TE Vfgh Erkenntnis 2019/2/26 E4076/2018 ua

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter und Erlassung von Rückkehrentscheidungen einer afghanischen Familie mangels Prüfung des besonderen Schutzbedarfs auf Grund der Religionszugehörigkeit zu den Sikhs, der einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ohne Unterstützungsnetzwerk entgegensteht

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Erkenntnisse werden insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.270,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan. Sie gehören der Volksgruppe der Paschtunen und der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Der Erstbeschwerdeführer (69 Jahre) ist Ehepartner der Zweitbeschwerdeführerin (64 Jahre). Sie sind Eltern des Drittbeschwerdeführers (28 Jahre), welcher Ehepartner der Viertbeschwerdeführerin (27 Jahre) ist. Der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin sind Eltern des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers (3 Jahre), welcher nach Einreise der Eltern im Bundesgebiet geboren worden ist. Die Erst-, Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer stellten am 3. Oktober 2015 und der Fünftbeschwerdeführer am 24. November 2015 Anträge auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheiden vom 11. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurden die Anträge auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß §46 FPG zulässig sei. Gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3.       Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 5. September 2018 als unbegründet ab. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass den Beschwerdeführern eine Rückkehr bzw Neuansiedlung in Kabul zumutbar sei und ihnen zudem innerstaatliche Fluchtalternativen in Mazar-e Sharif oder Herat offen stehen würden. Die Zweit- und Viertbeschwerdeführerinnen seien arbeitsfähige und gesunde Frauen; der Drittbeschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger, gesunder und junger Mann. Bei diesen Beschwerdeführern könne die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Der Erstbeschwerdeführer sei gesund und der Drittbeschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt sichern. Der minderjährige Fünftbeschwerdeführer sei bei der Rückkehr im Familienverband durch die Erwerbsfähigkeit des Drittbeschwerdeführers abgesichert. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer durch die in London und Belgien aufhältigen Familienangehörigen ausreichende Unterstützung erhalten würden.

4.       Gegen diese Entscheidungen richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten – insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) – behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht keine ausreichend aktuellen Länderberichte herangezogen und insbesondere die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 nicht berücksichtigt habe. Zudem finde das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts keine Deckung in den getroffenen Länderfeststellungen.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl haben die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift bzw Äußerung jedoch abgesehen.

II.      Erwägungen

Die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Beschwerden sind zulässig.

A. Soweit sich die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, die erlassenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan richten, sind sie auch begründet.

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1.    Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2.2.    Das Bundesverwaltungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass den Beschwerdeführern eine Rückkehr bzw Neuansiedlung in Kabul zumutbar sei sowie eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offen stehe. Es unterlässt allerdings jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern bei den Beschwerdeführern – vor dem Hintergrund ihrer Religionszugehörigkeit – von einem besonderen Schutzbedarf auszugehen ist, der einer Neuansiedlung in Kabul bzw einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat ohne Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk entgegensteht (s zur fehlenden Auseinandersetzung mit dem besonderen Schutzbedarf von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Sikh, VfGH 12.12.2018, E475/2018 ua; vgl auch VfGH 11.6.2018, E941/2018 ua).

2.2.1.  Aus den vom Bundesverwaltungsgericht zur Situation von Sikhs und Hindus herangezogenen Länderberichten geht Folgendes hervor:

"Schätzungen zufolge sind die Sikhs seit 500 Jahren in Afghanistan präsent. Bis 1992, als die Mujahedin die Oberhand gewannen, war die Sikh-Gemeinschaft innerhalb der afghanischen Gesellschaft gut gefestigt und die Anzahl ihrer Mitglieder zählte in den 1940er Jahren mehr als 25.000 Personen landesweit (AH 20.8.2014). In Jalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar, lebte im Jänner 2017 weiterhin eine bedeutende Anzahl an Sikhs (AJ 1.1.2017). Berichten zufolge siedelten sich Sikhs und Hindus hauptsächlich in Kabul sowie in den Provinzen Nangarhar, Ghazni, Helmand, Khost und Kunduz an (HO U.K. 2.2017). Jahrzehntelange Instabilität und Intoleranz haben Migrationsströme verstärkt, und dadurch ist die Gemeinschaft landesweit zurückgegangen (HO U.K 2.2017; vgl USCIRF 2017, AH 25.8.2016). Fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt ist laut Sikh-Führern der Hauptgrund für die Emigration. Sie berichten von einer verstärkten Emigration, nachdem sich die wirtschaftliche Lage für ihre Gemeinschaften verschlechtert habe und es zu erhöhten Sicherheitsbedenken gekommen sei (USDOS 15.8.2017). Die Gemeinschaft der Sikhs und Hindus in Afghanistan wird auf ca. 900 Mitglieder geschätzt (USDOS 20.4.2018).

Sikhs und Hindus sind Diskriminierungen ausgesetzt und berichten von ungleichem Zugang zu Regierungsposten und Belästigungen in Schulen sowie verbaler und physischer Misshandlung an öffentlichen Orten. Präsident Ashraf Ghani hat sich mit Sikhs und Hindus im September 2015 getroffen, um das Opferfest zu zelebrieren (HO U.K. 2.2017; vgl USDOS 15.8.2017). Quellen zufolge sind Hindus weniger gefährdet als Sikhs; der Grund dafür ist das Fehlen sichtbarer charakteristischer Merkmale (z.B. Kopfbedeckung) bei den Hindus (USDOS 15.8.2017).

Staatliche Diskriminierung gibt es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus/Sikhs schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig ist (AA 5.2018). Trotz gesellschaftlicher Diskriminierung bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Regierungsposten auf Gemeindeebene sowie an der afghanischen Handelskammer und im Oberhaus (CRS 13.12.2017; vgl USDOS 15.8.2017). Dieser Sitz ist zurzeit durch eine Frau der Sikh-Gemeinschaft, ******** ********, besetzt (AB 23.11.2017; vgl RFE/RL 30.12.2016).

Berichten zufolge schicken Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaften ihre Kinder aus Angst vor Schikane durch ihre Mitschüler nicht in staatliche Schulen. In der Vergangenheit haben sie ihre Kinder in private Hindu und Sikh-Schulen geschickt, jedoch sind heutzutage viele davon geschlossen. Grund dafür ist der Rückgang beider Gemeinschaften und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen für deren Mitglieder. In Kabul befindet sich eine staatlich finanzierte Schule für Sikh-Kinder. Die Regierung hat Schulen in den Provinzen Helmand und Ghazni geschlossen, nachdem die Zahl der Anmeldungen zurückgegangen war. Die Regierung stellt proportional weiterhin dieselben finanziellen Mittel für Lehrergehälter, Schulbücher und Schulerhalt zur Verfügung wie auch bei anderen Schulen. Das Bildungsministerium (MoE) stellt den Bildungsplan für die Sikh-Schule zusammen – ausgenommen davon ist der Religionsunterricht. Die Gemeinschaft bestellt einen Lehrer für den Religionsunterricht, der vom Bildungsministerium bezahlt wird. Eine privat finanzierte Sikh-Schule in Jalalabad wird von einer NGO, dem schwedischen Komitee für Afghanistan, unterstützt. Einige Sikh-Kinder besuchen internationale Privatschulen. An der medizinischen Universität in Kabul studiert ein Sikh. Da Hindus keine eigenen Schulen haben, gehen ihre Kinder in Sikh-Schulen (USDOS 15.8.2017).

Nichtmuslim/innen wie z. B. Sikhs, Hindu und Christen waren Belästigung ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt (AJ 1.1.2017). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Hindus und Sikhs verlautbarten, es sei ihnen weiterhin möglich, ihre Religion öffentlich zu praktizieren; dennoch leiden sie unter gesellschaftlicher Diskriminierung (USDOS 15.8.2017; vgl USCIRF 2017, CRS 13.12.2017). Es gibt drei aktive gurdwaras (Gebetsstätte für Sikhs) und fünf Hindu-mandirs (Tempel). Buddhistischen Ausländern ist es erlaubt, in hinduistischen Tempeln zu beten (CRS 13.12.2017)."

2.2.2.  Bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer Ansiedelung im Gebiet der genannten Städte Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat geht das Bundesverwaltungsgericht nicht auf diese Länderberichte ein (s zur gebotenen Auseinandersetzung mit den getroffenen Feststellungen zB VfGH 11.6.2018, E1815/2018; 11.6.2018, E4469/2017 ua mwN). Vielmehr hält es entgegen den selbst getroffenen Länderfeststellungen für den Erst- und Drittbeschwerdeführer fest, dass diese keinem Personenkreis angehören würden, "von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann."

2.2.3.  Die Religionsgemeinschaft der Sikh ist laut den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen in Afghanistan gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt sei der Hauptgrund, weshalb sich Sikhs gezwungen sehen, Afghanistan zu verlassen. Laut UNHCR seien jene, die zurückblieben, umso gefährdeter, von der Polizei oder extremistischen Gruppen misshandelt zu werden (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, 70 f.). Vor diesem Hintergrund hätte das Bundesverwaltungsgericht prüfen müssen, inwiefern die Beschwerdeführer auf Unterstützung durch soziale Netzwerke im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet zurückgreifen können (vgl VfGH 12.12.2018, E475/2018 ua; 11.6.2018, E941/2018 ua; 22.9.2017, E240/2017; 23.2.2017, E1197/2016). Das Bundesverwaltungsgericht verweist jedoch lediglich auf die in London und Belgien aufhältigen Familienangehörigen, von denen ausreichende Unterstützung zu erwarten sei.

2.3.    Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich daher im Hinblick auf die Beurteilung einer den Beschwerdeführern im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art2 und 3 EMRK als nicht ausreichend nachvollziehbar. Soweit sie sich auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise bezieht, ist sie somit mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.

B. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerden gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richten – wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerden, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richten, abzusehen.

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtenen Erkenntnisse, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, gegen die erlassenen Rückkehrentscheidungen und die Aussprüche der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidungen sind daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die gegen gleichartige Entscheidungen gerichteten Beschwerden im Zuge einer gemeinsamen Rechtsvertretung eingebracht wurden, ist insgesamt nur der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag von 25 vH des Pauschalsatzes, zuzusprechen (zB VfSlg 17.317/2004, 17.482/2005, 19.404/2011, 19.709/2012). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 545,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Rückkehrentscheidung, Entscheidungsbegründung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Religionsfreiheit, Kinder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E4076.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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