referenzschreiben sowie zwei ärztliche Schreiben.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer in Somalia einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen respektive einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung unterliegen würde. Die letztlich als Fluchtgrund ins Treffen geführten angeblichen Familienprobleme des Beschwerdeführers seien nicht nachzuvollziehen. Es seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Somalia, insbesondere in XXXX , eine solch extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre. Die Sicherheitslage in Somaliland erweise sich um einiges stabiler als jene im übrigen Somalia, es komme dort zu keinen Anschlägen oder Kampfhandlungen durch Al Shabaab. Der Beschwerdeführer habe in XXXX eine Familie, zu der er zurückkehren könne; die anlässlich der Einvernahme vom 30.09.2016 erstatteten entgegenstehenden Angaben würden sich aufgrund näher ausgeführter beweiswürdigender Argumente als offensichtlich tatsachenwidrig erweisen. Der Beschwerdeführer sei im Übrigen arbeitsfähig, gesund, volljährig, spreche Somalisch auf muttersprachlichem Niveau und sei mit den Gepflogenheiten in XXXX vertraut.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch eine bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Schriftsatz vom 31.10.2016 fristgerecht Beschwerde ein (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 233 bis 248), in welcher begründend - infolge der Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken betreffend die in § 16 Abs. 1 BFA-VG in der damals geltenden Fassung normierte zweiwöchige Beschwerdefrist - im Wesentlichen ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer befürchte, im Falle einer Rückkehr nach Somalia in eine ausweglose Lage zu geraten, da er dort über keinen familiären Anschluss verfüge und dem Minderheitenclan der Ashraf angehöre. Die vorgeworfenen Unstimmigkeiten bezüglich der familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers wären auf eine unzureichende Befragung seitens der belangten Behörde zurückzuführen. Desweiteren habe die Behörde unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig gewesen wäre und die Befragung ohne Beisein eines Rechtsberaters als gesetzlichen Vertreter durchgeführt worden wäre. Gleichermaßen habe die Behörde es verabsäumt, nähere Erhebungen zu den Lebensbedingungen des Beschwerdeführers in Somalia anzustellen, andernfalls hätte er anführen können, dass er in Somaliland mit seiner Großmutter in einem Flüchtlingscamp für internally displaced persons (IDP) gelebt hätte und es ihm aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Minderheitenclan der Ashraf und der in diesem Zusammenhang erlebten Diskriminierung unmöglich gewesen wäre, dort Fuß zu fassen. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens und der unschlüssigen Beweiswürdigung zur individuellen Verfolgungssituation habe die belangte Behörde eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. Wie aus den angeführten Länderberichten und den Aussagen des Beschwerdeführers hervorginge, drohe diesem bei einer Rückkehr nach Somalia unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, zumal anzunehmen wäre, dass dieser in eine ausweglose Situation geraten würde, da er über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte mehr in Somalia verfüge und aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Ashraf am Wohn- und Arbeitsmarkt erheblich diskriminiert werde. Darüber hinaus drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der allgemein weiterhin schlechten Sicherheitslage in Somalia bei einer Rückkehr jedenfalls eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 25.11.2016 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Eingabe vom 20.08.2017 wurde die (zwischenzeitlich aufgelöste) Vollmacht des XXXX bekannt gegeben und unter einem eine schriftliche Stellungnahme eingebracht, in welcher auf die katastrophale Sicherheitslage, die - insbesondere angesichts der aktuellen Hungersnot - fehlende Existenzmöglichkeit sowie die bedrohliche Lage als Angehöriger der Minderheit der Ashraf in Somalia verwiesen wurde. Weiters wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer während der Zeit, die er bereits in Österreich verbracht hätte, große Anstrengungen hinsichtlich seiner Integration unternommen habe.

5. Am 23.01.2019 fand zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen nunmehriger gewillkürter Vertreter sowie ein Dolmetscher für die Sprache Somalisch teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch im Vorfeld schriftlich auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Die Beschwerdeverhandlung vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...) R: Bitte schildern Sie mir Ihren Lebenslauf in kurzen Worten bis zu dem Zeitpunkt an dem Ihre Probleme begonnen haben.

BF: Ich bin in XXXX geboren worden und aufgewachsen bin ich in XXXX (das ist nördlich von XXXX entfernt). Dort lebte ich bei meiner Großmutter (mütterlicherseits) bis 2012. Ich war damals 15 Jahre alt und die Al Shabaab waren dort sehr stark. Ich habe eine Koranschule besucht. Mit 15 Jahren sind wir nach XXXX gezogen. Meine Großmutter und ich sind nach XXXX gezogen. Meine Eltern ließen sich scheiden als ich kleines Kind war. Mein Vater mit seiner nunmehrigen Ehefrau und 5 Halbgeschwister lebten damals in XXXX und sind Anfang 2015 nach XXXX gezogen. Meine leibliche Mutter befindet sich seit 2010 in Saudi Arabien in XXXX . Sie arbeitet dort als Haushälterin. Zwischen ihrer Scheidung und dem Jahr 2010 hat sie bei uns, bei meiner Großmutter und mir, als auch in XXXX in der Nähe von XXXX gewohnt. Sie hat Gemüse auf Märkten verkauft. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Auch heute habe ich Kontakt mit meiner Mutter. Meine Großmutter ist Anfang 2015 verstorben. Mein Vater ist 2015 im Jemen ums Leben gekommen und meine Halbgeschwister waren zuletzt auch in Jemen. Mein Vater ist mit meinen Halbgeschwister Anfang 2015 in den Jemen gereist. Der Grund Ihrer Reise nach Jemen war, dass man einen Weg in den Sudan und schließlich nach Europa finden wollte. Nach dem Ableben meines Vaters habe ich nichts mehr von Ihnen gehört.

R: Aus welchen Gründen haben Sie Ihre Heimat verlassen? Bitte schildern Sie die Fluchtgründe detailliert und chronologisch richtig. Bitte geben Sie zu Beginn an, ob Ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren richtig und vollständig waren.

BF: Ich hatte nicht die Gelegenheit alle Details zu schildern. Es gab auch Missverständnisse zwischen dem Dolmetscher und mir. Ich habe nachträglich erfahren, dass meine Aussagen nicht richtig niedergeschrieben wurden.

R: Laut Protokoll wurden Ihnen die Niederschriften rückübersetzt. Aus dem Protokollen sind weder Verständigungsprobleme ersichtlich noch wurden Korrekturen vorgenommen.

BF: Mir wurde nichts rückübersetzt. Wenn mir vorgehalten wird, dass die Rückübersetzungen protokolliert wurden, gebe ich an, dass mir nichts rückübersetzt wurde und ich darüber hinaus Korrekturen der Protokolle vornehmen möchte. In der Niederschrift steht, dass ich auch Familienprobleme in XXXX hatte. Tatsächlich hatte ich auch Probleme mit der Bevölkerung. Im Jahr 2016 habe ich auch von Clan Problemen berichtet. Ich habe ausgesagt, dass ich Schwierigkeiten mit meinen Geschwistern hatte. In XXXX waren bestimmte Stämme ansässig und mein Stamm nicht.

BFV: Ich möchte dazu angeben, dass die Protokollierung grundsätzlich richtig durchgeführt wurde, einige Details jedoch nicht ausreichend wiedergegeben wurden. Zum Beispiel hatte der BF familiäre Probleme und da keine weiteren Angehörigen seines Clans in der Gegend waren auch keine Unterstützung bei diesen Problemen.

R: Kommen wir zur Frage, aus welchen Gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben.

BF: Eines Tages als ich beim Fußball spielen war, kamen Mitglieder der Al Shabaab zu mir. Dies war Anfang 2012. Ich kann mich nicht genau erinnern. Wir waren 10 Kinder und ich war der älteste. Sie kamen direkt zu mir und versprachen mir Geld, wenn ich mich bereit erkläre für sie zu arbeiten. Ich sagte, dass ich zu meiner Großmutter gehen werde. Man sagte mir, dass man ein Foto von mir machen müsse, um mich später zu erkennen. Ich ging zu meiner Großmutter, erzählte ihr von diesem Vorfall. Sie war schockiert und sagte mir, dass ich das Land schnell verlassen soll. Deshalb verließen wir den Ort und gingen nach XXXX . Damit waren die Probleme mit Al Shabaab beendet. In XXXX wohnten wir in einem Armenviertel. Meine Großmutter verkaufte Milch. Ich wurde aufgrund meines Stammeszugehörigkeit verachtet. Man erkannte aufgrund meines Dialekts, dass ich aus dem Süden war. Ich wurde auch von Kinder unter Druck gesetzt. Ich wurde ständig beschimpft und geschlagen. Beim Fußball spielen gab es oft Auseinandersetzungen zwischen den Kindern. Jedes Mal wenn ich mit einem Kind eine Auseinandersetzung hatte, holte diese seinen älteren Bruder. Auch wenn ich nicht Fußball spielte, wurde ich beschimpft. Ich wurde nicht aufgrund meiner Clan- Zugehörigkeit beschimpft, sondern weil ich aus dem Süden war. In der Schule hatte ich auch Schwierigkeiten und dann wurde meine Großmutter krank. Sie hatte Angst zu sterben, daher nahm sie Kontakt zu meiner Mutter auf um die Ausreise zu organisieren. Meine Großmutter wollte in XXXX sterben und ich sollte mein Glück woanders suchen. Ich hatte Angst, dass meine Großmutter stirbt, und ich diesen Druck alleine aushalten muss.

R: Warum haben Sie weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Einvernahme vom 30.09.2016 irgendetwas über eine Verfolgung aufgrund Ihre Herkunft aus Mittelsomalia angegeben?

BF: Bei der Einvernahme wurde ich nicht genau gefragt. Ich habe nicht die Möglichkeit erhalten meine Geschichte ausführlich zu erzählen.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Seit 2 Jahren nehme ich Medikamente wegen meiner Nerven. Ich kann ohne Schlafmittel nicht schlafen. Ich nehme das Mittel Mirtazapin. Ich bin bei XXXX in Behandlung. Ich war auch bei einem anderen Arzt in Behandlung, diese war in XXXX . Sein Name ist XXXX . Ich hatte 2 Augenoperationen in Österreich. Ich bin diesbezüglich völlig gesund. Ich habe sonst auch keine weiteren Krankheiten.

R: Bitte schildern Sie mir in Österreich ihr Privat-und Familienleben.

BF: Seit 4 Monaten lebte ich in XXXX , vorher in XXXX . Ich bin in XXXX gut aufgenommen worden. Ich habe viele Freunde gewonnen, die ich namentlich nennen möchte. Sie waren wie meine Eltern. Ich verweise diesbezüglich auf einem Empfehlungsschreiben des Pfarrers vom XXXX und von XXXX . Ich habe auch ein A2 Deutschprüfungszeugnis. Ich habe mich auch schon für ein B1 Deutschprüfung angemeldet. Darüber hinaus habe ich auch ein Erste Hilfe Kurs besucht und eine Pflichtschulabschluss vorgelegt.

Festgehalten wird, dass der R einige Worte mit dem BF in deutscher Sprache (ohne D) spricht und eine grundlegende Verständigung möglich ist.

BF: Ich besuche eine Vorbereitungsschule für eine Tischlerlehre. Ich besuche diese Vorbereitungsschule seit 4 Monaten und werde sie voraussichtlich in Herbst beenden. Sollte ich einen Aufenthaltstitel bekommen, kann ich auch früher mit einer Lehre beginnen. Sollte ich eine Lehrlingsentschädigung erhalten, kann ich mich auch selbst erhalten. Ich bin zwar neu in XXXX , habe aber schon einige Bekanntschaften gemacht.

BFV: Ich möchte anmerken, dass auch die Lehrerin des BFs aus XXXX , Frau XXXX , heute extra angereist ist um ihren Schüler zu unterstützen.

Vorgelegt wird das Länderinformationsblatt der Staatdokumentation betreffend Somalia vom 12.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 17.09.2018). Der BFV verzichtet auf eine Stellungnahme und des angebotenen Exemplars der Länderfeststellungen. Vorgelegt werden zwei Berichte über die Lage in Somalia, welche zum Akt genommen werden.

R: Leben Sie in Österreich in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Nein

R: Möchten Sie noch etwas vorbringen?

BF: Ich möchte mich bei den Menschen bedanken, die mich in Österreich gut aufgenommen haben. Ich möchte mich bei Ihnen auch bedanken, da Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, meine Geschichte ausführlich zu erzählen. Ich möchte mich auch bei meiner Lehrerin und Rechtsvertreter bedanken, da sie mit mir hergekommen sind."

Der Beschwerdeführer legte ein Zeugnis über eine im Mai 2018 bestandene Pflichtschulabschlussprüfung, Referenzschreiben vom 14.01.2019 sowie 17.01.2019 und eine Bescheinigung über die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses aus Oktober 2016 vor.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit Eingabe vom 25.01.2019 wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Ashraf an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Er wurde in XXXX geboren, in weiterer Folge verzog er nach XXXX , bevor er im Jahr 2012 in den Norden zog, wo er sich bis zu seiner Ausreise im Sommer 2014 aufgehalten hat. Der Beschwerdeführer gelangte in der Folge illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 22.10.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat oder dem übrigen Staatsgebiet Somalias aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr in seine Heimat, Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Bei einer Niederlassung in seiner Heimat besteht für den Beschwerdeführer als gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer, welcher ein Medikament aufgrund von Schlafstörungen einnimmt, leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Ob der Beschwerdeführer in Somalia nach wie vor über ein familiäres Netz verfügt, kann nicht festgestellt werden.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Oktober 2014 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet seinen Lebensunterhalt gegenwärtig im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat während der Dauer seines Aufenthaltes große Bemühungen im Hinblick auf eine umfassende Integration und eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit im Bundesgebiet unternommen. Er hat im September 2016 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden und sich in der Folge um einen weiteren Ausbau seiner Sprachkenntnisse bemüht gezeigt. Im Mai 2018 hat er die Pflichtschulabschlussprüfung im Bundesgebiet bestanden und weist unter anderem eine positive Beurteilung im Gegenstand "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" auf. Seit Herbst 2018 besucht er einen Vorbereitungslehrgang im Ausbildungsbereich Holzverarbeitung/Tischlerei mit dem Ziel, künftig eine Lehre in diesem Bereich zu absolvieren. Laut der sozialpädagogischen Leiterin jenes Projektes legt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Ausbildung ein hohes Maß an Engagement, Genauigkeit und Verlässlichkeit an den Tag, sodass davon auszugehen ist, dass er in Bälde eine Lehrstelle finden und durch die Lehrlingsentschädigung von staatlicher Unterstützung weitgehend unabhängig leben können wird. Der Beschwerdeführer, welcher desweiteren einen Erste-Hilfe-Kurs im Bundesgebiet absolviert hat, hat sich in Österreich ein enges soziales Netz aufgebaut, welches ihm bei der Eingliederung in die österreichische Gesellschaft und den Arbeitsmarkt unterstützend zur Seite steht.

Aufgrund der seitens der beschwerdeführenden Partei gesetzten Integrationsschritte würde eine Rückkehrentscheidung einen ungerechtfertigten Eingriff in deren Privat- und Familienleben darstellen.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte verwiesen, aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

...

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).

Die Prognose für den Zeitraum August-Dezember 2018 in IPC-Stufen stellt sich wie folgt dar:

...

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

? ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

? FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

? FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

? WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Ba

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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