TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/20 W198 2178938-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W198 2178938-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF.,

§ 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 05.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass er seit seiner Geburt im Iran gelebt habe und sich nie in Afghanistan aufgehalten habe. Er sei im Iran oft kontrolliert und geschlagen worden. Auch sei ihm einmal ein Gewehr an die Schläfe gehalten worden. Er sei mit einem Gewehrkolben geschlagen worden und seien ihm zwei Rippen gebrochen worden.

3. Der Beschwerdeführer wurde am 22.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er im Iran geboren sei und dort mit seinen Eltern und vier Schwestern gelebt habe. Er habe sich nie in Afghanistan aufgehalten. Zu seinem Fluchtgrund befragt, brachte der Beschwerdeführer ausführlich die Probleme vor, die er im Iran gehabt habe. Er sei von Polizisten geschlagen und gefoltert worden. Befragt, was dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan passieren würde, gab er an, dass er dort niemanden kenne und mit der Kultur in Afghanistan nicht vertraut sei. Es gebe dort keine Sicherheit. Vielleicht würde er als Hazara umgebracht werden oder bei einer Bombenexplosion ums Leben kommen. Außerdem sei er zum Christentum konvertiert und würde er deshalb getötet werden. Zudem seien seine Eltern einst aus Afghanistan ausgereist, weil sein Großvater Feindschaften gehabt habe und befürchte der Beschwerdeführer, dass diese Feinde sich an ihm rächen könnten. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er seit Februar 2017 in die Baptisten-Kirche gehe. Der Beschwerdeführer habe im Iran einen Nachbarn gehabt, der Christ sei und habe der Beschwerdeführer jetzt in Österreich die Freiheit genutzt, sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer näher zum christlichen Glauben befragt.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 17.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden. Ihm stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offen.

5. Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 01.12.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, dass er wegen der Diskriminierung der afghanischen Bevölkerung aus dem Iran geflüchtet sei. Er habe sich nie in Afghanistan aufgehalten und sei eine Ausreise nach Afghanistan für ihn nie im Raum gestanden, zumal dieses Land für ihn völlig unbekannt sei. Er habe keine Kontakte in Afghanistan. Der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und wäre im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit von Zwangsrekrutierung bedroht. Auch wäre er als Angehöriger der Minderheit der Hazara einer Verfolgung ausgesetzt. In einer Gesamtschau wäre dem Beschwerdeführer Asyl, zumindest jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 06.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Am 05.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Taufbestätigung der Baptistengemeinde XXXX vom 07.01.2018 ein.

8. Am 15.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Dokumentenvorlage ein, mit welcher Integrationsunterlagen übermittelt wurden.

9. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 18.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung, eines Zeugen sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger. Es konnte nicht festgestellt werden, ob das Geburtsdatum des Beschwerdeführers XXXX oder XXXX lautet. Er wurde im Iran geboren, hat bis zu seiner Ausreise nach Europa im Iran gelebt und hat sich nie in Afghanistan aufgehalten. Die Eltern, die Geschwister sowie mehrere Onkel des Beschwerdeführers, konkret zwei Onkel mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits, leben im Iran. Drei Onkel mütterlicherseits, die der Beschwerdeführer allerdings nicht kennt und zu denen auch kein Kontakt besteht, leben in Afghanistan. Es wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer zu diesen Onkeln Kontakt herstellen kann. Zwei Tanten väterlicherseits leben in Australien und zwei Cousins leben in München.

Der Beschwerdeführer konnte keine Tazkira vorlegen. Somit steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Er ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist Hazara und spricht Farsi. Er hat zwölf Jahre lang im Iran die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Neben der Schule hat er als Schweißer, im Geflügelgeschäft seines Vaters und als Bauarbeiter gearbeitet.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 02.11.2015 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1.2 besucht. Eine Deutschprüfung hat er nicht abgelegt und er verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Er war von 16.07.2018 bis 03.08.2018 sowie von 19.11.2018 bis 07.12.2018 im Ausmaß von jeweils 120 Stunden im Rahmen des Projektes " XXXX " tätig. Der Beschwerdeführer trainiert seit Anfang 2017 beim XXXX Thaiboxen. Seit März 2019 besucht er im Verein XXXX den Lehrgang "Nachholen des Pflichtschulabschlusses Jugend 5". Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hielt sich nie in Afghanistan auf und war in Afghanistan daher keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.2. Zum Fluchtgrund

Der Beschwerdeführer hielt sich nie in Afghanistan auf und war in Afghanistan daher keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht zum Christentum konvertiert ist und ihm deshalb keine Verfolgung in Afghanistan droht. Der Beschwerdeführer hat sich nicht in einer für die Außenwelt erkennbaren Weise vom islamischen Glauben losgelöst. Ein Religionswechsel aus innerer Überzeugung liegt daher nicht vor. Das Christentum ist nicht wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seinem derzeitigen Interesse für das Christentum im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein derzeitiges Interesse für das Christentum im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nach außen zur Schau tragen würde.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Zwangsrekrutierung droht.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 11.09.2018 - LIB 11.09.2018, S. 27).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 11.09.2018, S. 27).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah- Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 11.09.2018, S. 30).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 11.09.2018, S. 38).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 11.09.2018, S. 31).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 11.09.2018, S. 31). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 11.09.2018, S. 32 ff, 36).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 11.09.2018, S. 71).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 11.09.2018, S. 71).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 11.09.2018, S. 72).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 11.09.2018, S. 61f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 11.09.2018, S. 107).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 11.09.2018, S. 107, 228 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 11.09.2018, S. 107).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 11.09.2018, S. 108).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 11.09.2018, S. 108).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 11.09.2018, S. 109).

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 11.09.2018, S. 110).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 11.09.2018, S. 206 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 11.09.2018, S. 327 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 11.09.2018, S. 327).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 11.09.2018, S. 321).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 11.09.2018, S. 321).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 29.06.2018, S. 334 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 11.09.2018, S. 335 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 11.09.2018, S. 336f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 11.09.2018, S. 337f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 11.09.2018, S. 338 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 11.09.2018, S. 339).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 29.06.2018, S. 339).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig sehr misstrauisch wahrgenommen. Rückkehrer werden aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa nicht Opfer von Gewalttaten. Haben Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesamten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu solchen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar (Beilage ./O, S. 30).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Situation betreffend Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung durch die Taliban

Allgemeines

Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden.

Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren, wie berichtet wird, weiterhin Kinder - sowohl Jungen als auch Mädchen - um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen einzusetzen, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln und als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung zu dienen.

(Auszug aus folgender Quelle: UNHCR-Richtlinien, diese bilden einen Bestandteil der Feststellungen und des vorliegenden Erkenntnisses, Pkt III.A.3. a))

[...] Zusätzlich haben die Taliban eine Sondereinheit für Selbstmordattentäter eingerichtet. Selbstmordattentate sind ressourcenintensiv und die Taliban investieren sehr viel in diese Angriffe. Daher wird nachdrücklich betont, dass die für Selbstmordattentate rekrutierten Personen vertrauenswürdig sein müssen. Die Ausbildung soll den Selbstmordattentätern ausreichende mentale Stärke für die Durchführung des geplanten Attentats geben. Die religiöse und ideologische Überzeugung ist für alle Personen, die für solche Aufgaben ausgewählt werden, besonders wichtig. Selbstmordattentäter spielen bei komplexen, koordinierten Angriffen, zum Beispiel in der Stadt Kabul, eine bedeutsame Rolle: Bei solchen Angriffen machen die Selbstmordattentäter den Scharfschützen den Weg frei (Gespräch mit einem Analytiker in Kabul, Mai 2017). [...]

Ausmaß unmittelbaren Zwanges

Quellen von Landinfo haben bestätigt, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert werden oder in denen die Taliban stark präsent sind, de facto unmöglich ist, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten. Die örtlichen Gemeinschaften haben sich der Lokalverwaltung durch die Taliban zu fügen. Oppositionelle sehen sich gezwungen, sich äußerst bedeckt zu halten oder das Gebiet zu verlassen (Gespräch mit NGO A in Kabul, Mai 2017).

Nach Aussagen der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan (UNAMA) ist die Gruppe der Stammesältesten gezielten Tötungen ausgesetzt (UNAMA & OHCHR 2017, S. 64). Landinfo vermutet, dass dies vor allem regierungsfreundliche Stammesälteste betrifft, die gegen die Taliban oder andere aufständische Gruppen sind. Der Analytiker Borham Osman (berichtet in EASO 2016, S. 24) hat auf Berichte von Übergriffen auf Stämme oder Gemeinschaften, die den Taliban Unterstützung und die Versorgung mit Kämpfen verweigert haben, verwiesen. Gleichzeitig sind die militärischen Einheiten der Taliban in den Gebieten, in welchen sie operieren, von der Unterstützung durch die Bevölkerung abhängig. Mehrere Gesprächspartner von Landinfo, einschließlich einer NGO, die in Taliban-kontrollierten Gebieten arbeitet (NGO A, Kabul, Mai 2017), meinen, dass die Taliban im Gegensatz zu früher heute vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gemeinschaften Rücksicht nehmen.

Bei einem Angriff oder drohenden Angriff auf eine örtliche Gemeinschaft müssen Kämpfer vor Ort mobilisiert werden. In einem solchen Fall mag es schwierig sein, sich zu entziehen. Nach Osman (zitiert in EASO 2016, S. 24) kann die erweiterte Familie allerdings auch eine Zahlung leisten anstatt Rekruten zu stellen. Diese Praktiken implizieren, dass es die ärmsten Familien sind, die Kämpfer stellen, da sie keine Mittel haben, um sich frei zu kaufen.

Es ist bekannt, dass - wenn Familienmitglieder in den Sicherheitskräften dienen - die Familie möglicherweise unter Druck steht, die betreffende Person zu einem Seitenwechsel zu bewegen. Der Grund dafür liegt in der Strategie der Taliban, Personen mit militärischem Hintergrund anzuwerben, die Waffen, Uniformen und Wissen über den Feind einbringen. Es kann aber auch Personen treffen, die über Knowhow und Qualifikationen verfügen, die die Taliban im Gefechtsfeld benötigen, etwa für die Reparatur von Waffen (Gespräch mit einer internationalen Organisation; Gespräch mit einem Thinktank, Gespräch mit einem örtlichen Journalisten April/Mai 2017).

Es ist eine Kombination verschiedener Faktoren, die Personen dazu bewegt, sich den Taliban anzuschließen. Allerdings gibt es nur sehr begrenzte Informationen über den Einsatz unmittelbarer Gewalt im Zusammenhang mit der Rekrutierung und Mobilisierung unter der Schutzherrschaft der Taliban. In Gesprächen mit Landinfo im Herbst 2010 meinte Giustozzi, dies sei bedingt durch die Tatsache, dass die Taliban im Zusammenhang mit ihrer Expansion noch nicht genötigt waren, Zwangsmaßnahmen anzuwenden. In dem Artikel Afghanistan: Human Rights and Security Situation aus 2011 trifft er folgende Feststellung:

Zwangsrekrutierungen waren bislang noch kein herausragendes Merkmal dieses Konflikts. Die Aufständischen bedienen sich Zwangsrekrutierungen nur sehr vereinzelt, vor allem, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache der Aufständischen nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Giustozzi 2011, S. 6).

Die Angaben Giustozzis über im November 2015 erfolgten Zwangsrekrutierungen (Gespräch Oslo) stehen nicht im Widerspruch zu seiner 2011 getätigten Einschätzung. Das relativ eindeutige Bild über Rekrutierungen durch die Taliban deutet darauf hin, dass die Organisation Zwangsrekrutierungen nicht systematisch betreibt und dass Personen, die sich gegen eine Mobilisierung wehren, keine rechtsverletzenden Reaktionen angedroht werden. Zahlreiche Gesprächspartner von Landinfo in Kabul (April 2016) waren der Ansicht, dass die Taliban keine Zwangsrekrutierungen durchführen. Eine NGO (April 2016) verwies darauf, dass es sehr einfach sei zu desertieren (Gespräch in Kabul, April 2016). Erklärungen eines nationalen Thinktanks zufolge (April 2016) stünde eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis den im Paschtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit (s. z.B. Landinfo 2011) entgegen. Eine internationale Organisation (April 2016) verwies auf ein Argument, das seitens Landinfo im Zusammenhang mit einer quellenkritischen Bewertung von Informationen über die Zwangsrekrutierung aufgeworfen worden war: bei den Quellen handle es sich oft um Personen oder Gruppen, die Anschuldigungen betreffend Zwangsrekrutierungen im Eigeninteresse erheben, etwa Personen, die von den Sicherheitskräften festgenommen wurden oder die als Binnenvertriebene (IDPs) anerkannt werden möchten.

