TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/15 W139 2175680-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2175680-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste mit seiner Ehefrau (Zl. W139 2175681-1), seinem minderjährigen Sohn (Zl. W139 2175682-1) und seiner minderjährigen Tochter (Zl. W139 2175683-1) in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gemeinsam mit diesen am 12.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte am 13.02.2016.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art 13 Abs 1 iVm Art 22 Abs 7 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 61 Abs 1 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

4. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2017, Zl. W235 2140667-1/6E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wurde zugelassen und der bekämpfte Bescheid wurde behoben.

5. Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde fand am 02.10.2017 statt.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

7. Mit Schreiben vom 20.10.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den genannten Bescheid und beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung, sowie die Feststellung, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Darin wurde u.a. vorgebracht, die Ehefrau des Beschwerdeführers wäre aufgrund ihres gelebten westlich orientierten Lebensstils bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung ausgesetzt. Beigelegt wurden u.a. Empfehlungsschreiben.

8. Mit Beschwerdeergänzung vom 06.11.2017 sowie mit Schreiben vom 14.09.2018 und 21.01.2019 wurden weitere Empfehlungsschreiben sowie Deutschkursteilnahmebestätigungen vorgelegt.

9. Am 13.03.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, bei welcher der Beschwerdeführer und seine Ehefrau einvernommen wurden. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.

10. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 15.03.2019 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Er stammt aus der Provinz Daikundi, Afghanistan und hat zunächst auch dort gelebt. Später hat er mit seiner Familie im Iran gelebt.

Der Beschwerdeführer hat seine Ehefrau (Beschwerdeführerin zu Zl. W139 2175681-1) am XXXX im Iran geheiratet. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag wurde der Beschwerde der Ehefrau des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005 zuerkannt (BVwG 15.03.3019, W139 2175681-1/13E).

Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden.

Diese Feststellungen ergeben sich aus den jeweiligen Verfahrensakten und aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers während des Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG).

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2.1. Zu A):

Aufgrund der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") als Frau in ihrem Herkunftsstaat Eingriffe asylrelevanter Intensität mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat, weswegen sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (siehe BVwG 15.03.2019, W139 2175681-1/13E). Das Vorliegen eines der in Art 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ist nicht hervorgekommen.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Da der Beschwerdeführer seine Ehefrau, Beschwerdeführerin zu Zl. W139 2175681-1, nach den übereinstimmenden und damit glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführer im Iran geheiratet hat, hat diese Ehe bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden. Somit ist der Beschwerdeführer als Familienangehöriger im Sinne des AsylG 2005 zu betrachten.

Gemäß § 34 Abs 2 iVm Abs 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Im vorliegenden Fall wurde der Ehefrau des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden. Gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Angesichts dieser Umstände ist auf die vom Beschwerdeführer im bisherigen Verfahren erstatteten Fluchtgründe nicht mehr weiter einzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer und seine Frau ihre Anträge auf internationalen Schutz am 12.02.2016, somit nach dem 15.11.2015 gestellt haben, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs 1 Z 15 und 3 Abs 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt dem Beschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

2.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zur unproblematischen Anwendung des § 34 AsylG 2005 auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG 2005 im Familienverfahren siehe etwa VwGH 26.06.2007, 2007/20/0281; 09.04.2008, 2008/19/0205; 25.11.2009, 2007/01/1153; 24.03.2011, 2008/23/1338; 06.09.2012, 2010/18/0398 ua.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2175680.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten