TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/21 W102 2161856-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2019
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Entscheidungsdatum

21.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W102 2161856-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) geb. am. XXXX (alias am XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 03.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2018 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 03.08.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 04.08.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam, im Jahr XXXX in Ghazni geboren, Analphabet und habe zuletzt als Hilfsarbeiter im Iran gelebt. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er habe sein Land wegen dem Krieg und aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.03.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er im Herkunftsstaat nicht länger als drei Jahre in die Schule habe gehen können, weil die Taliban die Schule verbrannt hätten. Sie würden Jugendliche zwingen, am Krieg gegen die Ausländer teilzunehmen. Den Beschwerdeführer hätten sie zuhause aufgesucht und aufgefordert, am Krieg teilzunehmen, als er 16 Jahre alt gewesen sei. Außerdem habe er religiöse Probleme gehabt, weil er Schiit sei und Angst vor den Taliban habe. Aus dem Iran sei er wegen der Gefahr einer Abschiebung nach Afghanistan ausgereist.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.06.2017, zugestellt am 07.06.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Die Fluchtgründe des Beschwerdeführers seien nicht glaubhaft. Er könne sich im Herkunftsstaat niederlassen und eine Existenzgrundlage aufbauen.

I.4. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2017 richtet sich die am 15.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei glaubwürdig, er sei von Zwangsrekrutierung betroffen und ihm drohe politische Verfolgung durch die Taliban. Staatlicher Schutz bestehe nicht. Die Sicherheitslage sei schlecht und der Beschwerdeführer verfüge in Afghanistan über keine Lebensgrundlage mehr.

I.5. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 12.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban im Wesentlichen aufrecht.

I.6. Am 24.08.2018 langte eine Beschwerdenachreichung der belangten Behörde am Bundesverwaltungsgericht ein, in der durch das AMS zur Kenntnis gebracht wird, dass für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde.

Am 22.03.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der er Länderberichte in das Verfahren einbringt und ausführt, er sei von Zwangsrekrutierung bedroht, ihm drohe als Hazara und Schiit Verfolgung. Auch für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland bestehe ein Verfolgungsrisiko. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es nicht. Die Sicherheitslage sei schlecht.

I.7. Mit Schreiben vom 14.01.2018 brachte das Bundesverwaltungsgericht Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme. Die diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 23.01.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

I.8. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Diverse Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs

* Diverse Empfehlungsschreiben

* Bestätigungen über gemeinnützige Arbeit

* Bestätigung über ein Dienstverhältnis mit der Gemeinde XXXX im Juni 2017

* Lehrvertragsanmeldung der Firma XXXX

* Auszug aus dem Elektronischen Datensammelsystem einer Krankenkasse über die Anmeldung des Beschwerdeführers als Lehrling

* Lehrvertrag des Beschwerdeführers vom 16.10.2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX im Distrikt Malestan, Provinz Ghazni und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer lebte zunächst im Herkunftsdistrikt, wo er drei Jahre die Schule besuchte und vier Jahre als Motorradmechaniker arbeitete. Er reiste im Alter von etwa 16 Jahren in den Iran aus und arbeitete dort auf Baustellen. Seither ist er in den Herkunftsstaat nicht mehr zurückgekehrt.

Im Heimatdorf leben noch die Eltern des Beschwerdeführers im Haus der Familie und arbeiten in der eigenen Landwirtschaft. Zu ihnen besteht Kontakt.

Außerdem sind ein Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie zwei Tanten mütterlicherseits im Herkunftsdorf aufhältig. Auch sie leben in ihren eigenen Häusern und von der Landwirtschaft.

Bruder und Schwester des Beschwerdeführers leben im Iran.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 03.08.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat durchgehend im Bundesgebiet auf. Er hat im Bundesgebiet einige Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen. Seit 04.09.2018 ist der Beschwerdeführer im Rahmen eines Lehrvertrages (Platten- und Fliesenverleger) unselbstständig erwerbstätig und verfügt daraus über ein monatliches Einkommen in Höhe von EUR 567,71. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat einige Deutschkurse sowie einen Werte- und Orientierungskurs besucht und wiederholt gemeinnützige Arbeit in seiner Wohnsitzgemeinde geleistet. So hat er für die Wohnsitzgemeinde Tätigkeiten verrichtet, bei Veranstaltungen der Kirche und am örtlichen Fußballplatz mitgeholfen. Der Beschwerdeführer ist ernsthaft um seine Integration bemüht.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise keinem Zwangsrekrutierungsversuch der Taliban ausgesetzt und ist auch für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsdistrikt nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer von den Taliban zwangsrekrutiert würde.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall einer Rückkehr keine Übergriffe wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ebenso drohen dem Beschwerdeführer keine Übergriffe, weil er als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland bzw. dem Iran als verwestlicht wahrgenommen wird.

