TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/21 W240 2188138-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W240 2188138-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2018, Zl. 1109884804-160455687, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2018, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Somalia, stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 30.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 30.03.2016 gab der Beschwerdeführer insbesondere an, er stamme aus Hargeysa, wo er die Grundschule besucht habe. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter und seine Geschwister würden noch leben. Er sei Ende Dezember 2015 aus Somalia ausgereist. Er habe Somalia aus Angst um sein Leben verlassen. Seine Volksgruppe Gabooye sei in Somaliland diskriminiert worden.

Am 04.01.2018 langte eine Stellungnahme ein, in dieser wurde auf das Individualvorbringen des minderjährigen Beschwerdeführers verwiesen. Er würde aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit keinen wirksamen Schutz der Behörden des Herkunftsstaates erhalten. Er habe vor Verfolgungshandlungen in seiner Aufenthaltsregion vor der Ausreise durch den dominierenden Clan der Isaaq keinen Schutz finden können. Vorgelegt wurde Integrationsunterlagen für den Beschwerdeführer.

Am 21.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA einvernommen. Er gab zusammengefasst an, dass er aus Hargeysa in Somalia stamme und am XXXX geboren sei. Er gehöre der Volksgruppe der Gabooye an, welche in Somaliland diskriminiert werde. Er habe in Hargeysa, im Bezirk XXXX gelebt. Sein Vater sei verstorben, als der Beschwerdeführer noch klein gewesen sei, er habe mit seinen Geschwistern und seiner Mutter in einem Haus, bestehend aus zwei Zimmern, gelebt. Seine Mutter habe Gemüse verkauft und später als Putzfrau für verschiedene Familien gearbeitet, um den Lebensunterhalt für die Familie zu erwirtschaften. Er habe seine Mutter unterstützt bei deren Tätigkeiten für andere Familien.

Er leide an einer Gastritis.

Sein Fluchtgrund sei, dass er seine Mutter bei Putztätigkeiten unterstützt habe. Ein hochrangiger Polizist, für den seine Mutter gearbeitet habe, habe seine Mutter mit dem Vorwurf konfrontiert, dass ein Schmuckstück aus Gold aus seinem Haus gestohlen worden sei. Es kam zum Streit zwischen der Mutter und der Familie des hochrangigen Polizisten und der Polizist forderte, dass als Ausgleich für das gestohlene Schmuckstück der Beschwerdeführer Tag und Nacht für die Familie arbeiten solle. Der Polizist verwies darauf, dass niemand gegen ihn etwas unternehmen könnte und der Beschwerdeführer sei gewaltsam bei der Familie des Polizisten angehalten worden, sei wiederholt misshandelt worden und hätte für diese Arbeitstätigkeiten verrichten müssen. Seine Mutter habe versucht, den Beschwerdeführer zu besuchen, sie sei jedoch des Hauses verwiesen worden. Dem Beschwerdeführer sei schließlich die Flucht gelungen und die Mutter habe für ihn die Ausreise organisiert. Im Fall einer Rückkehr fürchte er, von dieser Familie neuerlich versklavt zu werden und fürchte auch den Tod, weil er sich der Anhaltung entzogen habe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2018, Zl. 1109884804-160455687, wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchpunkt II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei und unter Spruchteil IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von 2 Wochen eingeräumt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt zunächst fest, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsangehöriger sei und dem Clan der Gabooye - XXXX angehöre. Er stamme aus Hargeysa. Er habe eine vierjährige Grundschulausbildung absolviert und habe danach seiner Mutter bei deren Tätigkeit als Haushaltshilfe und Wäscherin unterstützt. Sein Vater sei laut Angaben des Beschwerdeführers bereits verstorben, seine Mutter und seine Geschwister würden noch in Hargeysa leben. Das Vorbringen zum Fluchtvorbringen werde nicht den Feststellungen zugrunde gelegt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus einem asylrelevanten Grund Somalia verlassen habe und es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktuell einer relevanten Bedrohungssituation für Leib und Leben ausgesetzt sei. Er verfüge in Somaliland über familiäre Anknüpfungspunkte und stehe zu seinen Familienangehörigen auch in Kontakt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und zusammengefasst darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer schlüssig und übereinstimmend angegeben habe, somalischer Staatsangehöriger zu sein und dem Clan der Gabooye anzugehören. Der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung angegeben, dass er Somalia aufgrund der Diskriminierung seines Clans verlassen habe, so habe der damals Minderjährige vor dem BFA ausgeführt, von einem hochrangigen Polizisten wegen eines dem minderjährigen Beschwerdeführer unterstellten Schmuckdiebstahles von ihm gezwungen worden zu sein, für ihn als Wiedergutmachung zwei Jahre lang im Haushalt Zwangsarbeit zu leisten. Dem minderjährigen Beschwerdeführer sei jedoch die Flucht nach rund einem Monat gelungen, der Polizist habe dem Beschwerdeführer gedroht ihn umzubringen. Es sei jedoch auf die Kürze der Erstbefragung, welche einzig zur Ermittlung der Identität und der Reiseroute gelten solle, und auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zu verweisen. Verwiesen weiters wurde darauf, dass die Länderberichte im Bescheid Clankonflikte in Somaliland beschreiben. Clanzugehörigkeit spiele eine große Rolle und Minderheitenschutz bestehe offiziell nicht. Im gesamten Bescheid sei keine Würdigung des Alters des Beschwerdeführers erfolgt. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Somaliland, in Hargeysa befinde sich die Mutter und die Geschwister, zu diesen bestehe regelmäßiger telefonischer Kontakt.