Die Beantwortung einer Anfrage zur Rekrutierung durch Landinfo im Februar 2012 kommt zu dem Schluss, dass es nur in Ausnahmefällen zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban gekommen ist. Die Antwort bezieht sich auf Gespräche, die Landinfo im Oktober 2011 in Kabul geführt hat (Landinfo 2012). Es gibt keine Angaben, die darauf hindeuten, dass sich das Ausmaß von Zwangsrekrutierungen in den vergangenen Jahren erhöht hat. Das geänderte Konfliktschema und die Tatsache, dass die Taliban ihre Truppen professionalisiert haben, bedeuten auch, dass unmittelbare Zwangsrekrutierungen vermutlich sehr gering verbreitet sind. Dies wurde in Gesprächen von Landinfo im April/Mai 2017 in Kabul bestätigt; unmittelbare Zwangsrekrutierungen erfolgen in sehr beschränktem Ausmaß und lediglich in Ausnahmefällen. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Eine Quelle äußerte den Gedanken, dass es "schwierig sei, einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden/etwas zu kämpfen".

Strukturelle Gegebenheiten

Es sind in erster Linie die strukturellen Gegebenheiten, die als eine Form von Zwang in der Rekrutierung durch die Taliban betrachtet werden können. Strukturelle Gegebenheiten können allgemeine kulturelle, religiöse oder soziale Faktoren sein, gepaart mit eingeschränktem Vertrauen in den Staatsbildungsprozess. Traditionsbedingte Verpflichtungen im Zusammenhang mit Stammesgruppen und örtlichen Machtgruppen bedeuten, dass Menschen als Ergebnis von Entscheidungen (Bildung von Allianzen), auf die sie selbst wenig Einfluss haben, Teil der Taliban werden. Lokale Drahtzieher spielen in dem Prozess, wie sich die Taliban in einem Gebiet etablieren und die Kontrolle erlangen, eine zentrale Funktion. Wenn ein zentraler Kommandant bzw. Stammesältester ein Bündnis mit den Taliban eingeht, so geschieht dies vielfach zur Sicherung der Interessen der Gemeinschaft (Hammer & Jensen 2016). Gleichzeitig könnte sich dies, sowohl durch ein geändertes Feindbild als auch hinsichtlich der Mobilisierungserwartungen auf die Zivilbevölkerung in dieser Gegend auswirken. [...]

(Auszug aus dem "Landinfo report Afghanistan: Afghanistan:

Rekrutierung durch die Taliban [Afghanistan: Rekruttering til Taliban]" übersetzt von Dipl.-Dolmetscherin Mag.a Michaela Spracklin im Auftrag der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [S. 10, 18, 19])

Laut Antonio Giustozzi werden in den gesellschaftlichen Strukturen in Afghanistan Entscheidungen von Familienoberhäuptern, Stammesältesten und Anführern von Gemeinschaften getroffen. Sie entscheiden über die Mobilisierung von Kämpfern, und Afghanen sprechen nicht von "Zwangsrekrutierung", da sie nicht in Kategorien individueller Rechte denken. Die von den Führern getroffenen Entscheidungen sind legitim und werden von den gesellschaftlichen Einheiten (Familie und Stamm) akzeptiert. "Zwangsrekrutierung" ist daher ein Konzept, das sich nicht aus dem gesellschaftlichen Kontext Afghanistans ergibt.

In Monthly IDP-Updates des UNHCR hieß es, Binnenvertriebene hätten Zwangsrekrutierungen durch Aufständische gemeldet, beispielsweise in: Paktya (Ende 2014); Distrikt Tagab von Kapisa (Dezember 2014); Provinzen Logar und Herat (Februar 2015). In diesen Berichten wird jedoch nicht erläutert, was genau unter "Zwangsrekrutierung" zu verstehen ist, und es liegen auch keine Angaben zu den beteiligten Akteuren oder zur Prävalenz vor.

Patricia Gossman (HRW) sagt, Zwangsrekrutierung dürfe nicht nur dahin gehend verstanden werden, dass Talibankämpfer in eine Familie eindringen, sich deren Kinder schnappen und ihnen mit vorgehaltener Waffe befehlen, für sie zu kämpfen. Die Akteure der Rekrutierung sind nämlich schon da, sind diesen Kindern bekannt und überreden sie zum Mitmachen. Manchmal üben sie auf die Familien Druck aus. Nötigung oder Druck kann von einem Familienmitglied ausgehen, das schon bei den Taliban ist. Mitunter erhalten Familien Geld, damit Söhne zu den Taliban gehen. Es gibt also Zwang oder Nötigung, aber nicht immer Gewalt.

Nach Aussage von Borhan Osman steht die Prävalenz von Zwangsrekrutierungsstrategien in direktem Verhältnis zu dem Druck, unter dem eine bewaffnete Gruppe steht. In vielen Gebieten gelten die Taliban als siegreiche Kraft und verfügen über zahlreiche freiwillige Kämpfer, sodass sie bei der Rekrutierung auf Nötigung verzichten können. In anderen Gebieten mag der Druck für die Taliban, neue Kämpfer aufzutun, größer sein, aber auch dann werden Zwang oder Nötigung bei der Rekrutierung nur in Ausnahmefällen eingesetzt.

Osman weist auf die neue Lösung hin, die die Taliban für dieses Problem des Mangels gefunden haben: die mobilen Sondereinsatzkräfte (s. den Abschnitt Mobile Taliban-Einheiten), die zur Bereinigung einer Situation in ein Gebiet geschickt werden können. Dank dieser neuen militärischen Struktur muss auf lokaler Ebene weniger auf Zwangsrekrutierung zurückgegriffen werden.

Auf die Frage nach der Verpflichtung, gefallene oder kampfunfähig gewordene Kämpfer durch andere Familienmitglieder zu ersetzen (die im EASO-Bericht von 2012 erwähnte Praxis von "Einberufungen", antwortete Osman, dies komme ihm sehr seltsam vor. Er glaube eher, die Taliban würden der Familie Achtung zollen und sie sogar nach dem Tod des Familienmitglieds finanziell unterstützen).

(Auszug aus folgender Quelle, EASO: Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan - Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, September 2016, S. 23)

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Umstand, dass nicht festgestellt werden kann, ob das Geburtsdatum des Beschwerdeführers XXXX oder XXXX lautet, ergibt sich daraus, dass er keine überprüfbaren Personenstandsdokumente vorgelegt hat. Im Zuge der Erstbefragung wurde der XXXX als sein Geburtsdatum protokolliert. In einem Schreiben des Beschwerdeführers vom 03.01.2017 wurde der Antrag gestellt, das Geburtsdatum auf XXXX zu berichtigen; von der belangten Behörde wurde allerdings weiterhin der XXXX als Geburtsdatum des Beschwerdeführers geführt. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer erneut an, dass bei der Feststellung seines Geburtsdatums Tag und Monat verwechselt worden seien.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinem Leben im Iran stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer zu seinen drei in Afghanistan lebenden Onkeln Kontakt aufnehmen könnte, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass seine Tante, welche in Australien lebe, ihn in Österreich besucht habe und kann daher davon ausgegangen werden, dass die Familie miteinander in Kontakt steht. Dafür spricht auch, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausgesagt hat, dass seine beiden Cousins in München leben, was er nur wissen kann, wenn er entweder zu diesen Cousins direkten Kontakt hat oder er dies von seiner Familie erfahren hat. Jedenfalls spricht dies auch dafür, dass die Familie zueinander/untereinander Kontakt hat.

Zumal der Beschwerdeführer keine Tazkira vorlegt, ist seine Identität nicht zweifelsfrei feststellbar. Die Identität des Beschwerdeführers steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest (Verfahrensidentität).

Die Feststellungen zu dem absolvierten Deutschkurs, der ehrenamtlichen Tätigkeit, der sportlichen Aktivität (Thaiboxen) sowie dem Lehrgang "Nachholen des Pflichtschulabschlusses" ergeben sich aus den vorgelegten Bestätigungen. Die Feststellung betreffend die geringen Deutschkenntnisse beruht darauf, dass der Beschwerdeführer lediglich einen einzigen Deutschkurs besucht hat, keine Deutschprüfung abgelegt hat, sowie auf dem Eindruck, den der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer auf Deutsch war nur sehr eingeschränkt möglich. Zudem konnte er, aufgefordert, die Namen seiner Freunde in Österreich aufzuschreiben, diese Namen nur auf Farsi, nicht jedoch auf Deutsch niederschreiben.

2.2. Zum vorgebrachten Fluchtgrund:

Der Beschwerdeführer - welcher über keinerlei unmittelbare Wahrnehmungen hinsichtlich der Gegebenheiten in seinem Herkunftsstaat verfügt - hat weder eine konkrete Verfolgung, noch eine individuelle Bedrohung durch staatliche Organe oder Privatpersonen vorgebracht. Angesichts der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer nie in Afghanistan aufgehalten hat, sich nie politisch betätigte und von keinen Problemen mit den Behörden seines Herkunftsstaates betroffen gewesen ist, ist vom Nichtbestehen eines realen Risikos einer individuellen Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr auszugehen, zumal auch der Beschwerdeführer selbst zu keinem Zeitpunkt ein konkretes Vorbringen in diese Richtung erstattet hat. Seine vorgebrachten Fluchtgründe (Folter durch die Polizei) bezogen sich ausschließlich auf seinen Aufenthaltsstaat Iran.

Soweit der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA angab, dass seine Eltern einst aus Afghanistan ausgereist seien, weil sein Großvater Feindschaften gehabt habe und er nunmehr befürchte, dass diese Feinde sich an ihm rächen könnten, so ist dieses Vorbringen als völlig vage und unsubstanziiert zu qualifizieren. Er stellte diese Behauptung in den Raum ohne diese in irgendeiner Weise zu konkretisieren und konnte der Beschwerdeführer dadurch eine ihm drohende Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft machen.

Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er vom ursprünglichen Glauben abgefallen und in Österreich zum Christentum konvertiert sei, ist auszuführen, dass eine tatsächlich erfolgte Konversion nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Dazu ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:

Zunächst ist festzuhalten und erscheint es eigenartig, dass die Konversion weder in der Stellungnahme zu den Länderfeststellungen noch in der Beschwerde vorgebracht wurde.

Vorrangig ist zudem anzumerken, dass der Beschwerdeführer seiner ehemaligen Religionsgemeinschaft seine Abwendung vom islamischen Glauben nicht zur Kenntnis gebracht und er keine Erklärung betreffend seinen Austritt abgegeben hat. Er hat seiner ehemaligen Religionsgemeinschaft auch weder die "kirchliche Bestätigung" der Baptistengemeinde XXXX vom 28.08.2017 noch den Taufschein vom 07.01.2018 vorgelegt.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer ausführte, dass er nach den Regeln und Vorschriften seines Glaubens seinen Glauben kundtun müsse, es in Afghanistan dazu jedoch keine Chance gebe. Es erscheint jedoch unlogisch, warum der Beschwerdeführer gerade in Afghanistan seine Abwendung vom islamischen Glauben kundtun sollte, obwohl er dort mit Problemen rechnen müsste, er in Österreich seine Abwendung vom islamischen Glauben seiner Religionsgemeinschaft in Österreich jedoch nicht kundgetan hat, obwohl dies hier ohne Probleme möglich wäre.

Der Beschwerdeführer gab zwar an, dass er die "kirchliche Bestätigung" und den Taufschein der Gemeinde (gemeint: einer staatlichen Behörde in Österreich) vorgelegt habe, er konnte dafür jedoch keinerlei Belege bzw. Beweismittel vorlegen.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht aus eigenem Antrieb auf die Idee kam, sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen, sondern brachte er vor, dass er einen Mitbewohner im Zimmer gehabt habe, der Christ gewesen sei und er von diesem missioniert worden sei. Später sei er auch von seinem Thai-Box-Lehrer zur Kirche mitgenommen worden.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht befragt, was ihm am islamischen Glauben missfallen habe und wirkten seine Antworten darauf einstudiert und auswendig gelernt.

Der Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eingehend hinsichtlich der Grundsätze des Christentums befragt und reichte sein Wissen nicht aus, um von einer tatsächlich intensiven Befassung mit dieser Religion und einer von Nachhaltigkeit und innerer Überzeugung getragenen Hinwendung zum Christentum ausgehen zu können. So ist beispielsweise anzumerken, dass dem Beschwerdeführer nur drei christliche Feiertage bekannt waren, zur kirchlichen Organisation und Hierarchie befragt, gab er unstimmige Antworten, die Bedeutung des Kreuzes war ihm nicht bekannt. Er konnte weder ein Gebet noch ein Kirchenlied nennen und tätigte zur Bedeutung der Taufe vage Angaben. Zum Unterschied zwischen seiner alten und seiner neuen Religion befragt, fiel seine Antwort äußerst dürftig aus. Auf die Frage, ob ein Christ auch andere Religionen akzeptiert, antworte er "eigentlich nein". Befragt, was sich im täglichen Leben des Beschwerdeführers geändert habe, seit er Christ sei, hat er lediglich drei Allgemeinplätze genannt.

In einer Gesamtschau ist festzuhalten, dass die vorgebrachte Konversion wenig von innerer, nachhaltiger Überzeugung getragen scheint. Es wird zwar nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer am 07.01.2018 das Sakramente der Taufe empfing. Ein solcher Empfang des Sakraments allein vermag jedoch nicht auszureichen um von einer nachhaltigen Hinwendung zum Christentum sprechen zu können.

Die Ausführungen des Pastor XXXX , welcher in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommen wurde, waren nicht geeignet eine andere Beurteilung des Sachverhalts herbeizuführen, insbesondere zumal dieser nur dann konkrete Wahrnehmungen und Beobachtungen betreffend den Beschwerdeführer hat, wenn jener in seiner Gemeinde (Baptisten) aufhältig ist.

Es ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Seinen Aussagen kann kein Vorbringen entnommen werden, welches für sich alleine gesehen eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen würde.

Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara nicht aufzuzeigen:

Wie dargelegt, hielt sich der Beschwerdeführer nie in Afghanistan auf und konnte mit seinem Vorbringen keine konkret auf seine Person bezogene Gefährdung im Zusammenhang mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit dartun. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara keine Gefahr einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegt, beruht auf den Feststellungen über die Situation der Volksgruppe der Hazara im Herkunftsstaat. Dazu ist auch auf das aktuelle Urteil des EGMR vom 05.07.2016 (EGMR AM/NL, 05.07.2016, 29.094/09) zu verweisen, das insbesondere feststellt, dass auch die Angehörigkeit zur Minderheit der Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (in diesem Sinne auch die Revisionszurückweisungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 10.08.2017, Ra 2017/20/0041, vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0377-6, sowie vom 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer eine konkrete Bedrohung nicht substantiiert behauptet, sondern vielmehr die bloße Behauptung in den Raum gestellt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr nach Afghanistan keiner Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre, ergibt sich daraus, dass die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde als zu vage und unsubstanziiert zu beurteilen sind, um daraus eine konkrete und individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung in Afghanistan ableiten zu können. Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers lässt sich keine aktuelle, maßgebliche Verfolgung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ableiten. Denn die bloße Angst vor einer Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers reicht nicht aus, um von einer maßgeblichen Bedrohung auszugehen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten