TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/14 W176 2177568-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.02.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2177568-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1982, StA. Syrien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2017, Zl. 1101193003/160034401, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG), stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am XXXX 2016 wurde er durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab im Wesentlichen Folgendes an: Er stamme aus Homs und bekenne sich zum Islam. Er sei legal aus Syrien ausgereist, seinen Reisepass habe er in Slowenien verloren. Als Fluchtgrund gab er an, Syrien des Krieges wegen verlassen zu haben. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien habe er Angst um sein Leben.

2. Am 27.12.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) erstmalig niederschriftlich einvernommen, führte der Beschwerdeführer - zusammengefasst - Folgendes aus: Er sei legal ausgereist, habe jedoch seinen Reisepass in Slowenien verloren. Er stamme aus Homs, XXXX , wo er als Sunnit in einem sunnitischen Bezirk gelebt habe. In den angrenzenden Vierteln hätten Alawiten gelebt. Es habe immer Schwierigkeiten zwischen Sunniten und Alawiten gegeben. In XXXX sei eine der größten Kasernen der syrischen Geheimpolizei gewesen. Sie seien oft von ihnen bedroht worden. Es sei vom Beschwerdeführer verlangt worden, in den Reservistendienst einzurücken. Er wolle nicht kämpfen, weil er nicht töten und nicht getötet werden wolle; er wolle auch keine Gräueltaten verüben.

Sein Wohnviertel sei von der Kaserne aus mit Artillerie beschossen worden. Sein gesamter Bezirk, alle Häuser, auch jenes des Beschwerdeführers, seien vernichtet worden. Nach dem Artilleriebeschuss sei die Regierungsarmee einmarschiert und habe den Bezirk zu 100 Prozent übernommen. Die Regierung habe seinen Bezirk bombardiert, weil es auch in XXXX Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) gegeben habe. Die Regierung habe alle beschuldigt, sie nicht zu unterstützen. Die "Al Faruk"-Gruppe der FSA seien Islamisten gewesen. Er hätte aber keinen Kontakt zu ihnen gehabt.

Sein Onkel sei vom Geheimdienst festgenommen worden und habe 15 Tage im Gefängnis verbracht.

3. Mit Bescheid vom 28.10.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Zur Abweisung des Antrages im Asylpunkt wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer einer Gefährdung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention im Herkunftsland ausgesetzt war oder ist. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er Syrien aufgrund der dortigen Sicherheitslage verlassen habe, sei glaubhaft. Nicht glaubhaft sei, dass eine Einberufung zum Reservedienst für das Verlassen des Heimatlandes verantwortlich gewesen sei.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er aus der Rebellenhochburg Homs stamme, gerade sein Bezirk XXXX durch das syrische Militär wegen der Rebellenaktivität niedergebombt worden sei und der Beschwerdeführer den Reservedienst verweigere. Damit sei er im Falle einer Rückkehr nach Syrien besonders dem Risiko der Verfolgung aufgrund der ihm vom syrischen Regime zumindest unterstellten oppositionellen Überzeugung ausgesetzt. Im Rahmen der Beschwerdeerhebung legte der Beschwerdeführer auch sein Militärbuch vor.

5. Mit Schreiben vom 23.11.2017, eingelangt am 24.11.2017, legte die belangte Behörde die Beschwerden samt den Bezug habenden Verfahrensunterlagen - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

6. Am 12.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche Beschwerdeverhandlung statt, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.

Bei seiner Vernehmung gab der Beschwerdeführer u.a. Folgendes an: Er stamme aus Homs, aus dem Stadtbezirk XXXX . In Syrien halte sich nur noch seine Schwester auf, die unter Belagerung in XXXX gewesen sei, nunmehr jedoch in Damaskus lebe. Sie sei Teil eines Gefangenenaustausches der UNO gewesen und sie sei in ärztlicher Behandlung und schwer krank.

Homs sei eine der ersten Städte gewesen, die die Revolution unterstützt hätten. Der Beschwerdeführer habe dabei mitgewirkt und auch an den Demonstrationen teilgenommen. Die Bevölkerung sei hauptsächlich sunnitisch gewesen, die alawitischen Bewohner der Umgebung hätten seinen Bezirk terrorisiert. Das Regime habe viele Anhänger der Opposition festgenommen und die Gegend immer wieder bombardiert. Im März 2012 sei ein Massaker an der Bevölkerung von XXXX begangen worden. Bis zu 400 Menschen seien getötet worden; danach seien willkürlich Leute festgenommen worden, alleine aus dem Grund, dass sie Sunniten seien und aus XXXX stammten. Auch der Onkel des Beschwerdeführers sei dann festgenommen und 15 Tage später mit Folterspuren freigelassen worden. Junge Leute seien festgenommen worden mit der Behauptung, dass sie den Militärdienst ableisten müssten, tatsächlich aber getötet worden oder einfach verschwunden. Man habe nicht gewusst, ob man lebend nach Hause komme. Oft seien Leute auf der Straße von Scharfschützen erschossen worden oder unter den Trümmern begraben worden, wenn gegen Häuser schwere Waffen eingesetzt worden seien. Homs sei die Hauptstadt der syrischen Revolution gewesen und die syrische Regierung habe Homs dem Erdboden gleichmachen wollen.

Ein weiterer Onkel sei an einem Checkpoint festgehalten und mitgenommen worden, vier Tage später sei dessen Ehefrau von seinem Tod benachrichtigt worden.

Im Falle seiner Rückkehr würde der Beschwerdeführer sofort festgenommen, weil er Sunnit sei und müsste dann beim Militär dienen. Sunnitische Soldaten würden an der vordersten Front eingesetzt. Der Beschwerdeführer wolle auf keinen Fall zum Militär gehen, weil er nicht die Gräueltaten des Militärs mitmachen wolle.

Der Beschwerdeführer gab weiters an, von XXXX seinen Militärdienst bei der Flugabwehr in der XXXX abgeleistet zu haben. Er sei in der Radarabteilung in einer Raketenabwehrstation eingesetzt worden. Er könne die notwendigen Systeme bedienen oder in neueren Systemen schneller eingeschult werden.

Er habe persönlich keinen Einberufungsbefehl als Reservist bekommen, es sei jedoch verlautbart worden, dass alle Reservisten, die zwischen 1978 und 1993 oder 1994 geboren wurden, sich sofort melden müssten. Man habe auch Leute an Checkpoints einfach mitgenommen.

Auf Vorhalt, wie er sich erklären könne, dass er in diesem Zusammenhang legal aus Syrien ausreisen habe können, gab der Beschwerdeführer an, es sei ein korruptes System und die Leute könnten durch Bestechungen alles machen. Sein Vater habe u.a. einen Offizier mit einer großen Summe Geld bestochen, dann hätten sie ohne weitere Kontrolle ausreisen können. Tatsächlich sei das nicht ganz legal gewesen. Seinen Reisepass habe er in Slowenien verloren. Im Rahmen der Verhandlung wurde auch das bereits vorgelegte Militärbuch vom anwesenden Dolmetscher übersetzt. Das Ende des Militärdienstes ist dort mit XXXX eingetragen, der Beschwerdeführer ab XXXX als Reservist eingetragen. Eine Eintragung zum Ende des Reservedienstes ist nicht ersichtlich. Als Wohnort des Beschwerdeführers ist XXXX eingetragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der im Entscheidungszeitpunkt 37 Jahre alte Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und stammt aus Homs, und zwar aus dem Stadtbezirk XXXX , einem als oppositionell bekannten Gebiet.

Der Beschwerdeführer hat von XXXX seinen Wehrdienst in der Radarabteilung einer Raketenabwehrstation abgeleistet und könnte - im Falle eines allfällig abzuleistenden Militärdienstes - schneller auf neuere Abwehrsysteme eingeschult werden als andere Soldaten ohne diese Erfahrung.

Die Einziehung des Geburtsjahrgangs des Beschwerdeführers zum Reservedienst wurde verlautbart und hat sich der Beschwerdeführer dieser widersetzt.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der offiziellen syrischen Grenzkontrollen durch Bestechung aus. Er stellte am XXXX 2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht mit der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer in Hinblick auf seine dargestellte militärische Ausbildung im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum Reservedienst bei der syrischen Armee eingezogen würde. Im Falle der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes bestünde für den Beschwerdeführer wiederum die reale Gefahr, Opfer erheblicher Menschenrechtsverletzungen zu werden.

Weiters kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien wegen einer (ihm zumindest unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung Verfolgungshandlungen der syrischen Behörden von im gegebenen Zusammenhang ausreichender Intensität ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Stand 25.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 24.08.2018):

Aktuelle Lage:

Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen.

Aus https://syria.liveuamap.com/ (Stand 04.02.2019) ergibt sich, dass in Homs aktuell die syrische Regierung die Macht innehat.

Versöhnungsabkommen:

Die sogenannten Versöhnungsabkommen sind Vereinbarungen, die ein Gebiet, das zuvor unter der Kontrolle einer oppositionellen Gruppierung stand, offiziell wieder unter die Kontrolle des Regimes bringen. Die Regierung bietet, meist nach schwerem Beschuss oder Belagerung, ein Versöhnungsabkommen an, das an verschiedene Bedingungen geknüpft ist. Diese Bedingungen unterscheiden sich von Abkommen zu Abkommen. Manche der Vereinbarungen besagen z.B., dass Personen bzw. Kämpfer, welche sich nicht den Bedingungen der Vereinbarung unterwerfen wollen, mit ihren Familien nach Idlib evakuiert werden. Die übrigen Personen können 6 Monate lang eine Amnestie nutzen und können sich in dieser Zeit stellen, um den Militärdienst abzuleisten. Manche Vereinbarungen besagen auch, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden. Es ist auch möglich, dass sich Personen im zurückgewonnenen Gebiet verpflichten müssen, der Regierung zur Verfügung zu stehen, für diese zu spionieren oder Ähnliches. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist. Ein Beispiel für ein Versöhnungsabkommen waren die im März 2017 begonnenen Verhandlungen mit der Regierung über den Distrikt al-Waer in Homs. Vereinbarungen über die Freilassung von Gefangenen in der Stadt Homs durch die Regierung wurden jedoch nicht eingehalten. Nach schweren Luftschlägen durch die Regierung und nachdem auf die Freilassung der Gefangenen verzichtet wurde, wurde im April doch noch ein Abkommen erzielt, und die aufständischen Kämpfer mit ihren Familien evakuiert. Zwischen einzelnen Fraktionen, bewaffneten Banden und auch der Regierung kommt es immer wieder zu Zusammenstößen, die aber eher auf individuellen Vorfällen basieren (z.B. in Form von Vergeltungsmaßnahmen für Festnahmen, Entführungen, Mord oder Schutzgelderpressungen etc.). So kommt es trotz des Versöhnungsabkommens immer wieder zu sicherheitsrelevanten Vorfällen.

Deeskalationszonen:

Im Mai 2017 unterzeichneten Russland, der Iran und die Türkei im Rahmen der Gespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana ein Abkommen, das die Einrichtung von sogenannten Deeskalationszonen vorsieht. Die Deeskalationszonen sind jedoch keine vollkommen neue Strategie, sondern müssen als Fortsetzung der "Versöhnungsstrategie", die das Assad-Regime im Angesicht mehrerer fehlgeschlagener Vereinbarungen zu Waffenruhen anwendet, gesehen werden. Das Ziel bleibt jedoch unverändert "unversöhnliche" Bewaffnete Akteure und politische Gegner zu entfernen oder zu neutralisieren und die Gebiete wieder unter Regimekontrolle zu bringen.

Weder die syrische Regierung, noch die Opposition unterzeichneten das Abkommen von Astana. Die Gruppe Jabhat Fatah ash-Sham (ehemals Jabhat al-Nusra) ist von den Vereinbarungen ausgenommen. Also wird die Regierung Gebiete, in denen Jabhat Fatah ash-Sham aktiv ist, weiterhin bombardieren. Auch der IS ist von der Vereinbarung ausgenommen: Die syrische Regierung gab an, weiterhin gegen "Terroristen" zu kämpfen, und auch die von den USA geleitete Kampagne wird weiterhin den IS mit Luftschlägen bekämpfen. Die Deeskalationszonen erlauben es der Regierung, ihre Truppen neu zu organisieren. Es gibt noch keinen klaren Mechanismus, um Konflikte zu lösen und auf Verletzungen des Deeskalationsabkommens zu reagieren. Die Deeskalationszonen werden auch nicht unter einer gemeinsamen Richtlinie beschlossen, sondern jede Zone existiert unter individuellen Bedingungen. Im Rahmen der Astana-Gespräche und zusätzlich der "Amman-Diskussionen", zwischen den USA, Russland und Jordanien, wurden vier Deeskalationszonen ausgehandelt: Eine Zone in der Provinz Idlib und Teilen der Provinzen Lattakia, Hama und Aleppo; eine Zone im Norden der Provinz Homs; eine Zone in Ost-Ghouta in Rif-Dimashq (Damaskus-Umland) und eine Zone in Teilen Südsyriens in den Provinzen Dara'a und Quneitra.

Das Ausmaß der Kampfhandlungen in den Provinzen Hama, Homs und Idlib blieb vorerst gleich oder stieg sogar an. Die Deeskalationszone im nördlichen Homs und südlichen Hama wurde im Rahmen der "Kairo-Diskussionen" bekannt gegeben, jedoch wurde die Ankündigung von den Akteuren vor Ort abgelehnt, weil sie sich durch die Verhandlungspartner der Opposition nicht repräsentiert sahen. Insgesamt erscheint es nicht wahrscheinlich, dass die Zone längerfristig eine oppositionelle Enklave bleiben wird.

Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein.

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein Anti-Terror-Gericht, welches 2012 eingerichtet wurde, oder ein Militärgericht handelt, obwohl es gegen die internationalen Standards für faire Prozesse verstößt, einen Zivilisten vor einem Militärgericht zu verurteilen. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", welche unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert. In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben.

Folter und unmenschliche Behandlung:

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren. Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken. Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen. Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen

17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt. Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern.

Korruption:

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von 2015 von Transparency International liegt Syrien auf Platz 173 von 176 untersuchten Ländern. Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung setzt die diesbezüglichen Regelungen jedoch nicht effektiv durch. Beamte üben regelmäßig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Regierung und anderen Behörden. Milizen verlangen beispielsweise für das Passieren von Checkpoints, die sie kontrollieren, Bestechungsgelder. In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung, und es gibt die Möglichkeit, durch Bestechung eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten.

Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weitverbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Bürger müssen häufig Bestechungsgelder zahlen, um bürokratische Angelegenheiten abschließen zu können. Seit der Krieg in Syrien ausgebrochen ist, vermeiden Syrer, die Verfolgung durch den Staat befürchten, den Kontakt zu offiziellen Institutionen. Stattdessen müssen sie - z.B. im Falle wichtiger Dokumente - auf den Schwarzmarkt zurückgreifen.

Wehr- und Reservedienst:

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden.

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt. Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst.

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden. Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Wehrdienstverweigerung/Desertion:

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt.

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist.

Reservedienst:

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert.

Allgemeine Menschenrechtslage:

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Die syrische Regierung, regierungstreue Einheiten und Sicherheitskräfte führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in der Haft umkommen bzw. getötet werden. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte.

Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen. Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Platz, Hygiene und Zugang zu medizinischer Versorgung.

Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen. Bezüglich der von Rebellen kontrollierten Bevölkerungszentren setzte die Regierung auf die Strategie, diese vor die Wahl zu stellen, aufzugeben oder zu (ver)hungern, indem sie Hilfslieferungen einschränkte und tausende Zivilisten aus zurückeroberten Gebieten vertrieb.

Religionsfreiheit:

Die Handlungen von Seiten des Regimes haben dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskalierte, was zu willkürlichen Angriffen gegen Zivilisten, auf Basis ihrer Identität und wahrgenommenen Verbindung mit der Regierung oder der Opposition, führte. Auch die vermehrte Beteiligung von internationalen Akteuren verstärkte die konfessionellen Spannungen.

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab.

Dies führte dazu, dass manche Mitglieder religiöser Minderheiten die Regierung Präsident Assads als ihren einzigen Beschützer gegen gewalttätige sunnitisch-arabische Extremisten sehen. Gleichzeitig sehen sunnitische Araber viele der syrischen Christen, Alawiten und schiitischen Muslime aufgrund ihrer fehlenden Unterstützung oder Neutralität gegenüber der syrischen Revolution als mit der syrischen Regierung verbündet an.

Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär.

Bewegungsfreiheit:

Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der sogenannte Islamische Staat (IS) wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an. In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung. Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern.

Rückkehr:

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert.

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien. Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können.

Aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (November 2017, 5. aktualisierte Fassung):

Die syrische Regierung hat schon vor dem Ausbruch des aktuellen Konflikts abweichende politische Meinungen nicht bzw. nur in sehr begrenztem Umfang geduldet. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen der Opposition und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände reagierte die Regierung Berichten zufolge mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Bei der Frage, wo die politische Opposition beginnt, wendet die Regierung laut Berichten sehr weite Kriterien an: Kritik, Widerstand oder schon unzureichende Loyalität gegenüber der Regierung in jeglicher Form - so auch friedliche Proteste, die organisiert oder spontan im Rahmen einer politischen Partei oder auf individueller Ebene virtuell im Internet oder auf der Straße kundgetan wurden - führten Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Mitglieder oppositioneller Parteien, Teilnehmer von Protesten gegen die Regierung, Aktivisten, Wehrdienstentzieher und Deserteure, bestimmte Berufsgruppen (z. B. Journalisten und Bürgerjournalisten, Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen, Ärzte, Hochschuldozenten) und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, durch Vergeltungsmaßnahmen in Form von Reiseverboten, Enteignungen, Zerstörung ihres Privateigentums, Zwangsvertreibungen, willkürlichen Verhaftungen, Isolationshaft, Folter und sonstigen Formen der Misshandlung sowie summarischen und extra-legalen Hinrichtungen bestraft wurden. Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden Berichten zufolge häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben.

Seit 2011 wird in zahlreichen Berichten von weitverbreiteten und systematischen willkürlichen Festnahmen und dem Verschwindenlassen von Männern und männlichen Jugendlichen berichtet, wovon insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, sunnitische Araber aus Gebieten betroffen sind, die derzeit oder früher von oppositionellen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden bzw. wurden. Berichten zufolge werden sie aufgrund ihrer vermeintlichen Teilnahme an Kämpfen gegen die Regierung, ihrer vermeintlichen Unterstützung bewaffneter Gruppen oder ganz allgemein wegen ihrer vermeintlich oppositionellen Ansichten ins Visier genommen. Die Festnahmen beruhen laut Meldungen oft allein darauf, dass ein Mann oder Junge aus einem Gebiet stammt, das mit der Opposition in Verbindung gebracht wird. Die weitverbreiteten Festnahmen finden Berichten zufolge vor allem an Kontrollstellen, bei Razzien in wiedereroberten Gebieten und bei Evakuierungen statt, jedoch auch an öffentlichen Orten (einschließlich Krankenhäusern, Behörden, Flughäfen und Grenzübergängen).

Berichten ist zu entnehmen, dass die Regierung im Allgemeinen weiterhin Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppen in Erscheinung treten oder (zumindest zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, mit der bewaffneten Opposition in Verbindung bringt. Dies ist Berichten zufolge Teil einer umfassenden Politik, die Zivilpersonen aufgrund ihrer Verbindungen ins Visier nimmt, wenn sich die Betroffenen in einem Gebiet aufhalten oder aus einem Gebiet stammen, das als regierungsfeindlich angesehen wird und/oder dem Lager der bewaffneten Opposition zugerechnet wird. Es wurde gemeldet, dass Zivilpersonen in diesen Gebieten zahlreichen Bestrafungen unterzogen wurden. Dies beinhaltet Massenverhaftungen, Folter, sexuelle Gewalt insbesondere der Einsatz von Vergewaltigungen als Kriegswaffe, extra-legale Hinrichtungen durch die Streitkräfte der Regierung und regierungsnahe Gruppen im Rahmen von Bodenoffensiven, Hausdurchsuchungen und an Kontrollstellen sowie umfassenden Artilleriebeschuss und Luftangriffe.

UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen.

In Syrien ist Wehrdienstentziehung eine Straftat. Unabhängige Beobachter weisen darauf hin, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politische, regierungsfeindliche Handlung angesehen wird, was zur Folge haben kann, dass der Person, die sich dem Wehrdienst entziehen wollte, eine Strafe droht, die über die regulären Sanktionen für die Straftat der Wehrdienstentziehung hinausgeht, insbesondere durch strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie - nach Einziehung - im Militärdienst. In der Praxis droht Wehrdienstentziehern Berichten zufolge statt einer strafrechtlichen Sanktion (Haftstrafe) nach dem Militärstrafgesetzbuch der Einsatz an vorderster Front innerhalb von Tagen oder Wochen nach der Festnahme - oftmals nach nur minimaler militärischer Ausbildung.

Aufgrund der zahlreichen Wehrdienstentzieher, Deserteure und Todesfälle bemühen sich Armee und Sicherheitsdienste laut den Berichten verstärkt darum, syrische Männer einzuziehen und Reservisten zu mobilisieren. Außerdem wurde gemeldet, dass verstärkte Anstrengungen unternommen wurden, um Wehrdienstentzieher zu identifizieren und festzunehmen, einschließlich an mobilen und festen Kontrollstellen, bei Razzien, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen öffentlicher Transportmittel. In Gebieten, die die Streitkräfte der Regierung von bewaffneten oppositionellen Gruppen zurückerobert haben, wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter Berichten zufolge in großer Zahl festgenommen, um in die Armee eingezogen zu werden. In der Haft drohen Wehrdienstentziehern Folter und andere Formen der Misshandlung - diese Praxis ist laut Berichten in ganz Syrien verbreitet.

Abgesehen davon, dass Wehrdienstentziehung für sich genommen bereits als politische Handlung angesehen wird, können weitere Merkmale des Profils eines Wehrdienstentziehers dazu beitragen, dass die betreffende Person als nicht ausreichend regierungstreu und/oder als Unterstützer der (politischen oder bewaffneten) Opposition angesehen wird, was die Gefahr erhöht, dass der Wehrdienstentzieher Misshandlungen erfährt, die über die Bestrafung hinausgehen, die in den einschlägigen, für Wehrdienstentziehung vorgesehenen strafrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist.

UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die sich dem Pflichtwehrdienst oder dem Reservewehrdienst entzogen haben oder aus den Streitkräften desertiert sind, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen.

Zwar kommt es in Syrien nicht regelmäßig zu tiefgreifenden Konflikten zwischen Alawiten und Sunniten, doch fanden in Homs und Hama gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen statt, die vor allem dadurch ausgelöst wurden, dass Alawiten 2011 und Anfang 2012 in Homs an mehreren Massentötungen von Sunniten beteiligt waren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Syrien basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Syrien vom 25.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 24.08.2018). Das genannte Länderinformationsblatt stützt sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Weitere Feststellungen zur Situation in Syrien basieren auf den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Fassung, November 2017.

2.2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den - auch vom BFA als glaubwürdig gewerteten - Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den vorgelegten Dokumenten, insbesondere dem Militärbuch.

2.2.2. Die Feststellung, dass Homs als oppositionelles Gebiet bekannt ist, ergibt sich aus den Länderfeststellungen sowie daraus, dass in Bezug auf Homs ein Versöhnungsabkommen abgeschlossen und eine Deeskalationszone eingerichtet wurden, welches jeweils nur oppositionelle Gebiete betrifft.

2.2.3. Die Feststellungen zum Militärdienst des Beschwerdeführers bzw. zu der im Rahmen dieses Dienstes absolvierten Ausbildung ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben sowie dem vorgelegten Militärbuch.

2.2.4. Die Feststellung zu den Umständen der Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben, so ist angesichts der Länderfeststellungen über Korruption die Vorgehensweise, durch Bestechung die Grenzkontrollen zu umgehen, glaubhaft.

2.2.5. Die Feststellungen zur Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers stützen sich auf folgende Erwägungen:

Zunächst ist aufgrund der lebensnahen und im Wesentlichen mit seinem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren übereinstimmenden Schilderungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung anzunehmen, dass das Vorbringen bezüglich der drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Syrien durch das syrische Regime den Tatsachen entspricht. Der Beschwerdeführer hat angegeben, aus einem Gebiet zu stammen, das vom syrischen Regime der Opposition zugerechnet bzw. dessen Bewohnern und Bewohnerinnen vom syrischen Regime eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird. Weiters wurde verlautbart, dass Reservisten aus dem Geburtsjahrgang des Beschwerdeführers in den Reservedienst einzutreten hätten. Der Beschwerdeführer hat sich diesem Dienst jedoch durch seine Flucht entzogen und kann davon ausgegangen werden, dass ihm auch aufgrund dessen im Falle einer Rückkehr vom syrischen Regime eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte objektivierbar: Aus den Feststellungen ergibt sich, dass das syrische Regime mittlerweile wieder den Großteil des Landes beherrscht, darunter auch Homs. Homs war zuvor unter der Kontrolle der Opposition, was sich u.a. aus den Länderfeststellungen sowie daraus ergibt, dass in Bezug auf Homs ein Versöhnungsabkommen abgeschlossen und eine Deeskalationszone eingerichtet wurden, welches jeweils nur oppositionelle Gebiete betrifft. Die Justiz ist politischen Einflüssen ausgesetzt; Oppositionelle und Zivilisten werden vom syrischen Regime oder verbündeten Milizen gefoltert. Als nicht ausreichend regimetreu wahrgenommen zu werden kann schon reichen, um festgenommen (und in weiterer Folge gefoltert) zu werden; es ist sogar ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien, dass Personen aufgrund ihrer tatsächlichen, wahrgenommenen oder zugeschriebenen politischen Meinung angegriffen werden. Diese Zuschreibung kann auch auf der Herkunft aus einem bestimmten Gebiet basieren, das als "regierungsfeindlich" gilt.

Auch die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, etwa über die Folter seines einen und das Verschwindenlassen seines anderen Onkels, die Belagerung und den Beschuss von Homs sowie die dortigen Konflikte zwischen Sunniten und Alawiten sind mit den bekannten Länderinformationen in Einklang zu bringen.

In Hinblick auf das somit glaubwürdige Vorbringen, der Beschwerdeführer würde aus Homs stammen und hätte sich der Verlautbarung des syrischen Regimes, als Reservist in den Militärdienst einzutreten, widersetzt, kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien eine regimekritische bzw. oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt und er aufgrund dessen verfolgt wird.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (5., aktualisierte Fassung), wonach Personen, die sich dem Reservedienst entzogen haben bzw. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen, die als regierungsfeindlich angesehen werden - je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe - wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in diese von UNHCR angeführten Risikogruppen fällt (zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 16.1.2008, 2006/19/0182, m. w.N.).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stützt sich auf eine aktuelle Abfrage des Strafregisters.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/-20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.200

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten