Entscheidungsdatum
27.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W241 2201869-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch RA Mag. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2018, Zahl 1135382700-161563500, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2019 zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge BF), eine iranische Staatsangehörige, reiste nach ihren Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 18.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In ihrer Erstbefragung am 19.11.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi im Wesentlichen an, dass sie zum Christentum konvertiert sei und deshalb von den Behörden verfolgt werde.
1.3. Bei ihrer Einvernahme am 05.06.2018 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, machte die BF Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen im Iran und in Österreich sowie zu ihren Fluchtgründen.
Ferner gab sie an, in Österreich getauft worden zu sein. Sie gehöre der XXXX , einer anerkannten Freikirche in Österreich, an. Sie versuchte hierauf, verschiedene Fragen betreffend ihre Glaubensausübung und die protestantische Religion zu beantworten.
Die BF legte in der Folge folgende Dokumente vor:
* iranische Geburtsurkunde
* iranischer Führerschein
* iranischer Personalausweis
* diverse Diplome und Zertifikate aus dem Iran
* Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen
* Bestätigungsschreiben der Pastoren der XXXX und der XXXX in Wien
* Taufschein vom 02.04.2017
1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 20.06.2018 den Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status einer Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihr nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person der BF und zur Lage in ihrem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen der BF sei unglaubhaft. Sie habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung der BF in den Iran. Im Falle der Rückkehr drohe ihr keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Die BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der BF in den Iran. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die BF bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass die BF bezüglich ihrer behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund ihrer Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu ihrem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation im Iran wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Ihre Fluchtgeschichte habe die BF angesichts mehrerer dargelegter Unstimmigkeiten nicht glaubhaft machen können. Ferner hätte eine Änderung ihrer inneren Überzeugung, sodass man von einer echten Konversion zum Christentum sprechen könnte, nicht festgestellt werden können.
Subsidiärer Schutz wurde ihr nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage im Iran nicht drohe.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte die BF mit Schreiben ihrer gewillkürten Vertretung vom 20.07.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.
In der Beschwerdebegründung wurde erneut auf das Interesse der BF am christlichen Glauben und ihre Konversion verwiesen sowie eine Niederschrift über den Austritt der BF aus dem Islam vom 11.07.2018 vorgelegt.
1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakten langte am 26.07.2018 beim BVwG ein.
1.7. In der Folge wurde eine Heiratsurkunde vom 17.12.2018 vorgelegt.
1.8. Das BVwG führte am 25.02.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi durch, zu der die BF in Begleitung ihres gewillkürten Vertreters, einer Vertrauensperson und eines Zeugen (ihr Ehegatte Herr XXXX ) persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
Dabei legte die BF folgende Schriftstücke vor:
* Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs
* Bestätigung der Religionszugehörigkeit vom Bund Evangelikaler Gemeinden
Daraufhin gab die BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"RI [Richter]: Wie haben Sie Ihren Ehegatten kennengelernt?
BF: In der Kirche, wo ich meinen Taufkurs besuchte, hat mein Mann als Dolmetscher gearbeitet und so haben wir uns kennengelernt.
RI: Haben Sie auch kirchlich geheiratet? Ist das in Ihrer Kirche überhaupt möglich?
BF: Ja, wir wollten nicht im Winter, wo es kalt ist, heiraten, deshalb haben wir beschlossen, am 22. Juni kirchlich zu heiraten.
RI: Ist Ihr Ehegatte auch ein Konvertit oder ein ursprünglicher Christ?
BF: Auch ein Konvertit.
RI: Hat er schon Asyl bekommen oder ist das Verfahren noch offen?
BF: Ja, er hat einen Konventionspass.
R an VP: Was können Sie über die BF sagen?
VP: Sie ist seit Februar 2019 bei uns am FH-Campus Wien im C1-Deutschkurs. Sie ist, seit sie bei uns im Kurs ist, jeden Tag anwesend. Sie wird auch von den Deutschlehrern sehr motivitert und sehr gut schon in Deutsch beschrieben. Sie hat eben einen Abschluss im technischen Bereich und es werden gerade die Zeugnisse an der FH-Wien geprüft. Das Ziele wäre, dass sie an der FH-Wien einen Bachelor oder möglicherweise ein Master-Studium im technischen Bereich machen kann. Es ist auch ein Inklusionskurs, d.h. es finden außerhalb des Deutschkurses Kurse statt, um sie auf das Leben hier in Österreich vorzubereiten, wie beispielsweise für Bewerbungsgänge. Wir vernetzen uns mit anderen Studiengängen, um ihnen einen Blick in den Studienalltag zu gewähren. Es gibt auch ein Buddy-Netzwerk, wo sie mit Studierenden und Mitarbeitern der FH-Wien Kontakte knüpfen können.
R: Haben Sie jemals mit Ihr über Glaubensdinge gesprochen?
VP: Bisher noch nicht.
R an BF: Wann haben Sie Ihren Ehegatten kennengelernt und wann haben Sie ihn geheiratet?
BF: Wir haben am 17. Dezember 2018 geheiratet. Genau in einem Monat haben wir den zweiten Jahrestag als wir uns kennengelernt haben. Es war der 21.März 2017.
R: Wenn Sie beabsichtigen kirchlich zu heiraten, besuchen Sie schon Ehevorbereitungskurse?
BF: Wir haben das bereits absolviert.
Z wird um 13:43 ersucht, den Raum bis Aufruf zu verlassen.
Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.
BF: Ich habe bereits im Iran durch eine Armenierin das Christentum kennengelernt und war überzeugt vom Christentum. Durch sie habe ich das Christentum kennengelernt und war dann überzeugt. Wir hatten lange Gespräche miteinander sowie eine Bibelrunde. Ich war mit voller Überzeugung Christin und ich wollte von ganzem Herzen auch anderen Menschen behilflich sein. Als ich dann herausgefunden habe, dass Jesus Christus der einzige Weg und die einzige Rettung ist, habe ich mich mit voller Überzeugung für das Christentum entschieden. Obwohl ich wusste, dass diese Sache im Iran keine einfache Entscheidung sein wird und mein Leben dadurch in Gefahr sein wird. Die Existenz Jesus Christus und meine Wandlung, die ich erlebt habe in meiner Person, war für mich so entscheidend, dass mir egal war, ob ich sterbe oder nicht. Das einzige, was ich noch tun konnte, war andere davor zu bewahren, nicht die selben Fehler zu machen, die ich bisher getan hatte und ihnen den rechten Weg weisen. Immer mehr habe ich dann über das Christentum erfahren und habe auch herausgefunden, wie falsch viele Dinge waren, die es im Islam gibt und, die ich bisher im Islam praktizierte. An aller erster Stelle dachte ich, dass ich meinen Herzensglauben an meine Familie weitergebe. Meine Probleme haben damit begonnen - ich habe einen Cousin mütterlicherseits, der für die Sittenpolizei arbeitet -; die Geschichte beginnt damit, als wir noch in Teheran gelebt haben, ist er eines Tages mit seiner Frau zu uns zu Besuch gekommen. Er lebte in XXXX und einmal die Woche besuchte er seine Tante, also meine Mutter. Als sie bei uns waren, hat seine Frau über sein Handy herausgefunden, dass er heimlich eine zweite Frau hat, also eine Ehe auf Zeit abgeschlossen hat und es kam an diesem Abend bei uns zu einer Streitigkeit. Unglücklicherweise hat er seine Frau in ein Zimmer gebracht und hat angefangen auf sie einzuschlagen. So massiv, dass sie im ganzen Gesicht geblutet hat. Als ich versuchte, ihn davon abzuhalten, um seine Frau zu verteidigen, sagte er: "Als Mann steht mir dies zu und das geht dich nichts an." Ich sagte ihm: "Ich hasse diese Religion, die dir erlaubt, mit einer unschuldigen Frau so umzugehen." Damals sagte ich auch: "Es ist offensichtlich, dass der Prophet Mohammad, der selber mehr als 40 Frauen hatte, dir erlaubt, so etwas zu tun." Da sagte ich zu ihm: "Der Islam ist eine Lüge, Mohammad ist eine Lüge und fürchte dich vor deinen Taten und kehre zu Gott zurück." Er drohte mir und sagte: "Du spielst mit deinem Leben, halte Abstand davon." An diesem Abend ist seine Frau bei uns geblieben, da sie im Gesicht und am Körper verletzt war. An diesem Abend habe ich mit seiner Frau über das Christentum und darüber, dass es ihm nicht zusteht, sie so zu behandeln, gesprochen. Davor hatte ich bereits in dem Frisörsalon, in dem ich gearbeitet habe, auch eine Frau, der Ähnliches passiert ist, bekehren können. Ich dachte mir, da ich sie bekehrt habe und erfolgreich war, kann ich auch diese Frau retten. Danach 4 oder 5 Tage später war ich bei der Arbeit, als meine Mutter mich anrief. Sie sagte mir: "Komm ja nicht nach Hause. Zwei Männer waren hier und haben das Haus durchsucht. Sie haben alles durchwühlt und deinen Laptop mitgenommen." Danach bin ich nicht mehr nach Hause gegangen, sondern zu einer Freundin und habe mich dort versteckt. Danach habe ich den Iran verlassen.
RI: Was hat in Ihrer Familie der Islam für eine Bedeutung gehabt?
BF: Mein Vater war kein religiöser Mensch, aber meine Mutter war genau das Gegenteil. Auch für meine Schwestern, insbesondere meine zwei jüngeren, war die Religion nicht so wichtig. Für meine ältere Schwester ab und zu.
RI: Wie haben Sie den Islam praktiziert?
BF: Für mich war das so, dass, wenn ich Probleme hatte, ich gebetet habe und in Fastenmonaten auch gefastet habe. Ich habe mich verschleiert, denn der Islam sagte, ich solle mich bedecken.
RI: Sind Sie auch in die Moschee gegangen?
BF: Sehr selten.
RI: Haben Sie persönlich aber an Allah, also einen Gott geglaubt?
BF: Ja.
RI: Haben Sie auch eine Bibel besessen?
BF: Im Iran besaß ich keine.
RI: Sie kamen dann nach Österreich - wie ist es dann weitegegangen?
BF: Als ich nach Österreich gekommen bin, war ich zuerst in XXXX und dort gab es eine evangelikale Kirche für persisch-sprechende. Das war eine deutsch sprechende Kirche, allerdings für Perser war es einmal in der Woche in Persisch.
RI: Im Iran - welche Richtung des Christentums haben Sie sich da zugehörig gefühlt?
BF: Da ich über eine Freundin dort mit dem Christentum in Kontakt gekommen bin, die der protestantischen Richtung angehörte, habe ich auch hier die protestantische Kirche aufgesucht.
RI: Haben Sie sich auch jemals mit den anderen Glaubensrichtungen des Christentums auseinandergesetzt? Sich informiert, welcher Zweig für Sie der beste wäre?
BF: Bereits damals als ich im Iran war, hatte ich über meine Freundin Informationen über verschiedene Glaubenszweige und kannte die Unterschiede.
RI: Erzählen Sie mir ein bisschen was, was Sie erfahren haben.
BF: Diese drei Richtungen, also Katholiken, Protestanten und Orthodoxe sind die drei wichtigsten Zweige der Kirche. Sie unterscheiden sich nur in der Art der Taufe oder Gebete, die sie machen. Die katholische und orthodoxe Kirche sind mehr traditionell. Warum ich ausgerechnet die evangelikale Kirche ausgesucht habe, war, weil ich gesehen habe, dass es hierbei eine direkte Verbindung zu Gott gibt und keine Traditionen dazwischenstehen. Das wichtigste in unserer Kirche ist, dass man sein Leben nach der Heiligen Schrift lebt. Ich kannte das bereits aus dem Islam, dass man Vieles tut und sich nach diesem Glauben richtet, aber dennoch in keiner Verbindung zu Gott steht.
RI: Hat es diese drei Richtungen des Christentums immer schon gegeben oder wann sind diese entstanden? Was wissen Sie darüber?
BF: Der protestantische Zweig hat vor ungefähr 501 Jahren, gegründet durch Martin Luther, begonnen. Martin Luther reformierte die Kirche insofern, dass er sagte, auch die einfachsten Leute können eine direkte Verbindung mit Gott eingehen und er übersetzte die Bibel auf Deutsch.
RI: Wissen Sie auch ungefähr, wie dann die orthodoxe Kirche entstanden ist?
BF: Ich habe die Geschichte gelesen, kann mich aber jetzt nicht daran erinnern.
RI: Ist die älter als die protestantische oder jünger?
BF: Älter, denn die Protestanten gibt es erst seit 500 Jahren.
RI: Können Sie mir noch ein paar Unterschiede zwischen der katholischen und der protestantischen Kirche erzählen?
BF: Der erste Unterschied besteht in der Taufe. In unserer Kirche werden wir erst dann getauft, als Erwachsene, wenn wir selbst entscheiden können, dass wir reif dafür sind. In der katholischen Kirche wird ein Kind nach der Geburt getauft. In unserer Kirche ist die Heilige Schrift selbst von Jesus Christus sehr wichtig, aber in der katholischen Kirche ist z.B. die Maria heilig oder das Weihwasser. Solche Dinge gibt es in unserer Kirche nicht.
RI: Gibt es von den Sakramenten Unterschiede? Haben Sie schon einmal davon gehört?
BF: Ich glaube ich verstehe Sie nicht richtig, aber ich weiß, dass die Dreifaltigkeit in beiden Kirchen praktiziert wird.
RI: Wissen Sie, wann der Heilige Geist gefeiert wird?
BF: Das haben wir nicht in unserer Kirche.
RI: Ich glaube schon.
BF: Wir feiern Pfingsten 50 Tage nach Ostern.
RI: Was ist zu Pfingsten passiert, wissen Sie das?
BF: Nachdem Jesus wieder auferstanden ist, steigt er 40 Tage danach wieder in den Himmel. Jesus sagte seinen Jüngern, dass der Heilige Geist euch erscheinen wird und euch führen wird. 10 Tage später erscheint der Heilige Geist bei Jesus Jüngern tatsächlich und das war ein großes Wunder, denn seine Jünger konnten sich auf verschiedenen Sprachen miteinander unterhalten. Somit konnten sie an diesem Tag mehr als 3000 Menschen zum Christentum überzeugen.
RI: Können Sie mir sagen - Sie waren in XXXX in der Kirche - wie ist es da weitergegangen?
BF: Der Pfarrer in der dortigen Kirche organisierte jeden Dienstag für die Farsi-Sprechenden, die doch einige waren, einen Bibelkurs, um die Grundzüge des Christentums ihnen beizubringen. Danach sagte er uns, dass er einen Taufvorbereitungskurs für uns geben wird und nach der Taufe auch einen anderen. In diesen Kursen wurde uns beigebracht, wie wir unseren Glauben in Taten umsetzen können. Gott sei Dank wurde ich dort im April 2017 getauft.
RI: Wie ist es dann weitergegangen - wie ist es mit Wien weitergegangen?
BF: Als ich meinen Mann kennengelernt habe und wir verlobt waren, suchte er in Wien eine Ausbildungsstelle und somit sind wir dann nach Wien gekommen. Hier in Wien besuchen wir eine Kirche namens XXXX . Es handelt sich hierbei auch um eine evangelikale Kirche, die wir besucht hatten.
RI: Gehören diese beiden Kirche zusammen? Zu der selben Freikirche?
BF: Ja. Bevor wir dorthin gegangen sind, haben wir unseren Pastor gefragt und er hat uns dorthin geschickt. Er kannte diese Kirche.
RI: Von wann bis wann haben Sie die Hochzeitsvorbereitungskurse gemacht?
BF: Dieser Hochzeitsvorbereitungskurs wurde seitens eines Gemeindeleiters geführt. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr, aber wir haben ihn ungefähr 3-4 Monate besucht.
RI: Wie oft gehen Sie jetzt in die Kirche?
BF: Wir besuchen jeden Sonntag den Gottesdienst und manchmal darüber hinaus, wenn Seminare sind, nehmen wir auch daran teil.
RI: Gehen Sie immer gemeinsam?
BF: Ja.
RI: Wie oft beten Sie am Tag? Beten Sie auch privat? Still?
BF: Ja, genau so ist das. Gleich nach dem Aufstehen möchte ich mit Gott in Verbindung sein und mit ihm den Tag beginnen. Immer wieder, entweder vor dem Essen, während des Tages oder alleine, öftermals am Tag bete ich.
RI: Wann war das letzte Mal, dass Sie gebetet haben?
BF: Bevor ich hier zur Befragung kam.
RI: Haben Sie bestimmte Gebete oder sprechen Sie nur zu Gott?
BF: Ich spreche mit Gott, ich bedanke mich für Alles, was er mir bisher gegeben hat und dann bitte ich ihn um Hilfe.
RI: Können Sie mir das Vater uns aufsagen?
BF sagt das Vater Unser auf Deutsch.
RI: Wer hat Ihnen eigentlich gesagt, dass Sie aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft austreten sollen? We hat Sie dorthingebracht?
BF: Ich war bei dem Leiter unserer Gemeinde und er sagte mir, wo ich hingehen muss und was für Papiere ich benötige.
RI: Sie sind also aufgetreten, nur steht da aber, dass Sie ohne Glaubensbekentnnis sind. Warum sind Sie nicht in das christliche Glaubensbekenntnis eingetreten? Vor den Behörden sind Sie nun ohne Bekenntnis.
BF: Als ich dorthin gegangen bin, habe ich ihnen diese Geschichte erzählt, dass ich aus dem Islam austreten möchte und ich Christin geworden bin und das ist das, was mir das Magistrat ausgehändigt hat. Auch auf dem Meldezettel habe ich angekreuzt, dass ich Christin bin, ich weiß nicht, warum das nicht vermerkt ist.
RV: Es handelt sich dabei um Freikirchen, die sich zu einem großen Bund zusammengeschlossen zu haben, um die nötige Mitgliederanzahl für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft zu erreichen. Da das noch relativ neu ist, stellt das oftmals ein Problem bei der Behörde dar.
RI: Haben Sie jetzt auch eine Bibel? Lesen Sie darin? Haben Sie diese mit?
BF: Ja, ich habe diese hier.
Die Verhandlung wird um 14:33 Uhr unterbrochen und um 14:45 Uhr fortgesetzt.
BF zeigt Bibel.
BF: Das ist die Hauptbibel die ich lese, sowohl das Alte als auch das Neue Testament.
RI: Machen Sie sich auch Notizen oder lesen Sie nur?
BF: Ich lese nur.
RI: Und die kleinen Bibeln?
BF: Das sind meine Handtaschenbibeln, die ich immer in der Tasche mithabe. Allerdings ist das nur das Neue Testament.
RI: Lesen Sie beide Testamente?
BF: Ja.
RI: Um was geht es im Alten Testament?
BF: Im Alten Testament wird die Geschichte vom Volk Israel erzählt, wie Gott sie gerettet hat.
RI: Sagt Ihnen Moses etwas?
BF: Die ersten 5 Bücher in der Bibel sind von Moses und darin steht geschrieben, wie Moses es geschafft hat, Israel vor Ägyptern zu retten. Darin sind verschiedene Ereignisse in diesen 5 Geschichten, die das israelische Volk erlebte, beschrieben.
RI: Um was geht es im Neuen Testament?
BF: In den ersten 4 Teilen ist die Biographie von Jesus in verschiedenen Sichtweisen erzählt worden.
RI: Wissen Sie, wer das geschrieben hat?
BF: Eines von denen hat der Mattheo geschrieben, ein Jünger von Jesus Christus. Dann Markus war ein Freund von Petrus und Luca war ein Arzt und Johannes war ein Lieblingsschüler von Jesus Christus.
RI: Was war das erste Wunder von Jesus und was für Wunder hat er sonst noch bewirkt?
