Entscheidungsdatum
21.03.2019Norm
FSG 1997 §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde des B in *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 20.11.2018, Zl. ***, betreffend die Anordnung einer Nachschulung und die Verlängerung der Probezeit nach dem Führerscheingesetz (FSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 20.11.2018, Zl. ***, erging gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß § 4 FSG die Anordnung, dass er sich innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einer Nachschulung zu unterziehen und seinen Führerschein zum Zwecke der Eintragung der Verlängerung der Probezeit unverzüglich bei der Behörde abzuliefern habe.
Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen sei und sich mit der Anordnung der Nachschulung die Probezeit um ein weiteres Jahr verlängere bzw. für ein weiteres Jahr neu zu laufen beginne.
Begründend wurde im Bescheid ausgeführt, dass mit Organstrafverfügung gemäß § 50 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wegen einer am 19.10.2018 gesetzten Übertretung des § 102 Abs 3 fünfter Satz des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) eine Geldstrafe eingehoben worden wäre. Der Tatbestand stelle einen „schweren Verstoß“ gemäß § 4 Abs 6 FSG dar, den der Beschwerdeführer zu verantworten habe. Die gesetzlich vorgesehene Konsequenz aus einem derartigen Verstoß bestehe in der behördlichen Anordnung einer „Nachschulung“ bei einer vom Landeshauptmann hiezu ermächtigten Stelle.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht ein Rechtsmittel, in welchem er im Wesentlichen vorbrachte, dass er das Organmandat nur deswegen bezahlt habe, weil der einschreitende Beamte im gegenüber angegeben habe, dass damit alles erledigt sei und er keine weiteren Konsequenzen aus der Amtshandlung zu erwarten hätte. Er wolle auch nochmals festhalten, dass er alleine durch das Aufheben seines Handys keine Verwaltungsübertretung begangen habe und berufe er sich in dieser Causa auf die Entscheidung des Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vom 16.10.2018, LVwG-602439.
Die Anordnung der Nachschulung und der daraus resultierenden Folgen seien aufgrund der vorstehenden Fakten rechtwidrig.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 05.12.2018 wurde der Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.
Da diese Beschwerde nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht NÖ darüber gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Das erkennende Gericht führte am 07.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher anhand des verlesenen Aktes der belangten Behörde zur Geschäftszahl ***, sowie durch Befragung des Beschwerdeführers und Einvernahme der Zeugen A und C Beweis erhoben wurde.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens legt das Landesverwaltungsgericht NÖ seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer wurde am *** geboren. Die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B wurde ihm am 11.10.2016, somit vor Erreichen des 18. Lebensjahres erteilt.
Der Beschwerdeführer lenkte am 19.10.2018, gegen 16:17 Uhr, das Kraftfahrzeug der Marke VW Golf mit dem behördlichen Kennzeichen *** in ***, auf der *** in Fahrtrichtung Süden. Zur gleichen Zeit fuhr das mit den Zeugen A als Lenker und C als Beifahrer besetzte Zivilstreifenfahrzeug der Landespolizeidirektion Niederösterreich, Polizeiinspektion ***, ebenfalls auf der ***, welche im Bereich der Tatörtlichkeit über jeweils zwei Fahrstreifen in jede Fahrtrichtung verfügt. Die Zeugen überholten das Fahrzeug des Beschwerdeführers auf Höhe ***, wobei sie während des Überholvorganges über einen Zeitraum von mehreren Sekunden deutlich wahrnehmen konnten, dass der Beschwerdeführer bei dieser Fahrt ein Mobiltelefon in seiner rechten Hand hielt und mit dem Daumen bediente. Aufgrund dieser Wahrnehmung entschlossen sich die Zeugen, eine Anhaltung durchzuführen. Dem Beschwerdeführer wurde der Grund der Anhaltung genannt, ihm mitgeteilt, dass aufgrund des Umstandes, dass er Probeführerscheinbesitzer ist, der festgestellte Sachverhalt der Verkehrsbehörde zu melden sei, und bezahlte der Beschwerdeführer eine Geldstrafe mittels Organstrafverfügung in der Höhe von 50 Euro.
In weiterer Folge wurde die vom Zeugen A erstellte Anzeige vom 22.10.2018 an die Bezirkshauptmannschaft Baden übermittelt.
Diese Feststellungen gründen sich auf nachstehende Beweiswürdigung:
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit am Tatort das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug gelenkt hatte, die Zeugen A und C an dieser Örtlichkeit eine Verkehrsüberwachung durchgeführt hatten, die Anhaltung des Beschwerdeführers erfolgte und dieser die Bezahlung der ihm angebotenen Organstrafverfügung akzeptierte.
Aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben der Zeugen A und C ist außerdem erwiesen, dass der Beschwerdeführer bei seiner Fahrt, während er sein Fahrzeug auf Höhe des Hauses *** lenkte, mit dem Mobiltelefon hantierte.
Die Zeugen befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Zivilstreifenfahrzeug auf gleicher Höhe mit dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug und hatten von ihrer Position freie Sicht in den Fahrgastraum des VW Golf und auf den mit dem Mobiltelefon hantierenden Beschwerdeführer.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erachtet die Angaben der zeugenschaftlich einvernommenen Polizeibeamten jedenfalls als glaubwürdiger als die Verantwortung des Beschwerdeführers, weil auch kein Grund verfahrensevident geworden ist, weshalb die Zeugen den ihnen unbestrittenermaßen unbekannten Beschwerdeführer tatsachen- und wahrheitswidrig belasten und sich so einer strafgerichtlichen und disziplinarrechtlichen Verfolgung aussetzten hätte sollen. Darüber hinaus ist Straßenaufsichtsorganen aufgrund ihrer besonderen Schulung die richtige Wiedergabe von Vorgängen des Verkehrsgeschehens zuzubilligen.
Rechtlich ist dazu Nachfolgendes auszuführen:
Gemäß § 102 Abs 3 KFG 1967 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 102/2017 muss der Lenker die Handhabung und Wirksamkeit der Betätigungsvorrichtungen des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges kennen. Ist er mit ihrer Handhabung und Wirksamkeit noch nicht vertraut, so darf er das Fahrzeug nur mit besonderer Vorsicht lenken. Er muss die Lenkvorrichtung während des Fahrens mit mindestens einer Hand festhalten und muss beim Lenken Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Er hat sich im Verkehr der Eigenart des Kraftfahrzeuges entsprechend zu verhalten. Während des Fahrens ist dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung sowie jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, verboten. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit und den Stand der Technik durch Verordnung die näheren Vorschriften bezüglich der Anforderungen für Freisprecheinrichtungen festzulegen. Freisprecheinrichtungen müssen den Anforderungen der Produktsicherheitsbestimmungen für Freisprecheinrichtungen entsprechen.
Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs 3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, begeht zufolge § 134 Abs 3c KFG 1967, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs 5 StVO festgestellt wird oder aus Beweismaterial aus bildgebender Verkehrsüberwachung gemäß §§ 98a, 98b, 98c, 98d oder 98e StVO einwandfrei erkennbar ist, eine Verwaltungsübertretung, welche im Falle einer Anhaltung mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, oder wenn die Übertretung anhand von Beweismaterial aus bildgebender Verkehrsüberwachung festgestellt wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen. Erfolgt die Übertretung durch eine Person, die sich noch in der Probezeit befindet, so sind auch im Falle einer Anhaltung die Daten der Person (Name, Geburtsdatum) sowie Zeit und Ort der Übertretung zu erfassen und es ist die Führerscheinbehörde davon zu verständigen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des FSG, zuletzt geändert durch BGBl I 37/2018, lauten wie folgt:
§ 4 lautet auszugsweise:
Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein)
(1) Lenkberechtigungen für alle Klassen mit Ausnahme der Klassen AM und F, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, unterliegen einer Probezeit von drei Jahren. Diese Probezeit ist in den Führerschein nicht einzutragen.
(…)
(3) Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs 6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Im Fall eines schweren Verstoßes gemäß Abs 6 Z 2a kann auch nach der Ausstellung eines Organmandates eine Nachschulung angeordnet werden. Rechtsmittel gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Herstellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs 6 in die Wege zu leiten.
(…)
(6) Als schwerer Verstoß gemäß Abs 3 gelten
(…)
2a. Übertretungen des § 102 Abs 3 fünfter Satz KFG 1967.
(…)
(8) Die Kosten der Nachschulung sind vom Nachzuschulenden zu tragen. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung zur Nachschulung nicht innerhalb von vier Monaten nach, so ist gemäß § 24 Abs. 3 siebenter Satz vorzugehen.
(…)
In der zitierten Bestimmung des § 102 Abs 3 5. Satz KFG 1967 wird normiert, dass nicht nur das Telefonieren mittels Mobiltelefon, sondern auch jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons, ausgenommen als Navigationssystem, sofern es im Wageninneren befestigt ist, beim Lenken verboten ist.
Aus der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Entscheidung des LVwG Oö zur Geschäftszahl LVwG-602439/6/Sch/MSt ist für ihn im konkreten Fall nichts zu gewinnen, da beim dort zu beurteilenden Sachverhalt das Hantieren mit einem Mobiltelefon nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen werden konnte, während das Beweisverfahren vor dem erkennenden Gericht eindeutig ergeben hat, dass der Beschwerdeführer das Mobiltelefon während der von den Zeugen beobachteten Fahrt betätigte und somit einen schweren Verstoß gemäß § 4 Abs 6 Z 2a FSG begangen hat.
Der Führerscheinbehörde ist in Bezug auf die Anordnung einer Nachschulung bei der Begehung eines schweren Verstoßes kein Ermessensspielraum eingeräumt. Insbesondere ist im Fall eines schweren Verstoßes gemäß § 4 Abs 6 Z 2a FSG die Anordnung der Nachschulung auch nach der Ausstellung eines Organmandates möglich.
Nach dem oben zitierten dritten Satz des § 4 Abs 3 FSG haben Beschwerden gegen die Anordnung einer Nachschulung ex lege keine aufschiebende Wirkung, ein Ausschluss derselben durch die Behörde ist also gesetzlich nicht vorgesehen. Durch den von der belangten Behörde hier dennoch ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer aber nicht in seinen Rechten verletzt (VwGH 2001/11/0287).
Die Verlängerung der Probezeit und das Ausmaß der Verlängerung ergeben sich, so wie die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verpflichtung, den Führerschein zum Zwecke der Eintragung der Verlängerung der Probezeit unverzüglich bei der belangten Behörde abzuliefern, aus dem Gesetz (§ 4 Abs 3 FSG).
Der angefochtene Bescheid kann aus all diesen Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Angesichts des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung bedarf es auch nicht der Setzung einer neuen Frist für die Absolvierung der Nachschulung (VwGH 95/11/0247).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (VwGH Ro 2014/01/0033) dar.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Probezeit; Nachschulung; aufschiebende Wirkung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1313.001.2018Zuletzt aktualisiert am
30.04.2019