TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/5 VGW-101/056/9526/2017

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Veröffentlicht am 05.11.2018
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Entscheidungsdatum

05.11.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
27/01 Rechtsanwälte

Norm

AVG §8
RAO §23 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Zeller über die Beschwerde der A. ZT GmbH, vertreten durch Rechtsanwalts-GmbH, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien Plenum vom 28.03.2017, GZ …, mit welchem die an RA Mag. B. C. gerichtete Weisung der Rechtsanwaltskammer Wien, vom 20.02.2017, zu selbiger Zahl erhobene Vorstellung zurückgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die von der Beschwerdeführerin gegen die an Rechtsanwalt Mag. B. C. gerichtete Weisung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 20.02.2017, GZ …, erhobene Vorstellung zurückgewiesen.

Begründend wird ausgeführt, dass die Rechtsanwaltskammer Wien Rechtsanwalt Mag. B. C. mit Bescheid vom 20.02.2017 angewiesen hatte, den bei ihm eingehenden Betrag von € 523.779,54 gemäß § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen und als Erlagsgegner die Beschwerdeführerin und auch E. Rechtsanwälte GmbH anzuführen. Die sich dagegen wendende Vorstellung der Beschwerdeführerin sei unzulässig. Adressat der gegenständlichen Weisung sei ausschließlich Rechtsanwalt Mag. B. C. als Mitglied der Rechtsanwaltskammer Wien und daher sei nur dieser unmittelbarer Bescheidadressat und unmittelbar rechtsmittelberechtigt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wird eingewendet, dass die Beschwerdeführerin in ihren subjektiven Rechten auf Parteistellung verletzt sei. Es bestünde Parteistellung, da sie vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sei. Unter Rechtsanspruch verstehe der Gesetzgeber den ausdrücklich eingeräumten Anspruch auf eine bestimmte behördliche Tätigkeit, unter rechtlichem Interesse ein von der Rechtsordnung als schutzwürdig anerkanntes Interesse einer Person. Zur Klärung der gegenständlichen Frage sei primär auf die gesetzgeberische Wertung im Materiengesetz abzustellen. Als Parteien würden alle Personen gelten, deren rechtliche Stellung durch das Ergebnis des Verfahrens tangiert werden könne, deren Rechtsstellung also von diesem Verfahren abhängig sei. Abzustellen sei auf die mögliche unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre einer Person.

Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer könne Weisungen erteilen, um die Einhaltung der in der RAO und des Disziplinarstatuts vorgeschriebenen Rechte und Pflichten eines Rechtsanwaltes zu gewährleisten. Durch den gerichtlichen Vergleich besitze die Beschwerdeführerin bereits rechtlich geschützte Interessen am Erlagsgegenstand und werde daher durch die Weisung in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt. Die Weisung, der Forderung der Beschwerdeführerin nicht zu entsprechen, sondern die betreffende Summe gerichtlich zu hinterlegen, stelle demnach einen Eingriff in deren subjektives Recht auf Verfügung über die Forderung dar. Zudem stünde auch ein allfälliger Kostenersatzanspruch rechtlich immer der Partei zu, sodass bereits aus diesem Umstand subjektive Rechte der Beschwerdeführerin betroffen seien. Die Verfügung über das gerichtlich hinterlegte Geld sei nämlich erst nach erfolgter Einigung der Erlagsgegner möglich.

2.) Aus dem vorliegenden Akteninhalt geht folgender Sachverhalt hervor:

Mit Schreiben vom 08.02.2017 ersuchte Rechtsanwalt Mag. B. C. den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien um eine Weisung, ob er in Hinblick auf einen am 02.02.2017 abgeschlossenen Vergleich den dort angeführten, auf das Anderkonto der D. & C. Rechtsanwälte GmbH zu überweisenden Betrag gerichtlich zu erlegen habe oder zur Überweisung an seine Mandantin (die gegenständliche Beschwerdeführerin) zur Überweisung bringen könne.

Dem vorausgegangen waren Streitigkeiten über die Höhe des Honorars zwischen der Beschwerdeführerin und derer vormaligen Rechtsvertretung, nämlich der E. Rechtsanwälte GmbH, betreffend ein Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (konkret: das Honorar der Rechtsvertretung im Rahmen eines Vergleichsabschlusses zwischen der Beschwerdeführerin und einem ihrer Vertragspartner in einem zivilrechtlichen Verfahren).

In der Folge erteilte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung VII, dem Rechtsanwalt Mag. B. C. mit Schreiben vom 20.02.2017 die Weisung, den bei ihm eingehenden Betrag von € 523.779,54 gemäß § 1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen und als Erlagsgegner die Beschwerdeführerin und auch E. Rechtsanwälte GmbH anzuführen.

Mit Schreiben vom 02.03.2017 teilte Rechtsanwalt Mag. B. C. dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien mit, dass der angeführte Betrag am 28.02.2017 auf seinem Kanzleianderkonto eingelangt sei.

3.) in der Sache fand vor dem Verwaltungsgericht Wien am 06.12.2017 eine öffentliche Verhandlung statt, zu welcher ein Vertreter der belangten Behörde sowie der Vertreter der Beschwerdeführerin erschienen und folgende Angaben machten:

Der Vertreter der belangten Behörde gibt Folgendes zu Protokoll:

In Ergänzung zu der Begründung des angefochtenen Bescheides bringe ich vor, dass die Beschwerde auch deswegen abzuweisen ist, da die Möglichkeit einer Vorstellung gegen eine Weisung der Rechtsanwaltskammer in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Selbstverwaltung der Kammer eingreifen würde.

Darüber hinaus ist eine Benachteiligung, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, nicht mehr gegeben. Die Parteien haben sich mittlerweile in allen Punkten geeinigt. Das heißt, es haben sich die Beschwerdeführerin und Dr. F. E. geeinigt und es besteht nunmehr keine Beschwer der Beschwerdeführerin.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gibt Folgendes zu Protokoll:

Ich verweise auf die Ausführungen in der Beschwerde. Neben dem Verständnis, dass für mich ein Eingriff in das Recht auf Selbstverwaltung schon deswegen nicht vorliegt, da eine gerichtliche Kontrolle verfassungsrechtlich vorgesehen ist, verweise ich insbesondere auf die Ausführungen betreffend §§ 19, 19a RAO, wie in der Vorstellung und in der Beschwerde vorgebracht.

Darüber hinaus ist es jedenfalls relevant, wenn ca. 523.000 Euro vorenthalten werden. Dies betrifft jedenfalls subjektiv öffentliche Rechte und die Vorenthaltung, ungeachtet deren Dauer ist relevant. Soweit ich weiß, ist der Zeitpunkt des Geldtransfers an meine Mandantin und Beendigung des Streits zwischen ihr und Dr. E. noch nicht so lange her.

Dazu der Vertreter der belangten Behörde:

Der Schutzzweck des § 23 Abs 2 RAO liegt insbesondere darin, Ehre und Ansehen des Berufsstandes zu wahren und die Berufspflichten zu erfüllen. Im konkreten Fall erging daher die Anfrage des Dr. C. vollkommen zu Recht. Er hat dies gemacht, da sowohl Fragen der Ehre und des Ansehens als auch seine Berufspflichten (Treuepflicht) auf dem Spiel standen.

Dazu der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin:

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin führt aus, dass innerhalb der RAO zentrale Bestimmungen betreffend Durchsetzung der Kostenrechte des Rechtsanwaltes gegenüber seinem Mandanten §§ 19, 19a RAO darstellen.

Ferner weise ich darauf hin, dass „Weisung“ selbst nicht im § 23 Abs 2 RAO normiert ist, auch wenn der Terminus gebräuchlich ist.

Zum einen möchte ich ferner darauf hinweisen, dass es im gegenständlichen Fall konkret um Widersprüche zwischen Loyalität gegenüber dem Mandanten und Kollegialität geht. Es hätte Dr. C. diese Frage für sich selbst lösen müssen und liegt kein Fall vor, dass er eine Weisungsanfrage hat stellen können. Aufgrund der vorliegenden Vereinbarungen in der zivilrechtlichen Streitigkeit war klar, dass er das Geld der Beschwerdeführerin hätte überweisen müssen.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass das Pfandrecht nach § 19a RAO dem Spezialitätsprinzip und dem Publizitätsprinzip des Sachenrechts unterliegt. Aufgrund dessen hätte es hier im zugrunde liegenden Fall schon gar kein Pfandrecht gegeben. Eine Hinterlegung, wie angewiesen, wäre aber nur dann möglich gewesen. Darüber hinaus ist eine Hinterlegung nach § 19 RAO nur dann möglich, wenn es um eigene Forderungen des Dr. C. gegangen wäre.

Der Vertreter der belangten Behörde bringt weiters vor:

Ich verweise auf das bisherige Vorbringen.

Es geht insbesondere nicht um Fragen von materieller rechtlichen Ansprüchen, sondern gegenständlich war zu beurteilen, wie sich ein Rechtsanwalt als Kammermitglied zu verhalten hat, wenn widerstreitende Ansprüche vorliegen. Für ihn hat sich zu Recht die Frage gestellt, wie er sich als Rechtsanwalt unter Wahrung standesrechtlicher Pflichten zu verhalten hat. Bei den konkret vorgelegenen widerstreitenden Ansprüchen.

Dies ist zu Recht Gegenstand der Weisung gewesen, nämlich wie ist zu gewährleisten, dass dem Standesrecht in einem solchen Fall entsprochen wird.

Gegenständlich meldet sich ein Standesfremder gegen die Weisung. Es geht hier jedoch um standeseigene, also interne Angelegenheiten und genau das betrifft den Kern des Rechts auf Selbstverwaltung. Wie sich ein Anwalt zu verhalten hat ist eine innere Angelegenheit der Kammer.“

4.) Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 RAO werden die Rechtsanwaltskammern durch sämtliche in der Liste eingetragenen Rechtsanwälte, die in dem derzeit bestehenden Sprengel jeder Kammer ihren Kanzleisitz haben, sowie durch sämtliche bei diesen in praktischer Verwendung stehenden und in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragenen Rechtsanwaltsanwärter gebildet.

Gemäß § 23 Abs. 1 RAO erstreckt sich der Wirkungsbereich der Rechtsanwaltskammer auf das Bundesland, für das sie errichtet wurde, sowie auf alle Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die in die Listen dieser Rechtsanwaltskammer eingetragen sind. Die Rechtsanwaltskammer besorgt ihre Geschäfte teils unmittelbar in Plenarversammlung teils mittelbar durch ihren Ausschuss.

Gemäß § 23 Abs. 2 RAO hat die Rechtsanwaltskammer innerhalb ihres Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der der Rechtsanwaltskammer angehörenden Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter wahrzunehmen, zu fördern und zu vertreten. Dabei obliegt der Rechtsanwaltskammer insbesondere auch die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Unabhängigkeit des Rechtsanwaltsstandes sowie die Wahrung der Rechte und Überwachung der Pflichten der Mitglieder […].

Gemäß § 23 Abs. 6 RAO sind, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die aufgrund dieses Gesetzes ergehenden Bescheide mittels Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes anfechtbar.

Gemäß § 26 Abs. 5 RAO kann gegen den von einer Abteilung für den Ausschuss gefassten Beschluss binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung an den Ausschuss erhoben werden.

Gegenständlich war die Frage strittig, ob der Beschwerdeführerin ein subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren betreffend Weisung an Rechtsanwalt C. nach § 23 Abs. 2 RAO zukommt und damit das Recht auf Erhebung einer Vorstellung der Beschwerdeführerin (als die von Rechtsanwalt C. Vertretene) gegen die, an Rechtsanwalt Mag. C. gerichtete Weisung der Rechtsanwaltskammer vom 20.02.2017.

Im Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Wien war die Weisung zum einen bereits erfüllt worden und ferner ist unstrittig der Geldbetrag – durch die Hinterlegung des Geldbetrages auf Grundlage der Weisung – zwischenzeitlich bereits an die Beschwerdeführerin ausbezahlt worden.

Von einer Klaglosstellung, weswegen das Verfahren einzustellen wäre, ist dennoch nicht auszugehen. Ein Wegfall des rechtlichen Interesses (vgl. zur Rechtsprechung des VwGH etwa Beschluss vom 19.12.2014, Ro 2014/02/0115 mwN.). Zwar gab es dazu kein konkretes Vorbringen, es kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ausgeschlossen werden, weswegen nicht mit einer Einstellung des Beschwerdeverfahrens vorzugehen war (vgl. zur Anwendung der Überlegungen zu § 33 Abs. 1 VwGG auf Verwaltungsgerichte: VwGH vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).

Unter einem subjektiven Recht versteht man allgemein eine Befugnis oder einen Anspruch einer Einzelperson. Bestehen und Ausmaß subjektiver Rechte bestimmt grundsätzlich der Materiengesetzgeber. Er legt fest, ob einer angesprochenen Person ein Rechtsanspruch oder lediglich ein rechtliches Interesse eingeräumt wird. Die Bezeichnung 'öffentlich' weist darauf hin, dass es sich um Berechtigungen im Verwaltungsrecht handelt. Als subjektives öffentliches Recht ist eine materielle Berechtigung einer Person zu verstehen, die im Bereich der Hoheitsverwaltung besteht. Wird ein solches subjektives öffentliches Recht zuerkannt, so muss dem Berechtigten die Möglichkeit gegeben werden, diese in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchzusetzen bzw. Eingriffe abzuwehren (z.B. VfGH, Erkenntnis vom 06.03.2018, G129/2017). Vor diesem Hintergrund gewährt §8 AVG einer Person Parteistellung, die einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse, also ein subjektives öffentliches Recht hat. Da das AVG auf die im Materiengesetz eingeräumte Berechtigung abstellt, erfolgt die Gewährung der Parteistellung im Materiengesetz. Falls dies nicht ausdrücklich geschieht, ist die Frage nach der Parteistellung durch Auslegung der betreffenden Materiengesetze zu lösen (VfGH Erkenntnis vom 06.03.2018 mit Hinweis auf VwGH 17.09.2002, 2002/01/0377).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Verfahren vor dem Kammerausschuss der Rechtsanwaltskammer das AVG nichtanzuwenden (vergleiche etwa VwGH 24.03.2014, Zahl 2013/01/0117). Jedoch hat die Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör auch vor den Behörden der Rechtsanwaltskammer zu gelten (vgl. VwGH Erkenntnis vom 17.10.1997, Zl. 97/19/1082).

Zur Beurteilung, wem in einem konkreten Verfahren subjektiv öffentliche Rechte (und damit Parteistellung) zukommt ist daher primär anhand der Grundsätze, welche im § 8 AVG sowie aus der RAO selbst sich ergeben, zu beurteilen. Aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 RAO ergibt sich unmittelbar kein Hinweis auf eine Parteistellung der Beschwerdeführerin, ebenso wenig unter Auslegung der relevanten Bestimmungen der RAO:

Nun ist die Beurteilung der Frage, woran man ein subjektives Recht erkennt, der Schutzzweck der Norm relevant. Im Zweifel kommt ein subjektives öffentliches Recht und damit Beschwerderecht immer dann zu, wenn zu vermuten ist, dass nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer Betroffenen und damit vor der Allgemeinheit abgrenzbaren Person maßgebend war (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 8, Rz. 6 mit weiteren Hinweisen). Demnach stehen subjektive öffentliche Rechte auch jenen Personen zu, welche durch den Bescheid in ihren rechtlichen Interessen betroffen sind (vgl. VwGH Erkenntnis vom 24.05.2005, Zl. 2005/05/0014).

Rein wirtschaftliche Interessen begründen keine Parteistellung im Verwaltungsverfahren. Ebenso wenig reicht es aus, wenn eine Reflexwirkung besteht (vgl. so auch VfGH, Erkenntnis vom 11.12.2012, B822/11, Punkt 2.1 oder beispielsweise zur Rechtsstellung von Mietern im baubehördlichen Abbruchsverfahren VwGH Erkenntnis vom 16.10.1990, Zl. 90/05/0060).

Im gegenständlichen Fall trat durch den gerichtlichen Erlag des Betrages von gesamt ca. einer halben Million Euro keine Änderung der privatrechtlichen Rechtsstellung für die Beschwerdeführerin ein. Die Beschwerdeführerin ging durch den gerichtlichen Erlag ihrer Rechtsstellung bzw. ihres privaten Rechtes weder verlustig noch hat sich dieses Recht geändert. Dies hätte nur in anderen, zivilrechtlichen Verfahren, die Folge sein können. Ebenso wären ihr andere Verfahrenstypen zur Verfügung gestanden, wenn sie der Meinung wäre, dass Rechtsanwalt C. rechtswidrig gehandelt hätte und ihr daher ein Schaden entstanden sei. Es lag hier lediglich ein mangelndes, unmittelbares Zugriffsrecht auf diesen beträchtlichen Betrag vor. Im Zeitpunkt der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien war bereits volles Zugriffsrecht auf die hinterlegten Gelder gegeben und sind daher auch in diesem Verfahren gegenständlich Fragen einer derartigen Veränderung in der privatrechtlichen Rechtsposition durch mangelndes Zugriffsrecht sodass damit einhergehend eine derartige Betroffenheit (welche wiederum allenfalls ein subjektiv-öffentliches Recht nach sich ziehen könnte) nicht mehr von Relevanz. Es wurde im Verfahren auch nichts vorgebracht, dass eine derartige Relevanz gegenwärtig vorliegen könnte.

Einem Rechtsanwalt selbst kommt ferner im allgemeinen kein Rechtsanspruch auf Ausübung des Aufsichtsrechtes zu (vgl. VwGH, Erkenntnis vom 13.02.1984, Zl. 84/12/0021), ebenso wenig besteht ein subjektives öffentliches Recht (und liegt auch kein Bescheid vor), wenn der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer beschließt, dass kein Anlass zu einer standesbehördlichen Verfügung nach § 23 RAO bestünde (siehe VwGH, Erkenntnis vom 15.10.1984, Zl. 84/12/0149), auch der Partei, welche ein Rechtsanwalt beigegeben ist, kommt kein subjektives Recht darauf zu, dass der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer im Rahmen des allgemeinen Aufsichtsrechtes gemäß § 23 RAO tätig wird (vergleiche VwGH, Erkenntnis vom 26.02.1992, Zl. 92/01/0033).

Aus der RAO ergibt sich ferner, dass der Rechtsanwalt im Einzelfall selbst zu beurteilen hat, ob er den ihm von seiner Standesbehörde (dem Kammerausschuss) gemäß § 23 RAO erteilten Aufträgen entsprechen kann oder nicht. Die Nichterfüllung eines Auftrages zieht eine Überprüfung des zuständigen Disziplinarrates nach sich (siehe Urteil OGH vom 11.05.1982, Bkd65/80). Dem von einem derartigen Auftrag betroffenen Rechtsanwalt bleibt es daher grundsätzlich unbenommen, die Rechtsgültigkeit der Weisung auf seine Gefahr hin in Frage zu stellen (vergleiche so auch VwGH, Erkenntnis vom 16.09.1992, 92/01/0467).

Daher ergibt sich auf der Grundlage der RAO ergibt sich kein Hinweis, dass der Beschwerdeführerin ein subjektives öffentliches Recht und damit ein Beschwerderecht gegen die Vorstellung zukäme. Schon aus der Konzeption des § 23 Abs. 2 RAO und der dazu ergangenen Rechtsprechung geht hervor, dass der von einer Weisung betroffene Rechtsanwalt auf eigene Gefahr hin eine derartige Weisung ignorieren kann, somit für den Adressaten der Weisung keine Bindungswirkung besteht. Zum anderen ist aufgrund der mangelnden Rechtsstellung sonstiger involvierter Personen, etwa die Partei, welche der Rechtsanwalt vertritt, auch darauf zu schließen, dass § 23 Abs. 2 RAO keine subjektiv öffentlichen Rechte an derart reflexartig betroffene Personen gewährt.

Auch aus rechtsstaatlichen Überlegungen heraus ergibt sich kein Hinweis darauf, § 23 Abs. 2 RAO derart verfassungskonform zu interpretieren, dass ein Beschwerderecht der Beschwerdeführerin unter den vorliegenden Umständen des Falles sicher geben könnte.

Es war daher spruchgemäß vorzugehen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Rechtsanwalt; Standesrecht; Rechtsanwaltskammer, Ausschuss der; Weisung; interne Angelegenheit; Verfügung, standesbehördliche; Parteistellung; Erlag eines Geldbetrages; wirtschaftliche Interessen; Reflexwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.056.9526.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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