RS Vfgh 2019/2/26 E4766/2018

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich eines irakischen Staatsangehörigen; widersprüchliche und mangelhafte Auseinandersetzung mit der Rückkehrmöglichkeit in die Herkunftsregion bzw in andere als sicher erachtete Regionen sowie mit der Möglichkeit, dorthin zu gelangen

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) trifft pauschale Aussagen zum Bestehen von Fluchtalternativen, die sich vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis selbst dargestellten Berichtslage und widersprüchlichen Feststellungen als unzureichend erweisen, weil sie Feststellungen vermissen lassen, ob dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in jene Region, aus der er stammt, möglich ist bzw ob eine konkrete innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die ihm eine Einreise und einen Aufenthalt in einer Weise, die den Anforderungen des Art3 EMRK Rechnung trägt, ermöglicht.

Eine Auseinandersetzung mit der Sicherheits- und Versorgungslage in der als Fluchtalternative genannten Provinz Diyala und der Situation, in der sich der Beschwerdeführer dort wiederfinden würde, lässt das Erkenntnis vermissen. Eine solche wäre jedoch angezeigt, zumal zuvor im Rahmen der Feststellungen festgehalten wird, dass Diyala "weiterhin eine der instabilsten Provinzen" im Irak ist. Mit den Möglichkeiten des Beschwerdeführers, in diese Provinz zu gelangen, setzt sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auseinander. Vielmehr stellt es im Widerspruch zur zuvor getroffenen Feststellung, wonach eine "Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion [...] aktuell nur auf dem Landweg möglich" sei, darauf ab, dass der Beschwerdeführer "problemlos" über den Luftweg nach Erbil gelangen könne.

Die Erwägungen zur Möglichkeit der Rückkehr in den Heimatbezirk des Beschwerdeführers, die Provinz Babel, erschöpfen sich im Verweis auf den dort befindlichen landwirtschaftlichen Besitz der Familie. Erwägungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in diesem Gebiet und der Situation, in der sich der Beschwerdeführer in der Herkunftsprovinz konkret wiederfinden würde, fehlen. Im Gegensatz dazu stellt das BVwG vielmehr fest, dass es aktuellen Reisewarnungen zufolge in dieser Provinz "besonders gefährlich" sei.

Zur Fluchtalternative Bagdad beschränken sich die Ausführungen des BVwG auf den schlichten Hinweis, es stünde dem Beschwerdeführer frei, sich in den sunnitisch besiedelten Stadtteilen Bagdads niederzulassen. Eine nähere Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen, die eine Person wie der Beschwerdeführer dort vorfinden würde, lässt das Erkenntnis vermissen. Dies obwohl in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses die Tatsache Erwähnung findet, dass es für eine Niederlassungsbewilligung, von der auch die Möglichkeit Arbeit zu finden abhängig ist, notwendig sein kann, einen Bürgen vorzuweisen.

Dadurch, dass es das BVwG unterlassen hat, sich widerspruchsfrei mit der aktuellen Lage in den genannten Regionen auseinanderzusetzen und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, hat das BVwG Willkür geübt.

Aus diesem Grund auch: Aufhebung auch der Zulässigerklärung der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Im Übrigen: Ablehnung der Behandlung der Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Fremdenrecht, Rückkehrentscheidung, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E4766.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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