Zu den zusammen mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung übermittelten Länderberichten langte von der ausgewiesenen Vertretung eine mit 11.12.2018 datierte Stellungnahme ein. Es wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer als Minderheitenclanmitglied keinen Rechtsschutz in Somalia genieße. Binnenvertriebene und Minderheitengruppen, denen es am lebensnotwendigen Schutz mangelt, seien infolgedessen nicht nur marginalisiert, sondern auch unverhältnismäßig oft Opfer von Vergewaltigung, Folter und Mord.

4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 18.12.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, in der der Beschwerdeführer, vertreten durch einen ausgewiesenen Vertreter einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Fluchtvorbringen, seiner Herkunft und der Lage in Somalia befragt und ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt alle seine Gründe für die Ausreise aus Somalia sowie seine Rückkehrbefürchtungen darzulegen.

Ergänzend zu dem bereits übermittelten Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdevorbringen entsprechend weitere Länderberichte zur Herkunftsregion und zu Minderheitenclans und Clanstreitigkeiten in Somalia zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung insbesondere an, sein Vater sei 2008 eines natürlichen Todes gestorben und der Beschwerdeführer habe seiner Mutter geholfen bei deren Putztätigkeit und bei Haushaltstätigkeiten in anderen Haushalten. Er stamme aus dem Bezirk XXXX in Hargeysa. Der Beschwerdeführer sei mit 15 Jahren Ende des Jahres 2015 aus Somalia ausgereist. Dem Beschwerdeführer sei unterstellt worden, dass er in einem Haushalt eines leitenden Polizisten Wertsachen gestohlen hätte, daher habe er für die Familie dieses Polizisten Zwangsarbeit leisten müssen. Er sei sehr schlecht behandelt und misshandelt worden. Es sei ihm die Flucht gelungen und er sei mithilfe eines von seiner Mutter organisierten Schleppers aus Somalia ausgereist.

5. Es langte eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen am 15.01.2019 beim BVwG ein und wurde darin insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, den Grund für seine Flucht aus Somalia in der Einvernahme und der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG nachvollziehbar und widerspruchfrei zu schildern. Er sei von einem örtlichen Polizisten zur Zwangsarbeit verpflichtet worden und durch seine Flucht vor dieser Anhaltung und durch die Ausreise aus Somalia würde ihm im Falle einer Rückkehr erneut Verfolgung durch den ranghohen Polizisten drohen, der dem Clan der Isaaq angehört. Zwangsarbeit sei in Somalia verbreitet und seien laut Länderberichten insbesondere Angehörige von Minderheitenclans in Gefahr, Opfer von Erpressungen und Zwangsarbeit zu werden. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Madhiban und da es sich beim Verfolgung des Beschwerdeführers um einen Polizisten handle, sei es ihm nicht möglich gewesen Schutz in Anspruch zu nehmen. Auch im Länderinformationsblatt werde ausgeführt, dass Vergehen gegenüber Minderheitenclans in Somaliland nicht nachgegangen werde. Angesichts der Länderinformationen könne nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen ohne tatsächlich der Gefahr einer Misshandlung ausgesetzt zu sein. IDPs würden in Somalia als eine der meist gefährdeten Personengruppen gelten, sie würden kaum Schutz genießen und seien Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, Moslem und gehört dem Clan Gabooye, konkret XXXX an. Er wurde in Hargeysa geboren, wo er bis zur Ausreise aus Somalia Ende des Jahres 2015 gelebt hat.

Der Beschwerdeführer gehört einer Familia an, welche dem Minderheitenclan der Madhiban angehört.

Er habe eine vierjährige Grundschulausbildung absolviert. Sein Vater ist bereits 2008 verstorben, seine Mutter und seine Geschwister leben noch in Hargeysa.

Der Beschwerdeführer hat seiner Mutter bei deren Putztätigkeit und bei Haushaltstätigkeiten in anderen Haushalten geholfen. Dem Beschwerdeführer wurde unterstellt, dass er aus dem Haushalt eines hochrangigen Polizisten Wertsachen gestohlen hätte, als Ausgleich dafür wurde er gezwungen für die Familie dieses Polizisten, der dem Clan der Isaaq angehört, Zwangsarbeit leisten und war im Haus des hochrangigen Polizisten unter Zwang angehalten worden. Er war Misshandlungen und Bedrohungen ausgesetzt während seiner Anhaltung durch den Polizisten. Es war dem Beschwerdeführer und seiner Familie als Minderheitenclanmitglieder nicht möglich gegen den ranghohen Polizisten vorzugehen, weil dieser eine hohe Machposition innehat und dem dominierenden Mehrheitsclan der Isaaq angehört. Dem Beschwerdeführer gelang schließlich die Flucht von der Anhaltung und in weiterer Folge die Ausreise aus Somalia mit 15 Jahren Ende des Jahres 2015.

Da der Beschwerdeführer zu einer zweijährigen Zwangsarbeit durch den ranghohen Polizisten verpflichtet worden war und er sich vor dieser Zwangsarbeit durch seine Flucht und durch die Ausreise aus Somalia entzogen hatte, würde dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erneut Verfolgung durch den ranghohen Polizisten drohen, der dem Clan der Isaaq angehört.

Feststellungen zu Somalia und Somaliland:

Relevanter Auszug aus dem Dokument Focus Somalia: Clans und Minderheiten vom 31.05.2017:

In Somalia gilt ferner das System von " hosts and guests." Demnach sind Personen, die sich ausserhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als " Gäste", die mit den dominanten Hawiye/Abgaal eine Vereinbarung treffen müssen. Eine Quelle der Fact-Finding Mission gab dazu an: " You lose your privileges when you are not in your area. A Habr Gedir is weak in Kismayo." Dies gilt auch für Binnenvertriebene. Sie unterhalten in ihren Lagern zwar eigene Führungsstrukturen, diese sind aber schwächer als die Clanstrukturen. Es gibt jeweils einen großen Anteil Frauen und Minderheiten-Angehörige. Beide Gruppen sind besonders verletzlich, Clan-Schutz ist für sie schwer zugänglich. Binnenvertriebene werden darum häufiger Opfer von Vergewaltigungen, Erpressung und Zwangsarbeit.

Quelle: Gundel, Joakim, Nairobi. Clans in Somalia. Report on a Lecture by Joakim Gundel. Dezember 2009. S. 23.

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1261130976_accord-report-clans-in-somalia-revised-edition-20091215.pdf (18.05.2017).

1. Politische Lage

Anstehende Wahlen wurden wiederholt verschoben (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017). Diese erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland. Das Oberhaus, die Guurti, geht in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein (AA 1.1.2017).

Die Präsidentenwahlen wurden im März 2017 erneut verschoben (UNSC 9.5.2017). Allerdings war diese Verschiebung angesichts der Dürresituation u.a. auch von den Oppositionsparteien gefordert worden (FT 29.6.2017; vgl. BFA 3./4.2017). Im November 2017 wurden die Wahlen schließlich abgehalten. Gewonnen hat der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Er gewann die Wahl mit 55% und ist damit der fünfte Präsident seit der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Nach den Wahlen war es zu Demonstrationen gekommen, da der unterlegene Kandidat der Wadani-Partei das Ergebnis zuerst nicht anerkennen wollte. Die Situation beruhigte sich bald. Internationale Wahlbeobachter erklärten, dass die Wahlen internationalen Standards entsprochen haben (VOA 21.11.2017). Es kam zu keinen signifikanten Irregularitäten (ISS 10.1.2018).

Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen erlebt (AA 1.1.2017). Im Westen und in den zentralen Teilen von Somaliland ist es gelungen, einfache Regierungsstrukturen zu etablieren. Da die Regierung aber nur wenig externe Unterstützung erhält, wird nur eine minimalistische Verwaltung geboten; dabei konzentriert man sich auf die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (BS 2016). Es ist mit internationaler Hilfe gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017).

Somaliland hat beachtliche demokratische Erfolge erzielt (UNDP 10.12.2017). Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Obwohl es kaum internationale Unterstützung erhielt, klappt die Demokratie ebenso wie Bildung und Frieden (SZ 13.2.2017). Somaliland ist es gelungen, eine Wahldemokratie aufzubauen. Das Land ist dabei, diese Staatsform zu konsolidieren. Wahlen wurden bisher von Beobachtern als halbwegs frei und fair beschrieben. Die demokratischen Institutionen Somalilands arbeiten recht gut, ihre Arbeit wird aber durch einen Mangel an Ressourcen und geringe Kapazitäten des öffentlichen Dienstes erschwert. Außerdem kommt es zu Bevorzugungen auf Basis des Clans. Trotzdem haben die gewählten politischen Repräsentanten seit den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 2002 an Legitimität und Macht gewonnen. V.a. die Bevölkerung in den westlichen und zentralen Teilen Somalilands akzeptiert die bestehenden Regierungsinstitutionen - allerdings nicht exklusiv. Auch traditionelle Normen und Institutionen bestehen fort. Während Somaliland also bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen und demokratischer Reformen erfolgreich war, kämpft das Land mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2016).

Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Damit soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Bei Gemeindewahlen sind alle registrierten politischen Vereinigungen zugelassen; und die Gemeindewahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung für Kulmiye, UCID und Waddani als nationale Parteien (BS 2016). Die UDUB verlor die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 1.1.2017).

Das Innenministerium hat 2.700 Sultane registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017).

Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016). Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland und dem Rest des Landes ist problematisch (AA 4.2017a).

Das nicht-anerkannte Somaliland ist vom Großteil externer (finanzieller) Unterstützung abgeschnitten. Dies hat dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ungewöhnlich stark ist. Die Demokratie hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen (ECO 13.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017):

Informationen aus den Protokollen der FFM

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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ECO - The Economist (13.11.2017): Why Somaliland is east Africa's strongest democracy,

https://www.economist.com/blogs/economist-explains/2017/11/economist-explains-7, Zugriff 10.1.2018

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FT - Financial Times (29.6.2017): Somaliland offers investors chance to make history,

https://www.ft.com/content/a28c8440-5672-11e7-9fed-c19e2700005f, Zugriff 10.1.2018

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ISS - Institute for Security Studies (10.1.2018): Somaliland's New President Has Work to Do,

http://allafrica.com/stories/201801100719.html, Zugriff 10.1.2018

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SZ - Süddeutsche Zeitung (13.2.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen,

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/somaliland-wo-muetter-die-wirtschaft-schmeissen-1.3377028, Zugriff 10.1.2018

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UNDP - UN Development Programme (10.12.2017): Somaliland applies global resilience expertise to drought response, https://reliefweb.int/report/somalia/somaliland-applies-global-resilience-expertise-drought-response, Zugriff 12.1.2018

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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VOA - Voice of America (21.11.2017): Somaliland Ruling Party Candidate Bihi Wins Election,

https://www.voanews.com/a/somaliland-ruling-party-candidate-bihi-wins-election/4128446.html, Zugriff 5.1.2018

1. Sicherheitslage

Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de facto-Regierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 3.3.2017).

In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 1.1.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 6.9.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 6.9.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 1.1.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 8.11.2017).

Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 1.1.2017).

Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 1.1.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017).

In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).

Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können. Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten Ost-Somalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ‚umstrittenes' Gebiet. Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).

Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 5.9.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 8.11.2017).

Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 8.11.2017).

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland). Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017).

Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten:

* Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland;

* In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen;

* Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet.

* Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).

In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 29 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 29 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 24 derartige Vorfälle (davon 17 mit je einem Toten). Im Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(ACLED 2016) (ACLED 2017)

Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist; auch "normale" Morde sind inkludiert):

Tabelle kann nicht abgebildet werden

(ACLED 2016) (ACLED 2017)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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ZEIT - Die Zeit (22.11.2017): Der Wahlkampf der Frauen, http://www.zeit.de/kultur/2017-11/somaliland-wahlen-demokratie-somalia-10nach8, Zugriff 10.1.2018

2. Rechtsschutz/Justizwesen (zur Bedeutung des xeer siehe auch SOMA_LIB)

In Somaliland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. Richter sind einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, BS 2016). In Gerichtsverfahren ist politische Einflussnahme durch staatliche Amtsträger weit verbreitet - speziell bei Verfahren gegen Journalisten (USDOS 3.3.2017).

In Somaliland gibt es zwar funktionierende Gerichte, allerdings gibt es gleichzeitig Kapazitätsprobleme (USDOS 3.3.2017; vgl. BS 2016, ÖB 9.2016). Es fehlt an ausgebildeten Richtern und Juristen sowie an einer nachvollziehbaren Rechtsdokumentation (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016). UNODC und andere UN-Agenturen unterstützen Somaliland dabei, das Justizsystem und die Haftbedingungen zu verbessern (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist aber in die Gerichte investiert worden. Die sogenannten mobile courts funktionieren relativ gut und haben den Zugang der Bürger zur formellen Justiz verbessert (BFA 8.2017).

Das Justizsystem in Somaliland ist eine Mischung aus traditionellem Recht (xeer), Scharia und formellem Recht (BS 2016; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Die Scharia wird in erster Linie in Familienangelegenheiten herangezogen. Das formelle Recht wird oft dem traditionellen Recht untergeordnet, da die Kapazitäten ordentlicher Gerichte eingeschränkt sind (BS 2016).

Zwar sind die drei Rechtsformen nicht gut integriert (USDOS 3.3.2017). Doch selbst wenn sich das formelle Recht und das traditionelle Recht in manchen Punkten widersprechen, so werden die Rechtssysteme nicht als konkurrierend sondern vielmehr als komplementär erachtet. Generell können sich die Menschen aussuchen, ob sie sich an formelle, traditionelle oder religiöse Institutionen wenden (BS 2016). Allerdings richtet sich der Bürger im Fall des Falles zuerst an seinen Clan. Auch wenn ein Mord passiert, wird vorerst im traditionellen System Blutgeld verhandelt. Kommt man zu keiner Lösung, richtet man sich an die Gerichte (BFA 8.2017). In Somaliland kommt das traditionelle Recht einer Angabe von 2006 zufolge bei 80% der Rechtsstreitigkeiten zur Anwendung. Gerichte anerkennen xeer-Entscheide (traditionelles Recht) (SEM 31.5.2017).

In Somaliland sind ansatzweise rechtsstaatliche Grundsätze im Strafrecht zu beobachten. Dazu gehört das Bemühen, eine diskriminierende Strafverfolgung und -zumessung möglichst zu vermeiden (AA 1.1.2017). Auch Bürgerrechte sind in Somaliland formell garantiert. Eine grundlegende Rechtstaatlichkeit konnte etabliert werden. Die Polizei und andere Regierungsinstitutionen arbeiten ausreichend gut. In entlegenen Gebieten vertreten allerdings lokale Behörden und Älteste die Rechtsordnung. Dort sind Frauen- und Minderheitenrechte nur unzureichend geschützt (BS 2016).

Auch das Verwaltungssystem reicht nicht bis in alle entlegenen Gebiete. Die Politik muss im Hinterland mit lokalen traditionellen und religiösen Autoritäten kooperieren, um die Verwaltung gewährleisten zu können (BS 2016). In den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden ("Sippenhaft") spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 1.1.2017).

Das vorhandene Maß an Schutz für Privateigentum wird - wie der Rechtsschutz generell - durch die Schwäche des Justizsystems, durch Korruption und Clan-Einfluss eingeschränkt (BS 2016).

Vor somaliländischen Gerichten gilt generell die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf rechtliche Vertretung. Verteidiger dürfen Zeugen befragen und einberufen. Für Angeklagte, die einer schweren Straftat bezichtigt werden, gibt es eine kostenlose Rechtsvertretung. Außerdem gibt es im Land eine funktionierende Legal Aid Clinic (USDOS 3.3.2017). Es gibt zwar einen Instanzenzug, allerdings werden manchmal Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend beigebracht. Insgesamt werden die Verfahrensrechte in Somaliland aber eher eingehalten, als in anderen Landesteilen (AA 1.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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