BF: Jesus Christus hat verschiedene Wunder in seinem Leben vollbracht, aber das erste Wunder war auf einer Hochzeit indem er Wasser zu Wein verwandelte. Er hat in seinem Leben verschiedene Wunder vollbracht, er hat die Toten wieder lebendig gemacht, Blinde wieder geheilt, die, die gelähmt waren, konnten wieder gehen, die, die von Dämonen besessen waren, hat er wieder befreit.
RI: Wissen Sie, wen er von den Toten wieder auferweckt hat?
BF: Lazarus. Er war der Bruder von Maria und Martha. Er war bereits 4 Tage tot. Jesus war nicht in der Stadt als das passiert, er ist aber hingegangen und als er dort angekommen ist und dies erfahren hat, hat Jesus geweint. Er ist zu seinem Grab gegangen und sagte:
"Lazarus wach auf" und 4 Tage nach seinem Tod ist Lazarus wieder auferstanden.
RI: Können Sie mir noch sagen, Sie haben am am 19. November 2016 einen Asylantrag gestellt, wann sind Sie das erste Mal zur Kirche gegangen?
BF: Ich bin am 01.12.2016 nach XXXX geschickt worden, davor war ich in einem Dorf. Eine Woche vor Weihnachten 2016 bin ich zu der Kirche gegangen.
RI: Haben Sie dann gleich Kontakt mit dem Pastor aufgenommen?
BF: Ja.
RI gibt RV die Möglichkeit, zu den bisherigen Angaben der Parteien eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.
RV: Zu welcher Kirche gehört der Papst?
BF: Er gehört der römischen Kirche an.
RV: Was ist mit römischer Kirche gemeint?
BF: Der Vatikan.
RV: Sie meinen die katholische Kirche?
BF: Ja.
RV: Spielt der Papst in der evangelikale Kirche eine Rolle?
BF: Nein, für unsere Kirche ist er nicht maßgeblich.
RV: Hat die evangelikale Kirche Pfarrer?
BF: Ja, in unserer alten Kirche war XXXX unser Pfarrer.
RV: Gilt da das Zölibat?
BF: Nein, in unserer Kirche existiert das nicht.
RV: Wie kommt man zu so einer Kirche oder wie kommt man zu Jesus? Was muss passieren?
BF: Manche empfangen durch ihre Herzen eine direkte Verbindung zu Jesus Christus, aber manche möchten mehr erfahren und darüber wissen.
RV: Ab wann gehöre ich zu Jesus und was ist vorher und was nachher?
BF: Für mich selber war entscheidend, dass ich von tiefstem Herzen rausgefunden habe, dass Jesus der einzige Weg zu Gott sei. In Wirklichkeit ist Jesus die Brücke zwischen den Leuten und Gott. Ohne Jesus Christus gibt es keinen Weg zu Gott.
RV: Was bedeutet die Taufe?
BF: Wenn wir ins Wasser tauchen, sterben wir für eine kurze Zeit wie Jesus Christus und all unseren Sünden werden vergeben. Wenn wir auftauchen, sind wir frei von Sünden.
RV: Werde ich durch die Taufe Christ oder weil ich mich dazu entschieden habe?
BF: Selbstverständlich durch den Glauben an Jesus Christus. Die Taufe ist nur ein symbolischer Akt.
RV: Woher kommen die 10 Gebote?
BF: Die 10 Gebote kommen seitens Moses in seinem Buch. Das wurde alles auf eine Tafel in Form von 10 Geboten aufgeschrieben und von Gott an Moses weitergegeben.
RV: Können Sie mir die Gebote sagen?
BF auf Deutsch: Du sollst keinen anderen Gott neben mir haben. Du sollst kein Bild von Gott haben. Du sollst den Tag des Herrn heiligen. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Du sollst nicht den Namen von Gott missbrauchen. Du sollst nicht töten oder lügen. Du sollst nicht Ehe brechen und du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau oder Mann.
RV: Gelten die 10 Gebote auch für das Neue Testament?
BF: Im neuen Testament wurden die 10 Gebote auf 2 beschränkt. Du sollst deinen Gott vom tiefsten Herzen lieben und ehren. Dasselbe gilt für deinen Nächsten und deinen Bruder.
RV: Nicht nur für deinen Nächsten und deinen Bruder, sondern ?
BF: Alle.
RV: Du sollst deinen Nächsten lieben wie....
BF: Mich selbst.
RV: Durch diese Zusammenfassung auf zwei Gebote, gelten die ausführlichen Gebote noch weiter oder nicht?
BF: Jesus sagte, dass er die vorherigen Propheten nicht leugnen oder verbessern will.
RV: Keine weiteren Fragen.
Der Z betritt um 15:07 nach Aufforderung wieder den Verhandlungssaal.
Belehrung des Zeugen
Der RI belehrt den Zeugen gemäß § 49 AVG und weist auf das Recht auf Verweigerung der Aussage hin.
Der RI macht den Zeugen nach §§ 50 und 49 Abs. 5 AVG auf die Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung (Ersatz der dadurch verursachten Kosten, Verhängung einer Ordnungsstrafe) und einer falschen Beweisaussage vor dem Bundesverwaltungsgericht (gerichtliche Strafbarkeit gemäß § 288 StGB) aufmerksam.
RI: Sie sind selber Christ? Sie sind auch konvertiert?
BF: Ja.
RI: Und Sie sind auch Mitglied der evangelikalen Freikirche?
BF: Ja.
RI: Wann sind Sie zu dem Glauben übergertreten?
BF: Hier in Österreich, das war 2015.
RI: Und Sie haben auch schon einen Asylstatus erhalten. War das in erster oder zweiter Instanz?
BF: In der zweiten Instanz.
RI: Wie lange ist das her?
BF: Das war im Juni 2016.
RI: Seitem Sie in Österreich sind, gehen Sie regelmäßig in die Kirche?
BF: Ja, zuerst in XXXX und jetzt gehen wir in die XXXX . In XXXX habe ich meine Frau kennengelernt.
RI: Haben Sie auch eine Ehevorbereitung gemacht?
BF: Ja.
RI: Wann wollen Sie heiraten?
BF: Am 22. Juni.
RI: Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt? Haben Sie auch über christliche Fragen gesprochen?
BF: Ich habe sie schon länger gekannt. Ich bin regelmäßig in die Kirche gegangen. Abgesehen von sonntags war ich auch dienstags dort. Seit März 2017 sind wir uns nähergekommen und seither sind wir zusammen.
RI: Sie wohnen in einer gemeinsamen Wohnung - wird zu Hause auch gemeinsam gebetet oder in der Bibel gelesen?
BF: Ja, immer.
RI: Gehen Sie auch immer gemeinsam in den Gottesdienst?
BF: Ja.
RI: Besuchen Sie auch andere Veranstaltungen der Kirche?
BF: Wir haben zwei Mal im Monat Bibelrunde.
RI an RV: Haben Sie Fragen an den Z?
RV: Keine Fragen."
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 19.11.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 05.06.2018 sowie die Beschwerde vom 20.07.2018
* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)
* Einvernahme der BF und einer Zeugin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 25.02.2019
* Einsicht in die von der BF vorgelegten Schriftstücke
* Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 03.07.2018
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:
3.1. Zur Person der BF:
3.1.1. Die BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehörige des Iran. Die Muttersprache der BF ist Farsi, sie spricht bereits auch verständliches Deutsch.
Die BF hat am 17.12.2018 in Österreich einen iranischen Staatsangehörigen, der bereits im Jahre 2016 aufgrund seiner Konversion Asyl erhalten hat, geehelicht. Die restlichen Angehörigen der BF sind im Iran aufhältig.
Die BF verließ am Ende Oktober 2016 den Iran und reiste über die Türkei, Griechenland und Italien nach Österreich.
3.1.2. Die BF wurde als schiitische Muslimin im Iran geboren, hat sich aber, seit sie in Österreich aufhältig ist, zunehmend dem protestantischen Christentum zugewandt. Sie wurde am 02.04.2017 in der XXXX getauft und ist damit förmlich dem Christentum beigetreten und vom Islam abgefallen.
Die BF ist praktizierende Angehörige des Bundes Evangelikaler Gemeinden, welche Teil der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft Freikirchen in Österreich (FKÖ) ist, und aktiv am christlichen Leben beteiligt. Sie besucht den Gottesdienst und nimmt auch an sonstigen Aktivitäten - wie Bibelrunden - in der Pfarrgemeinde teil.
Bei einer Rückkehr in den Iran würde die BF nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christin bleiben.
3.2. Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in den Iran auf Grund ihrer nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.
Der BF steht als vom Islam zum Christentum Konvertierte keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
3.3. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die BF von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss der BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über den Iran vom 03.07.2018):
Politische Lage
Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution", Ayatollah Seyed Ali Khamene'i, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 6.2018a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 9.2017). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2018a).
Das iranische Regierungssystem ist ein präsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: 19.05.2017). Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Majlis - Majles-e Shorâ-ye Eslami/ Islamische Beratende Versammlung -, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das (mit europäischen Parlamenten vergleichbare) legislative Kompetenzen hat sowie Regierungsmitgliedern das Vertrauen entziehen kann. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Februar und April 2016 statt. Über dem Präsidenten, der laut Verfassung auch Regierungschef ist, steht der Oberste Führer [auch Oberster Rechtsgelehrter oder Revolutionsführer], seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Der Oberste Führer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und auch die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 9.2017). Der Revolutionsführer ist oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Die Mitgliedschaft und Allianzen untereinander unterliegen dabei ständigem Wandel. Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 2.3.2018).
Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein europäisches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AA 6.2018a, FH 1.2018, BTI 2018).
Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln. Zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind
Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2018a).
Parteien nach westlichem Verständnis gibt es nicht, auch wenn zahlreiche Gruppierungen nach dem iranischen Verfahren als "Partei" registriert sind. Bei Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen werden keine Parteien, sondern Personen gewählt (AA 6.2018a, vgl. GIZ 3.2018a). Zahlreiche reformorientierte Gruppierungen wurden seit den Präsidentschaftswahlen 2009 verboten oder anderweitigen Repressionen ausgesetzt. Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA 6.2018a).
Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 1.2018, vgl. AA 2.3.2018).
Die Mitte Juli 2015 in Wien erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm im "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA) genannten Abkommen und dessen Umsetzung am 16. Jänner 2016 führten zu einer Veränderung der Beziehungen zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft: Die mit dem iranischen Atomprogramm begründeten Sanktionen wurden aufgehoben bzw. ausgesetzt. Seither gibt es einen intensiven Besuchs- und Delegationsaustausch mit dem Iran, zahlreiche neue Wirtschaftsverträge wurden unterzeichnet. Die Erwartung, dass durch den erfolgreichen Abschluss des JCPOA die reformistischen Kräfte in Iran gestärkt werden, wurde in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt: Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. 217 der bisherigen 290 Abgeordneten wurden nicht wiedergewählt. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher noch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt war die Publikation der Bürgerrechtscharta im Dezember 2016. Die rechtlich nicht bindende Charta beschreibt in 120 Artikeln die Freiheiten, die ein iranischer Bürger haben sollte (ÖB Teheran 9.2017).
Die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, dass sich die USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückziehen werde, stieß international auf Kritik. Zudem will Trump die in der Folge des Wiener Abkommens von Juli 2015 ausgesetzten Finanz- und Handelssanktionen wiedereinsetzen (Kurier 9.5.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (6.2018a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 20.6.2018
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AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der
Islamischen Republik Iran
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BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 22.3.2018
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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426304.html, Zugriff 21.3.2018
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Kurier (9.5.2018): Trump kündigt Iran-Abkommen: So reagiert die Weltgemeinschaft,
https://kurier.at/politik/ausland/trump-kuendigt-iran-abkommen-so-reagiert-die-weltgemeinschaft/400033003, Zugriff 25.6.2018
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GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018a):
Geschichte und Staat Iran,
https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 25.4.2018
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ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht
Sicherheitslage
Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).
In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMeiA 20.6.2018).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am
6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018
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BMeiA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 9.2017).
Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Siche