Entscheidungsdatum
20.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L519 2198336-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Republik Georgien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über
das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als bP bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Georgien und brachte nach Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 12.12.2017 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge auch "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der belangten Behörde brachte die bP im Wesentlichen Folgendes vor:
Sie habe Georgien verlassen, weil sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Den Entschluss habe sie vor ca. 2-3 Jahren gefasst. Konkret sei sie aufgrund einer vererbbaren Nierenkrankheit Dialysepatient, die Behandlung sei in Georgien jedoch minderwertig und wären bereits ihr Bruder und ihre Mutter an der Erkrankung verstorben. In Georgien würde sie keine adäquate Behandlung erhalten und sie befände sich deswegen im Falle einer Rückkehr in Lebensgefahr. Sie hoffe in Österreich eine neue Niere zu erhalten. Sie bitte um die entsprechende gesundheitliche Versorgung und werde, wenn sie wieder gesund ist, nach Georgien zurückkehren.
Die Lebensumstände in Georgien seien schwierig, da sie nur 180 Lari Pension erhalte und nicht mehr arbeiten gehen könne. Zuerst habe sei eine Behandlung in Tiflis erhalten, dann - da sie dort lebe - wäre sie in XXXX weiterbehandelt worden.
Vorgelegt wurde von der bP:
* Georgischer Reisepass im Original
* Ärztlicher Entlassungsbrief des Landesklinikums XXXX in Kopie
* Aktuelle Medikamentenliste des Landesklinikums XXXX in Kopie
I.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid der bB vom 14.05.2018 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.
I.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 19.06.2018 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. In Erledigung der Beschwerde wurden gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF die Spruchpunkte II - VII des bekämpften Bescheides behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
Dies da das Ermittlungsergebnis der Behörde der bP nicht zur Kenntnis gebracht worden ist und sich die bB nicht mit dem Vorbringen der bP auseinandergesetzt hat, dass für die bP eine entsprechende Behandlung in Georgien nicht zumutbar wäre, da diese von derart schlechter Qualität wäre, dass sie nicht als lebenserhaltend angesehen werden könne. Die bB habe der bP das Ermittlungsergebnis in Bezug auf die Erhältlichkeit der seitens der bP benötigten Medikation im Rahmen des Parteiengehörs nicht zur Kenntnis gebracht und erfuhr sie im angefochtenen Bescheid erstmals hiervon. Es war ihr daher erstmals in der Beschwerde möglich, sich hierzu zu äußern und vorzubringen, dass sie behaupteter Maßen vor dem Hintergrund ihrer finanziellen Lage keine realistische Chance hätte, Zugang zu einer adäquaten Medikation im Rahmen des georgischen Gesundheitssystems zu finden.
I.5. Am 04.09.2018 wurde die bP zum zweiten Mal vor der belangten Behörde einvernommen.
Im Zuge des weiteren Verfahrens legte sie diverse medizinische Unterlagen aus Österreich vor.
Der bP wurde die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hinsichtlich des Vorhandenseins aller von ihr laut Medikamentenliste vom März 2018 benötigten Medikamente zur Kenntnis gebracht.
Hierzu gab die bP an, dass zwar die Dialyse in Georgien kostenlos sei, aber nicht die benötigten Medikamente. Sie führte Preise für einzelne Medikamente in Georgien an und gab zusammenfassend an, dass sie keine 800 Lari für die ihr verordneten Medikamente bezahlen könne, wenn sie nur 180 Lari Pension erhält. Nachgefragt führte sie aus, dass sie früher vor ihrer Ausreise in Georgien teilweise die Medikamente bezahlen hätte können und manchmal nicht. Der Freundeskreis habe finanziell geholfen. Grundsätzlich habe sie Blutdruckmedikamente gekauft. Die Blutwerte seien bei Ankunft in Österreich sehr schlecht gewesen. In Österreich habe ein Arzt zur bP gesagt, dass sie alle Medikamente der Liste wirklich brauche und auf Dauer einnehmen müsste. Zudem sei die Behandlung in Tiflis besser gewesen als zuletzt in XXXX , da es an erstgenannten Ort bessere Maschinen und Apparate gäbe. Die bP selbst traf einen Vergleich der Behandlungen damit, ob man mit einem neuen oder alten Auto fährt, man komme schon ans Ziel, aber fühle sich nicht so komfortabel.
Sie habe in Georgien Angst bekommen, als sie dieselben Symptome wie bei ihrem Bruder, welcher vor kurzem an der Krankheit verstarb, bei sich wahrgenommen hätte. Darüber hinaus würden in Georgien seit 4-5 Jahren türkische Filter und keine deutschen mehr verwendet und sei damit ein Qualitätsverlust einhergegangen.
Weiters wurde mit der bP ein Auszug aus dem Länderinformationsblatt hinsichtlich Kostenersatz und Dialyse erörtert.
I.6. Mit im Spruch genannten Bescheid der bB wurde gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III und IV.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Der Beschwerde wurde gem. § 18
(1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
I.6.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die bB Folgendes aus:
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:
Aufgrund der Vorlage eines zweifelsfreien nationalen Identitätsdokumentes im Original steht Ihre Identität fest.
Die Feststellung zu Ihrem Gesundheitszustand ergibt sich aus den von Ihnen vorgelegten medizinischen Unterlagen, sowie Ihren Angaben im Verfahren. Daraus geht hervor, dass Sie an einer Polycystischen Nierenerkrankung leiden und deshalb Dialyse-Patient sind. Diesbezüglich standen Sie bis zu Ihrer Ausreise aus Georgien circa 6 Jahre in regelmäßiger ärztlicher und medikamentöser Behandlung, die Sie in Österreich fortsetzten.
Die Feststellungen zu Ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus Ihrem aktuellen Strafregisterauszug.
Sämtliche weiteren Feststellungen Ihre Person betreffend ergeben sich aus Ihren Angaben, welche als glaubhaft qualifiziert werden konnten, zumal sowohl Ihre Angaben zu den Örtlichkeiten, als auch Ihr sprachlicher Hintergrund dem Herkunftsstaat Georgien zugeordnet werden können und kein plausibler Grund ersichtlich war, wonach Gegenteiliges hätte festgestellt werden müssen.
Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats:
Ihre Angaben zur Fluchtbegründung wurden zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben.
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).
Im Lauf Ihres Asylverfahrens gaben Sie regelmäßig an, Ihre Heimat aufgrund Ihrer Erkrankung verlassen zu haben, um in Österreich eine bessere Behandlung zu erhalten.
Dieses Vorbringen wird für wahr erachtet und der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt.
Sie führten keine eigenen Fluchtgründe an, die auf eine persönliche Verfolgung im Sinne der
GFK, das heißt aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung schließen lassen. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass Sie Verfolgungshandlungen ausgesetzt waren bzw. solche für die Zukunft zu befürchten haben.
Hier ist nochmals festzuhalten, dass mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2018, Zahl L515 2198336-1/3E, die Abweisung Ihres Antrags auf internationalen Schutz vom 12.12.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestätigt wurde.
Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Situation im Fall Ihrer Rückkehr:
Die Feststellungen zu Ihrer Situation im Falle Ihrer Rückkehr erschließen sich aus Ihren Angaben im Verfahren in Kombination mit den aktuellen Länderfeststellungen zu Georgien und einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2018.
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind Sie in Ihrem Heimatland keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.
Den aktuellen Länderfeststellungen zu Ihrem Heimatland Georgien, Ihren Angaben im Verfahren sowie den vorgelegten ärztlichen Unterlagen war weiters zu entnehmen, dass eine medizinische Versorgung in Ihrer Heimat zweifellos gegeben ist und medizinische Einrichtungen und Behandlungsmethoden Ihrem Krankheitsbild entsprechend vorhanden sind. Sie selbst waren seit 6 Jahren bis zu Ihrer Ausreise in fachärztlicher Betreuung und wurden medikamentös behandelt. Die medizinische Behandlung ist in Georgien auch für Rückkehrer sofort zugänglich - als georgischer Staatsbürger sind Sie automatisch versichert.
Laut gesetzlicher Regelung kommt für jeden georgischen Staatsbürger beliebigen Alters, der an einer terminalen Niereninsuffizienz erkrankt ist, das staatliche Programm zur "Dialyse und Nierentransplantation" zur Anwendung. Dieses Programm steht Ihnen - wie Sie auch in Ihrer Einvernahme am 04.09.2018 selbst angegeben haben - kostenlos zur Verfügung. Anfallende Behandlungskosten wie Begleitmedikationen, die von Patienten selber getragen werden müssen, können gemäß dem staatlichen Programm zur Abdeckung von Dienstleistungen bei der zuständigen Kommission des Ministeriums, JPÖR, mittels entsprechenden Antrags eingebracht werden und um Kostenersatz ersucht werden. Die Kommission entscheidet dann (mindestens zweimal im Monat) über eine allfällige Finanzierung der vorgelegten Kosten (LIB 07.06.2018, Punkt 22. Medizinische Versorgung, S. 43 und Punkt 22.6. Behandlungsmöglichkeiten:
Nierentransplantation und Dialyse, S. 50).
Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 03.05.2018 ist zu entnehmen, dass Ihre benötigten Medikamente, die Sie bei der Einvernahme am 16.04.2018 ho. Behörde vorgelegt haben, in Georgien verfügbar sind (mit Ausnahme des Schlafmittels HALCION, das Sie jedoch laut Ihren Angaben nur bei Bedarf genommen haben).
Diese Anfragebeantwortung der Staatendokumentation wurde Ihnen bei Ihrer Einvernahme am 04.09.2018 zur Kenntnis gebracht. Sie nahmen dazu Stellung und gaben an, dass Sie wissen würden, dass Ihre benötigten Medikamente in Georgien erhältlich sind, diese jedoch nicht immer verfügbar wären.
Dem ist zu entgegnen, dass Sie bereits 6 Jahre lang vor Ihrer Ausreise nach Österreich Dialyse-Patient in Georgien waren, diese Medikamente in diesem Zeitraum benötigt haben und diese auch in diesem Zeitraum eingenommen haben.
Befragt nach den Kosten Ihrer benötigten Medikamente, gaben Sie die Kosten der Medikamente an, die für Sie lebensnotwendig wären (Anmerkung: Alle 3 von Ihnen genannten Medikamente waren ua. in der Anfragebeantwortung vom 03.05.2018 enthalten). Die Kosten für diese 3 Medikamente würden 800 Lari betragen. Da Sie lediglich eine Pension iHv. 180 Lari erhalten würden, könnten Sie Ihre Medikamente bei einer Rückkehr nach Georgien nicht vollständig bezahlen.
Auf die Frage, wie Sie die Kosten Ihrer Medikamente in den letzten 6 Jahren in Georgien finanziert haben, gaben Sie an, dass Sie diese entweder selbst bezahlt haben oder Ihr Freundeskreis Sie finanziell unterstützt hat.
Auch ist hier festzuhalten, dass Sie zur Finanzierung des Studiums Ihrer jüngeren Tochter zwar "nicht viel" beigetragen haben, aber diese eben doch finanziell unterstützt haben (vgl. EV S.5). Zudem gaben Sie an, dass Ihre Frau saisonal als Reinigungskraft und Küchengehilfin in der Pension deren Mutter arbeitet und so zu Ihrem Familieneinkommen dazu verdient.
Es kann somit davon ausgegangen werden, dass Sie Ihre benötigten Medikamente auch bei einer Rückkehr nach Georgien finanzieren und erhalten können, so wie bereits in den letzten 6 Jahren vor Ihrer Ausreise aus Georgien.
Betreffend Ihres Vorbringens, die medizinische Versorgung - speziell die Dialyse Behandlungen - seien in Georgien so schlecht, dass sich diese für Sie als nicht mehr lebenserhaltend darstellen würde, ist zu sagen, dass sich diese Aussage auf die letzten 5 Jahre Ihrer Behandlung in Ihrer Heimatstadt XXXX bezieht. Vor der Behandlung in XXXX waren Sie 8 Monate in Tiflis (rund 1,5 Autostunden von XXXX entfernt) in Behandlung, wo Sie selbst angaben, dass es dort neuwertigere Maschinen und Apparate gibt. Sie verglichen die Behandlungen in XXXX und Tiflis wortwörtlich so: "Man könnte es so vergleichen, dass man mit einem alten Auto oder mit einem neuen Auto fährt, man kommt schon ans Ziel, aber man fühlt sich nicht so komfortabel." (vgl. S. 4).
Es steht Ihnen in Georgien frei, sich auch in Tiflis Dialyse-Behandlungen zu unterziehen, wenn Sie diese Behandlungen dort als angenehmer bzw. besser empfinden.
Zu Ihrer Aussage, man verwende bei den Dialyse-Behandlungen in Georgien "seit dem Regierungswechsel vor ca. 4-5 Jahren billige türkische Filter" anstatt deutscher Filter, ist auf
Das aktuelle Länderinformationsblatt zu Georgien zu verweisen, wonach die für die Dialyse-Behandlungen in Georgien verwendete Spezialausrüstung und Geräte wie zum Beispiel Filter von guter Qualität sind und von den Zentren in der Regel in westeuropäischen Ländern oder den USA gekauft werden (LIB 07.06.2018, Punkt 22.6. Behandlungsmöglichkeiten: Nierentransplantation und Dialyse, S. 50).
Dass Sie nach wie vor über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Georgien verfügen, gaben Sie selbst an. Auch erklärten Sie, in Ihrem Heimatland gemeinsam mit Ihrer Frau und Ihrer jüngeren Tochter in Ihrer Eigentumswohnung gewohnt und von einer Invaliditätspension gelebt zu haben. Ihre Invaliditätspension beziehen Sie nach wie vor. Den aktuellen Länderfeststellungen ist zudem das soziale Sicherungssystem Georgiens zu entnehmen. Es war daher festzustellen, dass Sie im Fall einer Rückkehr keine existenzielle Notlage zu befürchten haben.
Aus den aktuellen Länderfeststellungen ergibt sich zudem, dass Sie als rückkehrende Person, auch wenn Sie in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt haben, nach Ihrer Einreise in Ihr Heimatland mit keinerlei Problemen seitens der dortigen Behörden konfrontiert werden.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Republik Österreich Georgien als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG betrachtet, weshalb von der normativen Vergewisserung der Sicherheit Georgiens auszugehen ist.
I.6.2. Zur abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
I.6.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass kein unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Da die bP aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (§ 18 [1] 1 BFA-VG).
Weiters hielt die Behörde konkret fest:
Wenn auch in Georgien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Bundesamtes nicht gesprochen werden kann.
Zur schlechten wirtschaftlichen Lage in Georgien wird bemerkt, dass wirtschaftliche Benachteiligungen nur dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614; VwGH 30.4.1997, Zl. 95/01/0529), wofür es jedoch im gegenständlichen Fall keinerlei Anhaltspunkte gibt.
Was Ihre Erkrankung betrifft ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe eines Mitgliedstaates ist, Ungleichheiten im medizinischen Fortschritt durch die Gewährung von kostenloser und unbeschränkter Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrecht auszugleichen. Dies gilt auch, wenn die physische oder psychische Krankheit eine verringerte Lebenserwartung verursacht und eine spezielle Behandlung erfordert, die im Herkunftsland nicht ohne weiteres oder nur zu beträchtlichen Kosten erhältlich ist. Dies ist betreffend Ihren konkreten Sachverhalt der Fall.
Soweit die Beschwerde die mit einer Behandlung verbundene finanzielle Belastung ins Treffen führt, wird kein im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK wesentlicher Aspekt angesprochen. Dem Umstand schließlich, dass der Beschwerdeführer auch unter medizinischen Gesichtspunkten schwierigere Verhältnisse vorfinden würde als in Österreich, kommt unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. insbesondere das Urteil des EGMR vom 6.2.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich; VwGH 7.10.2003, 2002/01/0379).
Im Allgemeinen hat kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom). (VfGH 6.3.2008, Zl. B 2400/07).
Daraus ergibt sich für Ihren Fall, dass sich bloß aufgrund Ihrer Erkrankung für Sie nicht das Recht ableiten lässt, in Österreich zu bleiben, einzig um hier medizinisch behandelt zu werden. Dass Sie durch eine Abschiebung nach Georgien dem realen Risiko ausgesetzt wären, an Ihrer Krankheit unter qualvollen Umständen zu sterben, kann schon alleine anhand der Länderfeststellungen und Ihrer Darstellung Ihrer bisherigen Lebenssituation in Georgien ausgeschlossen werden. Aus diesen ergibt sich, dass Ihre medizinische Versorgung in Georgien gewährleistet ist.
Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, wonach Sie nicht in der Lage wären Ihre Grundbedürfnisse - erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme von humanitärer Hilfe und der Unterstützung von Verwandten und Freunden im Heimatland - zu decken. Sie haben bisher von Ihrer Invaliditätspension gelebt und im gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Frau und Ihrer Tochter gewohnt und es ist kein Grund ersichtlich, wonach Ihnen dies nicht auch zukünftig möglich sein sollte.
Ergänzend ist anzuführen, dass auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Georgien gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Herkunftsstaat vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen
(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/)
Betreffend die allgemeine Gefahrensituation in Ihrem Heimatstaat ist es Ihnen nicht gelungen darzulegen, dass Ihre Situation schlechter zu werten ist, als jene der übrigen Bewohner Ihres Herkunftsstaates. Vielmehr kann aus den Feststellungen zu Ihren Lebensumständen abgeleitet werden, dass Sie nicht zu einer sozialen Risikogruppe zählen.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Sie sich bei einer Rückkehr in einer derartigen Notlage befinden würden, die mit einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage gleichzusetzen wäre. Ihren Lebensunterhalt haben Sie bisher bestreiten können und könnten dies auch weiterhin tun.
Für sonstige Abschiebungshindernisse liegen ebenfalls keine Anhaltspunkte vor. Dass Sie im Fall Ihrer Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, konnte nicht festgestellt werden.
Weiter lassen sich auch aus der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation sowie der allgemeinen Sicherheitslage in Georgien keine Anhaltspunkte für die Annahme ableiten, dass im Falle einer Rückkehr in Ihre Heimat von einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für Sie als Zivilperson von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes auszugehen ist.
I.7. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass in Georgien keine adäquaten Behandlungsmöglichkeiten für die Erkrankung der bP bestünden bzw. sie sich diese nicht leisten könne.
Vorgelegt wurde von der bP:
* Ärztliche Atteste betreffend die Ehegattin und Töchter der bP aus Georgien vom 05.07.2018
I.8. Die Beschwerdevorlage langte am 19.12.2018 beim BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Die beschwerdeführende Partei
Bei der bP handelt es sich um einen Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörigen Georgier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammt und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennt.
Die bP hat in Georgien nach der Grundschule ein 5jähriges Wirtschaftsstudium abgeschlossen und hat bis vor einiger Zeit auch gearbeitet. Sie bezieht eine Invaliditätspension iHv 180 Lari. Sie hat familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und eine -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Die Ehegattin und beide Töchter leben nach wie vor in Georgien. Die Ehegattin lebt in der der Familie gehörenden Eigentumswohnung. Die ältere Tochter ist verheiratet, lebt mit Ehemann und Kindern zusammen und arbeitet im Pharmaziebereich. Die jüngere Tochter hat mittels Stipendium ein Studium abgeschlossen und arbeitet nunmehr als Lehrerin. Die Ehegattin geht unregelmäßigen Arbeiten nach. Darüber hinaus leben ein Bruder der bP und Cousins sowie Cousinen in Georgien. Ein weiterer Bruder und die Mutter der bP sind an einer Nierenerkrankung verstorben. Auch die Töchter der bP leiden an einer Nierenerkrankung, die Ehegattin an Diabetes.
Die bP hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen.
Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit einem Jahr im Bundesgebiet auf. Sie lebt von der Grundversorgung und hat einen Deutschkurs besucht. Sie ist strafrechtlich unbescholten.
Die bP leidet an einer polyzystischen Nierenerkrankung und wurde bereits vor ihrer Einreise in Österreich in Georgien deshalb behandelt, sie ist seit ca. 6 Jahren Dialysepatient. In Georgien wie auch in Österreich erhält sie 3 Mal wöchentlich eine Dialyse.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Georgien
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zum konkreten Vorbringen der bP stellte die belangte Behörde Folgendes fest (Gliederung und Umfang der Feststellungen nicht mit dem Original übereinstimmend):
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 25.6.2018, Regierungsumbildung (relevant für Abschnitt: 2. Politische Lage).
Am 13.6.2018 erklärte Premierminister Giorgi Kvirikashvili seinen Rücktritt. Als Grund wurden Meinungsverschiedenheiten mit dem Parteivorsitzenden Ivanishvili genannt, der am 11.5.2018 das Amt des Parteivorsitzenden des "Georgischen Traums" von Kvirikashvili übernommen hatte und damit in die Politik Georgiens zurückgekehrt war. Begleitet war Kvirikashvilis Rücktritt zudem von Massenprotesten (RFE/RL 20.1.2018, vgl. civil.ge 20.6.2018).
Das georgische Parlament hat am 20.6.2018 den bisherigen Finanzminister Mamuka Bakhtadze zum neuen Premierminister von Georgien gewählt und das von ihm vorgeschlagene Kabinett als Übergangsregierung bestätigt. Die parlamentarische Opposition blieb der Abstimmung geschlossen fern. Aus den eigenen Reihen erhielt Bakhtadze sechs Gegenstimmen, bei 99 Ja-Stimmen. Bakhtadze kündigte an, dass das neue Kabinett geschlossen an einem Neuzuschnitt einiger Ressorts und damit auch einer Verringerung der Zahl der Ministerien arbeiten werde (GA 21.6.2018, vgl. RFE/RL 20.6.2018). Überdies betonte Bakhtadze, dass er die Bestrebungen nach einer Mitgliedschaft sowohl in der NATO als auch der EU fortsetzen werde (RFE/RL 20.6.2018).
Quellen:
Civil.ge (20.6.2018): Bakhtadze's Cabinet Wins Confidence, https://civil.ge/archives/244788, Zugriff 25.6.2018
GA - Georgien aktuell (21.6.2018): Mamuka Bakhtadze zum Premierminister von Georgien gewählt, http://georgien-aktuell.info/de/politik/article/13762-premierminister, Zugriff 25.6.2018
RFE/RL - Radion Free Europe/Radio Liberty (20.1.2018): Georgian Parliament Approves Bakhtadze As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/georgia-parliament-approves-bakhtadze-as-prime-minister/29307191.html, Zugriff 25.6.2018
Politische Lage
Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).
Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).
Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).
Quellen:
Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018
EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018
OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018
OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):
Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018
Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,
http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018
Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,
http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).
Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).
Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):
Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).
Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018
Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018
EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018
GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018
Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018
Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018
Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,
https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung, die in der Vergangenheit systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Die dritte Reformwelle vom Dezember 2016 garantiert vor allem die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Demgegenüber neigen Politiker und andere prominente Interessenvertreter aus Wirtschaft und Medien dazu, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen pauschal politische Motive bzw. Korruption zu unterstellen. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess. Die Praxis lang andauernder Untersuchungshaft wurde im Fall Ugulava, des ehemaligen Bürgermeisters von Tiflis vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt und verfassungskonform beschränkt (AA 11.12.2017).
Im Dezember 2016 wurde ein Paket von Gesetzesänderungen zur Justizreform verabschiedet. Die Änderungen betrafen insbesondere die Veröffentlichung aller Entscheidungen, die schrittweise Einführung der elektronischen Zufallszuweisung von Fällen sowie das Auswahlverfahren der Richterkandidaten und das Disziplinarverfahren (Schaffung der Institution des Untersuchungsinspektors). Die Änderungen betrafen jedoch nicht andere, seit langem bestehende Punkte, einschließlich der Anwendung der Probezeit. Eine erste umfassende Justizstrategie und ihr fünfjähriger Aktionsplan wurden vom Hohen Rat der Justiz im Mai 2017 angenommen. Dieser sieht spezifische Maßnahmen und Indikatoren in den Kapiteln Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht, Qualität und Effizienz sowie Zugang zur Justiz vor. In Bezug auf den Zugang zur Justiz sind die vom Hohen Rat der Justiz (HCoJ) eingeführten Verfahren zur Ernennung von Richtern und Gerichtspräsidenten sowie die Disziplinarverfahren allerdings nicht vollständig transparent und rechenschaftspflichtig. Die neue Verfassung führte die Ernennung von Richtern des Obersten Gerichtshofs durch das Parlament auf Vorschlag des Obersten Gerichtshofs sowie die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit ein. Im Januar 2017 wurden die Geschworenenprozesse, die 2010 beim Stadtgericht von Tiflis eingeführt wurden, auf andere Regionen Georgiens und auf weitere Arten von Vergehen ausgeweitet. Anfang 2017 wurden die Strafverfolgungsstrategie, der neue Ethikkodex und ein Beurteilungssystem für Staatsanwälte verabschiedet (EC 9.11.2018).
Die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Justiz ist nach wie vor ein erhebliches Problem, ebenso wie der Mangel an Transparenz und Professionalität bei den Verfahren. Im Jahr 2017 äußerten sich Oppositionelle und andere besorgt darüber, dass die politische Einmischung ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei, so die Rückgabe des TV Senders "Rustavi 2" an seinen ehemaligen Miteigentümer, der mit der Regierungspartei Georgischen Traum verbunden ist. Das Urteil wurde allerdings später vom Europäischen Gericht für Menschenrechte aufgehoben (FH 1.2018, vgl. AI 22.2.2018).
Ende Mai 2018 musste der Generalstaatsanwalt Georgiens vor dem Hintergrund von Protesten zurückgetreten, in denen tausende Demonstranten ihre Empörung über ein, ihrer Meinung nach, unfaires Gerichtsurteil im Mordfall von zwei Schülern in Tiflis zum Ausdruck brachten (CK 5.6.2018). Die Demonstranten glaubten, dass andere als die beiden Beschuldigten für den Tod verantwortlich waren und der Strafe entkamen, weil ihre Verwandten in der Generalstaatsanwaltschaft arbeiteten (RFE/RL 4.6.2018). Führende NGOs des Landes haben sich geweigert, sich an der Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes unter der Leitung von Justizministerin Teya Tsulukiani zu beteiligen, sondern haben im Gegenteil deren Rücktritt gefordert (CK 5.6.2018, vgl. JAMnews 6.6.2018). Das Parlament hat am 31.5.2018 als Reaktion auf die Entlassung der Beschuldigten durch das Gericht in Tiflis eine Untersuchungskommission zum Mordfall eingerichtet (civil.ge 6.6.2018). Die Demonstrationen haben die Ansicht mancher Georgier über Korruption und eine Atmosphäre der Straflosigkeit in der herrschenden Elite des Landes widergespiegelt (RFE/RL 4.6.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 17.4.2018
Caucasian Knot (5.6.2018): Activists demand resignation of Georgia's MoJ head, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43375/, Zugriff 7.6.2018
Civil.ge (6.6.2018): Parliament Approves Teen Murder Probe Commission, https://civil.ge/archives/243789, Zugriff 7.6.2018
EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 17.4.2018
JAMnews (6.6.2018): Georgian NGOs demand resignation of Minister of Justice, https://jam-news.net/?p=106350, Zugriff 7.6.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (4.6.2018): Georgian Protest Leader Gives Authorities Progress Ultimatum, https://www.rferl.org/a/tbilisi-subway-workers-strike-as-new-antigovernment-protests-expected/29270264.html, Zugriff 7.6.2018
Sicherheitsbehörden
Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht durchgeführt worden (AA 11.12.2017).
Meinungsumfragen zeigen einen Rückgang des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Strafverfolgungssystem. Umfragen zufolge waren 2013 noch 60% der Georgier und Georgierinnen mit der Leistung der Polizei zufrieden. Dieser Wert fiel jedoch im April 2017 Jahres auf 38%. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Unzufriedenen mit der Polizei von einem einstelligen Prozentwert auf 14% (NDI/CRRC 4.2017).
Hochrangige Zivilbehörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst aus. Die zivilen Behörden behielten jedoch die effektive Kontrolle über das Verteidigungsministerium bei. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungs- und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die nationale und internationale Aufmerksamkeit für Straflosigkeit hat zugenommen (USDOS 20.4.2018).
Georgien verfügt nicht über einen wirksamen unabhängigen Mechanismus zur Untersuchung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden. Wenn Ermittlungen eingeleitet werden, führen sie häufig zu Anklagen, die geringere, unangemessene Sanktionen wie Amtsmissbrauch nach sich ziehen und selten zu Verurteilungen führen. Die Behörden weigern sich oft, denen, die Missbrauch vorwerfen, einen Opferstatus zu gewähren, und nehmen ihnen die Möglichkeit, die Ermittlungsakten einzusehen (HRW 18.1.2018).
Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen durch Strafverfolgungsbeamte blieb bestehen, während die Regierung weiterhin einen unabhängigen Ermittlungsmechanismus versprach, aber nicht einführte. Im Juni 2017 schlug die Regierung statt eines unabhängigen Ermittlungsmechanismus eine neue Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft vor, die den mutmaßlichen Missbrauch durch Strafverfolgungsbeamte untersuchen sollte (AI 22.2.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425371.html, Zugriff 18.4.2018
Eurasianet (5.7.2017): Georgia: Are the Police Backsliding? https://eurasianet.org/s/georgia-are-the-police-backsliding, Zugriff 18.4.2018
HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422446.html, Zugriff 17.4.2018
NDI/CRRC - National Democratic Institute/Caucasus Research Resource Centers (4.2017): Public attitudes in Georgia Results of a April 2017 survey carried out for NDI by CRRC Georgia, https://www.ndi.org/sites/default/files/NDI_April_2017_political%20Presentation_ENG_version%20final.pdf, Zugriff 18.4.2018
USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 23.5.2018
Ombudsperson
Die georgische Ombudsperson ist eine Verfassungsinstitution, welche den Schutz der Menschenrechte und Freiheiten innerhalb der Jurisdiktion überwacht. Die Ombudsperson stellt Verletzungen der Menschenrechte fest und trägt zu deren Wiederherstellung bei. Die Ombudsperson ist unabhängig in seinen Aktivitäten und gehört zu keiner Regierungsstelle. Sie überwacht die staatlichen Stellen, die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften, öffentliche Institutionen und Offizielle. Die Ombudsperson untersucht Menschenrechtsverletzungen sowohl auf der Basis eigener Initiative als auch infolge von erhaltenen Ansuchen. Sie unterbreitet Vorschläge und Empfehlungen in Bezug auf die Gesetzgebung und Gesetzesvorlagen aber auch in Richtung öffentlicher Institutionen aller Ebenen in Hinblick auf Menschen- und Grundrechtsfragen. Sie erfüllt gleichzeitig die Rolle als Nationaler Präventiver Mechanismus (NPM) im Sinne des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe der Vereinten Nationen (PD 2014).
Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben (AA 11.12.2017).
NGOs zei