Entscheidungsdatum
19.12.2018Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I417 2128297-2/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2018, Zl. 1048105705-171190492, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen Folgendes vor: "Die Sekte Boko Haram hat meine Mutter und meine Frau, sowie meinen kleinen Sohn umgebracht. Meine Frau war bei dem Bombenanschlag schwanger. Jetzt sind sie hinter mir her, weil sie befürchten, dass ich mich bei ihnen rächen werde."
2. Am 12.02.2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zuerst gab der Beschwerdeführer an, dass bei der Erstbefragung ein falscher Name und ein falsches Geburtsdatum aufgenommen worden seien. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass es am Vormittag des 20. Mai 2014 zu einem Anschlag auf dem Markt in XXXX gekommen sei. Am Abend hätten ihn Leute vom Markt angerufen und ihm erzählt, was am Markt passiert sei. Er sei daraufhin sofort zum Markt gefahren. Als er dort angekommen sei, seien einige Leute schon weggebracht worden. Er habe dort gesehen, was wirklich passiert sei. Es sei schrecklich gewesen, er habe Blut gesehen. Es seien Körperteile von Menschen herumgelegen. Wenn man so etwas sehe, laufe man einfach davon und rundherum sei alles egal. Er glaube, es seien zwei Bomben explodiert. Eine Frau am Marktplatz habe ihm erzählt, dass seine Mutter und seine Frau am Markt gewesen seien. Er sei dann nach Hause gefahren, zu Hause habe er jedoch nicht bleiben können, da er Angst gehabt habe, dass er auch angegriffen würde. Er sei dann in ein Kino gegangen und habe dort geschlafen. Er sei zwei bis drei Tage dort geblieben, dann sei das Kino auch angegriffen worden. Es seien die gleichen Leute gewesen, die auch den Marktplatz angegriffen haben. Erst später habe er erfahren, dass es sich dabei um Boko Haram gehandelt habe. Er habe sich gedacht die Leute seien jetzt hinter ihm her. Nach dem Anschlag aufs Kino sei er weggelaufen und zu einer katholischen Kirche gegangen. Dort traf er einen Priester, dieser sei ein weißer Mann gewesen. Er habe ihm die Geschichte erzählt und der Priester habe ihn daraufhin angeboten, er könne bleiben und er werde ihm helfen. Zwei Monate sei er in der Kirche geblieben. Der Priester habe alles arrangiert. Ein anderer weißer Mann sei gekommen und ihm wurde gesagt, er würde ihn irgendwo hin bringen. Er sei mit einem Auto zu einem Schiff gebracht worden. Er habe sich auf dem Schiff in einem Container verstecken müssen. Der weiße Mann habe ihm dann gesagt, er müsse den Container verlassen und er sei in einen LKW umgestiegen. Der LKW sei eine Weile gefahren, dann sei er in ein Haus gebracht worden, wo er sich waschen konnte. Am nächsten Tag sei er dann in einen PKW gestiegen und dann sei er irgendwo ausgestiegen und ihm sei mitgeteilt worden, dass es hier sicher sei. Auf die Frage, ob er nicht in eine andere Stadt in Nigeria ziehen könnte, meinte der Beschwerdeführer, dass er nirgends sicher sei.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2016, Zl. 1048105705-140283717, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Ziff. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. (Spruchpunkt III.)
4. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2017, Zl. I417 2128297-1/12E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.11.2016 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
5. Am 19.10.2017 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen aus, dass er zuckerkrank sei und Leberprobleme habe. Die medizinische Versorgung in Nigeria würde für die Behandlung seiner Krankheit nicht ausreichen.
6. Am 07.11.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt nach neuen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor: "Aufgrund meiner gesundheitlichen Probleme habe ich einen zweiten Asylantrag gestellt. Der Arzt hat auch gesagt, dass ich Probleme mit der Leber habe. Ich habe kein Geld und kann mir daher die medizinische Behandlung in Nigeria nicht leisten. Ich werde daher, sollte ich nach Nigeria zurückkehren, sterben. Außerdem habe ich eine Behinderung an meinen Füßen und trage medizinisch verordnete Schuhe."
7. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 07.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.
8. Am 28.12.2017 und wurde der Beschwerdeführer erneut von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
9. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.02.2018, Zl. 1048105705-171190492, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten vom 19.10.2017 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Mit Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
10. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 03.04.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und machte darin inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensfehlern geltend.
11. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden von der belangten Behörde am 03.04.2018 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 08.04.2018) vorgelegt.
12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2018, I417 2128297-2/5E, wurde die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und das Einreiseverbot ersatzlos behoben (Spruchpunkt I.). Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.).
13. Gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses erhob die belangte Behörde Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
14. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.09.2018, Ra 2018/20/0349-12, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.
Der Beschwerdeführer ist mittellos.
2. Beweiswürdigung:
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nach dem ersten Asylverfahren nicht nachgekommen ist, ergibt sich aufgrund der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (F: Haben Sie seit der ersten Antragstellung Österreich verlassen. A: Nein.) und durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.
Der Beschwerdeführer lebt in einer von der Gemeinde XXXX zur Verfügung gestellten Unterkunft und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Bislang ist der Beschwerdeführer keiner Beschäftigung nachgegangen und vermag er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen. Die daraus resultierende individuelle Lage des Beschwerdeführers lässt nicht darauf schließen, dass er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in absehbarer Zeit legalisieren und allenfalls seine Mittellosigkeit durch Aufnahme einer legalen Beschäftigung in eine Selbsterhaltungsfähigkeit wandeln könnte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:
"Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
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1.-wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2.-wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3.-wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.-wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5.-wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.-den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7.-bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8.-eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9.-an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat."
A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Zum befristeten Einreiseverbot (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):
Der Verwaltungsgerichthof hat festgehalten, dass es sich bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung einerseits und einem Einreiseverbot andererseits um trennbare Spruchbestandsteile handelt (vgl. VwGH vom 15.05.2012, Zl. 2012/18/0029). Die Rückkehrentscheidung ist bereits mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2018 in Rechtskraft erwachsen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die alleinige Behandlung der Erlassung eines Einreiseverbotes als zulässig (VwGH 22.5.2013, 2011/18/0259).
Erst jüngst hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass [...] bei Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht (vgl. zum Erfordernis einer Einzelfallprüfung aus der ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310, 30.7.2014, 2013/22/0281) (vgl. VwGH, vom 24.05.2018, Ra 2017/19/0311, RZ 12).
Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und sohin der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei. Sie begründete dies mit seiner Mittellosigkeit und seiner nicht nachgekommenen Ausreiseverpflichtung.
Weiters wurde von der belangten Behörde argumentiert, dass der gegenständliche Fall in den Anwendungsbereich des Artikels 11 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) falle, welcher die verpflichtende Verbindung einer Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot vorsehe, soweit keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Daraus würde sich in Kombination mit Artikel 7 Abs. 4 der Rückführungsrichtlinie ergeben, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliege.
Aus der Formulierung des § 53 Abs. 2 FPG ergibt sich, dass die dortige Aufzählung nicht als taxativ, sondern als demonstrativ bzw. enumerativ zu sehen ist ("Dies ist insbesondere dann anzunehmen, ..."), weshalb die belangte Behörde in mit den in Z 1 - 9 leg. cit expressis verbis nicht genannten Fällen, welche jedoch in ihrer Interessenslage mit diesen vergleichbar sind, ebenso ein Einreisverbot erlassen kann. Die belangte Behörde hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer, nachdem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.03.2017 über seinen ersten unbegründeten Asylantrag in Rechtskraft erwachsen ist, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und begründet daher zu Recht die vom Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit damit, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht bereit sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten.
Weiters ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer ohne Einkommen und Beschäftigung ist; er lebt in einer von der Gemeinde St. Gilgen zur Verfügung gestellten Unterkunft und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und er vermag folglich auch nicht den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen. Die individuelle Lage des Beschwerdeführers lässt nicht darauf schließen, dass er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in absehbarer Zeit legalisieren und allenfalls seine Mittellosigkeit durch Aufnahme einer legalen Beschäftigung in eine Selbsterhaltungsfähigkeit wandeln könnte.
Zur Dauer des Einreiseverbotes wird festgehalten, dass die belangte Behörde nicht einmal die Hälfte der gesetzlich zulässigen Dauer des § 53 Abs. 2 FPG verhängt hat. Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Wie bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2018 festgestellt wurde, verfügt der Beschwerdeführer über kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich bzw. machte er ein solches auch nicht für die anderen Mitgliedsstaaten geltend.
Zusammenfassend ist sohin das Einreiseverbot von der belangten Behörde zu Recht erlassen und die gewählte Dauer von zwei Jahren als angemessen angesetzt worden. Sohin war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ausreiseverpflichtung, Einreiseverbot, Einzelfallprüfung, GefährdungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I417.2128297.2.01Zuletzt aktualisiert am
02.05.2019