II.1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Ghazni zählt zu den volatile, stark vom Konflikt betroffenen Provinzen. Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Es werden Luftangriffe durchgeführt. Die Taliban konnten seit 2001 an Einfluss gewinnen.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen, die allerdings abgelegene Distrikte betreffen. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und steht wie auch Mazar-e Sharif in Balkh unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sich sicher erreicht werden können.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif grundsätzlich gegeben. Die medizinische Behandlung des Beschwerdeführers ist gewährleistet.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Name, Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunft, Sprachkenntnissen sowie Schulbesuch und Berufserfahrung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben, an denen zu zweifeln sich im Lauf des Verfahrens keine Gründe ergeben haben.

Zum festgestellten Geburtsdatum ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zwar in der Erstbefragung angegeben hat, im Jahr XXXX geboren zu sein, allerdings in der Folge im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten sein Geburtsdatum auf das festgestellte Datum richtigstellte. Nachdem für den Beschwerdeführer aus dieser Änderung nichts gewonnen wäre und folglich kein Grund für eine falsche Angabe ersichtlich ist, folgt das Bundesverwaltungsgericht den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat und im Iran ergibt sich aus dessen gleichbleibenden und plausiblen Angaben.

Die Feststellungen zu den im Herkunftsdorf aufhältigen Angehörigen und ihren Lebensverhältnissen ergibt sich aus den detaillierten diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 21.03.2017 (Einvernahmeprotokoll S. 5-7), die der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2018 im Wesentlichen bestätigte (Verhandlungsprotokoll S. 3). In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer auch an, dass der Kontakt zu seinen Eltern aufrecht ist (Verhandlungsprotokoll S. 6).

Die Feststellung zum Aufenthalt der Geschwister des Beschwerdeführers im Iran ergibt sich aus dessen gleichbleibenden, plausiblen Angaben.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Die Feststellung zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen. Das Datum der Antragstellung ist aktenkundig und sind im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist wäre. Dies Feststellung, dass der Beschwerdeführer Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen hat, basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den vorgelegten Empfehlungsschreiben. Die Feststellung zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den vorgelegten diesbezüglichen Unterlagen (Lehrvertrag, Auszug aus dem Elektronischen Datensammelsystem einer Krankenkasse über die Anmeldung des Beschwerdeführers als Lehrling). Die Feststellung über den Besuch von Deutschkursen und einem Werte- und Orientierungskurs, sowie die vom Beschwerdeführer geleistete gemeinnützige Arbeit ergibt sich aus den vorgelegten Bestätigungen. Sein ernsthaftes Bemühen um Integration hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund seines bisherigen Lebenswandels in Österreich glaubwürdig vermitteln können.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Am Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei unmittelbar vor seiner Ausreise als Minderjähriger (etwa im Jahr 2010) einem Zwangsrekrutierungsversuch der Taliban ausgesetzt gewesen, ist zunächst auszuführen, dass dieses Bedrohungsszenario in der Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.08.2015 keine Erwähnung findet. Hier führt der Beschwerdeführer nur aus, er sei aus wirtschaftlichen Gründen und wegen des Krieges ausgereist. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat und dass die spätere Angabe des Beschwerdeführers, er sei einem Zwangsrekrutierungsversuch der Taliban ausgesetzt gewesen, auch als Konkretisierung der ersten Angabe, der Beschwerdeführer sei vor dem Krieg geflüchtet, verstanden werden könnte.

Allerdings sind die späteren Angaben des Beschwerdeführers zum vermeintlichen Zwangsrekrutierungsversuch höchst vage und detailarm, weil sich der Beschwerdeführer in seiner Befragung zu konkreten Vorfällen lediglich auf Allgemeinplätze zurückzieht und keine zusammenhängende Fluchterzählung zu schildern vermag. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl 21.03.2017 gibt der Beschwerdeführer lediglich an, eine Gruppe von Taliban sei mit einem Toyota Fahrzeug bei ihm Zuhause aufgetaucht und so etwas passiere mit jedem. Erst auf zahlreiche Nachfragen konkretisiert der Beschwerdeführer, es seien acht Personen gewesen, die ihn zur Teilnahme am heiligen Krieg aufgefordert hätten und seine Eltern hätten Bedenkzeit für ihn ausbedungen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.03.2018 gibt der Beschwerdeführer sodann an, er sei zwei Mal persönlich aufgefordert worden, sich den Taliban anzuschließen (Verhandlungsprotokoll S. 4). Sie seien einmal in seine Werkstatt gekommen und ein zweites Mal zu ihm nachhause.

Der Vorfall in der Werkstatt blieb allerdings in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde unerwähnt. Hier gibt der Beschwerdeführer zwar auch an, er habe wegen der Taliban aufgehört in der Werkstatt zu arbeiten, weil sie ihn wie alle Jugendlichen aufgefordert hätten, am Krieg teilzunehmen. Die konkrete und persönliche Aufforderung habe jedoch zuhause stattgefunden, als die Taliban mitbekommen hätten, dass er nun 16 Jahre alt sei (Einvernahmeprotokoll S. 8-9).

Zusätzlich nennt der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nur schlagwortartige Eckpunkte einer Fluchtgeschichte, ohne dass dabei ein detaillierter, lebendiger Ereignisablauf nachgezeichnet würde.

Insgesamt lässt sich damit auch eine Steigerung des Fluchtvorbringens von Befragung zu Befragung erkennen, weil der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zunächst angibt, er sei vor dem Krieg geflüchtet, während er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sodann einen Zwangsrekrutierungsvorfall nennt, um dann schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht von zwei Vorfällen zu berichten. Dass der Beschwerdeführer als unbedeutende Details die Automarke sowie das Vorfallsdatum nennt, erscheint unter Berücksichtigung der sonstigen Detailarmut damit als Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer versucht, sein Vorbringen durch die Anreicherung mit Details glaubhaft erscheinen zu lassen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei vor seiner Ausreise sowie im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat von Zwangsrekrutierung durch die Taliban betroffen, ist auch auszuführen, dass aus dem mündlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.07.2016 zur GZ W186 2008025-1 erstattetes Sachverständigengutachten von Dr. Sarajuddin RASULY hervor geht, dass Taliban die Hazara grundsätzlich nicht rekrutieren, weil diese nicht vertrauenswürdig und Schiiten seien. Insbesondere stünden auch die Hazara-Gebiete unter Kontrolle der Hazara-Führung, sie hätten dort bewaffnete Streitkräfte. Vor dem Hintergrund dieser länderkundlichen Expertise erscheint die Schilderung des Beschwerdeführers zu den Umständen, die seine Ausreise ausgelöst haben sollen, nicht plausibel. Dem steht auch die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 22.01.2019 zitierte Information, denen zufolge Hazara aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit von Zwangsrekrutierung betroffen sein können (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2018 [in der Folge: Länderinformationsblatt], Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.2. Hazara) nicht entgegen, weil hier lediglich allgemein berichtet wird, Hazara könnten von Zwangsrekrutierung betroffen sein. Von welchen Akteuren eine derartige Gefährdung unter welchen Umständen ausgehen kann, wird nicht näher spezifiziert. Im Gegensatz dazu befasst sich das zitierte mündliche Sachverständigengutachten mit der vom Beschwerdeführer geschilderten spezifischen Situation einer möglichen Zwangsrekrutierung von Hazara durch die Taliban und weist damit einen deutlich höheren Detailgrad auf.

Zusätzlich wird auch angemerkt, dass der Beschwerdeführer einerseits angibt, sich wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung vor den Taliban zu fürchten und andererseits behauptet, diese würden ihn Zwangsrekrutieren wollen. Dass die Taliban den Beschwerdeführer, obwohl sie Schiiten ablehnen, als Kämpfer in ihren Reihen aufnehmen wollen, erscheint allerdings nicht ohne weiteres plausibel. Diesbezüglich ist auch auf die oben zitierte Expertise des länderkundlichen Sachverständigen hinzuweisen, der seine Einschätzung, dass eine Zwangsrekrutierung von Hazara durch die Taliban nicht zu erwarten sei, auch damit begründet, dass diese Schiiten und daher nicht vertrauenswürdig seien.

