Entscheidungsdatum
06.11.2018Index
27/04 Sonstige RechtspflegeNorm
GSchG §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Zeller über die Beschwerde der Frau Mag. A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 24.09.2018, Zl. ..., mit welchem der Antrag auf Befreiung vom Amt einer Geschworenen oder Schöffin für den Zeitraum vom 1. Jänner 2019 bis zum 31. Dezember 2020 abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1.) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 08.09.2018 auf Befreiung vom Amt einer Geschworenen oder Schöffin für den Zeitraum 1. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2020 abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihrer Betreuungspflicht für ihren 20 Monate alten Sohn nachgehen müsse. Art. 91 Abs. 1 B-VG ordne die Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung an. Das Amt eines Schöffen oder einer Geschworenen sei ein Ehrenamt. Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrem Sohn, welcher am ...2016 geboren sei, mit dessen Vater gemeldet und wohnhaft. Sie habe nicht behauptet, auf die Betreuungsmöglichkeit des Kindesvater nicht zurückgreifen zu können. Ihm komme, soweit bekannt, ebenso Obsorge für den gemeinsamen Sohn zu. Ferner würde das Geschworenen-und Schöffengesetz Regelungen enthalten, die kurzfristige Terminengpässe bei Geschworenen und Schöffen vorbeugen würden (etwa § 14 Abs. 3 Satz 1 und § 14 Abs. 2). Damit sei für den Fall gesetzlich Vorsorge getroffen, wenn sie terminlich unabkömmlich sei und einem bestimmten Termin zur Hauptverhandlung aus einem wichtigen Grund nicht wahrnehmen könne. Es läge daher eine unverhältnismäßige persönliche oder wirtschaftliche Belastung für die Beschwerdeführerin nicht vor.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wird eingewendet, dass eine Betreuung für ihr Kind in ihrer Abwesenheit nicht gewährleistet sei. Sie habe die alleinige Obsorge für ihr Kind. Der Kindesvater sei berufstätig und geschäftlich oft im Ausland. Großeltern stünden zur Betreuung nicht zur Verfügung.
2.) Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht folgender Inhalt hervor:
Mit Schreiben vom 06.09.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Befreiung vom Amt einer Geschworenen oder Schöffen, da sie Betreuungspflichten für ihren 20 Monate alten Sohn habe. Sie sei Betriebswirtin, 1980 geboren und ... Wien wohnhaft. Aus der ebenso vorgelegten Geburtsurkunde ihres Kindes geht hervor, dass dieser am ...2016 geboren ist und Kindesvater Herr DI C. D. ist.
Aus dem eingeholten Auszug aus dem Personenstandsregister und eingeholtem Zentralmelderegisterauszug geht hervor, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Kindesvater sowie der gemeinsame Sohn an der gleichen Adresse in Wien gemeldet und wohnhaft sind.
3.) Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 4 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990, BGBl Nr. 256/1990 in der Fassung des BGBl I Nr. 71/2014, (in der Folge: GSchG) sind vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren (Geltungsdauer der Jahreslisten nach § 12) zu befreien:
1. Personen, die während der Geltungsdauer der vorangegangenen Jahreslisten ihrer Berufung als Geschworene oder Schöffen nachgekommen sind;
2. Personen, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte oder mit einer schwerwiegenden und nicht anders abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen verbunden wäre.
§ 14 GSchG lautet auszugsweise:
(1) Die Geschworenen und Schöffen sind in der Reihenfolge der Dienstlisten mit der Ladung zur ersten Hauptverhandlung zu ihrem Amt zu berufen. Hiebei sind ihnen womöglich auch schon die weiteren Verhandlungstage bekanntzugeben, an denen sie im ersten Jahr zum Dienst herangezogen werden sollen, und eine eingehende Belehrung über die mit dem Amt eines Geschworenen oder Schöffen verbundenen Rechte und Pflichten zu erteilen.
….
(3) Die Geschworenen und Schöffen sind in jedem der beiden Jahre zum Dienst an höchstens fünf Verhandlungstagen heranzuziehen. Sie sind aber verpflichtet, ihre Tätigkeit nach Beginn einer Verhandlung ungeachtet der Geltungsdauer der Dienstliste bis zur Urteilsfällung fortzusetzen. § 13 Abs. 6 letzter Satz bleibt unberührt.
(4) Ein Ergänzungsgeschworener oder Ergänzungsschöffe tritt an die Stelle eines Hauptgeschworenen oder Hauptschöffen, wenn dieser der Ladung keine Folge leistet oder sonst an der Verhandlung nicht teilnehmen kann, ohne daß ein anderer Hauptgeschworener oder Hauptschöffe rechtzeitig (Abs. 2) verständigt werden könnte.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990, BGBl. Nr. 256/1990 ist zu den Befreiungsgründen des
§ 4 unter anderem ausgeführt, dass der Entwurf einen generellen Befreiungstatbestand vorsehe, der sowohl auf eine unverhältnismäßige persönliche oder wirtschaftliche Belastung durch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter als auch auf schwerwiegende öffentliche Interessen Rücksicht nehme. Auf diese Bestimmung sollten sich künftig etwa Bedienstete des privaten und öffentlichen Bereiches, auf deren Mitarbeit auch für den Fall bloß kurzfristiger Abwesenheit aufgrund besonders gelagerter Umstände nicht verzichtet werden könne, aber auch allein erziehende Elternteile berufen können, die unmündige Kinder zu betreuen hätten, ohne auf ausreichende Unterstützung von dritter Seite zurückgreifen zu können. Der Befreiungsantrag bedürfe jedenfalls der Vorlage entsprechender Bescheinigungen, zum Beispiel der Firmenleitung oder Dienststelle. Über diese allgemeine Befreiungsmöglichkeit hinaus bestehe aber keine Veranlassung, für einzelne Berufsgruppen (Ärzte, Apotheker, Dentisten, Gemeindebedienstete) weiterhin Sonderregelungen vorzusehen. Der Entwurf sehe vor, Geschworene und Schöffen grundsätzlich zum Dienst an höchstens fünf Verhandlungstagen, dies allerdings jeweils in zwei aufeinander folgenden Jahren, heranzuziehen. Damit solle bei zumutbarer zeitlicher Belastung der Betroffenen einerseits deren Erfahrung genutzt, andererseits der Verfahrensaufwand bei der Erstellung der Verzeichnisse und Listen vermindert werden.
Zunächst ist Folgendes festzustellen:
Die Beschwerdeführerin wohnt gemeinsam mit dem Kindesvater und dem, im Entscheidungszeitpunkt unmündigen gemeinsamen Kind (22 Monate alt). Es besteht nicht nur eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Kindesvater, wobei die Beschwerdeführerin alleine Obsorge über ihr Kind hat. Der Kindesvater ist berufstätig und im Rahmen der Berufstätigkeit auch auf Auslandsreisen. Großeltern stehen zur Betreuung des Kindes nicht zur Verfügung.
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin.
Auf Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführerin ist die Frage, ob eine unverhältnismäßige persönliche Belastung im Sinne des § 4 Z. 2 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990, BGBl Nr. 256/1990 in der Fassung des BGBl I Nr. 71/2014 (idF GSchG) vorliegt, zu beurteilen.
Aus den Gesetzesmaterialien zu § 4 GSchG geht hervor, dass Sonderregelungen für allein erziehende Elternteile gelten, die unmündige Kinder zu betreuen haben, ohne auf ausreichende Unterstützung von dritter Seite zurückgreifen zu können. Dazu brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Kindesvater berufstätig sei und regelmäßig beruflich im Ausland sei.
Dass sie alleinerziehend sei, geht daraus nicht hervor. Es mag sein, wie festgestellt, dass sie die alleinige Obsorge hat, jedoch blieb von ihr unbestritten, dass sie mit dem Kindesvater und ihrem unmündigen Kind gemeinsamen Wohnsitz hat. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht ausgeführt, dass es lediglich eine Bedarfs- bzw. Wohngemeinschaft ist, weswegen sich schon aufgrund des gemeinsamen Kindes und gemeinsamen Wohnsitzes ein Schluss auf eine Lebensgemeinschaft ergibt. Dass der Kindesvater nicht zur Unterstützung und Aufsicht des Kindes zur Verfügung steht, kann aus dem Vorbringen auch nicht geschlossen werden. Alleine der Umstand einer Berufstätigkeit mit Auslandsaufenthalten ist für eine Tätigkeit im Rahmen des GSchG von 5 Tagen pro Kalenderjahr grundsätzlich mit einer beruflichen Tätigkeit durchaus vereinbar. Es steht daher nicht fest, dass sie nicht auf die Unterstützung Dritter zurückgreifen kann.
Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich ferner ein enger Maßstab: so ist der Maßstab für persönliche Gründe im Sinne des § 4 Z. 2 GSchG vom Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.5.1999, 99/10/0048 insoweit eng gezogen worden. Zur Frage der persönlichen Belastung hat sich der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus ausführlich im Erkenntnis vom 19.12.2000, 2000/19/0154 befasst. Darin wird ausgeführt, dass der Gesetzgeber ganz offenkundig in Kauf genommen hat, dass die Heranziehung der Geschworenen oder Schöffen - grundsätzlich in einem fünf Verhandlungstage pro Jahr nicht übersteigenden zeitlichen Ausmaß - für diese Personen auf Grund ihrer zeitlichen Inanspruchnahme bestimmte persönliche oder wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. Solche Nachteile haben die für das Amt eines Geschworenen oder Schöffen in Aussicht genommenen Personen - hierin kommt der Charakter der allgemeinen Bürgerpflicht zum Ausdruck - ihrerseits in Kauf zu nehmen. Das Amt eines Geschworenen oder Schöffen, das gemäß § 1 Abs. 1 GSchG ein Ehrenamt ist und dessen Ausübung in der demokratischen Republik Österreich allgemeine Bürgerpflicht darstellt, soll grundsätzlich von den Angehörigen aller Berufsgruppen ausgeübt werden. Nur bei Vorliegen der im § 4 leg.cit. umschriebenen Befreiungsvoraussetzungen, die nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe abstellten, soll - im Einzelfall - eine Befreiung möglich sein. Ferner wurde erkannt, dass angesichts des relativ geringen Umfanges der Inanspruchnahme von Schöffen und Geschworenen in zeitlicher Hinsicht es sich bei allenfalls anfallenden Betreuungskosten (für Kinder) nicht um eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung handelt (vgl. VwGH vom 19.12.2000, Zl. 2000/19/0154).
Diese Judikaturbeispiele, wiewohl vom Sachverhalt her nicht mit dem gegenständlichen Fall übereinstimmend - veranschaulichen, dass der Ausnahmetatbestand restriktiv auszulegen ist.
Ferner besteht zweifelsohne zwar jedenfalls eine Einschränkung und Belastung mit der möglicherweise zu versehenden Tätigkeit als Schöffin oder Geschworene (von grundsätzlich 5 Verhandlungstagen im Jahr). Jedoch ist, wie aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht, gerade aus der Systematik des Gesetzes und der bestehenden zeitlichen Begrenzung heraus ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine derartige Bürgerpflicht als grundsätzlich vertretbar anerkannt hat. Da die Beschwerdeführerin – anders als den Gesetzesmaterialen zu entnehmen ist (und so auch etwa VwGH Erkenntnis vom 31.05.1999, Zl. 99/10/0048, worin explizit auf allein erziehende Elternteile unmündiger Kinder hingewiesen wird) - nicht alleinerziehend ist (wenn auch allein Obsorge berechtigt), auf Unterstützung von dritter Seite, nämlich insbesondere vom Kindesvater, zurückgreifen kann und es sich um eine mit 5 Tagen pro Jahr begrenzte Bürgerpflicht handelt, erscheint es auch möglich, dass trotz beruflicher Tätigkeit des Kindesvaters dieser in diesem begrenzten Zeitraum Unterstützung erbringen kann. Besondere Umstände (außer dass er beruflich oft im Ausland sei) sind nicht hervorgekommen. Auch wirtschaftliche Gründe für allfällige Betreuungskosten wäre keine unverhältnismäßige Belastung, auch besonders gelagerte Umstände, weswegen keine sonstige Betreuung in Anspruch genommen werden könnte, sind nicht hervorgekommen.
Da vertretbare Einschränkungen vorliegen, liegt der angesprochene Befreiungstatbestand nicht vor und hat die Behörde zu Recht den darauf gestützten Antrag abgewiesen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da kein Antrag gestellt wurde und der Sachverhalt aufgrund des Vorbringens nicht näher zu klären war.
Der Beschwerde war daher nicht stattzugeben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Befreiung vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen; Befreiungsantrag; Belastung, unverhältnismäßige, persönliche; Bürgerpflicht; Ehrenamt; vertretbare EinschränkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.101.056.14460.2018Zuletzt aktualisiert am
30.04.2019