TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/3 W199 2117199-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GebAG §18 Abs1 Z2 litb
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W199 2117199-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg vom 13.8.2015, Zl. 13 Cg 10/14x, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 1 GebAG stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Gebühren des Beschwerdeführers hinsichtlich der Entschädigung für Zeitversäumnis mit 1157,70 Euro anstelle von 113,60 Euro bestimmt werden, sodass die Summe der bestimmten Gebühren 1272,80 Euro beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein in Wien ansässiger Zahnarzt, wurde mit Ladung vom 27.5.2015 als Zeuge zu einer Streitverhandlung betreffend eine Zivilrechtssache vor dem Landesgericht Salzburg (in der Folge: Landesgericht) am 18.6.2015 geladen und in dieser Verhandlung zwischen 11 Uhr und 11 Uhr 35 als Zeuge einvernommen.

Mit Schreiben vom 2.7.2015 machte der Beschwerdeführer seinen Gebührenanspruch geltend und brachte ua. sinngemäß vor, er habe auf Grund seiner Anwesenheit als Zeuge seine Ordination für einen Tag "still legen" müssen. Seine Ordinationszeiten seien am Montag, Dienstag und Donnerstag 9 bis 12 Uhr 30 und 14 bis 18 Uhr, am Mittwoch 8 bis 12 Uhr und am Freitag 9 bis 13 Uhr. Die für jenen Tag, einen Donnerstag, vorgesehenen Ordinationszeiten seien 9 bis 12 Uhr 30 sowie 14 bis 18 Uhr gewesen. Ausgehend von der Höhe seines steuerpflichtigen Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit 2014 (entsprechend einer dem Schreiben beigelegten Bestätigung eines Steuerberaters) von 221.259,86 Euro sowie den jährlich geleisteten Arbeitsstunden (auf Grundlage der Ordinationszeiten sowie von 236 Arbeitstagen pro Jahr, ds. 47 Wochen und ein Tag) ergebe sich ein (durchschnittlicher) Betrag von 154 Euro pro Stunde. Abschließend ist ein Betrag von 1160 Euro genannt, der den beanspruchten Verdienstentgang darstellt und auch als solcher in einem beigelegten Formular "Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung" eingetragen ist.

Mit Schreiben vom 3.7.2015 wies die Kostenbeamtin des Landesgerichtes - offenbar (ohne dass dies aus dem Briefkopf hervorginge) namens der belangten Behörde, nämlich des Präsidenten des Landesgerichtes - den Beschwerdeführer ua. darauf hin, dass zum Nachweis der Höhe des Einkommensentganges nicht die Ermittlung eines fiktiv nach Durchschnittssätzen errechneten Einkommens oder der Verweis auf Honorarrichtlinien genüge. Sie forderte den Beschwerdeführer auf, hinsichtlich des geltend gemachten Einkommensentganges die erforderlichen Bescheinigungsmittel binnen vierzehn Tagen vorzulegen.

Mit Schreiben vom 21.7.2015 brachte der Beschwerdeführer ua. vor, er erhebe bezüglich des ihm aus der Erfüllung seiner Zeugenpflicht entstandenen "Schadens aus Zeitversäumnis" Anspruch auf 1480 Euro. Dazu verwies er auf Kalkulationen der Wiener Wirtschaftsuniversität, wonach ein Wiener Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mindestens 185 Euro in der Stunde umsetzen müsse, bevor er die Gewinnzone erreiche.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid bestimmte die belangte Behörde die Gebühren des Beschwerdeführers für die Teilnahme an der Verhandlung mit insgesamt 228,70 Euro. Im Spruch des Bescheides sind mehrere Posten tabellarisch aufgeschlüsselt, dabei wurde die Gebühr für den Posten "3) Entschädigung für Zeitversäumnis" mit 113,60 Euro bestimmt. (Gegen die übrigen Posten erhebt die Beschwerde keine Bedenken; sie sind daher für das Beschwerdeverfahren nicht von Bedeutung.)

Begründend gibt die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang wieder und führt ua. sinngemäß aus, die Aufstellungen und die Bestätigung, die der Beschwerdeführer vorgelegt habe, stellten nur einen fiktiv errechneten Betrag dar, bescheinigten aber nicht, welche Geschäfte dem Beschwerdeführer konkret entgangen seien. Da sich aus ihnen die selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers unzweifelhaft ergebe, sei die Pauschalentschädigung von 14,20 Euro je Stunde für einen achtstündigen Arbeitstag, somit 113,60 Euro, zuzusprechen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 2.9.2015 persönlich zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 28.9.2015, und zwar hinsichtlich der Bestimmung der Entschädigung für Zeitversäumnis ("Abweisung des Mehrbegehrens von € 1.121,20"). Dieser waren Auszüge aus den Websiten der Landeszahnärztekammer Wien und des XXXX, ein Auszug aus der Gerichtssachverständigen-Liste sowie die Steuererklärung des Beschwerdeführers für 2014 beigelegt.

In der Beschwerde heißt es, der Beschwerdeführer könne keine detaillierte Angaben zu den Tätigkeiten machen, die er am Tag seiner Einvernahme hypothetisch durchgeführt hätte, weil es in einer normalen Kassen-Ordination üblich sei, dass die Patienten mit unspezifischen Anliegen Termine vereinbarten und sich erst bei der Untersuchung herausstelle, welche Tätigkeiten notwendig seien. Darüber hinaus bestünden etwa 20 % der täglichen Arbeit des Beschwerdeführers darin, Patienten mit akuten Beschwerden zu behandeln, welche die Ordination kurzfristig aufsuchten. Es sei ihm auch nicht möglich, Auszüge aus seinem Terminkalender vorzulegen, da die Kalenderblätter aus Datenschutzgründen regelmäßig von den Ordinationsmitarbeiterinnen vernichtet würden. Der 18.6.2015 wäre aber ein Ordinationstag wie jeder andere gewesen, sodass dem Beschwerdeführer der Verdienst aus der Behandlung von rund 30 bis 40 Patienten entgangen sei.

Der Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, in der Regel (Kursivdruck in der Beschwerde) bezeichnet, beschrieben und bescheinigt werden können ("zB VwGH 93/17/0329 RS 10"; di. VwGH 15.4.1994, 93/17/0329, Rechtssatznummer 10 im Rechtsinformationssystem des Bundes), sei daher im vorliegenden Fall so "anzuwenden", dass gerade keiner diese Regelfälle vorliege. Die versäumten Tätigkeiten, die ohne Zweifel angefallen wären, könnten im vorliegenden Fall nur nach allgemeinen Gesichtspunkten beschrieben werden. Die Auslegung durch die belangte Behörde führe dazu, dass es dem Beschwerdeführer faktisch unmöglich gemacht werde, einen Verdienstentgang geltend zu machen, den er dem Grunde nach nachweislich erlitten habe. Es wäre daher geboten gewesen, auf Basis des dem Grunde nach glaubhaft gemachten Verdienstentgangs eine Entschädigung über dem Pauschale zuzusprechen (wobei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch die Schätzung ausdrücklich zulasse).

Die Ordination des Beschwerdeführers sei täglich vollkommen ausgelastet. Die Termine innerhalb der Ordinationszeiten zu verschieben, sei daher unmöglich. Der Beschwerdeführer könne die Ordination auch nicht an einem zusätzlichen Nachmittag öffnen (er ordiniert an zwei Tagen nur vormittags), da er in der verbleibenden Zeit als Referent bei der Landeszahnärztekammer Wien, beim XXXX-Institut und als Gerichtssachverständiger tätig sei.

Seinen Einkommensausfall habe der Beschwerdeführer bereits ausreichend nachgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs reiche es für den Nachweis des Einkommensentgangs der Höhe nach aus, dass der Zeuge auf in einem vergleichbaren Zeitraum verrechnete Durchschnittssätze verweise (Hinweis auf VwGH 20.6.2012, 2008/17/0070). Die Beschwerde bezieht sich auf zwei mögliche Berechnungsarten, nämlich jene, die dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 11.7.2015 (gemeint: vom 2.7.2015, datiert mit 1.7.2015) zugrundeliege, und jene, bei der die frustrierten Fixkosten herangezogen würden (di. offenbar die Berechnungsart, die der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 21.7.2015 anwandte). Die Beschwerde entscheidet sich für die erste Berechnungsart: Lege man das steuerpflichtige Einkommen für 2014 zugrunde und teile man es auf die 47 Wochen auf, in denen die Ordination geöffnet sei, dann ergebe sich ein Wochenverdienst von 4707,66 Euro; bei einer Wochenarbeitszeit (gemeint: Wochenordinationszeit) von 30,5 Stunden ergebe sich ein Stundensatz von 154,35 Euro.

Die Beschwerde macht weiters verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gebührenbestimmung bei einem sachverständigen Zeugen geltend, denen dadurch Rechnung getragen werden könne, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Entschädigung für Zeitversäumnis nicht derart streng ausgelegt würden, dass eine Glaubhaftmachung des Verdienstentgangs faktisch unmöglich gemacht werde. In diesem Sinne seien dem Beschwerdeführer bei verfassungskonformer Auslegung die geltend gemachten Gebühren zuzusprechen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Parteien des Grundverfahrens am 18.11.2015 die Beschwerde (iSd § 10 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 [in der Folge: VwGVG]) und räumte ihnen eine Frist für allfällige Stellungnahmen ein. Keine von ihnen äußerte sich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien selbständig erwerbstätig. Im fraglichen Zeitraum waren seine Ordinationszeiten am Montag, Dienstag und Donnerstag 9 bis 12 Uhr 30 und 14 bis 18 Uhr, am Mittwoch 8 bis 12 Uhr und am Freitag 9 bis 13 Uhr. Der Beschwerdeführer erzielte 2014 ein steuerpflichtiges Einkommen aus seiner ärztlichen Tätigkeit von 221.259,86 Euro. Die Ordination war 2014 an 236 Arbeitstagen geöffnet.

Der Beschwerdeführer ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, er war im fraglichen Zeitraum Direktor des XXXX (di. das Zahnärztliche Fortbildungsinstitut - XXXX der Landeszahnärztekammer Wien), weiters ist er Mitglied des Landesausschusses der Landeszahnärztekammer Wien und leitet dort das Referat XXXX.

Der Beschwerdeführer reiste von Wien nach Salzburg, wurde dort am 18.6.2015, einem Donnerstag, als Zeuge einvernommen und reiste wieder nach Wien zurück. Er musste deshalb an diesem Tag seine Ordination geschlossen halten. Wäre die Ordination geöffnet gewesen, dann hätte er an diesem Tag wie an jedem anderen Ordinationstag Patienten behandelt, die zT ohne Voranmeldung gekommen wären. Diese Ordinationsstunden auf freie Nachmittage (Mittwoch oder Freitag) zu verlegen, war ihm nicht möglich, da er seinen Aufgaben als Sachverständiger, als Leiter des XXXX-Instituts und als Mitglied des Landesausschusses seiner Kammer nachkommen musste und dafür diese Halbtage nutzte.

Durch die Teilnahme an der Verhandlung ist dem Beschwerdeführer daher Verdienst entgangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem Akt des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

2.2. Gemäß § 19 Abs. 2 Gebührenanspruchsgesetz BGBl. 136/1975 (in der Folge: GebAG) hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet "bescheinigen", dass der Organwalter, der über den Anspruch zu entscheiden hat, von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn nur für wahrscheinlich halten muss (VwGH 18.9.2000, 96/17/0360; 25.5.2005, 2004/17/0004; 8.9.2009, 2008/17/0235; 20.6.2012, 2010/17/0099).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage der Bescheinigung von jener der Behauptung eines konkreten Vermögensschadens zu unterscheiden. Es ist jedenfalls zu fordern, dass der selbständig erwerbstätige Zeuge konkret den Entgang einer oder mehrerer Verdienstmöglichkeiten behauptet, was in vielen Fällen durchaus eine Aufgliederung erforderlich machen wird. Für die Dartuung eines solcherart konkret behaupteten Vermögensschadens begnügt sich das Gesetz jedoch mit einer Bescheinigung (Glaubhaftmachung); das heißt, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss. Ob hiefür die bloßen Behauptungen des Antragstellers genügen, ist von Fall zu Fall zu prüfen. Das Organ hat sich nicht notwendig mit der Frage zu beschäftigen, ob die einzelnen Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens widerspruchsfrei die volle Überzeugung vom Vorliegen des festzustellenden Sachverhaltes herzustellen vermögen, es darf das Bescheinigungsverfahren jedenfalls beenden, sobald dessen Ergebnisse ausreichen, die Richtigkeit des behaupteten Anspruches für (bloß) wahrscheinlich zu halten (VwGH 25.5.2005, 2004/17/0004).

2.3. Der Beschwerdeführer verwies auf sein steuerpflichtiges Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit 2014 und übermittelte dazu eine Bestätigung eines Steuerberaters sowie seine Steuererklärung für 2014.

Der Beschwerdeführer betreibt eine "Kassenpraxis", dh. eine Ordination, die von Versicherten frequentiert wird und die daher üblicherweise zu den Öffnungszeiten aufgesucht werden kann, ohne dass unbedingt eine Voranmeldung erforderlich wäre. Auch soweit sich Patienten hätten im Vorhinein anmelden müssen oder angemeldet hätten und daher auf einen anderen Ordinationstag hätten verwiesen werden können, wäre dies letztlich zu Lasten der Termine anderer Patienten gegangen, sodass dem Beschwerdeführer jedenfalls auch bei Verschiebungen ein Verdienstausfall entstanden wäre. Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf hätten uU einen anderen Zahnarzt aufgesucht. Auch wenn es sich beim Zahnarzt um einen freien Beruf handelt, ähnelt die Situation tw. jener eines Gewerbetreibenden, der seinen Umsatz zT auch aus der "Laufkundschaft" macht.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer den geltend gemachten Verdienstausgang bescheinigt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Dies ist bei Rechtssachen nach dem GebAG der Fall, wie sich aus § 1 Z 5 lit. c und § 6 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes BGBl. 288/1962 (GEG) ergibt.

3.2. Gemäß § 1 VwGVG idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, unberührt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Zu A)

1.1. Die einschlägigen Vorschriften des GebAG lauten:

§ 1 GebAG steht unter der Überschrift "Anspruch" und lautet:

"(1) Natürliche Personen, die als Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Geschworene, Schöffinnen und Schöffen in gerichtlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) tätig sind, haben Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz. Dies gilt nicht für dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur gemäß § 75 Abs. 4 ASGG oder § 126 Abs. 2a StPO zur Verfügung gestellte Dolmetscherinnen und Dolmetscher.

(2) Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden."

Abs. 1 des § 2 GebAG, der unter der Überschrift "Begriff.

Anspruchsberechtigung" steht, lautet:

"Als Zeuge im Sinn dieses Bundesgesetzes ist jede Person anzusehen, die innerhalb oder außerhalb eines förmlichen gerichtlichen Beweisverfahrens zu Beweiszwecken, aber nicht als Sachverständiger, Partei oder Parteienvertreter gerichtlich vernommen oder durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen der Befundaufnahme beigezogen wird."

Abs. 1 des § 3 GebAG, der unter der Überschrift "Umfang der Gebühr" steht, lautet in seinem Zusammenhang:

"(1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet."

Abs. 1 erster Satz des § 4 GebAG, der unter der Überschrift "Anspruchsvoraussetzungen" steht, lautet:

"Der Anspruch auf die Gebühr steht dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist."

§ 18 GebAG steht unter der Überschrift "Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis" und lautet:

"(1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen

1. 12,10 Euro für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen."

Dem Betrag in § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG ist gemäß § 1 Abs. 1 der V BGBl. II 134/2007 ein Zuschlag von 17 vH hinzuzurechnen, sodass sich gemäß Z 4 der Anlage zu dieser Verordnung der Betrag von "14,20 €" ergibt.

Abs. 2 des § 19 GebAG, der unter der Überschrift "Geltendmachung der Gebühr" steht, lautet:

"Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2), zu bescheinigen."

1.2. Zwischen den Parteien des Verfahrens besteht Streit nur darüber, in welcher Höhe dem Beschwerdeführer Entschädigung für Zeitversäumnis gebührt. Bezüglich der übrigen im angefochtenen Bescheid angeführten Punkte (Reise- und Aufenthaltskosten) besteht kein Streit.

1.2.1. Der Beschwerdeführer hat nicht eine Entschädigung für Zeitversäumnis beantragt, die nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG zu bemessen wäre, sondern "anstatt" dieser Entschädigung - gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG - "das tatsächlich entgangene Einkommen".

1.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs "kann beim selbstständig Erwerbstätigen von einem tatsächlichen Einkommensentgang nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging" (statt vieler VwGH 20.6.2012, 2008/17/0070, mwN). Dabei ist das tatsächlich entgangene, nicht ein nach Durchschnittssätzen zu berechnendes Einkommen zu ersetzen (zB VwGH 14.12.2011, 2007/17/0124). Die Berufung auf einen mit Zeugeneinvernahmen in der Regel verbundenen Verdienstausfall kann ein konkretes Vorbringen betreffend einen bestimmten Einkommensverlust nicht ersetzen. Es kommt weder auf die Stundensätze nach den Allgemeinen Honorarrichtlinien noch auf die beim selbständig Erwerbstätigen auflaufenden Fixkosten an (VwGH 30.10.1991, 91/17/0105). Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der einem Selbstständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG nicht verschlossen ist (VwGH 8.9.2009, 2007/17/0161). Eine solche Schätzung wäre aber nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (zB VwGH 25.2.2002, 98/17/0097). Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 28.4.2003, 2000/17/0065; 8.9.2009, 2007/17/0161).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verlorenging. Es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern - sollte dies zutreffen - jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329).

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Höhe der Entschädigung für Zeitversäumnis. Hinsichtlich der übrigen zuerkannten Zeugengebühren erhebt die Beschwerde keine Einwände.

2.2. Den Feststellungen zufolge ist der Beschwerdeführer selbständig erwerbstätig, konnte auf Grund seiner Teilnahme an der Verhandlung am 18.6.2015 seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen und hat dadurch einen Verdienstentgang erlitten.

Dem nach der Rechtsprechung bestehenden Erfordernis, die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, zu bezeichnen, zu beschreiben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen zu bescheinigen, ist der Beschwerdeführer nachgekommen, indem er die Art seiner Ordinationstätigkeit beschrieben hat. Daraus lässt sich das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen, zumal da das Gesetz den "Schätzungsweg" nicht verschließt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass eine solche Schätzung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten ist, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbstständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (zB VwGH 25.2.2002, 98/17/0097).

Nach dem oben referierten Erkenntnis VwGH 25.2.1994, 93/17/0001, ist es Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern - sollte dies zutreffen - jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war. Diesem Erkenntnis lag, wie angemerkt sei, der Gebührenanspruch eines Zahnarztes zugrunde, der, weil er seiner Zeugenpflicht nachkam, Tätigkeiten versäumte und daher einen Einkommensentgang hatte. Das Bundesverwaltungsgericht kommt zum Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer die nach der Rechtsprechung verlangte Glaubhaftmachung gelungen ist.

Die in der Beschwerde vorgenommene Berechnung ist daher nicht zu beanstanden. Bei einem "Stundensatz" von 154,35 Euro und dem Entfall von 7,5 Ordinationsstunden ergeben sich 1157,625 Euro, die gemäß § 20 Abs. 3 GebAG "kaufmännisch auf volle 10 Cent zu runden" sind. Daher ergibt sich ein Gebührenanspruch von 1157,70 Euro.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Sie kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegensteht.

Eine mündliche Verhandlung konnte daher unterbleiben, da der Sachverhalt feststeht, eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine Verhandlung nicht zu erwarten ist und dem auch die oben genannten Vorschriften nicht entgegenstehen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Arzt, Einkommensentgang, Entschädigung, Gebührenfestsetzung,
Glaubhaftmachung, selbstständig Erwerbstätiger, Verdienstentgang,
Zeitversäumnis, Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W199.2117199.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten