TE Bvwg Beschluss 2019/1/30 L518 1409715-5

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §37
AVG §66 Abs2
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

1.) L518 2100021-3/5E

2.) L518 1409713-5/5E

3.) L518 1409715-5/5E

4.) L518 2113820-3/5E

BESCHLUSS

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. derzeit ungeklärt, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Aserbaidschan, vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Aserbaidschan, vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Aserbaidschan, vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch Strohmayer Heihs Strohmayer Schlor Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,

Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Familienangehörige. Die verheirateten bP 1 und 2 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich erstmalig 2008 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz für sich und den minderjährigen, miteingereisten Sohn, die bP 3 ein.

Die ersten Anträge der bP 1 bis bP 3 auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abgewiesen. Da die bP nach Beschwerdeerhebung an den Asylgerichtshof freiwillig im Jahr 2009 aus Österreich ausreisten, wurden die Beschwerden vom Asylgerichtshof als gegenstandslos abgelegt und erwuchsen die erstinstanzlichen Bescheide in Rechtskraft.

I.2. Am 08.01.2014 stellten die bP 1-3 ihre zweiten Anträge auf internationalen Schutz. Zwischenzeitlich wurde die bP 4 in Österreich geboren und wurde auch für sie ein Antrag gestellt. Die zweiten Anträge der bP wurden von der belangten Behörde ebenfalls gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Aserbaidschan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtkraft der Rückkehrentscheidung.

Die bB begründete ihre Entscheidung mit dem Umstand, dass sich kein asylrelevanter Sachverhalt ergab, die bP, insbesondere bP1 sowohl aserbaidschanischer als auch israelischer Staatsangehöriger sei und eine Rückkehrentscheidung keine Verletzung von Art. 8 EMRK darstelle. Ebenso kam kein unter § 57 AsylG subsumierbarer Sachverhalt hervor. Die Frist für die freiwillige Ausreise ergebe sich ex lege und liege kein Grund für das Abgehen von dieser Frist vor.

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Beschluss des BVwG vom 30.06.2015 als verspätet zurückgewiesen.

I.3. Am 04.12.2017 stellten die bP gegenständliche, weitere Anträge auf internationalen Schutz.

Wiederum wurde von der bP 1 ausgeführt, dass sie einen aserbaidschanischen Vater und eine jüdische Mutter habe. Daher habe sie die israelische Staatsangehörigkeit. Da die Ehegattin und Kinder Aserbaidschaner wären, könnte die Familie nicht in Israel leben. Die bP 1 könne aber nicht nach Aserbaidschan.

I.4. Die Anträge der bP 1, 2, 3 und 4 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde ("bB") vom 29.06.2018 gemäß § 68 AVG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 68 AVG wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Aserbaidschan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Festgehalten wurde, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkte III-VI).

I.5. Gegen die genannten Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, insbesondere Erhebungen zur Staatsangehörigkeit der bP 1 nicht ordnungsgemäß durchgeführt und kein Parteiengehör zu einer Anfragebeantwortung betreffend Doppelstaatsangehörigkeit gewährt, weshalb der maßgebliche Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung

Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Bis zum 31.12.2013 war es dem Asylgerichtshof und davor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs 2 AVG möglich, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschien. Abs 3 leg cit legte fest, dass der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen konnte, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden war.

Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im zuletzt genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte auch berücksichtigt werden muss, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Qualität des Asylverfahrens einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt. Es kommt dem Unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art 129c Abs 1 B-VG) zu. Diese wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, da es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen.

Im bereits zitierten Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, sowie im Erkenntnis vom 22.12.2002, 2000/20/0236, weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass - auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens - eine ernsthaft Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden solle. Ein Vorgehen gemäß § 66 Abs 2 AVG ermöglicht es daher, dem Abbau einer echten Zweiinstanzlichkeit des Verfahrens und der Aushöhlung der Funktion des unabhängigen Bundesasylsenates als Kontrollinstanz entgegenzuwirken.

Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3.2. Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:

3.2.1. Im Rahmen Feststellungen zur Person der bP 1 wurde in gegenständlicher Entscheidung festgehalten, dass sie israelischer Staatsangehöriger sei. Lediglich in der Adresszeile scheint als Staatsangehörigkeit "Israel auch Aserbaidschan" auf. Im ersten Bescheid vom 09.01.2009 wurde die Staatsangehörigkeit der bP 1 noch mit Aserbaidschan festgestellt, während im zweiten Bescheid vom 22.12.2014 nachvollziehbar anhand von Recherchen dargelegt wurde, dass die bP sowohl die aserbaidschanische als auch die israelische Staatsangehörigkeit innehat und es ihr damit jedenfalls möglich wäre, in Aserbaidschan zu leben. Im Zusammenhang mit dem Familienverfahren wurde die Abschiebung der bP 1 wie auch die anderen bP im Hinblick auf Aserbaidschan geprüft.

Im nunmehrigen Verfahren hat die bB zwar eine Anfrage bei der Staatendokumentation betreffend Doppelstaatsbürgerschaft Israel - Aserbaidschan und Konsequenzen daraus eingeholt, diese wurde der bP 1 aber weder vorgehalten, noch im gegenständlich bekämpften Bescheid widergegeben. Anzumerken ist, dass sich daraus nunmehr ein anderes Bild ergäbe als noch aus der ehemaligen Recherche im zweiten Asylverfahren. Weder die Anfragebeantwortung, noch generell die Umstände, auf welche die bB die nunmehrige Feststellung der Staatsangehörigkeit als "israelisch" und dann die davon abweichende Abschiebung nach Aserbaidschan gründet, werden im Bescheid erörtert. Am Rande sei angemerkt, dass für das BVwG nicht abschließend ausgeschlossen ist, dass die bP 1 nach wie vor eine Doppelstaatsangehörigkeit hat und auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die bP 1 nach Aserbaidschan, etwa als Land des letzten Aufenthalts oder Herkunftsstaat abgeschoben werden kann. Vorweg ist jedoch die Staatsangehörigkeit der bP 1 zu klären und kann jedenfalls nicht von einem § 68 AVG unterliegenden Sachverhalt ausgegangen werden, wenn die Behörde nunmehr von einer anderen Konstellation in Zusammenhang mit Staatsangehörigkeit und Herkunftsstaat ausgeht.

3.2.2. Die belangte Behörde wird daher die Anfragebeantwortung vom 08.02.2018 mit der bP 1 zu erörtern und etwa auch zu ergänzen haben. Jedenfalls werden konkrete Ermittlungen zu Herkunftsland und Staatsangehörigkeit / en der bP 1 zu tätigen und diese dann entsprechend zu würdigen sein. Erst dann kann zudem darüber entschieden werden, ob ein unter § 68 AVG zu subsumierender Sachverhalt vorliegt.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Es ist in erster Linie die Aufgabe der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern.

Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes samt den damit vorgelegten Unterlagen nunmehr Teil des von der belangten Behörde zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird. Dies vor dem Hintergrund, dass in den Akten keinerlei Anhaltspunkte auf entsprechende Anträge auf Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu finden sind, wie dies in der Beschwerde - unter nicht nachvollziehbarer Interpretation der Rechtslage - angeführt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Doppelstaatsbürger,
Ermittlungspflicht, Folgeantrag, Herkunftsstaat, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Staatsangehörigkeit, subsidiärer Schutz,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L518.1409715.5.00

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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