Zu den vom Beschwerdeführer ins seiner Stellungnahme vom 22.01.2019 zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59 ff., insbesondere Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte [AGEs], S. 59-60) ist auszuführen, dass auch hier eine Auseinandersetzung mit der Problematik unter Berücksichtigung der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit nicht stattfindet, sondern lediglich allgemein berichtet wird, dass es zu Zwangsrekrutierungen durch regierungsfeindliche Kräfte kommen kann. Eine Auseinandersetzung mit der spezifischen Konstellation einer Zwangsrekrutierung von Hazara durch die Taliban unterbleibt dabei auch hier.

Daher folgt das Gericht der zitierten länderkundlichen Expertise des Sachverständigen, der zufolge es zu einer Zwangsrekrutierung von Hazara durch die Taliban nicht kommt insgesamt auch unter Berücksichtigung des bereits oben erläuterten Aussageverhaltens des Beschwerdeführers zu dem Schluss, dass die Angabe des Beschwerdeführers, er sei aufgrund eines Zwangsrekrutierungsversuches aus dem Herkunftsstaat ausgereist, nicht glaubhaft ist.

Mangels vergangener Betroffenheit und sonstiger Anhaltspunkte für eine derartige Gefährdung erscheint damit auch die Betroffenheit des Beschwerdeführers von Zwangsrekrutierung für den Fall der Rückkehr als nicht wahrscheinlich, lässt sich doch dem oben zitierten Berichtsmaterial nicht entnehmen, dass jeder Mann im wehrfähigen Alter gleichsam automatisch einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt ist. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch eine von anderen Gruppierungen als den Taliban ausgehende Zwangsrekrutierungsgefahr nicht vorgebracht.

Zum widerholten Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohe wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam bzw. wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara im Herkunftsstaat die Gefahr, Opfer von Übergriffen zu werden, ist zunächst auszuführen, dass die schiitische Religionszugehörigkeit dem Länderinformationsblatt zufolge wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählt (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Hazara) und bedingt durch diese untrennbare Verbundenheit oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden kann (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], S. 69-70; siehe auch EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2018 [in der Folge EASO-Country Guidance], Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 61). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame beweiswürdigende Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.

Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15.

Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Abschnitt Schiiten [S. 69 f.] und Unterkapitel

13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von derartigen Übergriffen wurde allerdings nicht substantiiert dargetan (zum auf Zwangsrekrutierung betroffenen Vorbringen siehe bereits oeben), während sich eine automatische Betroffenheit aller Hazara aus dem soeben zitierten Länderinformationsmaterial nicht ergibt. Daher wurde festgestellt, dass Übergriffe durch private oder staatliche Akteure gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zu erwarten sind.

Zur mit Stellungnahme vom 22.01.2019 vorgebrachten Gefahr, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland im Herkunftsstaat als verwestlicht wahrgenommen würde, ist auszuführen, dass das Länderinformationsblatt in seinem Kapitel 23. Rückkehr keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass es im Herkunftsstaat zu systematischen Übergriffen gegen Rückkehrer kommt. Die UNHCR-Richtlinien erwähnen zwar Fälle von Rückkehrern, die von Aufständischen bedroht, gefoltert und ermordet worden seien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Riskoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regirung und der internationalen Gemeinschaft einfschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Litera i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen [S. 52 f.]), belegen aber nicht, dass systematisch Übergriffe gegen Rückkehrer aus dem westlichen Ausland stattfinden. Die EASO-Country Guidance (Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceibed as "Westernised", S. 57) trifft lediglich die allgemeine Aussage, dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland Ziel aufständischer Gruppierungen werden können und verknüpft dieses Merkmal mit der Gefahr, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden. Systematische Übergriffe gegen Rückkehrer gehen allerdings auch aus dem EASO-Bericht nicht hervor. Insbesondere wird hier ausgeführt, dass Risiko für Männer, als "verwestlicht" wahrgenommen zu werden, sei minimal und von den spezifischen individuellen Umständen abhängig. Inwiefern eine konkrete Gefahr, dass sich eines der abstrakt geschilderten manche Rückkehrer treffenden Risiken gerade für den Beschwerdeführer aufgrund seiner spezifischen individuellen Umstände verwirklichen könnten, wurde allerdings nicht substantiiert dargetan und ist auch nicht ersichtlich.

Für eine Verfolgung aus anderen als den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründen haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben und sind auch keine Umstände amtsbekannt, dass in der Person des Beschwerdeführers vereinigte Merkmale im Herkunftsstaat Verfolgung nach sich zieht.

II.2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers basieren insbesondere auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.10. Ghazni. Ähnliches wird auch in der Country-Guidance von der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artivle 15 (c) QD, Buchstabe b. Indiscriminate violence, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Ghazni, S. 81), wo starke Präsenzen insbesondere der Taliban Erwähnung finden und insbesondere die Unsicherheit der Straßen betont wird. Unabhängig von der Sicherheitslage und Präsenz regierungsfeindlicher Kräfte im Herkunftsdorf ergibt sich damit, dass dessen sichere Erreichbarkeit in keinem Fall gewährleistet ist und eine Rückkehr für den Beschwerdeführer ohne die Gefahr, von Kampfhandlungen oder Übergriffen Aufständischer betroffen zu sein, nicht möglich ist. Daraus und aus den oben zitierten Berichten zur Herkunftsprovinz ergibt sich auch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Übergriffe durch Aufständische zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Herat und Balkh ergeben sich aus den jeweiligen Kapiteln zu den genannten Provinzen im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat). Auch die EASO-Country Guidance (Abschnitt Guidance note: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD: serious and individual threat to a civilian's life or person by reason of indiscriminate violence in situations of international or internal armed conflict, S. 23-24) Die Feststellung, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat unter Regierungskontrolle stehen, basieren darauf, dass von einer Eroberung durch Aufständische und dergleichen nicht berichtet wird.

Bedingt durch die relativ gute Sicherheitslage und die geringe Betroffenheit der Städte Mazar-e Sharif und Herat vom Konflikt im Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer dortigen Niederlassung die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Städte gelegentlich von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen sind, wie sich etwa den die jeweilige Provinz betreffenden Statistiken sicherheitsrelevanter Vorfälle im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat) sowie dem Einführungsabschnitt des Kapitels 3. Sicherheitslage im Länderinformationsblatt entnehmen lässt. Allerdings ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Spezifische Gründe für ein erhöhtes auf seine Person bezogenes Risiko hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Die Feststellung zum Zugang zu medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat ist dem Länderinformationsblatt entnommen (Kapitel 22. Medizinische Versorgung), demzufolge es in den letzten Jahren zu einer Zunahme der Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung gekommen ist, auch wenn Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung stark variieren und nicht alle Einwohner (uneingeschränkten) Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben. Die Behandelbarkeit leichter und saisonbedingter Krankheiten sowie medizinscher Notfälle in den öffentlichen Krankenhäusern größerer Städte ist allerdings gewährleistet (Kapitel 22. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 22.1. Krankenhäuser in Afghanistan). Nachdem der Beschwerdeführer an spezifischen Erkrankungen nicht leidet, erscheint seine medizinische Versorgung damit gewährleistet.

Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif und Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105) .

Zweifellos handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter ohne zusätzliche Verantwortung für andere Personen. Der Beschwerdeführer verfügt über im Iran erworbene Berufserfahrung und konnte dadurch, dass er in Österreich Bildungsangebote wahrgenommen hat und nunmehr im Rahmen eines Lehrvertrages einer Erwerbstätigkeit nachgeht seine Chancen auf Erwerbstätigkeit zweifellos signifikant verbessern, sodass er zumindest durch Gelegenheitsjobs und seine Teilnahme am informellen Arbeitsmarkt allenfalls nach einer anfänglichen Orientierungsphase sein Auskommen wird erwirtschaften können. Der Beschwerdeführer ist bis zu seiner Ausreise im Alter von etwa 16 Jahren im Herkunftsstaat aufgewachsen und hat daher für die Sozialisation prägende Jahre seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Außerdem spricht der Beschwerdeführer mit Dari eine der Landessprachen und wird sich im Rückkehrfall damit zweifellos im Herkunftsstaat verständigen können. Folglich ist er mit den im Herkunftsstaat herrschenden Traditionen und Gebräuchen vertraut und ein Bezug des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat nach wie vor aufrecht. Bedingt dadurch, dass seine Eltern und weitere Verwandte im Herkunftsstaat aufhältig sind, zu denen auch Kontakt besteht, verfügt der Beschwerdeführer auch über diese Angehörigen noch über soziale Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und kann im Rückkehrfall auf dieses soziale Netzwerk zurückgreifen. Insbesondere ist eine anfängliche Unterstützung des Beschwerdeführers allenfalls über die Provinzgrenzen hinweg durch seine Angehörigen bzw. durch Inanspruchnahme der angebotenen Reintegrationsmaßnahmen - bis der Beschwerdeführer sich eine selbstständige Existenzgrundlage wird aufbauen können - durchaus möglich. Hierbei ist anzumerken, dass es dem Beschwerdeführer auch freisteht, seine Rückkehr und Reintegration bereits von Österreich aus vorzubereiten, um auf diese Weise besser an den angebotenen Maßnahmen partizipieren zu können.

Zusätzlich ist allerdings anzumerken, dass den vorliegenden Länderinformationen zu entnehmen ist, dass junge, alleinstehende Männer ohne spezifische Vulnerabilität - was auch auf den Beschwerdeführer zutrifft - auch ohne Unterstützungsnetzwerk ihr Auslangen finden können (EASO Country-Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Unterkapitel Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 106-107). Diese Einschätzung wird auch von den UNHCR-Richtlinien bestätigt, denen zufolge alleinstehende leistungsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung darstellen (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, insbesondere S. 125).

Zur allgemeinen Versorgungslage im Herkunftsstaat ist zwar zu berücksichtigen, dass dieser - und insbesondere die Provinzen Herat und Balkh - von einer Dürre betroffen ist (UNHCR-Richtlinie, Kapitel

III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten, S. 126). Allerdings wird nicht von einer Hungersnot berichtet und ist dem vorliegenden Berichtsmaterial (Länderinformationsblatt, Kapitel

3. Sicherheitslage, insbesondere Unterkapitel 3.13. Herat und Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) auch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Unterkunft grundsätzlich nicht gewährleistet bzw. zusammengebrochen wäre, auch wenn sich aus den Informationen eine schwierige Situation insbesondere für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer ergibt (Länderinformationsblatt, 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge und Kapitel 23. Rückkehr). Auch dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Bericht von ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 07.12.2018 lässt sich derartiges nicht entnehmen, wobei das Bundesverwaltungsgericht auch hier einräumt, dass sich aus dem Bericht ergibt, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall mit Schwierigkeiten beim Wiederaufbau seiner Existenzgrundlage zu rechnen haben wird.

Dazu, dass der Beschwerdeführer aus Europa in den Herkunftsstaat zurückkehrt sowie zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, wird auf die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen zum Fluchtvorbringen verwiesen, denen zufolge eine spezifische Betroffenheit des Beschwerdeführers nicht dargetan wurde. Insgesamt sind besondere exzeptionelle Umstände, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer sich in der Herkunftsprovinz keine Lebensgrundlage wird aufbauen können, nicht ersichtlich. Eine spezifische Vulnerabilität oder konkrete Gefährdungsmomente hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargetan. Insbesondere gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Daher sind besondere exzeptionelle Umstände, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer sich in der Herkunftsprovinz keine Lebensgrundlage wird aufbauen können, nicht ersichtlich und davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall im ins Auge gefassten Neuansiedelungsgebiet ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr.

Zu den weiteren mit Stellungnahme vom 23.01.2019 in das Verfahren eingebrachten Länderberichten wird angemerkt, dass ein Bezug zur konkreten Rückkehrsituation des Beschwerdeführers in der Stellungnahme nicht hergestellt wird. Mangels konkreter, nachvollziehbarer Dartuung der Verfahrensrelevanz der allgemeinen Ausführungen unterbleibt eine weitere Auseinandersetzung.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ist für den Flüchtlingsbegriff der GFK entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

II.3.1.1. Zum Fluchtvorbringen einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban

Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er im Herkunftsstaat von Zwangsrekrutierung durch die Taliban betroffen war und auch nicht, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat von Zwangsrekrutierung betroffen wäre. Eine mögliche Verfolgung der Taliban wegen einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung, weil er die Mitarbeit abgelehnt hätte, konnte der Beschwerdeführer damit nicht glaubhaft machen.

II.3.1.2. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 mwN).

Der Beschwerdeführer konnte wie festgestellt seine Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara glaubhaft machen.

Der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048; VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0377; VwGH 20.04.2018, Ra 2018/18/0194 sowie jüngst VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0164).

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).

Da eine Gruppenverfolgung - in Hinblick auf die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit - von Hazara und Schiiten in Afghanistan wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt nicht gegeben ist und der Beschwerdeführer auch keine individuelle Bedrohung dargetan hat, lässt sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung nicht ableiten.

II.3.1.3. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen der "Rückkehrer"-Eigenschaft des Beschwerdeführers

Da es wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt im Herkunftsstaat nicht gleichsam systematisch zu Übergriffen gegen Personen kommt, die - wie es auch beim Beschwerdeführer der Fall wäre - aus dem westlichen Ausland bzw. dem Iran nach Afghanistan zurückkehren, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm Aufgrund seiner Eigenschaft als "Rückkehrer" automatisch Verfolgung droht. Eine konkrete und individuelle Betroffenheit des Beschwerdeführers von Übergriffen, wie sie gegen manche "Rückkehrer" vorkommen können, konnte dieser - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - nicht glaubhaft machen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen GFK-Gesichtspunkt die behauptete Verfolgungsgefahr allenfalls zu subsumieren wäre, erübrigt sich damit.

II.3.2. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG führt jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen waren, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH, 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher für die Gewährung von subsidiärem Schutz insbesondere auf den Maßstab des Art. 3 EMRK ab (vgl. etwa VwGH, 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der Judikatur des EuGH zur Statusrichtlinie ausgesprochen, dass § 8 Abs. 1 AsylG entgegen seinem Wortlaut in unionsrechtskonformer Interpretation einschränkend auszulegen ist. Danach ist subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

In seiner Entscheidung vom 21.11.2018, Ra 2018/01/0461 wiederholt der Verwaltungsgerichtshof, dass es der Statusrichtlinie widerspricht, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

Art. 6. Statusrichtlinie definiert als Akteur den Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (lit. b) und nichtstaatliche Akteure, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden iSd Art. 7 zu bieten (lit. c).

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 Statusrichtlinie die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Herkunftsstaat (lit. b) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (lit. c).

II.3.2.1. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsregion

Für die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr dorthin die Gefahr droht, im Zuge des im Herkunftsstaat herrschenden bewaffneten Konfliktes getötet, verletzt oder misshandelt zu werden. Daher droht ihm ein Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie durch einen innerstaatlichen iSd lit. c leg cit. und ihm wäre subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

II.3.2.2. Zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Antrage auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Der VwGH hält das Kriterium der Zumutbarkeit als getrennt zu prüfende Voraussetzung auch in seiner jüngsten Rechtsprechung weiterhin aufrecht (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Nachdem der Beschwerdeführer wie beweiswürdigend und rechtlich ausgeführt für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine ihn betreffende Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft machen konnte, ist diese auch für Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) - das als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet - zu verneinen.

Zur Frage, ob auch für Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) Bedingungen vorliegen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, ist auszuführen, dass die genannte Stadt den Feststellungen zufolge vom innerstaatlichen Konflikt in Afghanistan weit weniger intensiv betroffen ist, als die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers. Insbesondere steht die Stadt den Feststellungen zufolge unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Selbst wenn aufständische Gruppierungen prinzipiell auf Zivilpersonen auch in den größeren Städten zugreifen können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass gerade der Beschwerdeführer zufällig in einen solchen Vorfall verwickelt würde, nicht sehr hoch und ist ein spezifisches Risiko besonderer Auswirkungen auf den Beschwerdeführer nicht hervorgekommen.

Die zweite Voraussetzung für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative bildet nach der Judikatur des VwGH die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen (Vgl. abermals VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154 mwN). Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen, wäre die innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts in diesem Gebiet zu verneinen.

Das Kriterium der Zumutbarkeit ist in unionsrechtskonformer Auslegung gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, nämlich, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001).

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es nie zumutbar sein kann, dass ein Antragsteller eine Verletzung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte in Kauf nehmen muss. Folglich müssen Umstände, die im Fall einer Rückkehr im als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommenden Teil des Staatsgebietes zu einer Verletzung vor Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, die nach der nunmehrigen Judikatur des VwGH für eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz aber nicht in Betracht kommen (siehe dazu VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106), im Zuge der Prüfung der Zumutbarkeit Berücksichtigung finden.

Nach der auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bezugnehmenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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